Rainer Langhans
Rainer Langhans (* 19. Juni 1940 in Oschersleben) ist ein deutscher Autor, Filmemacher und Schauspieler, der vor allem für seine Mitgliedschaft in der Kommune I bekannt ist.
Leben
Langhans ist Sohn eines Ingenieurs. Sein Großvater väterlicherseits war Arzt in Jena, sein Vater arbeitete bis 1945 in einem Rüstungsbetrieb bei Stolpmünde in Hinterpommern. Die Familie flüchtete bei Kriegsende nach Jena.[1] Rainer Langhans war Schüler der Jenaer Grete-Unrein-Schule[1] und Mitglied der Jungen Pioniere.[2] 1953 verließen seine Eltern Jena und flüchteten mit der Berliner S-Bahn in den Westen.[1] Durch zahlreiche Umzüge seiner Eltern in der Nachkriegszeit erlebte er die unterschiedlichen Schulsysteme in Ost- und Westdeutschland.[2]
Nach dem Abitur trat Langhans 1960 freiwillig in die Bundeswehr ein und verließ sie als Fähnrich der Reserve. 1962 begann er an der Freien Universität Berlin zunächst ein Jurastudium. Zwei Semester später immatrikulierte er sich für das Fach Psychologie, brach jedoch 1969 seine Vordiplomarbeit wegen Differenzen mit dem Professor ab.[3] Während dieser Zeit kam Langhans mit der Studentenbewegung in Berührung und zog schließlich im März 1967 in die kurz zuvor gegründete Polit-Wohngemeinschaft Kommune I.[4]
Aktionen in den 1960er Jahren
Mit dem sogenannten „Kaufhausbrand-Flugblatt“, das die Kommunarden 1967 in Umlauf brachten, sollten die Konsumgesellschaft und die Napalm-Attacken der US-Amerikaner im Vietnamkrieg kritisiert werden. Während Monate später Andreas Baader und Gudrun Ensslin, die sich damals im Umfeld der Kommune I aufhielten, in Frankfurt am Main tatsächlich zwei Kaufhäuser in Brand setzten, wurde Langhans durch das Berliner Kammergericht, vor dem er wegen Anstiftung zur Brandstiftung angeklagt war, freigesprochen.
Als 1967 der ehemalige Reichstagspräsident Paul Löbe verstarb, störte eine Gruppe um Andreas Baader die Trauerfeierlichkeiten am Rathaus Schöneberg. Sie trug einen Sarg mit der Aufschrift „SENAT“, verhöhnte Löbe und brachte den Wunsch zum Ausdruck, die Leichen der damaligen Berliner Senatoren zu „verscharren“. Rainer Langhans hatte sich im Petticoat an der Aktion beteiligt.[5]
Bekannt wurde ferner das „Pudding-Attentat“, das Langhans und andere anlässlich des Besuchs des US-Vizepräsidenten Hubert H. Humphrey geplant hatten: Wiederum als Zeichen des Protests gegen den Vietnamkrieg sollte der US-Politiker mit Pudding beworfen werden. Das Attentat blieb unausgeführt, da die Kommune I damals unter Beobachtung des Berliner Verfassungsschutzes stand und Langhans in Polizeigewahrsam genommen worden war. Die Bild-Zeitung titelte damals: „Geplant: Berlin – Bombenanschlag auf US-Vizepräsidenten“.
1970 bis heute
Langhans war zeitweilig mit dem Fotomodell Uschi Obermaier liiert, die ebenfalls in der Kommune I lebte. In München zog sie mit Langhans in die von Thomas Althoff gegründete High-Fish-Kommune (auch Haifisch-Kommune geschrieben).[6][7]
Als Fleetwood Mac im Rahmen einer Europatournee 1970 in München Station machte, wurde der damalige Bandleader Peter Green von Obermaier und Langhans zu einer Party der Kommune bzw. Haifisch-Kommune eingeladen.[8]
Langhans vertritt bis heute die Meinung, dass das Private das eigentlich Politische sei. Bereits Anfang der 1970er hatte er sich zusätzlich spirituell-esoterischen Inhalten zugewandt. Nach der Veröffentlichung eines Interviews mit Mathias Bröckers für die TAZ, das am 12. April 1989 veröffentlicht wurde,[9] geriet Langhans wegen seiner mehrfach vorgetragenen spirituellen Deutung des Nationalsozialismus in den Folgejahren immer wieder in die Kritik. Der Nationalsozialismus sei als eine fehlgeleitete „Gottsuche“ der Deutschen zu verstehen; Hitler sei ein verhinderter Spiritueller.[10] Seit Ostern 2007 beantwortet Rainer Langhans für Focus Online öffentlich Leseranfragen mit regelmäßigen Videokolumnen.
Langhans lebt in München mit Christa Ritter, Brigitte Streubel, Anna Werner und Gisela Getty. Bis zu ihrem Tod im Februar 2017 wohnte dort auch deren Zwillingsschwester Jutta Winkelmann. Die Lebensgemeinschaft fasst sich als soziales Experiment auf, die er als „Der Harem“ bezeichnet. Anders als in einem orientalischen Harem haben die Mitglieder der Gruppe jeweils eigene Wohnungen. Die Frauen führen teilweise weitere Beziehungen.[11][12][13][14] Im März 2007 lud Langhans die ehemalige Terroristin Brigitte Mohnhaupt in einem Interview mit der Abendzeitung in seinen Harem ein. „Nach so langer Gefangenschaft sind sicherlich Bedürfnisse bei ihr vorhanden, zu denen auch Sexualität gehört. Aber bei uns geht es um viel mehr: Wer intensive Beziehungsarbeit – die auch eine Form von Terror sein kann – zu leisten bereit ist, erlebt das Paradies von morgen.“[15] Im Februar 2008 erging, ebenfalls via Abendzeitung, eine Einladung an die Fürther Landrätin Gabriele Pauli.[16]
2011 war Rainer Langhans Teilnehmer in der 5. Staffel der RTL-Show Ich bin ein Star – Holt mich hier raus! Hierfür erhielt er eine Gage von 50.000 Euro. Da er Veganer ist, wurde vertraglich geregelt, dass er im Gegensatz zu den anderen Teilnehmern keine Tiere essen musste.[17][18] 20.000 Euro hiervon spendete er laut einer Pressemitteilung der Piratenpartei Bayern, weitere 20.000 Euro sollten an Julian Assanges Verteidigungsfonds gehen.[19][20][21] Über seine Dschungelcamp-Erfahrungen berichtete Langhans 2011 in einem weiteren Gespräch mit Manuel Ochsenreiter vom rechtsextremen Magazin Zuerst![22] Am 18. Mai 2011 nahm Langhans bei der rechtskonservativen Burschenschaft Normannia-Nibelungen zu Bielefeld an einem Gesprächskreis teil.[23][24][25]
Im Kontext seines documenta-13-Besuchs in Kassel betitelte die Hessische/Niedersächsische Allgemeine ihren Artikel Kommunarde Rainer Langhans flirtet mit den Piraten.[26][27] Am 23. November 2012 war er Gast auf dem Programmparteitag der Piratenpartei in Bochum.[28] Am 4. August 2013 war er prominenter Gast in der Wahlkampfzentrale der Piraten in Berlin beim Piraten Talk mit dem Titel Teilen ist das neue Haben zusammen mit Bruno Kramm, Bundestagskandidat der Piraten aus Bayern.[29]
Langhans bezeichnet sich selbst als Asperger-Autist. Aus seiner Zeit als Zeitsoldat bezieht er eine kleine Rente.[30] Weiteres Geld verdient er nach Eigenangaben durch Bücher und Vorträge.[31]
1994 erhielt er zusammen mit Christa Ritter den Grimme-Preis für Schneeweißrosenrot. 2015 war er Teilnehmer der Scripted-Realityshow Newtopia. 2020 machte er einen unheilbaren Prostatakrebs öffentlich.[32]
Rainer Langhans lebt in München-Schwabing.
Trivia
Der Online-Versandhändler Zalando veröffentlichte 2010 einen Werbespot, der auf Langhans Bezug nimmt. Schauplatz des Spots ist dabei eine Hippie-Kommune im 68er-Stil. Der bewusst Assoziationen an Langhans weckende Protagonist doziert dort über die neueste Bedrohung durch den Kapitalismus in Form des beworbenen Onlineshops.[33] Langhans wehrte sich gegen die Darstellung und schaltete einen Anwalt ein.[34][35] Daraufhin fand sich Zalando zu einer außergerichtlichen Einigung bereit,[36] in deren Rahmen Langhans selbst in einem neuen Zalando-Onlinespot[37] erschien, für den er jedoch kein Honorar erhielt.
Zeitzeugin Gretchen Dutschke befindet 50 Jahre nach 1968: „Gut möglich, dass Fritz Teufel und Rainer Langhans heute zu den YouTube-Stars zählen würden, den sogenannten 'Influencern', [...]. Eine absurde Vorstellung? Mag sein. Allerdings traf die Kommune 1 den rebellischen Zeitgeist zwischen Hippietum und Revolutionsrhetorik damals, trotz aller inneren Konflikte, sehr genau.“[38]
2018 hat der Kunstverein Ahlen einen mit 1.968,- Euro dotierten Kunstpreis für ein vergoldetes Schamhaar von Rainer Langhans unter dem Titel „Searching for the Revolution“ an die Künstler Evelyn Möcking und Daniel Nehring vergeben.[39]
Schriften
- Ich bin’s – die ersten 68 Jahre. Autobiographie, Originalausgabe, 1. Auflage, Blumenbar, München 2008. ISBN 978-3-936738-34-6. Online-Version auf Langhans' Homepage (PDF; 410 kB)
- Theoria Diffusa, aus Gesprächen mit drei Frauen. Infektionen zu Schattenarbeit im Reich der Lichthelden. Greno, Nördlingen 1986. ISBN 3-89190-020-1.
- mit Fritz Teufel (Herausgeber): Klau mich. StPO der Kommune I. Edition Voltaire, Frankfurt am Main, Berlin 1968. In: Voltaire-Handbücher, Band 2 (hrsg. von Bernward Vesper), ISBN 3-88167-022-X (unveränderter Nachdruck bei Trikont, München 1977 und 1978).
Filmografie (als Schauspieler)
- 1971: Haytabo (BRD, Regie: Ulli Lommel)
- 1973: Welt am Draht
- 1979: Die Hamburger Krankheit
- 1984: Tatort: Heißer Schnee
- 2014: Good Luck Finding Yourself (Doku-Roadmovie)[40]
- 2020: Walchensee Forever (Doku)[41]
Literatur
- Petra Bruns, Werner Bruns, Rainer Böhme: Die Altersrevolution. Wie wir in Zukunft alt werden. Aufbau, Berlin 2007. ISBN 978-3-351-02644-8.
- Martin Klimke, Joachim Scharloth (Hrsg.): 1968. Ein Handbuch zur Kultur- und Mediengeschichte der Studentenbewegung. Metzler, Stuttgart 2007. ISBN 978-3-476-02066-6.
- Jutta Winkelmann: Das Harem-Experiment. Begegnungen mit Rainer Langhans, dem letzten APOnauten. In: Heyne-Bücher, Band 13, Sphinx bei Heyne 3021, Esoterische Psychologie. Heyne, München 1999, ISBN 3-453-13284-X
Weblinks
- Literatur von und über Rainer Langhans im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Rainer Langhans in der Internet Movie Database (englisch)
- Rainer Langhans bei filmportal.de
- Blog von Rainer Langhans
- „Dafür rächt sie sich“ Interview bei focus.de, 15. Januar 2007
- Rainer Langhans erzählt aus den sechziger Jahren „Alles war möglich“
- Interview mit Rainer Langhans, Audiopodcast von Nicolas Semak, 19. November 2011
- Biographie, Begleitmaterial und Lebenslauf als PDF-Dateien
- „Das Harem-Experiment - Rainer Langhans und seine Gefährtinnen“, Reihe „Bayerisches Feuilleton“ vom 24. September 2016, Bayerischer Rundfunk, Bayern 2, (Artikel mit Audio und Fotogalerie)
- Rainer Langhans spricht achtzig Minuten mit Peter Greens Sohn, Liam Firlej, über Peter Greens legendären Aufenthalt in der Highfish-Kommune: Peter Green - The Munich Incident (Peter's son interviews Rainer Langhans). (Jänner 2021)
- Oliver Strosetzki spricht mit Rainer Langhans über Rainer Langhans - Peter Greens Schicksalsnacht. guitar-Podcaster, Folge 13. September 2020.
Einzelnachweise
- ↑ a b c http://www.otz.de/startseite/detail/-/specific/Alt-68er-Rainer-Langhans-erinnert-sich-gern-an-seine-Kindheit-in-Jena-993274568
- ↑ a b Vgl. Setzen, Sechs! - Schulgeschichten aus Deutschland (2/3). Verpasste Chancen. Dokumentarfilm von Christina Brecht-Benze im Auftrag des SWR. Deutsche Erstausstrahlung am 15. Dezember 2005.
- ↑ Lebensdaten auf rainerlanghans.de (PDF; 21 kB).
- ↑ Ulrich Enzensberger: Die Jahre der Kommune I. S. 105.
- ↑ Klaus Stern / Jörg Herrmann: Andreas Baader. Das Leben eines Staatsfeindes. 3. Auflage, dtv: München 2007, S. 86/87.
- ↑ Der Spiegel: Mit Machenschaften eines Kapitalistenknechtes, Nr. 52/1970, S. 60–65
- ↑ 20 Minuten: Das Supergroupie packt aus 22. Januar 2007
- ↑ Rainer Langhans: Meine Autobiografie (Memento vom 20. September 2008 im Internet Archive).
- ↑ http://www.infopartisan.net/archive/trend/trend97/fo069713.html
- ↑ Fernseh-Magazin Panorama des NDR, „Von Mao zu Hitler“. daserste.ndr.de/panorama/archiv/1999/erste7152.html.
- ↑ Tagesspiegel.de: Haremsglück und Ahnendienst, 11. April 1998
- ↑ Jutta Winkelmann: Das Harem-Experiment. Begegnungen mit Rainer Langhans, dem letzten APOnauten.
- ↑ Tagesspiegel.de: Barbara Nolte: Im Harem ist die Hölle los, 29. März 2003 (eingesehen am 9. April 2015).
- ↑ Die Welt: „Das ist eine utopische Situation“ - „Big Brother“ ist eine konsequente Fortsetzung von '68, 11. Juni 2000 (eingesehen am 17. Juni 2006)
- ↑ https://www.spiegel.de/panorama/leute/langhans-an-mohnhaupt-brigitte-komm-in-meinen-harem-a-474272.html
- ↑ Abendzeitung: Gabi gehört zum Harem, 18. Februar 2008 (eingesehen am 19. Januar 2018).
- ↑ Langhans bekommt 50000 Euro für Dschungelcamp, welt.de, aufgerufen am 11. Januar 2011.
- ↑ www.spiegel.de/spiegel/0,1518,738469,00.html.
- ↑ piratenpartei-bayern.de/2011/12/01/piratenpartei-bayern-erhalt-grosspende-von-rainer-langhans/.
- ↑ Dschungel-Gage für die Piraten. In: sueddeutsche.de. 1. Dezember 2011, abgerufen am 29. März 2018.
- ↑ Fabian Mader: 20·000 Euro Spende: Rainer Langhans sticht mit den Piraten in See. In: Focus Online. 19. Januar 2012, abgerufen am 14. Oktober 2018.
- ↑ Andreas Speit: Plaudern mit Neonazis. Rainer Langhans gibt dem rechtsextremen Magazin „Zuerst!“ ein Interview. Nicht zum ersten Mal redet der Ex-Kommunarde mit der Redaktion. Warum? die tageszeitung, abgerufen am 30. Januar 2014.
- ↑ Im Gespräch mit Rainer Langhans: Jene Linken, die den Dialog verweigern, sind faschistoid (Memento vom 21. September 2013 im Internet Archive)
- ↑ SPON .05.2011 Langhans bei Burschenschaft Rechts wie links Von Jörg Diehl, Bielefeld
- ↑ Westfalenblatt, 20. Mai 2011 »Ich rede mit jedem« - Rainer Langhans besucht Bielefelder Burschenschaft und spricht über Gewalt, Musik und das »Dschungelcamp« (Memento vom 24. August 2011 im Internet Archive)
- ↑ http://theater-chaosium.de/blog/2012/06/23/artikel-hna-kommunarde-rainer-langhans-flirtet-bei-einer-performance-mit-den-piraten/
- ↑ http://www.hna.de/nachrichten/kultur/kommunarde-rainer-langhans-flirtet-piraten-2363728.html
- ↑ Lenz Jacobsen: Rainer Langhans: „Die Piraten haben von Liebe keine Ahnung“. In: Zeit Online. 25. November 2012, abgerufen am 25. November 2012.
- ↑ http://berlin.piratenpartei.de/2013/08/02/teilen-ist-das-neue-haben/
- ↑ Sabine Dobel: Rainer Langhans plädiert für „geistigen Sex“. www.augsburger-allgemeine.de, 19. Juni 2020
- ↑ Interview auf zeit.de.
- ↑ Rainer Langhans hat Krebs: „Tumor ist aggressiv und unheilbar“. gmx.de, 20. Oktober 2020
- ↑ Über den Zalando-Werbespot auf deutsche-startups.
- ↑ „Ranzig und verblödet“: Rainer Langhans will gegen Zalando klagen.
- ↑ Streit um Werbung: Der Rainer und Uschis Pumps.
- ↑ Der Busch-Trommler, spiegel.de, abgerufen am 14. Januar 2011.
- ↑ Zalando-Onlinespot mit Langhans selbst, abgerufen am 21. Januar 2012.
- ↑ Dutschke, Gretchen: ''1968. Worauf wir stolz sein dürfen''. kursbuch.edition, Hamburg 2018. S. 55.
- ↑ spiegel.de: Vergoldetes Schamhaar gewinnt Kunstpreis (abgerufen am 18. Mai 2018)
- ↑ imdb.com: Good luck finding yourself
- ↑ imdb.com: Walchensee Forever
Personendaten | |
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NAME | Langhans, Rainer |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Autor und Filmemacher, Symbolfigur der 1968er-Bewegung |
GEBURTSDATUM | 19. Juni 1940 |
GEBURTSORT | Oschersleben (Bode) |