Sabine Moritz

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Sabine Moritz (Mitte) mit ihrem Mann Gerhard Richter im Gespräch mit dem chinesischen Künstler Ren Rong (Februar 2005)

Sabine Moritz (* 1969 in Quedlinburg) ist eine deutsche Malerin und Grafikerin.

Leben

Sabine Moritz wurde 1969 als Tochter eines Chemikerehepaares in Quedlinburg geboren. Sie hat zwei ältere Zwillingsbrüder und wuchs zunächst in Gatersleben auf. 1973 verunglückte ihr Vater bei einem Arbeitsunfall im Zentralinstitut für Genetik und Kulturpflanzenforschung.[1] Danach zog die Familie nach Lobeda (Jena). 1985 verließ die Mutter mit den Kindern die DDR und zog nach Darmstadt.

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Sea King 83, 2017, Öl auf Lithografie, 56 × 80 cm.

Im Jahr 1989 begann Moritz ein Studium an der Hochschule für Gestaltung Offenbach am Main,[2] wo sie die Malereiklasse von Adam Jankowski besuchte. 1991 setzte sie ihre Ausbildung an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf fort, zunächst in der Klasse von Markus Lüpertz und ab 1992 bei Gerhard Richter. Moritz war die letzte Studentin, die Richter in seine Klasse aufnahm, da er seine Lehrtätigkeit 1994 beenden wollte.[3]

Moritz lebt und arbeitet in Köln. Sie ist seit 1995 mit Gerhard Richter verheiratet. Sie haben drei gemeinsame Kinder.

Wirken

Bereits seit 1991 während ihres Studiums entstand die Werkgruppe Lobeda. Sie umfasst mehr als 150 Zeichnungen mit Bleistift und Kohle über die Jenaer Plattenbau-Trabantenstadt Neulobeda, in der Sabine Moritz von 1973 bis 1981 lebte. Die Arbeiten wurden aus dem Gedächtnis gezeichnet und zeigen die alltägliche Umgebung, d. h. Wohnung, Schule und Plattenbau-Siedlung aus einer kindlichen Perspektive. Hans Ulrich Obrist, Kurator der Serpentine Gallery, entdeckte die Serie 2009 im Atelier der Künstlerin, und ein erster Teil wurde 2010 im Verlag der Buchhandlung Walther König veröffentlicht.[4][5] Moritz ergänzte bis 2004 die Serie durch weitere, teilweise farbige (Öl-)Arbeiten bis in ihre Studienzeit an der Düsseldorfer Akademie. Sie besuchte die Jenaer Plattenbausiedlung erneut und nahm Fotografien zur Hilfe.[6] Die Zeichnungen wurden 2011 im Kunsthaus Sans Titre in Potsdam gezeigt[2] und waren u. a. Teil der Ausstellungen Concrete and Dust 2013/14 der Foundation de 11 Lijnen in Oudenburg, Belgien[7] und 2017 in der Ausstellung Neuland der Bremerhavener Kunsthalle[8]. Bereits im Jahr 2011 erschien das zweite Buch JENA Düsseldorf mit einem Interview von Hans Ulrich Obrist.[6]

2004 begann Moritz eine neue Werkgruppe, deren Grundlage Pressefotografien der Kriege in Afghanistan und im Irak sind. Zusammen mit den kontinuierlich entstehenden Blumenstillleben wurden sie 2006 in der Ausstellung Limbo in der Londoner Andrew Mummery Gallery gezeigt. Zur Ausstellung erschien der Katalog Limbo.[9]

Darauf folgten ab 2009 mehrere Gemälde über den deutschen Angriff auf die Sowjetunion während des Zweiten Weltkriegs, die die besondere Rolle der Frau in Kriegszeiten hervorheben. 2013 präsentierte sie die Galerie Marian Goodman in Paris[10] und 2014 gehörten sie zur Ausstellung der Von der Heydt-Kunsthalle in Wuppertal.[11] Die Auseinandersetzung mit historischen Themen verfolgte sie auch 2014 und 2015 in den Ausstellungen Home und Harvest bei der Londoner Galerie Pilar Corrias. Sie zeigte erst in Home einen Werkkomplex zum Tod Peter Fechtners an der Berliner Mauer während des Kalten Krieges,[12] dann in Harvest Szenen einer ukrainischen Ernte, gemalt nach 1947 entstandenen Fotografien von Robert Capa.[13][14]

Parallel zu thematischen Werkgruppen arbeitet Moritz an motivischen Serien mit Kohle, Ölkreide und Pastellfarben auf Papier. Ihre Arbeiten mit Rosen, Päonien, Lilien, Hütten und Hubschraubern wurden in mehreren Publikationen zusammengefasst. Der Band Roses (2010) wird von zwei Gedichten eingeklammert; das erste von Adam Zagajewski und zum Abschluss „Die kranke Rose“ von William Blake. In den Abbildungen verwendet die Künstlerin eine Mischung aus Kohle, Pastellfarben und Ölkreiden.[15] Bei Lilies and Objects (2011) liegt der Schwerpunkt auf den Blumendarstellungen. Die Kombination mit Zeichnungen verschiedener Objekte wie Skulpturen und Artefakte wurde von der Künstlerin selbst vorgeschlagen. Außerdem wurde das Motiv des Hubschraubers in den Büchern Helicopter (2014) und Sea King (2015) publiziert.[16][17] Das Bild „Neuland“ (2017), ein Gemälde nach einem Pressefoto aus Prypjat bei Tschernobyl, wurde 2018 in der Einzelausstellung „Eden“ von der Galerie König in Berlin gezeigt.[18]

Seit 2015 entstehen auch abstrakte Werke. Erstmals waren sie neben gegenständlichen Arbeiten 2016 in der Ausstellung Dust der Galerie Marian Goodman in Paris[19] zu sehen und ergänzten 2017 die Überblicksschau Neuland[20] in der Kunsthalle Bremerhaven[8]. Es folgten Ausstellungen in Köln und Düsseldorf, London, Seoul und New York.

Sabine Moritz als Motiv

Gerhard Richter hat seine Frau sowie sie mit ihrem ersten Sohn Moritz mehrfach porträtiert. Bereits 1994 malte Richter – wie immer nach einer fotografischen Vorlage – Bilder seiner späteren dritten Frau. Sie trugen mit Lesende (799-1 und 804) und Kleine Badende (815-1) noch anonymisierte Titel. Beide Motive hatten – worauf der Richter-Biograf Dietmar Elger hinwies – malerische Vorbilder: die Briefleserin in Blau von Jan Vermeer und die gleichnamige Kleine Badende von Jean-Auguste-Dominique Ingres. 1995 malte Richter eine Serie mit acht Bildern unter dem Titel S. mit Kind (827-1 bis 827-8), die Sabine Moritz mit ihrem Säugling Moritz zeigte und bei der sich Richter des kunsthistorischen Topos Madonna mit Kind bediente.[21] „Der Vater Gerhard Richter versucht, sich dieses späten familiären Glücks zu versichern und es festzuhalten, indem er sich die Motive in einem langsamen malerischen Prozess aneignet, so als würde für ihn die Situation dadurch glaubhaft […]“.[22] Die Arbeiten wurden von Uwe Schneede – noch im Atelier Richters – für die Hamburger Kunsthalle erworben, jedoch erstmals 1996 im Carré d’Art im südfranzösischen Nîmes auf der Einzelausstellung 100 Bilder gezeigt.[23]

Richters Porträt seiner Frau Kopf (Skizze) wurde 2010 vom Auktionshaus Christie’s für 2,33 Millionen US-Dollar versteigert.[24]

Ausstellungen (Auswahl)

  • 2022: Lobeda oder die Rekonstruktion einer Welt, Lyonel-Feininger-Galerie, Quedlinburg; Sabine Moritz, Marian Goodman Gallery, New York; Raging Moon, Hyundai Gallery, Seoul
  • 2021: Mercy, Pilar Corrias Gallery, London
  • 2020: Passages (Gruppenausstellung mit Robert Adams), Galerie Thomas Zander, Köln; Lagune, Galerie Felix Ringel, Düsseldorf; Journal Entries, Heni Publishing, London
  • 2019: deeply unaware, Galerie Marian Goodman, Paris; Sterne und Granit, Kunsthalle Rostock, Rostock
  • 2018: Paintings and Drawings, Pilar Corrias Gallery, London; Eden, König Galerie, Berlin
  • 2017: Age of Terror (Gruppenausstellung), Imperial War Museum, London; Neuland, Kunsthalle Bremerhaven, Bremerhaven
  • 2016: Blumen, Masken, Schädel, Galerie Haas AG, Zürich; Dawn, Galerie Marian Goodman, Paris
  • 2015: Helicopter (Buchvorstellung), Heni Publishing, London; Sea King (Buchvorstellung), Serpentine Gallery, London; Schiffe und Wasser, Felix Ringel Galerie, Düsseldorf; Harvest, Pilar Corrias Gallery, London
  • 2014: Home, Pilar Corrias Gallery, London; Bilder und Zeichnungen 1991–2013, Von der Heydt Kunsthalle, Wuppertal-Barmen[25]
  • 2013: Limbo 2013, Galerie Marian Goodman, Paris; Freie Sicht/Adam Jankowski und Künstler aus seiner Malereiklasse an der HfG Offenbach (Gruppenausstellung), Nassauischer Kunstverein, Wiesbaden[26]; Concrete and Dust, Foundation de 11 Lijnen, Oudenburg, Belgien
  • 2012: Internationaler Faber-Castell Preis für Zeichnung 2012 (Gruppenausstellung), Neues Museum – Staatl. Museum für Kunst und Design, Nürnberg; Bilder, Felix Ringel Galerie, Düsseldorf; Jena-Düsseldorf, artroom goldensquare, London
  • 2011: Lobeda, Kunsthaus sans titre, Potsdam; Jena-Düsseldorf (Buchvorstellung), Buchhandlung Walther König, Köln; Lilies and Objects, artroom goldensquare, London
  • 2010: Lobeda (Buchvorstellung), Buchhandlung Walther König, Berlin / Köln; The Good, The Bad & the Ugly (Gruppenausstellung), Cultuurcentrum Mechelen, Mechelen, Belgien
  • 2006: Limbo. Paintings from 2005, Andrew Mummery Gallery, London

Literatur

  • Raging Moon, Gallery Hyundai, Seoul 2022, ISBN 978-89-6736-108-2.
  • Jena Düsseldorf. (Neuauflage), Verlag der Buchhandlung Walther König / Heni Publishing, Köln / London, 2021, ISBN 978-3-86335-033-8.
  • Lobeda. (erw. Auflage), Verlag der Buchhandlung Walther König / Heni Publishing, Köln / London, 2021, ISBN 978-1-912122-46-2.
  • Journal Entries, Heni Publishing, London, 2020, ISBN 978-1-912122-37-0.
  • deeply unaware, Marian Goodman Galerie, Paris, Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln, 2019, ISBN 978-0-944219-45-4.
  • Neuland, Kunsthalle, Bremerhaven, Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln, 2017, ISBN 978-3-96098-215-9.
  • Dawn / Storm, Marian Goodman Galerie, Paris, Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln, 2016, ISBN 978-3-96098-038-4.
  • Erinnerungen / Memoirs, Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln, 2016, ISBN 978-3-86335-899-0.
  • Blumen, Masken, Schädel, Galerie Haas AG, Zürich, 2016.
  • Schiffe und Wasser, Felix Ringel Galerie, Düsseldorf, 2015, ISBN 978-3-00-049828-2.
  • Sea King, Heni Publishing, London, 2015, ISBN 978-0-9930103-0-9.
  • Helicopter. Heni Publishing, London, 2014, ISBN 978-0-9930103-0-9.
  • Lobeda-Ost 1981 (Edition of 100), Nieves, Zürich, 2014.
  • Bilder und Zeichnungen 1991–2013, Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln, 2014, ISBN 978-3-86335-531-9.
  • Concrete and Dust, Foundation de 11 Lijnen, Oudenberg (Belgien), 2014, ISBN 978-90-79881-28-4.
  • Limbo 2013. Marian Goodman Gallery, New York (Paris), 2013, ISBN 978-0-944219-21-8.
  • Faber Castell International Drawing Award 2012, Verlag für Moderne Kunst, Nürnberg 2012, ISBN 978-3-86984-365-0.
  • Lilies and Objects. Heni Publishing, London, 2011, ISBN 978-0-9564041-6-9.
  • Jena Düsseldorf. Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln, 2011, ISBN 978-3-86335-033-8.
  • Lobeda. Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln, 2010, ISBN 978-3-86560-734-8.
  • Roses. Heni Publishing, London, 2010, ISBN 978-0-9564041-2-1.
  • Limbo: Paintings from 2005. Andrew Mummery Gallery, London, 2006.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Ulrike Knöfel: Frauenbilder. In: Der Spiegel, Ausgabe 4/2017 vom 21. Januar 2017, S. 118–121, hier S. 121.
  2. a b Interview Sabine Moritz (Memento des Originals vom 3. September 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.sans-titre.de (PDF-Datei; 9 kB) bei sans-titre.de, abgerufen am 1. März 2012.
  3. Dietmar Elger: Gerhard Richter, Maler. Dumont, Köln 2002, ISBN 3-8321-5848-0, S. 360.
  4. Rede bei der Eröffnung von JENA Düsseldorf in London von Hans-Ulrich Obrist, YouTube.
  5. Lobeda. Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln 2010, ISBN 978-3-86560-734-8.
  6. a b Vorw. & Interview von Hans Ulrich Obrist: Sabine Moritz. JENA Düsseldorf. Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln 2011, ISBN 978-3-86335-033-8, S. 176.
  7. preface by Hans Ulrich Obrist, an introduction by Matt Price and an essay by Chris Dercon: Sabine Moritz. Concrete and Dust. Hrsg.: Foundation De 11 Lijnen. Oudenberg 2014, ISBN 978-90-79881-28-4.
  8. a b Steffen Haug & Kai Kähler: Sabine Moritz. Neuland. Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln 2017, ISBN 978-3-96098-215-9.
  9. Andrew Mummery Gallery (Hrsg.): Sabine Moritz. Limbo. London 2006.
  10. B. Dessent: Sabine Moritz at Marian Goodman Gallery. (PDF) In: Art Observer. 4. Mai 2013, abgerufen am 3. April 2018 (englisch).
  11. Stefanie Stadel: Wenn die Idylle kippt. In: Welt am Sonntag. 23. März 2014, abgerufen am 3. April 2018.
  12. Karen Wright: Sabine Moritz. (PDF) In: The Independent. November 2015, abgerufen am 3. April 2018 (englisch).
  13. Michael Barnett: Endless Skies. (PDF) In: State Magazin. Januar 2016, abgerufen am 3. April 2018 (englisch).
  14. Sabine Moritz. Erinnerungen / Memoirs. Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln 2016, ISBN 978-3-86335-899-0.
  15. Roses. 2010, Heni Publishing, London ISBN 978-0-9564041-2-1.
  16. Adam Zagajewski, Hans Ulrich Obrist: Sabine Moritz. Helicopter. Heni Publishing, London 2014, ISBN 978-0-9930103-0-9.
  17. Joe Hage (Hrsg.): Sabine Moritz. Sea King. HENI Publishing, London 2015, ISBN 978-0-9930103-8-5.
  18. Martina Kaden: Aus dem Schatten des berühmten Gatten herausgemalt: Was tut eine Künstlerin, wenn sie mit einem Maler-Genie wie Gerhard Richter (86) verheiratet ist? Seit 25 Jahren ist Sabine Moritz (49) die Frau an Gerhard Richters Seite. Nun zeigt die Galerie König mit „Eden“ die erste Berliner Einzelausstellung von Moritz. In: Berliner Zeitung. 10. August 2018, abgerufen am 26. April 2022.
  19. Elisa Schaar: Sabine Moritz. (PDF) In: Art Forum. Januar 2017, abgerufen am 3. April 2018 (englisch).
  20. Kunstverein Bremerhaven: 9. Juli bis 27. August 2017: SABINE MORITZ - NEULAND. In: Kunsthalle Bremerhaven. 9. Juli 2017, abgerufen am 26. April 2022.
  21. Die Werknummern beziehen sich auf das Werkverzeichnis der Bilder auf der Internetseite Gerhard-Richter.com
  22. Dietmar Elger: Gerhard Richter, Maler. Dumont, Köln 2002, ISBN 3-8321-5848-0, S. 363 f.
  23. Jürgen Hohmeyer:Selbstentblößung in Schmelz und Wut. In: Der Spiegel vom 25. März 1996.
  24. Masters of Contemporary Figuration bei christies.com, abgerufen am 1. März 2012.
  25. Homepage von der Heydt Kunsthalle Wuppertal-Barmen Sabine Moritz, abgerufen am 12. März 2014
  26. Freie Sicht/Adam Jankowski und Künstler aus seiner Malereiklasse an der HfG Offenbach 1987–2013@1@2Vorlage:Toter Link/www.kunstverein-wiesbaden.de (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.