Tlalocit

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Tlalocit
Tlalocite-130808.jpg
Tlalocit in capriblauen kugeligen Aggregaten auf Azurit aus der Bambollita Mine bei Moctezuma, Sonora, Mexiko (Sichtfeld: 3 mm)
Allgemeines und Klassifikation
Andere Namen

IMA 1974-047

Chemische Formel
  • Cu10Zn6TeO3(TeO4)2Cl(OH)25·27H2O[1]
  • Cu10Zn6[(OH)25|Cl|TeO3|(TeO4)2]·27H2O[2]
  • (Cu,Zn)16(Te4+O3)(Te6+O4)2Cl(OH)25·27H2O[3]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Sulfate (Selenate etc.) mit weiteren Anionen, mit H2O
System-Nr. nach Strunz
und nach Dana
7.DE.20 (8. Auflage: IV/K.16)
42.06.07.01
Ähnliche Minerale Quetzalcoatlit[4]
Kristallographische Daten
Kristallsystem orthorhombisch
Kristallklasse; Symbol unbekannt
Raumgruppe unbekannt
Gitterparameter a = 16,780 Å; b = 19,985 Å; c = 12,069 Å[3]
Formeleinheiten Z = 4[3]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 1
Dichte (g/cm3) 4,55 (gemessen); 4,58 (berechnet)
Spaltbarkeit nicht gegeben
Bruch; Tenazität nicht gegeben;schneidbar, gummiartig
Farbe capriblau
Strichfarbe ganz blassblau
Transparenz durchscheinend
Glanz nicht gegeben
Kristalloptik
Brechungsindizes nα = 1,758[1]
nβ = 1,796[1]
nγ = 1,810[1]
Doppelbrechung δ = 0,052[1]
Optischer Charakter zweiachsig negativ[3]
Achsenwinkel 2V = 64° (gemessen), 2V = 61° (berechnet)[3]
Pleochroismus schwach von X = gelblichgrün nach Y = Z = bläulichgrün[1]
Weitere Eigenschaften
Chemisches Verhalten Auflösung in HNO3[5]

Tlalocit (ausgesprochen im Englischen „tla-lawk-ait“, im Spanischen „tlalocquita“) ist ein sehr selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Sulfate“ (und Verwandte, siehe Klassifikation). Es kristallisiert im orthorhombischen Kristallsystem mit der idealisierten Zusammensetzung Cu10Zn6TeO3(TeO4)2Cl(OH)25·27H2O,[1] ist also chemisch gesehen ein wasserhaltiges Kupfer-Zink-Tellurit-Tellurat mit zusätzlichen Hydroxidionen und Chloridionen.

Tlalocit bildet gekrümmte Bänder aus subparallelen lattigen Kristallen bis zu 10 µm Größe, die zu kugeligen bzw. sphärolithischen Aggregaten zusammentreten.[3] Er fand sich in teiloxidierten Bereichen eines Tellur-haltigen polymetallischen hydrothermalen Sulfiderzganges in der 12 km südlich von Moctezuma liegenden „Mina la Bambollita“ (Mina la Oriental), Sonora, Mexiko, in Begleitung von Tenorit, Azurit, Malachit und einem amorphen erbsengrünem Cu-Te-Minerals.[1]

Etymologie und Geschichte

Tlaloc war der Regengott der Azteken und Tolteken. Nach ihm wurde das Mineral Tlalocit aufgrund seines extrem hohen Gehaltes an Kristallwasser benannt.

In der unweit der „Mina la Bambollita“ liegenden Erzvorratshalde bei Nacozari, Sonora, die schon das Material zur Erstbeschreibung des Quetzalcoatlits lieferte, fand der US-amerikanische Geologe und Mineraloge Sid Williams von der Phelps Dodge Corporation in Douglas, Arizona/USA, zu Beginn der 1970er Jahre durch weiteres „durchkutten“ ein weiteres nicht zuzuordnendes Mineral. Entsprechende Untersuchungen führten zur Feststellung des Vorliegens eines neuen Minerals, welches 1974 von der International Mineralogical Association (IMA) anerkannt und 1975 von Sidney Arthur Williams (1933–2006) im englischen Wissenschaftsmagazin Mineralogical Magazine als Tlalocit beschrieben wurde. Benannt wurde das Mineral nach Tlaloc, der einer der bedeutendsten Götter des aztekischen Götterkreises war und von den Azteken zwar generell mit allen Wetterphänomenen assoziiert wurde, aber oft als „Regengott“ bezeichnet wird.

Typmaterial des Minerals wird in der Sammlung der Harvard University, Cambridge, Massachusetts (Sammlungs-Nr. 119091), in der Sammlung des zur Smithsonian Institution gehörenden National Museum of Natural History, Washington, D.C. (Sammlungs-Nr. 135057, 144519) und in den Sammlungen der École nationale supérieure des mines (Mines ParisTech), des Muséum national d’histoire naturelle, beide in Paris, Frankreich, sowie im Natural History Museum, London, aufbewahrt.[6][3]

Klassifikation

In der veralteten, aber teilweise noch gebräuchlichen 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Tlalocit zur Mineralklasse der „Oxide und Hydroxide (einschließlich V[5,6]-Vanadate, Arsenite, Sulfite, Selenite, Tellurite und Iodate)“ und dort zur Abteilung der „Sulfite, Selenite, Tellurite“, wo er zusammen mit Cheremnykhit, Dugganit und Kuksit die unbenannte Gruppe IV/K.16 bildete.

Die seit 2001 gültige und von der IMA verwendete 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Tlalocit in die Klasse der „Sulfate (Selenate, Tellurate, Chromate, Molybdate und Wolframate)“ und dort in die Abteilung der „Sulfate (Selenate usw.) mit zusätzlichen Anionen, mit H2O“ ein. Diese Abteilung ist allerdings weiter unterteilt nach der relativen Größe der beteiligten Kationen und der Kristallstruktur. Da die Kristallstruktur von Tlalocit jedoch bisher noch nicht genauer bestimmt werden konnte, ist er entsprechend in der Unterabteilung „Mit ausschließlich mittelgroßen Kationen; unklassifiziert“ zu finden, wo er als einziges Mitglied die unbenannte Gruppe 7.DE.20 bildet.

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Tlalocit in die Klasse der „Sulfate, Chromate und Molybdate“ und dort in die Abteilung der „Selenate und Tellurate“ ein. Hier ist er als einziges Mitglied in der unbenannten Gruppe mit der System-Nr. 33.03.02 innerhalb der Unterabteilung „Selenate und Tellurate mit anderen Aniongruppen“ zu finden.

Chemismus

Verschiedene Teilanalysen am Tlalocit lieferten Gehalte von 15,0 % TeO3, 6,1 % TeO2, 31,0 % CuO, 19,3 % ZnO, 1,3 % Cl und 27,7 % H2O, woraus sich die gemessene Zusammensetzung Cu9,92Zn6,03(Te4+O3)0,97(Te6+O4)2,17Cl0,93(OH)24,69·26,78H2O ergibt. Diese Zusammensetzung wurde zu Cu10Zn6TeO3(TeO4)2Cl(OH)25·27H2O idealisiert, welche Gehalte von 13,8 % TeO3, 6,3 % TeO2, 31,4 % CuO, 19,3 % ZnO, 1,4 % Cl und 28,1 % H2O fordert.[1][3] Die Schreibweise auf der Kationenseite mit (Cu,Zn)16 repräsentiert eine ungeordnete Version, die Schreibweise Cu10Zn6 hingegen eine geordnete Version der Formel.[7] Die Höhe des Wassergehalts im Tlalocit wird bezweifelt.[7]

Kristallstruktur

Tlalocit kristallisiert orthorhombisch mit den Gitterparametern a = 16,780 Å; b = 19,985 Å und c = 12,069 Å sowie vier Formeleinheiten pro Elementarzelle.[3]

Die Kristallstruktur des Tlalocits ist bis heute (Stand 2016) nicht aufgeklärt. Es wird angenommen, dass die Struktur von Tlalocit – wie auch von Utahit und Eurekadumpit – auf Cu- und Zn-Polyedern basieren, die senkrecht zur [001] orientiert sind. Charakter und Arrangement der Anionen und H2O-Moleküle sind jedoch in jedem Mineral anders. Ausgehend von der stabilen stöchiometrischen Beziehung zwischen Kupfer und Zink (Cu : Zn = 5 : 3) ist das strukturelle Muster in allen diesen Mineralen ähnlich und das Arrangement der Cu- und Zn-Atome ist geordnet, wie es im Telluritmineral Quetzalcoatlit und einigen natürlichen Arsenaten und Phosphaten festgestellt worden ist.[7]

Eigenschaften

Morphologie

Tlalocit bildet subparallel angeordnete lattige bis blätterige Kristalle bis zu 10 µm Größe, die zu kugeligen bzw. sphärolithischen oder sogar traubigen Aggregaten zusammentreten.[3][8]

Physikalische und chemische Eigenschaften

Tlalocitkristalle sind capriblau, ihre Strichfarbe ist dagegen immer weiß. Die Oberflächen der halbdurchsichtigen (durchscheinenden) Aggregate zeigen einen samtartigen Glanz. Tlalocit besitzt eine mittelhohe bis hohe Lichtbrechung und eine mittelhohe Doppelbrechung (δ = 0,025). Im durchfallenden Licht ist Tlalocit blassgrün und ähnelt Rosasit. Er zeigt einen schwachen Pleochroismus von X = gelblichgrün nach Y = Z = bläulichgrün.[1]

Zur Spaltbarkeit des Tlalocits wie auch zu dessen Bruch (Mineral) existieren keine Angaben. Tlalocit ist gummiartig und schneidbar. Er weist eine Mohshärte von 1 auf und gehört damit zu den weichen Mineralen, die wie das Referenzmineral Talk mit dem Fingernagel schabbar sind. Die gemessene Dichte für Tlalocit beträgt 4,55 g/cm³, die berechnete Dichte 4,58 g/cm³.[3]

Bildung und Fundorte

Tlalocit bildete sich unter extrem oxidierenden Bedingungen in Bereichen eines Tellur-haltigen polymetallischen hydrothermalen Sulfiderzganges. Er findet sich in den oder in der Nähe der reichsten Erzpartien – aber immer nur auf den Oberflächen derjenigen Risse und Bruchspalten im Erz, welches der intensivsten Oxidation unterworfen waren. Er fand sich ebenfalls in Hohlräumen, die durch die Auflösung ehemaliger sulfidischer Erzminerale entstanden. Begleitminerale sind Tenorit, Azurit, Malachit, Hessit und ein amorphes, erbsengrünes Cu-Te-Mineral.[1][8]

Als sehr seltene Mineralbildung konnte Tlalocit bisher (Stand 2016) nur von seiner Typlokalität beschrieben werden.[9][10] Die Typlokalität für das Mineral ist 12 km südlich von Moctezuma liegenden „Mina la Bambollita“ (Mina la Oriental), Municipio Moctezuma, Sonora, Mexiko. Fundstellen in Deutschland, Österreich und der Schweiz sind deshalb nicht bekannt.

Ein ursprünglich als Tlalocit identifiziertes Mineral aus der „Blue Bell Mine“ bei Baker, Soda Lake Mts, San Bernardino County, Kalifornien, USA, hat sich als Quetzalcoatlit erwiesen.[11][12]

Verwendung

Tlalocit ist aufgrund seiner Seltenheit ein bei Mineralsammlern begehrtes Mineral, ansonsten aber ohne jede praktische Bedeutung.

Siehe auch

Literatur

  • Sidney Arthur Williams: Xocomecatlite, Cu3TeO4(OH)4, and tlalocite, Cu10Zn6(TeO3)(TeO4)2Cl(OH)25·27H2O, two new minerals from Moctezuma, Sonora, Mexico. In: Mineralogical Magazine. Band 40, 1975, S. 221–226 (rruff.info [PDF; 315 kB]).
  • Paul Ramdohr, Hugo Strunz: Klockmanns Lehrbuch der Mineralogie. 16. Auflage. Enke, Stuttgart 1978, ISBN 3-432-82986-8, S. 837 (Erstausgabe: 1891).
  • Hans Jürgen Rösler: Lehrbuch der Mineralogie. 4., durchgesehene und erweiterte Auflage. Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie (VEB), Leipzig 1987, ISBN 3-342-00288-3, S. 427.

Weblinks

Commons: Tlalocite – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h i j k Sidney Arthur Williams: Xocomecatlite, Cu3TeO4(OH)4, and tlalocite, Cu10Zn6(TeO3)(TeO4)2Cl(OH)25·27H2O, two new minerals from Moctezuma, Sonora, Mexico. In: Mineralogical Magazine. Band 40, 1975, S. 221–226 (rruff.info [PDF; 315 kB]).
  2. Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. 9. Auflage. E. Schweizerbart'sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 406.
  3. a b c d e f g h i j Tlalocite, In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America, 2001 (PDF, 67 kB)
  4. Mindat – Tlalocit
  5. Michael Fleischer, Ray E. Wilcox, John J. Matzko: Microscopic determination of the non-opaque minerals (U.S. Geological Survey Bulletin 1627). 3. Auflage. U.S. Government Printing Office, Washington D.C. 1984, S. 292.
  6. Catalogue of Type Mineral Specimens – T. (PDF 87 kB) In: docs.wixstatic.com. Commission on Museums (IMA), 12. Dezember 2018, abgerufen am 29. August 2019.
  7. a b c Igor V. Pekov, Nikita V. Chukanov, Aleksandr E. Zadov, Andrew C. Roberts, M. C. Jensen, N. V. Zubkova, Anthony J. Nikischer: Eurekadumpite, (Cu,Zn)16(TeO3)2(AsO4)3Cl(OH)18⋅7H2O, a new supergene mineral species. In: Geology of Ore Deposits. Band 53, 2011, S. 575–582, doi:10.1134/S1075701511070178.
  8. a b Christian Rewitzer: Bambollita, Bambolla, San Miguel und Candelaria: Untertagefunde und Typmineralien. In: Lapis. 26 (Heft 1), 2007, S. 24–40 + 58.
  9. Mindat – Anzahl der Fundorte für Tlalocit
  10. Fundortliste für Tlalocit beim Mineralienatlas und bei Mindat
  11. Robert M. Housley: Recent discoveries of tlalocite, kuksite, and other rare minerals from the Blue Bell mine, San Bernardino County, California. In: San Bernardino County Museum Association Quarterly. Band 44, 1997, S. 9–12.
  12. Anthony R. Kampf, George R. Rossman, Robert M. Housley: Plumbophyllite, a new species from the Blue Bell claims near Baker, San Bernardino County, California. In: The American Mineralogist. Band 94, 2009, S. 1198–1204, doi:10.2138/am.2009.3156.