Sozialtourismus (politisches Schlagwort)
Das politische Schlagwort Sozialtourismus beschreibt abwertend Einwanderung, die angeblich nur dazu dient, im Zielland Sozialleistungen zu erhalten. Es wurde in Deutschland zum Unwort des Jahres 2013 gewählt.
Die Jury begründete ihre Entscheidung dahingehend, dass das Grundwort „Tourismus“ suggeriere, die Zuwanderung aus Not sei „eine dem Vergnügen und Erholung dienende Reisetätigkeit“. Aus Sicht der Gesellschaft für deutsche Sprache ist mit dem Begriff „gezielt Stimmung gegen unerwünschte Zuwanderer, insbesondere aus Osteuropa“, gemacht worden. Die Jury führte in ihrer Begründung aus, den Begriff „Sozialtourismus“ habe der Staatssekretär Günter Krings (CDU) aus dem Bundesministerium des Innern neu in Umlauf gebracht und die Deutsche Presse-Agentur dpa habe das Wort verwendet.[1]
Dabei stehe das Unwort des Jahres in Zusammenhang mit weiteren Wörtern wie „Armutszuwanderung“ sowie „Freizügigkeitsmissbrauch“.
Das semantisch ähnliche Wort Armutseinwanderung wurde 2013 bei der Festlegung Wort des Jahres in Deutschland auf Platz drei gesetzt.
Debatte 2013/14
Ende Oktober 2013 lebten in Deutschland 262.000 Rumänen und 144.000 Bulgaren. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) nahm damals an, dass 2014 bis zu 180.000 Menschen aus beiden Ländern nach Deutschland kommen würden. 2012 waren es unter dem Strich 75.000.[2]
Zum Jahresende 2013 begann die bayerische CSU eine Debatte, die sich um Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien, insbesondere Angehörige der Minderheit der Roma aus diesen Ländern, drehte. In der Folge entstand eine breite öffentliche Diskussion zu diesem Thema.[3] Kritik erntete der CSU-Wahlslogan Wer betrügt, der fliegt, mit dem sich die CSU gegen angebliche Sozialleistungsbetrüger unter Zuwanderern wandte. Unter Bezug auf den Ehebruch von CSU-Chef Horst Seehofer und die Plagiatsaffäre des ehemaligen CSU-Hoffnungsträgers Karl-Theodor zu Guttenberg kursierten zahlreiche Bilder dieser Politiker beim Nutzen von Luftfahrzeugen, in die der CSU-Slogan montiert war.[4]
Neuauflage 2022 durch Friedrich Merz
Wenige Monate nach Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine erklärte CDU-Chef Friedrich Merz über ukrainische Geflüchtete:
„Wir erleben mittlerweile einen Sozialtourismus dieser Flüchtlinge: nach Deutschland, zurück in die Ukraine, nach Deutschland, zurück in die Ukraine.“[5]
Nachdem sich gegen die Wortwahl heftiger öffentlicher Protest regte, bedauerte Merz diese und entschuldigte sich.[6]
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ „Sozialtourismus“ zum „Unwort des Jahres 2013“ gewählt. In: welt.de. Die Welt, 14. Januar 2014, abgerufen am 16. Januar 2014.
- ↑ Mythos Armutsmigration
- ↑ Debatte über Armutseinwanderung : Roth: Stimmungsmache mit „dummen Parolen“. Abgerufen am 23. Januar 2022.
- ↑ "Wer betrügt, der fliegt" - So lacht das Netz über den CSU-Slogan. Abgerufen am 27. September 2022.
- ↑ Merz bedauert "Sozialtourismus"-Vorwurf gegen Ukrainer. In: Süddeutsche Zeitung. 27. September 2022, abgerufen am 27. September 2022.
- ↑ Merz rudert nach „Sozialtourismus“-Vorwurf zurück, bleibt aber bei Botschaft. In: Focus. 27. September 2022, abgerufen am 27. September 2022.