Pierre Bergé

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Pierre Bergé, 2012

Pierre Vital Georges Bergé (* 14. November 1930[1] auf der Île d’Oléron; † 8. September 2017[2] in Saint-Rémy-de-Provence[3]) war ein französischer Unternehmer und Mäzen.

Leben und Werk

Bergés Mutter Christiane war eine Grundschullehrerin, die nach der Montessoripädagogik unterrichtete,[4] und eine Amateursängerin (Sopran). Sein Vater war als Finanzbeamter (Steuerinspektor) tätig. Bergé wurde von seinen Eltern, die sich für eine sozialistische Politik engagierten, „liberal, tolerant, ja anarchistisch“ erzogen.[5] Er besuchte die Schule Lycée Eugène Fromentin in La Rochelle. Wenige Monate vor dem Baccalauréat zog er 1948 nach Paris, um Schriftsteller oder Journalist zu werden.[1] Dort arbeitete er in mehreren Buchhandlungen und suchte die Schriftsteller Pierre Mac Orlan, Francis Carco, Jean Anouilh und vor allem Jean Cocteau auf. Er schrieb dem provençalischen Schriftsteller Jean Giono, der ihn einlud. Zwei Jahre lang blieb er bei Giono und kümmerte sich um dessen Haushalt. Giono ging neben seinem täglichen Schreibpensum vielen Aktivitäten nach und so erlernte Bergé von ihm eine strenge Zeitdisziplin.[5]

1950 bis 1958 war Bergé der Lebensgefährte und Agent des Malers Bernard Buffet, dessen Werke er später kritisch sah.[6]

Yves Saint Laurent

1958 traf Bergé den französischen Modedesigner Yves Saint Laurent und wurde zu seinem Lebensgefährten bis zu Saint Laurents Tod im Jahr 2008. Gemeinsam mit Saint Laurent gründete und baute er 1961 das Modehaus Yves Saint Laurent Couture auf. Der amerikanische Versicherungskaufmann und spätere Bankier J. Mack Robinson aus Atlanta half dem Unternehmen mit einem privaten Kredit.[7] 1966 gründete Bergé Saint Laurent Rive gauche, eine Kette von firmeneigenen Filialen, die Saint Laurents prêt-à-porter-Mode exklusiv verkaufte, aber zu geringeren Preisen als dessen Haute Couture. Robinson zog sich aus dem Unternehmen wieder zurück. Später lizenzierte Bergé die Mode Saint Laurents auch für andere Handelshäuser. Bergé galt als die entscheidende Kraft hinter allen wichtigen gemeinsamen Entscheidungen.[8] Er äußerte dazu selbst: „… since the very beginning with Yves I organised everything.“[4] 1976 trennten sich Bergé und Saint Laurent, blieben aber einander in Freundschaft verbunden und führten als Geschäftspartner das Modehaus weiter. 2008 heirateten die Beiden, um kurz vor dem Tod von Saint Laurent ein politisches Zeichen für die Homo-Ehe zu setzen.[9]

Saint Laurent und Bergé haben während ihrer 50 Jahre währenden Beziehung eine der größten privaten Kunstsammlungen Europas zusammengetragen.[10] Das Auktionshaus Christie’s und Pierre Bergé & Associés versteigerten vom 23. bis zum 25. Februar 2009 im Pariser Glaspalast Grand Palais die Sammlung[11]. Es waren 733 Objekte und Gemälde aus allen Stilepochen, die allein wegen ihrer Qualität erworben wurden. Christie′s mietete für 300.000 Euro das Grand Palais und gestaltete es für eine Million Euro aus.[12] Bei Christie’s sprach man von der „Auktion des Jahrhunderts“[13] und in der Presse nannte man die Auktion den „Verkauf des Jahrhunderts“ („la vente du siècle“).[14] Der Erlös der Versteigerung, den Bergé zunächst auf 300 Mio. Euro geschätzt hatte,[15] wurde mit 373,9 Millionen Euro übertroffen, was auch den Rekordwert für eine private Sammlung in Europa bildet.[16] Den Betrag spendete er zur einen Hälfte für medizinische Forschungsprojekte über AIDS und zur anderen Hälfte an seine Stiftung «Fondation Pierre Bergé – Yves Saint Laurent», die sich dem Erhalt und der Präsentation des zeichnerischen und modischen Erbes Saint Laurents widmet.[17] Im Jahr 2004 gründeten er und Saint Laurent diese Stiftung, um dessen Lebenswerk im früheren Atelier in der Avenue Marceau zu konservieren und zu erschließen. Der Fundus umfasst 5.000 Kleider, 15.000 Accessoires und Zeichnungen sowie nahezu alle Berichte in den Druck- und audiovisuellen Medien.[18]

Kulturelles Engagement

1985 gründete Pierre Bergé gemeinsam mit dem Journalisten Georges-Marc Benamou das linke, intellektuelle Monatsmagazin Globe und unterstützte damit François Mitterrands Wiederwahl zum französischen Staatspräsidenten. Als Freund von Mitterrand gelang es ihm, ihn davon zu überzeugen, dass Paris ein zweites Opernhaus brauche. Im August 1988 wurde Bergé ehrenamtlicher Präsident der Opéra Bastille in Paris und führte das Opernhaus bis 1994. Danach wurde er Ehrenpräsident der Opéra National de Paris. In den 1960er-Jahren leitete er neben seinem Unternehmen auch zwei Theater. Im „Théâtre de l’Athénée“ führte er Soiréen ein, bei denen er damals noch unbekannte Künstler wie Jessye Norman oder Gundula Janowitz zur Bekanntheit verhalf.[5] Bergé war Präsident der Organisation Médiathèque Musicale Mahler, die sich den Musikwerken des 19. und 20. Jahrhunderts widmet.[19]

Mäzenatentum

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Maison Jean Cocteau, Milly-la-Forêt, 2008

Bergé war darüber hinaus ehrenamtlicher Präsident der Stiftung Comité Jean Cocteau und im Besitz der Rechte an den literarischen Werken von Jean Cocteau.[20] Da die Erben Cocteaus dessen Hinterlassenschaft aufgelöst hatten, musste er seinen Plan eines Museums aufgeben. Stattdessen förderte er mit 3,5 Mio. € die Renovierung von Cocteaus letztem Wohnhaus (1947–1963) in Milly-la-Forêt, 50 km südöstlich von Paris gelegen.[21] Es wurde am 22. Juni 2010 von Kulturminister Frédéric Mitterrand eröffnet. Die erste Galerie enthält eine Dauerausstellung von etwa 500 Cocteau-Portraits von Künstlern und Cocteaus Freunden, darunter Bilder von Warhol, Picasso, Modigliani und Man Ray.[22] Da Bergé keine dauerhafte Finanzierung vorgesehen hatte, musste nach seinem Tod das Cocteau-Haus das Personal entlassen, bis auf den Pförtner und den Gärtner.[23]

Als Präsident der Association Maison Zola förderte Bergé die Renovierung des Hauses von Émile Zola in Médan westlich von Paris, das zu einem Museum umgestaltet werden sollte.[24] Er unterstützte das theatrale Schaffen von Robert Wilson und das literarische Werk von Peter Brook.[25] 1998 spendete er für den Obelisken auf dem Place de la Concorde den krönenden Abschluss, ein 3,6 m hohes Pyramidion aus vergoldeter Bronze. Weiterhin schenkte er mehreren Museen Gemälde und wertvolle Möbel (siehe Internetseite seiner Fondation). Ab 1999 übernahm er die Finanzierung des nonkonformistischen Literaturpreises Prix Décembre.

Bergé war als LGBT-Aktivist Mitgründer des französischen LGBT-Magazins Têtu, das er mitfinanzierte. Er unterstützte AIDS-Organisationen wie Act Up in Paris. 1996 wurde er Präsident der AIDS-Organisation Sidaction.

Verschiedenes

Im Jahr 2001 gründete er in Paris das Auktionshaus Pierre Bergé & Associés mit Filialen in Genf und Brüssel. Er war Präsident des «Institut Français de la Mode» („Institut der französischen Mode“) seit dessen Gründung im Jahr 1986.[26] Im französischen Präsidentschaftswahlkampf 2007 unterstützte er Ségolène Royal.

Am 25. Juni 2010 erhielt er gemeinsam mit dem Bankier Matthieu Pigasse (Vize-Präsident von Lazard-Europa) und dem Internetunternehmer Xavier Niel (groupe Iliad, DSL-Anbieter Free)[27] den Zuschlag für den Kauf der wirtschaftlich angeschlagenen Tageszeitung Le Monde, die bislang mehrheitlich von ihren Redakteuren getragen wurde. Bergé und seine Compagnons garantierten der Redaktion weiterhin ihre journalistische Unabhängigkeit.[28] Staatspräsident Nicolas Sarkozy intervenierte mehrmals[29] und drohte schließlich der Redaktion bei einem Votum für Bergé & Co. mit einer Streichung der Subventionen für die Modernisierung der Le Monde-Druckerei.[30] Der Aufsichtsrat der Le Monde-Gruppe hat sich mit knapper Mehrheit für das Übernahmeangebot der Investorengruppe um Bergé entschieden.[31] Im März 2017 heiratete er Madison Cox. Bergé litt unter Myopathie und war auf den Rollstuhl angewiesen.[32] Er starb in seinem Landhaus in Saint Rémy.

Ehrungen

Bergé wurde mit dem Orden von Oranien-Nassau (Offizier) und dem Ordre national du Mérite (Offizier) ausgezeichnet und als Kommandeur in den Ordre des Arts et des Lettres und die Ehrenlegion aufgenommen.[25] Im Juli 1993 wurde er zum Ehrenbotschafter der UNESCO ernannt.[25]

Schriften

  • Liberté, j'écris ton nom. Grasset, Paris 1991, ISBN 2-246-45481-6.
  • Yves Saint Laurent. Schirmer/Mosel, München 1997.
  • Inventaire Mitterrand. Stock, Paris 2001, ISBN 2-234-05408-7.
  • Majorelle. Une oasis marocaine. Fotografien von Claire de Virieu. Actes Sud, Arles 1999, ISBN 2-7427-2430-3 (Reihe Grands jardins), englisch: Majorelle. A Moroccan Oasis. ISBN 0-86565-210-4.
  • Les jours s’en vont, je demeure. Autobiographie. Gallimard, Paris 2004, ISBN 2-07-031650-5.
  • Album Cocteau. Biographie et iconographie. Gallimard, Paris 2006, ISBN 978-2-07-011808-3 (Reihe Album de la Pléiade).
  • mit René Sirvin: Théâtre du Châtelet. Un festival permanent (1999-2006). Fotografien von Marie-Noëlle Robert. Édition Cercle d’Art, Paris 2006, ISBN 2-7022-0767-7.
  • L’art de la préface. Anthologie. Gallimard, Paris 2008, ISBN 978-2-07-012281-3 (Anthologie von 18 Vorworten, geschrieben von Proust, Valéry, Claudel, Jouhandeau, Mallarmé u. a.)

Literatur

  • Robert Murphy: Les paradis secrets d’Yves Saint-Laurent et de Pierre Bergé. Einleitung von Pierre Bergé. Fotografien von Ivan Terestchenko. Albin Michel, Paris 2009, ISBN 978-2-22618-171-8.
  • Robert Murphy, Peter Saville: Yves Saint Laurent & Pierre Bergé – Die Sammlung. Übersetzt von Karin Maack. Heyne, München 2009, ISBN 978-3-89910-430-1.

Film

  • Celebration, französischer Dokumentarfilm von Olivier Meyrou (2007)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Histoire avant 1962, Fondation Pierre Bergé – Yves Saint Laurent
  2. Yves Saint Laurents ehemaliger Lebensgefährte ist tot, auf welt.de vom 8. September 2017
  3. Yves Saint Laurent co-founder Pierre Berge dies auf skynews.com vom 8. September 2017
  4. a b Anthony Haden-Guest: „For Yves, art was food for the soul“, The Guardian, 18. Januar 2009
  5. a b c Peter Bermbach: „Mein Leben ist leer seit dem Tod von Yves“, FAZ, 19. Dezember 2008
  6. Peter Bermbach: „Mein Leben ist leer seit dem Tod von Yves“, FAZ, 19. Dezember 2008
  7. Jennifer Brock: „A good name… J. Mack Robinson“ (Memento vom 1. Februar 2009 im Internet Archive), Georgia State University, Robinson College of Business
  8. Hans-Hagen Bremer: „Verstreut an alle Wände“, Tagesspiegel, 23. Februar 2009
  9. Süddeutsche Zeitung: Pierre Bergé. Abgerufen am 18. Dezember 2020.
  10. „Yves Saint Laurents Privatsammlung wird versteigert“, Tagesspiegel, 17. Februar 2009
  11. Die YSL-Auktion bricht Rekorde. Fernseh-Reportage, Deutschland, 2009, 2:20 Min., Regie: Alexander von Sobeck, Produktion: ZDF, Reihe: heute in europa, Erstsendung: 24. Februar 2009.
  12. Ag.: „"Jahrhundertauktion" der Sammlungsstücke von YSL“, Die Presse, 19. Februar 2009
  13. Godfrey Deeny: „Jahrhundertauktion. Yves Saint Laurents Mann verkauft die Eheschätze“, Die Welt, 17. Februar 2009
  14. „Bergé-Saint Laurent, la vente du siècle“, La Tribune, 20. Februar 2009
  15. Angelika Heinick: „Ein Mondrian auf dem Laufsteg“, FAZ, 4. Februar 2009, mit Bilderserie
  16. Christoph Wöß: „YSL-Auktion geht mit Rekorderlös zu Ende“ (Memento vom 1. März 2009 im Internet Archive), tagesschau.de, 26. Februar 2009
  17. „Yves Saint Laurent: die Auktion“ (Memento vom 27. Februar 2009 im Internet Archive), Süddeutsche Zeitung, 24. Februar 2009, mit Reuters-Video 1:47 Min.
  18. Marc Zitzmann: „Endlich ist Maecenas auch an der Seine aus seinem Dornröschenschlaf erwacht“, NZZ, 18. August 2008
      „The Pierre Bergé – Yves Saint Laurent foundation has set itself three primary goals“, Fondation Pierre Bergé – Yves Saint Laurent
  19. Médiathèque Musicale Mahler (Memento vom 3. März 2009 im Internet Archive)
  20. Comité Jean Cocteau (englisch)
  21. Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven: @1@2Vorlage:Toter Link/www.magazine-litteraire.com La Maison de Jean Cocteau enfin ouverte au public, Le Magazine Littéraire, 25. Juni 2010
  22. https://www.lapresse.ca/arts/arts-visuels/201006/22/01-4292456-la-maison-jean-cocteau-inauguree-a-milly-la-foret.php
  23. Essonne : consternation à Milly-la-Forêt après la fermeture brutale de la Maison Cocteau. 7. März 2018, abgerufen am 4. Januar 2021 (französisch).
  24. Projet Maison Zola Musée Dreyfus
  25. a b c Biographie, UNESCO
  26. „Pierre Berge gave a talk to IFM’s students“, IFM, Januar 2009
  27. Xavier Niel: Robin Hood der Netze, Handelsblatt, 28. Oktober 2009
  28. Hans-Hagen Bremer: Portrait Pierre Bergé. Bald „Le Monde“-Aktionär: „Nicht vor dem Präsidenten strammstehen“, Tagesspiegel, 27. Juni 2010
  29. Charles Bremner: „Sarkozy wants a friendly Monde“ (Memento vom 16. Juni 2010 im Internet Archive), The Times, 14. Juni 2010
  30. Votum für Pierre Bergé: Linker Mäzen Favorit für Kauf von Tageszeitung "Le Monde" (Memento vom 27. Juni 2010 im Internet Archive), Financial Times Deutschland, 25. Juni 2010
    Johannes Duchrow: „Traditionsblatt "Le Monde" auf Investorensuche. Der Kampf um Geld und Unabhängigkeit“ (Memento vom 15. Juni 2010 im Internet Archive), tagesschau.de, 12. Juni 2010, mit Audio-Datei, 2:47 Min.
  31. Hamburger Morgenpost "«Le Monde» vorerst gerettet" 28. Juni 2010.
  32. Sa myopathie, Pierre Bergé en parlait et c'est aussi pour ça qu'il a critiqué le Téléthon. In: Le Huffington Post. 8. September 2017 (huffingtonpost.fr [abgerufen am 13. September 2017]).