Roald Hoffmann

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Roald Hoffmann (2015)

Roald Hoffmann (* 18. Juli 1937 in Złoczów, Polen, heute Ukraine, als Roald Safran) ist ein US-amerikanischer Chemiker, der zusammen mit dem Japaner Kenichi Fukui im Jahre 1981 den Nobelpreis für Chemie erhielt für die von beiden unabhängig voneinander entwickelten Theorien zum Verlauf chemischer Reaktionen.

Leben

Hoffmann stammt aus einer jüdischen Familie, die nach ihrer Flucht aus der Ukraine über mehrere Stationen im Jahre 1949 in die USA auswanderte. Sein Vater wurde in einem Arbeitslager von den deutschen Besatzern ermordet, er selbst versteckte sich mit seiner Mutter und anderen Verwandten auf dem Dachboden eines Schulhauses. Die meisten Mitglieder seiner Familie starben im Holocaust.

Er besuchte ab 1955 das Columbia College mit Bachelorabschluss in Chemie 1958. Danach studierte er an der Harvard University mit Master-Abschluss in Physik 1960 und Promotion mit der Arbeit Theory of Polyhedral Molecules: Second Quantization and Hypochromism in Helices bei William N. Lipscomb 1962,[1] wobei er sich 1960/61 neun Monate in der Sowjetunion aufhielt. 1962 bis 1965 war er Junior Fellow in Harvard. Hoffmann wurde 1965 Associate Professor an der Cornell University in Ithaca im US-Bundesstaat New York und 1968 Professor, wobei er ab 1974 auch Professor für Physik war. Inzwischen ist er emeritiert.

Werk

Hoffmann entwickelte 1962 bis 1965 eine halbempirische Theorie der Elektronenstruktur von Molekülen (Erweiterte Hückel-Methode ab 1963[2][3][4]) und mit Robert B. Woodward 1965 die Woodward-Hoffmann-Regeln[5][6], die zum Standardmaterial von Lehrbüchern der organischen Chemie gehören und vielfach verwendet werden zum Beispiel für die Vorausberechnung organischer Synthese-Abläufe.

Hoffmann als Moralist und Künstler

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Roald Hoffmann (2009)

Roald Hoffmann tritt für die Einhaltung ethischer Grundsätze in der Wissenschaft der Chemie ein. Beim Weltkongress der Internationalen Chemikervereinigung IUPAC im August 2007 in Turin nutzte er die ihm eingeräumte Aufgabe einen der Hauptvorträge zu halten für einen moralischen Appell: „Egal ob man ein Gewehr macht oder ein Molekül, ein Gemälde oder ein Gedicht, man sollte immer fragen: Könnte ich damit jemand Schaden zufügen?“ Statt einer Rede ließ er, eine Premiere in der Geschichte der Chemikervereinigung, ein von ihm geschriebenes Theaterstück mit dem Titel Should've (dt: Hätte man bloß!) aufführen. Darin diskutiert eine zerstrittene Familie eine Stunde lang den Selbstmord des toten Familienoberhauptes, der als Chemiker eine sehr effiziente Synthese des Nervengiftes Saxitoxin entwickelt hat, die von Kriminellen für einen Massenmord missbraucht wurde. Die Geschichte benutzt er als bloßen Aufhänger, um in 26 sehr kurzen Szenen eine Vielzahl von Themen von der Verantwortung des Wissenschaftlers, der spanischen Grippe, dem Papst, Hitler und dem Holocaust bis zur Unvereinbarkeit von Forscher- und Familienleben anzusprechen.

Die autobiographischen Texte „Das periodische System“ des Chemikers und Holocaustüberlebenden Primo Levi hatte er bei seinen Studenten zur Pflichtlektüre gemacht.

Hoffmann heiratete 1960 Eva Börjesson aus Lidingö in Schweden. Sie haben zwei Kinder (* 1963 und 1965).

Auszeichnungen

Hoffmann wurde mit einer Vielzahl von Auszeichnungen bedacht. Er erhielt über 30 Ehrendoktor-Titel.

Die American Chemical Society verlieh ihm 1969 den American Chemical Society Award in Pure Chemistry, 1973 (zusammen mit Robert B. Woodward) den Arthur C. Cope Award in Organic Chemistry, 1982 den ACS Award in Inorganic Chemistry, 1990 die Priestley-Medaille und 1996 den Pimentel Award in Chemical Education. 1983 erhielt er die National Medal of Science.

1970 erhielt er den Award der International Academy of Quantum Molecular Science. 1981 wurde ihm zusammen mit Kenichi Fukui der Nobelpreis für Chemie verliehen.[7]

1971 wurde Hoffmann als Mitglied in die American Academy of Arts and Sciences aufgenommen. 1972 wurde er Mitglied der National Academy of Sciences, die ihm 1986 ihren NAS Award in Chemical Sciences verlieh.

1984 wurde er als Foreign Member in die Royal Society aufgenommen; im gleichen Jahr wurde er auch Mitglied der American Philosophical Society. 1985 nahm ihn die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften als Foreign Member und 1988 die damalige Akademie der Wissenschaften der UdSSR ebenfalls als auswärtiges Mitglied auf.[8] 1991 wurde er mit der Semjonow-Goldmedaille dieser Akademie ausgezeichnet.

1994 erhielt Hoffmann die Centennial Medal der Graduate School of Arts and Sciences an der Harvard-Universität.

2000 wurde er zu einem Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina,[9] seit 2008 Nationale Akademie der Wissenschaften, gewählt. Seit 1998 ist er korrespondierendes Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften.

2008 wurde er mit der Lichtenberg-Medaille der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen ausgezeichnet und im Mai 2011 erhielt er von der Universität Bayreuth den Otto-Warburg-Preis zugesprochen. Ebenfalls für 2011 wurde ihm die Lomonossow-Goldmedaille zugesprochen. 2017 ist er erster Preisträger des Primo-Levi-Preises; den Preis erhielt er im Rahmen des Festaktes zum 150. Jubiläum der Gesellschaft Deutscher Chemiker.[10][11]

Schriften

  • mit Vivian Torrence: Chemistry imagined: reflections on science, Smithsonian 1993
  • mit R. B. Woodward: Erhaltung der Orbitalsymmetrie, Verlag Chemie 1970
    • Englische Übersetzung: Conservation of orbital symmetry, Verlag, 1970
  • Solids and surfaces: a chemist’s view of bonding in extended structures, VCH 1988
  • Roald Hoffmann on the philosophy, art, and science of chemistry, Herausgeber Jeffrey Kovac, Michael Weisberg, Oxford UP 2012
  • The metamict state, University of Central Florida Press, Orlando 1987
  • mit Shira Leibowitz Schmidt: Old wine, new flasks: Reflections on Science and Jewish Tradition, Freeman 1997
  • mit Carl Djerassi: Oxygen – Ein Stück in zwei Akten. Wiley-VCH, Weinheim 2001, ISBN 978-3-527-30460-8.[12]
  • Sein und Schein – Reflexionen über die Chemie. Wiley-VCH, Weinheim 1997, ISBN 978-3-527-29418-3.
  • How should chemists think ?, Scientific American, 1993, Heft 2, S. 66–73

Literatur

  • Interview: Schönheit ist die Freude am Lebendigen, am Unregelmäßigen mit Stefan Klein. In: Die Zeit/Leben Nr. 2007/26, Seite 42–45 vom 21. Juni 2007. (Z. Bspl. über die Schönheit des Hämoglobin-Moleküls.)
  • Hilmar Schmundt: Ethik „Chemie ist sehr poetisch“, In: Der Spiegel vom 13. August 2007, S. 123

Weblinks

Commons: Roald Hoffmann – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Lebensdaten, Publikationen und Akademischer Stammbaum von Roald Hoffmann bei academictree.org, abgerufen am 12. Februar 2018.
  2. Hoffman, An Extended Hückel Theory. I. Hydrocarbons, J. Chem. Phys. 39, 1963, 1397–1412
  3. Hoffmann, Lipscomb Theory of Polyhedral Molecules. I. Physical Factorizations of the Secular Equation, Journal of Chemical Physics 36, 1962, 2179
  4. Hoffman, Lipscomb Boron Hydrides: LCAO—MO and Resonance Studies, Journal of Chemical Physics 37, 1962, 2872
  5. Woodward, Hoffman: Stereochemistry of Electrocyclic Reactions, J. Am. Chem. Soc., 87, 1965, 395–397
  6. Woodward, Hoffmann: The Conservation of Orbital Symmetry, Angew. Chem. Internat. Edit. 8, 1969, 781–853
  7. The Nobel Prize in Chemistry 1981. In: nobelprize.org. Abgerufen am 1. Juli 2013 (englisch).
  8. Ausländische Mitglieder der Russischen Akademie der Wissenschaften. Roald Hoffmann. Russische Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 4. November 2015 (russisch).
  9. Mitgliedseintrag von Prof. Dr. Roald Hoffmann (mit Bild und CV) bei der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, abgerufen am 15. Juli 2016.
  10. Karin J. Schmitz: Primo-Levi-Preis wird erstmals verliehen. Gesellschaft Deutscher Chemiker, Pressemitteilung vom 6. Juni 2017 beim Informationsdienst Wissenschaft (idw-online.de), abgerufen am 6. Juni 2017.
  11. Pressemitteilung
  12. Carl Djerassi, Roald Hoffmann: Study Guide for OXYGEN. Wiley-VCH Verlag, Weinheim 2001.