Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Die Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft (SWG) ist ein eingetragener Verein mit Sitz in Hamburg. Zweck des Vereins ist die Durchführung staatsbürgerlicher Bildungsarbeit. Dieses Ziel soll vor allem durch Vortragsveranstaltungen und Publikationen erreicht werden. In Vorträgen und Publikationen der SWG werden u. a. geschichtsrevisionistische Themen behandelt.[1][2]

Geschichte und Sitz

Die SWG wurde am 9. April 1962 in Köln von Hugo Wellems, Chefredakteur der DP-Parteizeitung Das Deutsche Wort und ehemals Pressereferent in Goebbels Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda, gemeinsam mit dem damaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Artur Missbach und dem Publizisten Karl Friedrich Grau (CSU) gegründet. Wellems war bis zu seinem Tod 1995 Vorsitzender der SWG,[3] sein Nachfolger wurde Brigadegeneral a. D. Reinhard Uhle-Wettler. Ab April 2008 war der Rechtswissenschaftler Menno Aden Vorsitzender der Gesellschaft. Aktueller Vorsitzender ist seit Anfang 2015 der Bundeswehr-Oberst a. D. Manfred Backerra.[4]

1973 verlegte die SWG ihre Geschäftsstelle von Köln (Händelstraße 53) nach Hamburg.

Finanzierung und Tätigkeiten

Die SWG finanziert sich nach eigenen Angaben über Spenden. Sie ist in Regionalgruppen (sog. "Regios") gegliedert, ihr geographischer Schwerpunkt liegt in Norddeutschland.

Die Gesellschaft betreibt laut ihrem Selbstverständnis „konservative Bildungsarbeit“ im „vorpolitischen Raum“. Die SWG organisiert in erster Linie Vortragsveranstaltungen über politische, historische, wirtschaftliche und soziale Themen. Ziel der Arbeit der Gesellschaft ist das Werben „für die Vaterlandsliebe […] aus welcher Recht und Freiheit in Staat und Wirtschaft entstehen.[5]

1975 berichtete der Spiegel, dass die SWG im Bundestagswahlkampf 1972 mit Hilfe von Millionenspenden aus der Wirtschaft anonyme Postfach-Kampagnen gegen Willy Brandt und Walter Scheel durchgeführt habe.[6] Wolfgang Hoffmann berichtete unter anderem von einer Zahlung in Höhe von 382.950 Mark an die SWG vom 9. Oktober 1972.[7]

Mit einer Anzeige in der Tageszeitung Die Welt protestierte die SWG 1999 „nachdrücklich“ gegen die Wehrmachtsausstellung des Hamburger Institutes für Sozialforschung. Die Wehrmacht, so in der Anzeige, „war keine verbrecherische Organisation. Ihre Angehörigen haben in ihrer überwiegenden Mehrheit ehrenhaft gekämpft. Die deutschen Soldaten waren und sind keine Mörder!“[8]

Am 17. Juni 2004 appellierte die SWG an den damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler, in Italien einen Gnadenerweis für Erich Priebke zu erwirken.[2]

Periodikum und andere Publikationen

Von der Deutschen Partei übernahm die Gesellschaft 1962 die 1957 gegründete und 1961 eingestellte Zeitschrift Das deutsche Wort. Sie erschien halbmonatlich und war bis 1973 das offizielle Organ der SWG.[9] In der Nachfolge erschienen anstatt dessen zwei Ausgaben des Deutschland-Kuriers (1973 und 1974). Seit 1975 wurde die Zeitschrift in Deutschland-Journal, Untertitel unabhängige Zeitung für Politik, Wirtschaft und Kultur umbenannt und erschien ab 1978 in monatlicher Auflage. Ende 1990 wurde die Zeitschrift eingestellt. Seit 1991 erscheint als Organ des SWG ein jährliches Heft unter dem Titel Deutschland-Journal – Fragen zur Zeit[10], das gelegentlich durch Sonderausgaben ergänzt wird. Die Auflage beträgt 5.000 Exemplare.

Die Redaktionsanschrift ist die der Preußischen Allgemeinen Zeitung (ehemals Ostpreußenblatt), deren Chefredakteur Hugo Wellems war. Mit der Jungen Freiheit besteht ein Austausch von Artikeln und Hinweisen auf Veranstaltungen der SWG.

Die SWG publiziert außerdem laufend (meist mehrmals wöchentlich) Texte auf ihrer Internetseite, betreibt seit 2013 einen Facebook-Account und fördert gelegentlich Buchveröffentlichungen zu gesellschaftspolitischen Fragen.

Resonanz und Kritik

Im Herbst 1999 wollte die SWG den späteren Hamburger Innensenator Ronald Schill neben einer Reihe Prominenter für eine Veranstaltung gewinnen. Schill sagte seinen Vortrag wegen öffentlicher Proteste ab.[11] An seiner Stelle sprach dann Brigadegeneral Helmut Harff, bis kurz zuvor Befehlshaber der deutschen KFOR-Einheiten im Kosovo.

Der ehemalige Hamburger Vize-Verfassungsschutz-Chef Manfred Murck äußerte 2001, bei der SWG bestünden „personelle Überschneidungen“ mit „rechtsextremen Organisationen“.[12] Laut einem Pressebericht 2015 hatte der Hamburger Verfassungsschutz die SWG im Blick, weil auch Rechtsextremisten bei Veranstaltungen aufgetreten seien, so etwa die Rechtsanwältin Gisa Pahl. Laut einem Sprecher des Amtes behält die Behörde „mögliche Bezüge und Kontakte der SWG zur rechtsextremistischen Szene im Fokus“. Offiziell beobachtet werde der Verein aber nicht.[13]

Der Politikwissenschaftler Wolfgang Gessenharter ordnete die SWG 2004 zur Neuen Rechten ein[14] und stellte sie 2008 als ein „wichtiges Scharnier zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus“ dar.[15]

Der Staats- und Wirtschaftswissenschaftler Gideon Römer-Hillebrecht schrieb 2009, dass die SWG in ihren Vorträgen und Publikationen häufig geschichtsrevisionistische Themen wie die Relativierung der Schuld Deutschlands am Zweiten Weltkrieg und die Forderung nach Straffreiheit für die Holocaustleugnung behandeln würde.[16]

Die Anwesenheit der mehrfach verurteilten Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck-Wetzel auf einer SWG-Veranstaltung in Hamburg 2015 wurde in verschiedenen Medien thematisiert.[17]

Referenten

Die nachfolgende Liste (in alphabetischer Reihenfolge) ist nicht vollständig. Die Jahreszahlen in Klammern bezeichnen das Jahr des Vortrags.

Literatur

  • Kurt Hirsch: Rechts von der Union. Personen, Organisationen, Parteien seit 1945. Ein Lexikon. Knesebeck u. Schuler, München 1989, 478 S., ISBN 3-926901-22-5
  • Andreas Speit und Felix Krebs: „Rechts bei der Union“. In: Der Rechte Rand vom November 2005, Seite 3
  • Andreas Speit: „‚Anlage als nicht übersandt betrachten‘. Antisemitismus in der ‚Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft‘ (SWG)“. In: Der Rechte Rand Nr. 101 vom Juli/August 2006

Weblinks

Einzelnachweise

  1. vgl. Barbara Junge, Julia Naumann, Holger Stark: RechtsSchreiber: wie ein Netzwerk in Medien und Politik an der Restauration des Nationalen arbeitet. Berlin 1997, ISBN 3885206218, S. 163–165.
  2. a b Stefan Klemp: KZ-Arzt Aribert Heim. Die Geschichte einer Fahndung. Münster, Berlin 2010, ISBN 9783941688094, S. 140–1.
  3. Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-10-039326-5, S. 651.
  4. Deutschnationaler doch zu Gast bei Kieler CDU (Memento vom 15. August 2015 im Internet Archive), NDR, 15. August 2015.
  5. Was will die SWG? (aufgerufen am 5. Januar 2009).
  6. DER SPIEGEL, Nr. 48, 1975, S. 29.
  7. Wolfgang Hoffmann, Die Finanzen der Parteien, Praeger 1973, S. 190.
  8. Anzeige der SWG, Regionalteil Hamburg, DIE WELT vom 10. Juli 1999; Sekundärquelle hierzu: Daniel Hörsch, Rechte Netzwerke - eine Gefahr, VS Verlag 2004, S. 117.
  9. Die Weltbühne, Heft 13 vom 31. März 1970, Seite 388.
  10. http://www.deutschlandjournal.de/.
  11. Deutscher Bundestag, Drucksache 14/7772: Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion der PDS (5. Dezember 2001; PDF; 172 kB). S. 2.
  12. Peter Müller und Andreas Speit, Auf Kommando rechts um. In: die tageszeitung Hamburg vom 3. Februar 2001, S. 25.
  13. Verfassungsschutz hat mögliche SWG-Kontakte zu Rechtsextremisten im Fokus. In: NDR. 21. März 2015. Archiviert vom Original am 4. Februar 2016. Abgerufen am 3. Februar 2016.
  14. Wolfgang Gessenharter, Der eigentliche Bundeswehr-Skandal, In: Frankfurter Rundschau vom 21. Mai 2004.
  15. Andreas Speit: „Kein Gastspiel für Professor Daschitschew“, in: die tageszeitung vom 9. Mai 2008.
  16. Daniel Hofmann, Gideon Römer-Hillebrecht, Die «jüdisch-zionistische Verschwörung»: Juden, Bundeswehr und ihre Verbündeten als Feindbilder antimoderner Heilsbotschaften, In: Michael Berger, Gideon Römer-Hillebrecht, Juden und Militär in Deutschland: zwischen Integration, Assimilation, Ausgrenzung und Vernichtung, Nomos Verlag 2009, S. 337.
  17. Hamburger Morgenpost vom 22. März 2015; Potsdamer Neuste Nachrichten vom 23. März 2015