Polnische Besatzungszone

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Eine polnische Soldatin in einer erbeuteten Wehrmachtsuniform während der Überprüfung von Dokumenten am 7. Mai 1945

Die polnische Besatzungszone war von 1945 bis 1948 ein Sondergebiet innerhalb der Britischen Besatzungszone im Nachkriegsdeutschland und befand sich im mittleren nördlichen Gebiet des heutigen Landkreises Emsland sowie in der Gegend von Oldenburg und Leer. Sie grenzte an die Niederlande und umfasste ein Gebiet von 6470 km². Die Zone mit einem Lager für Displaced Persons wurde von der polnischen Exilregierung verwaltet. Verwaltungszentrum dieser polnischen Zone war die Stadt Haren. Sie war während dieser Zeit als Maczków nach Stanisław Maczek benannt.[1] Weitere Orte, die von der deutschen Bevölkerung geräumt werden mussten, waren Teile von Papenburg und Friesoythe (der Ortsteil Neuvrees wurde in Kacperkowo umbenannt[2] und weist aus dieser Zeit noch heute eine so genannte „Polenkirche“ auf).[3] Das Straßendorf Völlen wurde nicht evakuiert. Hier erfolgte die Trennung der Bevölkerungsgruppen entlang der Straßenmitte: die deutschstämmige Einwohnerschaft wurde auf der östlichen Straßenseite konzentriert, während in die leer geräumten Häuser auf der westlichen Straßenseite Polen einzogen.

Die neue polnischstämmige Bevölkerung setzte sich zusammen aus etwa 30.000 Displaced Persons, vor allem ehemaligen Häftlingen der Emslandlager – zu diesen gehörten auch Angehörige des Warschauer Aufstandes vom August 1944 – und 18.000 polnischen Soldaten. Da die überwiegende Zahl aus den damaligen polnischen Woiwodschaften Lwów und Stanislau, dem heutigen Iwano-Frankiwsk, kamen, wurde die Stadt Haren zuerst in Lwów umbenannt. Die wichtigsten Straßen der Stadt erhielten polnische Namen dieser Orte. Bereits nach einem Monat wurde auf sowjetischen Druck der Name am 24. Juni 1945 erneut geändert. Die Stadt wurde nunmehr nach dem polnischen General Maczek benannt, der mit seiner 1. Panzerdivision die umliegenden Gefangenenlager befreit hatte. Da sich ein großer Teil der in deutschen Lagern internierten polnischen Intelligenz hierauf in Maczków niederließ, entwickelte sich der Ort sehr dynamisch zum Zentrum des polnischen Verwaltungsgebietes. Die antikommunistische polnische Exilregierung soll sogar darüber nachgedacht haben, die Enklave auf bis zu 200.000 Polen aufzubauen, um so indirekt Druck für freie Wahlen in Polen ausüben zu können.

Die durch die polnische Exilregierung verwaltete polnische Besatzungszone im Emsland war für die Sowjetunion nicht tolerierbar. Deshalb verlangte die Sowjetunion von den britischen Behörden, die polnische Zone aufzulösen. Der britische Premierminister Winston Churchill ging während seiner Amtszeit nicht auf die Forderungen ein. Nach dem Wahlerfolg der Labour Party bei den britischen Unterhauswahlen wurde Clement Attlee im Juli 1945 Premierminister. Großbritannien erkannte die Volksrepublik Polen an und hatte nun das Ziel, Flüchtlinge zur Rückkehr in ihre Heimatländer zu bewegen. Dies geschah auch in Hinblick auf den steigenden Unmut der deutschen Bevölkerung. Auf Veranlassung der britischen Regierung begann ab dem Herbst 1946 die Verlegung der ersten polnischen Truppenverbände aus dem Emsland nach Großbritannien, wo diese aufgelöst wurden. Am 10. September 1948 verließen die letzten polnischen Soldaten das Gebiet, hauptsächlich nach Polen oder in die Commonwealth-Staaten. Die Stadt Maczków wurde der deutschen Verwaltung unterstellt und erhielt am 10. September 1948 ihren ursprünglichen Namen Haren (Ems) zurück.

Gräber aus dieser Zeit stehen unter dem Schutz des polnischen Konsulats in Hamburg[4] und der Gemeinde Haren.

Literatur

  • Karl Forster: Haren – Lwów – Maczków – Haren. Eine polnische Stadt in Deutschland (online)[5].
  • Margareta Bloom-Schinnerl: Als Haren Maczków hieß. Eine polnische Besatzungszone im Emsland, Deutschlandfunk, 3. Mai 2016 (PDF-Datei).
  • Jan Rydel: "Polska okupacja" w północno-zachodnich Niemczech 1945–1948. Habilitationsschrift, Uniwersytet Jagielloński, Kraków, 2000.
    • Übersetzung in deutsche Sprache von Isabel Röskau-Rydel: Die polnische Besetzung im Emsland 1945–1948. Fibre Verlag, Osnabrück 2003, ISBN 3-929759-68-3.
  • Kolja Mensing: Die Legenden der Väter. Verbrecher Verlag, (Völlig überarbeitete Neuausgabe mit einem aktuellen Nachwort des Autors) Berlin 2015 (1. Auflage im Aufbau-Verlag 2011).[6]
  • Jörg Jung: Ein polnisches Gebiet mitten im Emsland, Nordwest-Zeitung, 9. Mai 2020.

Anmerkungen

  1. Die Entstehung der polnischen Besatzungszone hat vielfältige Gründe. Zum einen haben polnische Truppen einen wesentlichen Beitrag zur Befreiung Norddeutschlands von der NS-Diktatur geleistet und dabei schwere Verluste erlitten. Viele Soldaten konnten oder wollten jedoch nicht in ihre nun kommunistisch beherrschte Heimat zurückkehren. Daneben lebten bei Kriegsende mehrere zehntausend polnischstämmige „Displaced Persons“ immer noch in den ehemals nationalsozialistischen Lagern. Die polnische Besatzungszone begann mit der Mitteilung an die einheimische deutsche Bevölkerung (etwa 3500 Personen), dass sie die unzerstörte Kleinstadt Haren innerhalb von 24 Stunden zu verlassen hätten. Die Vertriebenen fanden Unterkunft in 30 Nachbarorten, wo sie zum Teil in Ställen einquartiert wurden. Weitere Informationen bei Karl Forster, Haren - Lwów - Maczków - Haren. Eine polnische Stadt in Deutschland.
  2. Hermann Gerdes: Kacperkowo statt Neuvrees In: Nordwestzeitung, 15. August 2018, abgerufen am 11. März 2022.
  3. Als ein Dorf im Emsland polnisch war in porta-polonica.de, abgerufen am 11. März 2022.
  4. Generalkonsulat Hamburg auf gov.pl, abgerufen am 11. März 2022.
  5. Karl Forster ist Chefredakteur der Zeitschrift „Polen und Wir“, der Deutsch-Polnischen Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland.
  6. Kolja Mensing, Die Legenden der Väter – drei Generationen Lebensgeschichte, wie ein Roman geschrieben: 1946 wird ein Kind im Nordwesten Deutschlands geboren. Der Vater ist Pole, Soldat der polnischen Besatzungsarmee, die in der britischen Besatzungszone agiert, die Mutter Deutsche. Die Liebe scheitert, der Soldat geht zurück nach Polen, und das Kind – ein Sohn – wächst ohne Vater auf. Erst viele Jahre später gibt es einen Kontakt. Und noch einmal viele Jahre später begibt sich Kolja Mensing, der Enkel, auf eine Spurensuche in Deutschland und Polen. Er entdeckt, dass Familiengeschichten nie so eindeutig sind, wie sie erzählt werden, und dass Krieg und Besatzungszeit auch seine Generation noch prägen.

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