Römertopf

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Römertopf mit einem tranchierten Huhn

Ein Römertopf ist ein 1967 in Deutschland von der Firma Bay-Keramik eingeführter ovaler Topf aus Ton mit Deckel, der zum Garen von Speisen im Backofen benutzt wird. Er wurde in den 1970er Jahren populär und in zahlreiche Länder exportiert. Die als Gattungsname verwendete Bezeichnung ist seit 1997 eine eingetragene Marke des Herstellers Römertopf Keramik.

Geschichte

Der Zierkeramikhersteller Eduard Bay aus Ransbach im Kannenbäckerland stellte den Römertopf auf der Hannover-Messe 1967 erstmals vor. Die Idee war von einer Italienreise inspiriert,[1] die Form des Topfs 1966 von Bays Schwiegersohn Franz Peter Münch gestaltet worden.[2] Der Name „Römertopf“ wurde als Markenzeichen eingetragen[3] und bezieht sich auf die Verwendung von Keramik in der Küche im Alten Rom.[4] Der Römertopf wurde in der Bundesrepublik im Zusammenhang mit dem Aufstieg gesundheitsbewusster Ernährung in den 1970er Jahren populär.[5] Bis 1975 wurden 10 Millionen Stück verkauft.[1] Für den Topf erschienen zahlreiche Kochbücher mit Rezepten. Das Buch Braten und Schmoren im Römertopf von Eva Exner (1970) verkaufte sich bis 1971 1,4 Millionen Mal und gilt als einer der ersten Taschenbuch-Bestseller der Bundesrepublik.[6] Es gab mehrere Nachahmerprodukte, etwa der auch in den USA vertriebene „Schlemmertopf“.[7][8] In den USA galt der Römertopf aufgrund seiner mangelnden Eignung für die dortige Küche als wirtschaftlicher Misserfolg.[9] In der DDR war er ein beliebtes Mitbringsel für Verwandte. In den 1990er Jahren ging die Nachfrage zurück, als andere Gartechniken beliebt wurden, etwa der Wok.[10] 1997 übernahm die Firma Römertopf Keramik die Markenrechte. Seit den 2010er Jahren wurde der Römertopf wieder beliebter. Im Jahr 2011 gab der Hersteller eine jährliche Produktionszahl von 400.000 Römertöpfen pro Jahr an. Rund 40 % davon werden ins Ausland exportiert.[11]

Gartechnik

Der Römertopf, der vor der Benutzung im Ofen gewässert wird, gart die Speisen durch den aus dem Ton abgesonderten Dampf.[12] Die Gartechnik wurde als „Dunstgaren“ oder „Tossieren“ beworben, bei dem der Topfboden nicht heißer als 100 Grad werde.[13] Geworben wurde außerdem mit dem Slogan „Garzeit ist Freizeit“.[11] Die Gartechnik wurde als Methode für fettarmes Kochen beworben.[14] Der Römertopf kann außerdem zum Backen[15] und Aufbewahren[16] von Brot verwendet werden.

Modelle und Material

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Römertopf Nr. 111
aktuelles Modell

Seit den 1960er Jahren waren verschiedene Varianten erhältlich. Das bekannteste Modell mit Griff im Deckel trug die Bezeichnung Römertopf Nr. 111.[17] Er wird heute unter der Modellbezeichnung Römertopf Klassiker vertrieben.[18] Auf dem Rand des Deckels sind verschiedene Symbole abgebildet, etwa ein Fisch, ein Weinglas und ein Hahn. Auf den aktuell erhältlichen Modellen ist der Deckel mit anderen Symbolen gestaltet, etwa Säulen und Figuren. Es werden auch andere Formen hergestellt, etwa ein Bananenbräter für gebackene Bananen.[19] Der Römertopf besteht aus Tongut (Irdenware)[20] und wird bei einer Temperatur von über 1000 Grad gebrannt.[21] Das klassische Modell aus hellrötlichem Scherben[22] ist naturbelassen, der Untertopf neuerer Modelle hat innen eine Glasur.[23] Im Gegensatz zu einem Bräter oder einer Kokotte, die aus Metall hergestellt werden, hat der Römertopf keine Henkel. Er kann alternativ zu einem Güveç-Topf verwendet werden.[24]

In Film und Kunst

Im surrealistischen Film Sommer der Liebe (1992) von Wenzel Storch wird die Hauptfigur Oleander (Jürgen Höhne) in einem überlebensgroßen Römertopf begraben und dafür zurechtgesägt.[25][26] 2002 kochte der deutsche Aktionskünstler Christoph Schlingensief in der Sendung alfredissimo! von Alfred Biolek einen Putenrollbraten im Römertopf. Bevor er den Topf in den Ofen schob, versteckte er darin eine leere Patronenhülse mit dem Kommentar „Nicht nur das Auge isst mit, sondern auch das Gerücht“.[27][28] Er verwendete den Römertopf später in weiteren Kunstaktionen, etwa 2005 in seiner Performance Fick Collection[29][30][31] und bei seiner Antrittsvorlesung an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig 2006.[32] Im Film Germanikus (2004) mit Gerhard Polt wird eine satirische Geschichte des Römischen Reichs mithilfe eines Römertopfs erzählt.[33][34]

Literatur

  • Eva Exner: Braten und Schmoren im Römertopf – 400 wundervolle Gerichte für die gesunde Ernährung, Ransbach: Bay, 1970
  • Gerald Fricke, Frank Schäfer, Rüdiger Wartusch: Die Goldenen Siebziger. Ein notwendiges Wörterbuch, Reclam Leipzig, Leipzig 1997
  • Erhard Cosack / Bernhard Rudnick: „Zu den Gareigenschaften römischer Kochtöpfe mit einem archäologischen Experiment“, in: dies.: „Rhein-weser-germanische Scheiterhaufengräber bei Mehle (Lkr. Hildesheim) mit einem römischen Kochtopf der Okkupationszeit und dessen kulturgeschichtlicher Hintergrund“, Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 61/2014, S. 164–170, PDF

Weblinks

Commons: Römertopf – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Römertopf – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. a b Peter Wagner: Tageskarte Küche: Kein Römertopf in Rom. In: Der Spiegel. 11. November 2007, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 18. November 2021]).
  2. Römertopf: Natur pur für kulinarische Genüsse. Abgerufen am 18. November 2021.
  3. SCHWEINETOPF. In: Der Spiegel. 26. April 1970, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 18. November 2021]).
  4. Tönern trieben es die alten Römer. In: Die Zeit. 7. April 1972, abgerufen am 19. November 2021.
  5. produkte. In: Der Spiegel. 3. Juni 1973, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 18. November 2021]).
  6. Weimarer Beiträge. Aufbau-Verlag, 1975, S. 137 (google.de [abgerufen am 22. November 2021]).
  7. Florence Fabricant: FOOD; CLAY-POT COOKING KEEPS IN JUICES AND TAKES LITTLE WATCHING. In: The New York Times. 3. Februar 1985, ISSN 0362-4331 (nytimes.com [abgerufen am 19. November 2021]).
  8. Field & Stream. Juli 1992, S. 34 (google.de [abgerufen am 19. November 2021]).
  9. Kenneth F. Kiple, Kriemhild Coneè Ornelas, Cambridge University Press: The Cambridge World History of Food. Cambridge University Press, 2000, ISBN 978-0-521-40215-6, S. 1321 (google.de [abgerufen am 22. November 2021]).
  10. HARALD PETERS: themenläden und andere clubs: Cocooning heißt jetzt Cooking. In: Die Tageszeitung: taz. 15. November 2002, ISSN 0931-9085, S. 25 (taz.de [abgerufen am 22. November 2021]).
  11. a b Andreas Austilat: Ton Der gute. In: Tagesspiegel. Abgerufen am 18. November 2021.
  12. Wolfgang Rapp: Renaissance des sanften Dunstgarens im Tontopf. Abgerufen am 22. November 2021.
  13. Bunte. Burda, März 1975, S. 75 (google.de [abgerufen am 19. November 2021]).
  14. Ernährungs-Umschau. Umschau Verlag, 2006, ISBN 978-3-930007-20-2, S. 160 (google.de [abgerufen am 22. November 2021]).
  15. Melanie von Daake: Römertopf: Brot backen im Tontopf. In: utopia.de. 26. Januar 2021, abgerufen am 23. November 2021.
  16. Matthias Kemter: Brot aufbewahren – 12 Tipps, um Brot frisch zu halten. In: StN.de (Stuttgarter Nachrichten). 3. September 2020, abgerufen am 23. November 2021.
  17. Eva Exner: Braten und Schmoren im Römertopf – 400 wundervolle Gerichte für die gesunde Ernährung, Ransbach: Bay, 1970, Rückseite.
  18. Römertopf Gebrauchsinformation, S. 2, PDF
  19. Ira König: Römertopf. GRÄFE UND UNZER Verlag GmbH, 2010, ISBN 978-3-8338-0955-2, S. 57 (google.de [abgerufen am 18. November 2021]).
  20. Wolfgang Frede: Handbuch für Lebensmittelchemiker: Lebensmittel – Bedarfsgegenstände – Kosmetika – Futtermittel. Springer-Verlag, 2010, ISBN 978-3-642-01685-1 (google.de [abgerufen am 22. November 2021]).
  21. Der Römertopf wird fünfzig. Abgerufen am 23. November 2021.
  22. Keramische Zeitschrift. Verlag Schmid, 1980, S. 342 (google.de [abgerufen am 22. November 2021]).
  23. Römertopf-Unterschied: glasiert oder unglasiert. In: Römertopf-Rezepte. Abgerufen am 22. November 2021 (deutsch).
  24. Tanja Dusy: Türkisch. GRÄFE UND UNZER Verlag GmbH, 2021, ISBN 978-3-8338-7938-8, S. 44 (google.de [abgerufen am 22. November 2021]).
  25. Epd film: Zeitschrift des Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik, 1993, S. 44 (google.de [abgerufen am 18. November 2021]).
  26. Kulinarischer Dilettantismus: Eine Entdeckung. In: DFF.FILM. 23. April 2020, abgerufen am 22. November 2021 (deutsch).
  27. Andreas Rosenfelder: Aktionskünstler: Schlingensief – Meister unvergesslicher Streiche. In: DIE WELT. 22. August 2010 (welt.de [abgerufen am 18. November 2021]).
  28. Rote Beete Reden. Folge 3: »NICHT NUR DAS AUGE ISST MIT, SONDERN AUCH DAS GERÜCHT« - Schauspielhaus. Abgerufen am 22. November 2021 (englisch).
  29. Jörg Schallenberg: Schlingensiefs "Fick Collection": Parsifal mit Pute. In: Der Spiegel. 16. März 2005, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 18. November 2021]).
  30. Julia Köhne, Ralph Kuschke, Arno Meteling: Splatter Movies: Essays zum modernen Horrorfilm. Bertz + Fischer, 2005, ISBN 978-3-86505-157-8, S. 209 (google.de [abgerufen am 18. November 2021]).
  31. Catherina Gilles: Kunst und Nichtkunst: das Theater von Christoph Schlingensief. Königshausen & Neumann, 2009, ISBN 978-3-8260-3955-3, S. 120 (google.de [abgerufen am 18. November 2021]).
  32. Kai Schöneberg: „Momente, wo es mal kurz im Leben ruckelt“. In: Die Tageszeitung: taz. 18. Mai 2006, ISSN 0931-9085, S. 27 (taz.de [abgerufen am 22. November 2021]).
  33. Gerd Holzheimer: POLT: Die Biografie. Langen Mueller Herbig, 2016, ISBN 978-3-7844-8084-8 (google.de [abgerufen am 18. November 2021]).
  34. Germanikus (D 2004) : KRITIK : artechock. Abgerufen am 18. November 2021.