Relevanter Markt

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Als relevanter Markt wird das Ergebnis einer Marktsegmentierung in einer bestimmten Hinsicht verstanden. Der Begriff wird insbesondere in der Betriebswirtschaftslehre und im Kartellrecht verwendet.

In der Betriebswirtschaftslehre

Mit dem Begriff des relevanten Marktes bezeichnet man in der Betriebswirtschaftslehre das Ergebnis der Marktbestimmung und Marktabgrenzung, die ein Unternehmen aus der subjektiven Sicht und Problemlage heraus vorgenommen hat.

Traditionell werden bei der Marktabgrenzung Branchen betrachtet. Problematisch hier ist jedoch, dass auch zwischen Branchen Konkurrenzbeziehungen bestehen (z. B. Flugverkehr vs. Schienenverkehr). Folglich werden häufig mögliche Beziehungen zwischen Leistungen betrachtet.

Operationalisierungsansätze

  1. Datenkranzkonzept: Die Preis-Absatz-Funktion ist eine vom Markt gegebene, exogene Größe.
  2. Elementarmarktkonzept: Jedes Gut hat einen eigenen relevanten Markt.
  3. Konzept der physisch-technischen Ähnlichkeit: Der relevante Markt umfasst alle Produkte, die sich nach Stoff, Verarbeitung, Form, technischer Gestaltung gleichen.
  4. Konzept der Kreuzpreiselastizität: Der relevante Markt umfasst alle Produkte, die sich durch eine hohe Kreuzpreiselastizität auszeichnen.
  5. Grundbedürfniskonzept bzw. Konzept der funktionalen Ähnlichkeit: Der relevante Markt umfasst alle Güter, die das gleiche Grundbedürfnis/Funktion erfüllen.

Dieses Konzept ist verwenderorientiert.

  1. Konzept der konjekturalen Konkurrenz-Situation: Der relevante Markt umfasst alle Konkurrenzprodukte, die ein Anbieter in seinen Absatzplanungen berücksichtigt. Dieses Konzept ist anbieterorientiert.
  2. Konzept der verwenderorientierten/subjektiven Austauschbarkeit: Der relevante Markt umfasst alle Produkte, die vom Verwender als subjektiv austauschbar angesehen werden.

Im Kartellrecht

Im Kartellrecht ist das Konzept des relevanten Marktes Teil der Analyse, welche die wettbewerbsbeschränkende Wirkung einer Abrede oder eines Zusammenschlusses bestimmt bzw. feststellt, ob ein Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung besitzt. So ist ein Produzent von Äpfeln, welcher auf einem Apfelmarkt als marktbeherrschend eingestuft wurde, auf einem Markt für Früchte möglicherweise nicht marktbeherrschend.

Beim relevanten Markt wird zwischen dem räumlichen, zeitlichen und dem sachlichen relevanten Markt unterschieden. Der sachlich relevante Markt umfasst alle Waren und Leistungen, die von der Marktgegenseite hinsichtlich ihrer Eigenschaften und ihres vorgesehenen Verwendungszweckes als substituierbar angesehen werden. Der räumlich relevante Markt umfasst das Gebiet, in welchem die Marktgegenseite die den sachlichen Markt umfassenden Waren oder Leistungen nachfragt oder anbietet. Die zeitliche Abgrenzung ist vor allem bei Märkten mit starker saisonaler oder zeitlicher Schwankung der Nachfrage von Bedeutung: So ist im Strommarkt die Nachfrage nach Strom mittags erheblich höher als nachts, was Auswirkungen auf die Marktgröße und die Marktmacht einzelner Anbieter hat.

Bestimmung

Zur Bestimmung des relevanten Marktes wird auf die Nachfragesubstituierbarkeit und die Angebotsumstellungsflexiblität abgestellt.

Die Nachfragesubstituierbarkeit klärt, was bei einer kleinen, dauerhaften Preiserhöhung eines Produkts oder einer Produktegruppe (Erhöhung um 5–10 %) geschieht. Weichen die Nachfrager auf andere Produkte aus und machen so die Preiserhöhung unrentabel, gehören diese anderen Produkte ebenfalls zum relevanten Markt. Diese Analyse wird SSNIP-Test (Small but significant and nontransitory increase in price) genannt. Ein Beispiel: Kaufen bei einer 5- bis 10-prozentigen Erhöhung der Apfelpreise die Konsumenten vermehrt andere Früchte und machen so die Preiserhöhung unrentabel, so gehören die Früchte, auf welche die Konsumenten im Wesentlichen ausweichen, zum relevanten Markt.

Der SSNIP-Test kann bei marktbeherrschenden Unternehmen irreführend sein, da das Preisniveau des Produktes des beherrschenden Unternehmens eventuell bereits überhöht ist (sog. Cellophane Fallacy). Darüber hinaus findet der SSNIP-Test keine Anwendung in den Märkten der New Economy, weil die starken Fluktuationen ein aussagekräftiges Ergebnis verhindern.

Die Angebotsumstellungsflexibilität klärt, ob es Anbietern von anderen Produkten möglich ist, als Reaktion auf kleine, dauerhafte Preiserhöhungen ihre Produktion auf die relevanten Erzeugnisse umzustellen und sie kurzfristig auf den Markt zu bringen, ohne dass dadurch spürbare Zusatzkosten oder Risiken entstehen. Entsprechende andere Produkte werden ebenfalls zu dem relevanten Markt gezählt. Ein gutes Beispiel hierfür sind die Papiermärkte, denn die Hersteller können fast ohne jeglichen finanziellen und organisatorischen Aufwand die Produktion auf andere Papiertypen und -größen umstellen. Auch in Fällen wie „Cellophane Fallacy“ ist dieser „Test“ theoretisch anwendbar, auch wenn unter normalen Umständen z. B. Zellophan und Alu nicht austauschbar wären; hier ist jedoch die Preiselastizität schon voll ausgereizt, so dass die Abnehmer trotzdem auf ein anderes Produkt umsteigen, auch wenn das vielleicht nicht ganz so geeignet, dafür aber viel billiger ist. Dies zeigt eine weitere Grenze dieser Messmethode auf. Auch ist hier zu beachten, dass auch die Umstellung auf Seiten der Abnehmer Kosten verursacht und so oft eine Umstellung unrentabel macht.

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