Tuareg
Die Tuareg (Singular: Targi (männlich), Targia (weiblich); zu dieser Eigenbezeichnung siehe Abschnitt Etymologie) sind ein zu den Berbern zählendes Volk in Afrika, dessen Siedlungsgebiet sich über die Wüste Sahara und den Sahel erstreckt.
Von den Tuareg werden neben ihrer eigenen Sprache mehrere Verkehrssprachen gesprochen, von Songhai über Arabisch und Hassania bis Französisch; ihre Schrift ist das Tifinagh. Jahrhundertelang lebten sie im Gebiet der heutigen Staaten Mali, Algerien, Niger, Libyen und Burkina Faso nomadisch. Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts sind viele inzwischen sesshaft geworden. Sie zählen, bei stark schwankenden Angaben etwa 1,5 bis 2 und nach Eigenangaben bis 3 Millionen Menschen.[1]
In den letzten Jahren kam es immer wieder zu Aufständen der Tuareg, die sich behindert fühlen, ihre hirtennomadische Lebensweise fortzuführen.
Etymologie
Das Wort Tuareg leitet sich von dem Wort Targa, dem berberischen Namen für die Provinz Fezzan in Libyen, ab. Damit bezeichnete Tuareg ursprünglich die Bewohner des Fezzan.[2] Targa ist ein berberisches Wort, das mit ‚Rinne’ oder ‚Kanal‘, im weitesten Sinne auch mit ‚Garten‘ übersetzt werden kann.[3] Lokaler Ansicht zufolge bezeichnet Targa nicht den gesamten Fezzan, sondern lediglich die Region zwischen den Städten Sebha und Ubari und wird arabisch als
bezeichnet. Gemeint ist damit das fruchtbare Wadi al-Haya (vormals Wadi al-Ajal), das den gesamten Süden Libyens mit agrarischen Produkten versorgt.[4]
Die bis heute weit verbreitete arabische Volksetymologie: Tawariq (Einzahl: Tarqi), ‚das von Gott verlassene Volk‘, dient dazu, eine arabische Überlegenheit über die Tuareg auszudrücken. Grund dafür sind die liberalen religiösen Auffassungen der Tuareg, die von Vertretern einer strengen muslimischen Doktrin als verwerflich angesehen werden.
Der Name Tuareg hat sich seit der Kolonialzeit im deutschen, frankophonen und angloamerikanischen Sprachraum eingebürgert. Die Tuareg selbst bezeichnen sich nicht mit diesem Namen. Die emische Bezeichnung der Tuareg lautet Imajeghen im Niger, Imuhagh in Algerien und Libyen und Imushagh in Mali. Das gh wird wie das deutsche Rachen-r ausgesprochen und die Betonung liegt auf der ersten Silbe. Diese Eigenbezeichnung (Endonym) bezieht sich auf Menschen mit freier Abstammung, die noble Qualitäten besitzen. Damit wird auf den Ehrenkodex (asshak) der Sahara- und Sahelbewohner hingewiesen. Alle drei Begriffe gehen auf dieselbe Wurzel zurück und sind lediglich infolge der dialektalen Ausformung unterschiedlich. Neben dieser Eigenbezeichnung Imajeghen/Imuhagh/Imushagh findet der Name Kel Tamasheq, ‚die Leute, die Tamasheq sprechen‘, Verwendung.
In der Literatur werden die Tuareg als Kel Tagelmust ‚die Leute des Gesichtsschleiers‘ oder „Das blaue Volk“ bezeichnet, da sie mit Indigo gefärbte Kleidung tragen. Beide Begriffe werden von den Tuareg nicht verwendet.
Geschichte
Die Tuareg sind ein Berbervolk. Sie sollen Nachkommen der altberberischen Garamanten sein, die um die Zeitenwende in den Regionen des heutigen Südtunesiens und Libyens ein kriegerisches Kamelnomadentum entwickelt hatten.[5] Im 11. Jahrhundert wurden sie von arabischen Beduinen vom Stamm der Banū Hilāl aus dem Fessan vertrieben und zogen sich abgedrängt in die Gebiete der zentralen Sahara, insbesondere das Tassili n'Ajjer, Aïr und Ahaggar zurück, wo sie seit dieser Zeit leben. Insoweit konnten sie sich einer Arabisierung ihrer Kultur (Schrift, Sprache, Handwerkskultur, matrilineare Sozialstrukturen) entziehen. Gleichwohl übernahmen sie den Islam.[6] Bei dieser Abdrängung vertrieben sie ihrerseits das Wüstenvolk der Tubbu in das Tibestigebirge. Nach dem Untergang des Songhaireichs im Zuge des marokkanischen Eroberungskrieges im 16. Jahrhundert drangen die Tuareg zunehmend auch in die Sahelzone ein und errangen in der Folgezeit unter anderem die Kontrolle über Timbuktu und das Sultanat Aïr mit Sitz in Agadez.
Die Tuareg mussten immer wieder um das Recht kämpfen, als freies Volk anerkannt zu werden und nach ihrer Tradition leben zu dürfen. Im 19. Jahrhundert leisteten sie der vordringenden Kolonialmacht Frankreich in der Saharazone von Westafrika lange Zeit heftigen Widerstand. Erst 1917 wurde ein Friedensvertrag geschlossen. Mit dem Ende der französischen Kolonialherrschaft in Westafrika 1960 wurde das Siedlungsgebiet der Tuareg zwischen den nunmehr unabhängigen Staaten Mali, Niger und Algerien aufgeteilt, wobei kleinere Gruppen der Tuareg zudem in Libyen und Burkina Faso leben. 1990 bis 1995 revoltierten die Tuareg in Mali und Niger aufgrund der Unterdrückung und Ausgrenzung durch die jeweiligen Regierungen. Ein Führer des Tuareg-Aufstandes war Mano Dayak. Mitte der 1990er Jahre wurden die Aufstände nach der Unterzeichnung von Friedensverträgen beendet. 2007 beschuldigte die neu gegründete Tuareg-Rebellengruppe Bewegung der Nigrer für Gerechtigkeit die Regierung, den Friedensvertrag nicht einzuhalten. Außerdem fordern sie einen Anteil des Gewinns aus dem Uranabbau nordwestlich von Agadez für die Tuareg (Uranmine bei Arlit).[7]
Infolge des Bürgerkriegs in Libyen im Jahr 2011 verschärfte sich die Sicherheitslage im Norden Malis, nachdem Tuareg, die auf Seiten Muammar al-Gaddafis kämpften, aus Libyen vertrieben wurden. Die als Nationale Bewegung für die Befreiung des Azawad (MNLA) auftretenden bewaffneten Gruppen drangen ab Ende 2011 über Niger nach Mali ein und brachten Gebiete im Norden des Landes unter ihre Kontrolle. Ob sie dabei in Verbindung zu Al-Qaida im Maghreb stehen, ist umstritten.[8] Soldaten der malischen Streitkräfte warfen der Regierung von Präsident Amadou Toumani Touré Unfähigkeit bei der Bekämpfung des Aufstandes der Tuareg im Norden des Landes vor und übernahmen durch einen Putsch im März 2012 die Macht. Die MNLA nutzte die Situation und eroberte in den Tagen darauf bis Anfang April alle Städte im Gebiet Azawad. Am 6. April rief sie einseitig den unabhängigen Staat Azawad aus.[9]
Hauptorte
Als Nomadenvolk, das bis zur Kolonialzeit in mehrere politische Konföderationen unterteilt war, besitzen die Tuareg keine Hauptstadt. Am ehesten kann man Agadez im Niger, mit dem Sitz des Sultans von Aïr als einen zentralen Ort bezeichnen. Für die nördlichen Tuareg (Kel Ajjer und Kel Ahaggar) spielten die südalgerische Oase Djanet und die südlibysche Oase Ghat in früheren Zeiten eine ähnliche Rolle. Der heutige Hauptort des Ahaggar-Gebirges, Tamanrasset, entstand erst nach 1900, als sich der französische Missionar Charles de Foucauld in der Gegend niederließ. Erst nach der endgültigen Eroberung des Gebirges durch die französischen Kolonialtruppen wuchs der Ort und wurde zum offiziellen Sitz des Amenokal (Königs) der Kel Ahaggar.
Kultur und Religion
Die Kultur der Tuareg wurde von den Afrikaforschern Heinrich Barth und Henri Duveyrier erforscht und ausführlich beschrieben.
Seit der ersten islamischen Wanderungswelle der Umayyaden von der Halbinsel nach Nordafrika wurde der Maghreb und Ägypten arabisiert. Die Tuareg wurden über die Handelswege zu Muslimen, obwohl sie sich anfangs sehr stark gegen eine Missionierung wehrten, denn die den Islam verbreitenden Araber waren ihre angestammten Feinde. Heute beruht der Islam bei den Tuareg auf der Malikiten-Lehre (wie fast ganz Nordafrika) und sie gehören diversen Bruderschaften an. An die Regeln des Islams halten sie sich überwiegend streng. Ihren Glauben an gute und böse Geister (Kel Essuf) konnten sie in die muslimische Religion einfügen, da auch der Islam das Vorhandensein von Geistern im Koran erwähnt. Zu ihrer Abwehr sind für sie Amulette, in Leder eingebundene magische Zeichen, unverzichtbar. Die Frauen tragen als Amulett-Schmuck die Chomeissa, eine abstrahierte Form der Hand der Fatima.
Wie in der gesamten Sahelzone ist zeremonielles Teetrinken ein wichtiger Bestandteil der Alltagskultur. Es werden drei unterschiedlich starke Aufgüsse unterschieden. Ein Gast, der drei Gläser ausgetrunken hat, steht unter dem Schutz der Tuareg.[10]
Die Tuareg waren ursprünglich reine nomadische Viehzüchter mit einem komplex abgestuften hierarchischen Sozialmodell:
- Imajeghen/Imuhagh/Imushagh
- Imaghad
- Iklan (Iderafan, Ikawaren, Izzegharen)
- Inadan
- Ineslimen
Heute sind nur noch einige wenige Gruppen vollnomadisch. Die meisten leben von halbnomadischer mobiler Weidewirtschaft mit teilweisem Anschluss an marktwirtschaftliche Strukturen.
Einige Stämme hatten bis zur kolonialen Eroberung die politische und wirtschaftliche Macht inne. Sie stellten den König, den Amenokal. Daneben gibt es zugewanderte Stammesgruppen, die in der Literatur mit Begriffen des feudalen Europas beschrieben werden, die Imaghad. Sie mussten in vorkolonialer Zeit Abgaben liefern, kooperierten jedoch in politischen Belangen mit den Imajeghen/Imuhagh/Imushagh und wurden von ihnen beschützt. Iklan, „Sklaven“ spielten im traditionellen System eine wesentliche wirtschaftliche Rolle. Sie stellten das Eigentum einer Familie dar, wurden jedoch als fiktive Verwandte integriert. Sklaven konnten freigelassen werden und wurden dann mit unterschiedlichen Termini bezeichnet (unter anderem Iderafan, Ikawaren, Izzegharen). Die Handwerker und Schmiede (Inadan) stellen eine eigene soziale Gruppe dar, die als Personen ohne Scham und Anstand gelten, jedoch für die Wirtschaft unentbehrlich waren, da sie Arbeitsgeräte, Werkzeuge, Waffen, Küchenutensilien und Schmuck herstellten. Der Vollständigkeit halber seien die Ineslimen, die Korangelehrten genannt, obwohl sich der Begriff auf alle Muslime bezieht.
Dieses Sozialsystem spielt bis heute eine Rolle und weist den jeweiligen Klassen Wert- und Moralvorstellungen zu, die für die einzelnen Gruppenmitglieder einzuhalten sind[11]
Die Frau empfängt die Gäste und überwacht die Zubereitung des Tees. Sie entscheidet, wen sie heiratet und sie darf ihren Mann verstoßen. Eine Ehescheidung stellt in dieser Kultur keine Schande dar. Ebenso ist es ihr erlaubt, vor einer Ehe verschiedene Liebhaber gehabt zu haben. Nach einer Scheidung verbleiben die Kinder bei der Frau. Die Söhne der Schwester werden von Männern in der Weitergabe ihrer Besitztümer bevorzugt, da man hier von einer engeren Verbindung ausgeht, als es bei eigenen Söhnen der Fall ist. Man spricht hier von Matrilinearität, womit aber nicht das Matriarchat gemeint ist.[12]
Die verlorene oder versunkene Oase Gewas ist in der Tuareg-Kultur ein wichtiges Symbol. Sie steht für die Sehnsucht nach einer vollkommenen, paradiesischen Welt voller Reichtümer und Überfluss. Dieser imaginäre Gegenentwurf zur unbarmherzigen und kargen Wirklichkeit der Wüste dient als eine Art Trost. In der Vorstellung der Tuareg kann nur derjenige diesen legendären Ort finden, der nicht bewusst und gezielt nach ihm sucht.[13]
Die Tuareg besitzen mit dem Tifinagh ein Schriftsystem, das jedoch nicht der alltäglichen Kommunikation dient. Auch in früheren Zeiten war die Kenntnis des Tifinagh auf die „Adelsclans“ (damit werden in der älteren Literatur die Imajeghen/Imuhagh/Imushagh bezeichnet) beschränkt, wo sie den Kindern von ihren Müttern bzw. den alten Frauen beigebracht wurde. Heute verwenden viele Handwerker die Tifinagh-Schrift und gravieren ihre Namen auf selbst hergestellte Schmuckstücke.
→ Artikel: Geschichte des Islam bei den Tuareg
Wohnen
Die umherziehenden Tuareg leben in Zelten. Die Stämme der Sahelzone bauen ihre Mattenzelte aus Palmwedeln. Wenn die Stämme über längere Zeit an einem Ort bleiben, errichten sie Seribas. Diese kleinen Hütten aus Schilf besitzen zwei Eingänge, welche für Durchzug sorgen. Als Windschutz dient eine Strohmatte, Asabar genannt, die man vor den Eingang stellt. In der Wüste haben die Tuareg Lederzelte, die aus 30 bis 40 Schaffellen und Ziegenfellen bestehen. Beim Aufbauen der Zelte errichten sie zuerst die Bogenkonstruktion, danach werden die Möbel platziert und anschließend Dach und Seitenwände darüber geworfen und bespannt. Viele der Tuareg sind in die Städte gezogen. Andere haben sich an Oasen eigene Siedlungen aufgebaut und betreiben Ackerbau. Die meisten Tuareg, die in einer Stadt ein neues Leben beginnen wollen, gehen nach Agadez, eine Stadt im Niger, in der schon viele von ihnen leben.
Kleidung
Die Kleidung der Nomaden ist geschlechtsspezifisch. Männer tragen eine schwarze, am Saum mit weißen oder gelben Fäden bestickte Hose (ikerbey), ein langes, bis zu den Knöcheln reichendes Übergewand (tekatkat) und den Gesichtsschleier, tagelmust oder eshesh, um den Mund zu verdecken, da Körperöffnungen als unrein gelten. Außerdem ist es üblich, dass sich Männer vor Frauen verschleiern. Nach einer anderen Interpretation müssen sich die Männer, die häufig in der Wüste und in den Bergen unterwegs sind, vor den Kel Eru, den Geistern der Toten, schützen, die versuchen, auf dem Weg über den Mund Besitz von den Lebenden zu ergreifen. Zur traditionellen Männertracht gehörte, zumindest an hohen Festtagen, auch eine hohe Mütze aus rotem Filz, die als Tukumbut bezeichnet wurde. Das Gesicht der Frauen ist, wie bei den Berbern, unbedeckt, sie tragen aber ein Tuch auf dem Kopf, das ihre Würde und ihre Ehre als erwachsene Frau verdeutlicht. Die Kopfbedeckungen der Männer und Frauen haben in erster Linie mit dem Ehrenkodex der Gesellschaft (asshak) zu tun und verdeutlichen Respekt, Anstand und Reserviertheit (takarakit)[14].
Frauen sind mit einem Wickelrock (teri) und einem lose flatternden, aufwändig bestickten Oberteil (aftaq) bekleidet oder tragen ein Wickelgewand (tasirnest). Gleich dem tagelmust der Männer besitzen Frauen eine Kopfbedeckung, adeko oder afar, die ihre Ehre und Würde unterstreicht und das Frau-sein hervorhebt.[15]
Die Kopfbedeckung der Tuareg beruht weniger auf muslimischen Normen als auf ihren eigenen Wertvorstellungen (vgl. Rasmussen 1995). Zudem bietet sie Schutz vor Sonne, Sand und Wind und verringert die Körperaustrocknung. Aleschu, das indigoblau gefärbte und per Hand aus vielen Stoffbahnen zusammengenähte Stück Stoff, ist das Markenzeichen schlechthin, wurde jedoch erstmals vor knapp 150 Jahren aus Kano ins Gebiet der Tuareg importiert (Spittler, 2008). Jahrelanges Tragen färbt die Gesichtshaut bläulich, daher das Klischee vom „blauen Ritter der Wüste“. Seit ungefähr einem Jahrhundert sind auch feine Musselinstoffe in weiß oder schwarz in Verwendung (eschesch), da durch die zunehmende Verarmung das aleschu nicht mehr bezahlbar war. Der Chèche (auch Schesch geschrieben) ist zwischen 2,5 Meter und 15 Meter lang, je nachdem, ob es sich um einen jungen Mann oder eine respektgebietende ältere Persönlichkeit handelt.[16]
Ernährung
Verschiedene Getreidesorten, die von den Frauen angebaut oder gesammelt werden und aus denen sie das Brot der Tuareg, Taguella, herstellen, bilden die Grundlage der Ernährung. Im Süden wird vor allem Hirse genutzt, im Norden Weizen, außerdem Gerste. Für die umherziehenden Tuareg ist die Kamelmilch wichtig. Ungekocht wird sie mit Wasser zur täglichen Mahlzeit getrunken. In gedḥān genannten Holzschalen offen stehengelassen, vergärt sie zu Sauermilch oder Dickmilch. Außerdem benötigen sie Ziegen-, Kuh- und Schafsmilch für Butter und Käse. Wenn die Tuareg auf Wanderschaft sind, gehört die Taguella (insbesondere in Algerien) zum Ernährungsstandard. Fleisch gibt es meist nur bei religiösen und familiären Festen. Die Tuareg verschmähen häufig Eier, Hühner und Fisch. Beeren, Früchte, Wurzeln und Samen werden von den Frauen und Kindern wie Getreide gesammelt. Der von Arabern eingeführte Grüntee ist den Tuareg fast unentbehrlich geworden. Das Ritual des Teekochens gehört zur Teekultur Nordwestafrikas.
Musik und Feste
Es gibt mehrere traditionelle Musikstile, zum Beispiel Tendé, Imzad und Esele. Tendé wird auch „Tanz der Kamele“ genannt. Dabei sitzen die Frauen dicht beisammen und singen, eine Vorsängerin trommelt auf dem mit Ziegenhaut bespannten Hirsemörser, der Tendé genannt wird, und die Männer umrunden die Frauen auf ihren Kamelen. Imzad ist eine einsaitige Fiedel, die vorzugsweise von älteren Frauen gespielt wird. Die dreisaitige Tuareg-Laute Tahardent ähnelt der viersaitigen Tidinit von Mauretanien, sie hat sich seit den 1960er Jahren in den Städten am Rand der Wüste ausgebreitet. Esele ist eine Art „Wüstendisco“, bei der junge Frauen die Männer mit rhythmischem Gesang und Händeklatschen zum Tanz auffordern. Gitarrenmusik ist sehr beliebt. Ein Fest ohne Gitarre ist in manchen Regionen undenkbar.
Hochzeiten und nationale oder religiöse Jahresfeste haben im Leben der Nomaden eine große Bedeutung. Das größte Fest ist die Hochzeit. Frauen und Männer tragen dabei edelste Kleidung, dazu gibt es als Musik meist Tendé. So heißt auch ein weiteres Fest, bei dem ausschließlich die Musikart Tendé gespielt wird. Daneben gibt es viele regionale Feste.
In Djanet in Südalgerien wird jedes Jahr vor dem islamischen Aschura-Tag das zehntägige Sebiba-Tanzfest veranstaltet. Bianou ist ein ähnliches Neujahrsfest, das in Agadez im nördlichen Niger stattfindet.
Kunst und Handwerk
Die Tuareg schmieden von Waffen bis zu Ohrringen die unterschiedlichsten Gegenstände aus Eisen, Silber und Buntmetallen. Eisen gewinnen sie heutzutage in erster Linie aus Industrieschrott, zum Beispiel Halbachsen von Geländewagen, die sie dann zu Äxten weiterverarbeiten. Für die Herstellung von Gegenständen aus Buntmetall (Kupfer, Messing und Bronze) wird meist das Wachsausschmelzverfahren angewandt, bei dem man zunächst ein Modell des gewünschten Objekts aus Wachs anfertigt. Das Modell wird anschließend in kaltem Wasser gehärtet und danach mit feinem Ton umkleidet. Dabei werden mehrere Löcher freigelassen, um später das Wachs ausschmelzen zu können. Nun wird der Ton erhitzt und das Wachs durch die Öffnungen in eine Schüssel mit Wasser zur Wiederverwertung ausgegossen. Das vorgesehene Metall wurde bereits in einem Tontiegel (tebent) geschmolzen. Wenn das Gussmetall dann heiß genug ist, wird es durch das Wachsausgussloch in die Tonform eingegossen. Diese wird nach der Metallhärtung zerschlagen, anschließend wird der abgekühlte Rohling gefeilt und poliert (beispielsweise mit Sand) und ein Muster eingeritzt. Da man beim Gelbguss keine vorgefertigten Gussformen verwendet, fallen schon die unbearbeiteten Objekte sehr unterschiedlich aus.
Handel
Die Sahara-Tuareg bringen mit ihren Kamelen Salz aus der Amadror-Ebene und anderen Orten, sowie Datteln auf verschiedene Märkte. Von dem Erlös kaufen sie Getreide, Stoffe, Tee und Zucker. Die Sahara-Tuareg könnten ohne diesen Karawanenhandel nicht leben. Er wird nur von den Männern betrieben, so dass die Frauen manchmal monatelang mit den Kindern und Viehherden allein bleiben. Die Handelsunternehmen der Sahel-Tuareg beschränken sich auf den Verkauf ihres Viehs.
Bekannte Tuareg
- Attaher Abdoulmoumine (* 1964), nigrischer paramilitärischer Anführer und Politiker
- Rhissa Ag Boula (* 1957), nigrischer paramilitärischer Anführer und Politiker
- Hamid Algabid (* 1941), nigrischer Politiker, Premierminister Nigers
- Habibou Allélé (1938–2016), nigrischer Politiker und Diplomat
- Mouma Bob (1963–2016), nigrischer Gitarrist und Singer-Songwriter
- Bombino (* 1980), nigrischer Gitarrist und Sänger
- Aïchatou Boulama Kané (* 1955), nigrische Politikerin
- Akoli Daouel (* 1937), nigrischer Politiker, Journalist und Unternehmer
- Mano Dayak (um 1950–1995), nigrischer politischer Aktivist, Unternehmer und Schriftsteller
- Rissa Ixa (* 1946), nigrischer Maler
- Sanoussi Jackou (1940–2022), nigrischer Politiker
- Mdou Moctar (* 1985), nigrischer Gitarrist und Singer-Songwriter
- Abdallah ag Oumbadougou (* um 1962), nigrischer Musiker
- Brigi Rafini (* 1953), nigrischer Politiker, Premierminister Nigers
- Jeannette Schmidt Degener (1926/1927–2017), nigrische Unternehmerin und Politikerin
- Ilguilas Weila (* 1957), nigrischer Abolitionist
- Mouddour Zakara (1912–1976), nigrischer Politiker
- Ikhia Zodi (1919–1996), nigrischer Politiker
Siehe auch
Literatur
- Henrietta Butler: The Tuareg: The Tuareg, or Kel Tamasheq. And a History of the Sahara. Gilgamesh Publishing, 2015
- Edmond Bernus, Jean-Marc Durou: Touaregs – un peuple du désert. Robert Laffont, Paris 1996.
- Mano Dayak: Die Tuareg Tragödie. Bad Honnef 1996. ISBN 978-3-89502-039-1.
- Henri Duveyrier: L'exploration du Sahara. Les Touaregs du Nord. Paris 1864.
- Harald A. Friedl: KulturSchock Tuareg. Reise Know-how. Peter Rump, Bielefeld 2008. ISBN 978-3-8317-1608-1.
- Harald A. Friedl: Reisen zu den Wüsternrittern. Ethno-Tourismus bei den Tuareg aus Sicht der angewandten Tourismus-Ethik. Traugott Bautz Verlag, Neuhausen 2009
- Werner Gartung: Tarhalamt. Die Salzkarawane der Kel Ewey Tuareg. Museum für Völkerkunde, Freiburg im Breisgau 1987 ISBN 3-923804-15-6.
- Werner Gartung: Durchgekommen. 1000 Wüstenkilometer mit der Tuareg-Salzkarawane. Pietsch Verlag, Stuttgart 1987, ISBN 3-613-50049-3.
- Gerhard Göttler: Die Tuareg. DuMont, Köln 1989. ISBN 978-3-7701-1714-7.
- Claudot-Hawad Hélène: Honneur et politique: Les choix stratégiques des Touareg pendant la colonisation française. In: Encyclopédie Berbère. Band XXIII. Aix-en-Provence 2000. S. 3489–3501.
- Jacques Hureiki: Tuareg – Heilkunst und spirituelles Gleichgewicht. Cargo Verlag, Schwülper 2004. ISBN 978-3-9805836-5-7.
- Herbert Kaufmann: Wirtschafts- und Sozialstruktur der Iforas-Tuareg. Köln 1964 (Phil. Diss.).
- Jeremy Keenan: The Tuareg. People of Ahaggar. Allan Lane, London 1977. ISBN 978-0-312-82200-2.
- Georg Klute, Trutz von Trotha: Wege zum Frieden. Vom Kleinkrieg zum parastaatlichen Frieden im Norden von Mali. In: Sociologus. Nr. 50, 2000. S. 1–36.
- Ines Kohl: Tuareg in Libyen. Identitäten zwischen Grenzen. Reimer, Berlin 2007. ISBN 978-3-496-02799-7.
- Peter Kremer, Cornelius Trebbin: Tuareg – Herren der Wüste. Beiheft zur Ausstellung der Heinrich-Barth Gesellschaft. Köln, Düsseldorf 1988. ISBN 978-3-9801743-0-5.
- Thomas Krings, Sahelländer, WBG-Länderkunden, 2006, ISBN 3-534-11860-X
- Henri Lhote: Les Touaregs du Hoggar. Paris 1955 (zweibändige Neuauflage 1984 und 1986). ISBN 978-2-200-37070-1.
- Johannes Nicolaisen: Economy and Culture of the Pastoral Tuareg. Kopenhagen 1963 (wichtige Studie auf strukturalistischer Basis).
- Thomas Seligman und Krystine Loughran (Hrsg.): Art of Being Tuareg: Sahara Nomads in a Modern World. Los Angeles 2006, ISBN 978-0-9748729-6-4.
- Hans Ritter: Wörterbuch zur Sprache und Kultur der Twareg. Band I: Twareg-Französisch-Deutsch. Elementarwörterbuch mit einer Einführung in Kultur, Sprache, Schrift und Dialektverteilung. Wiesbaden 2009. ISBN 978-3-447-05886-5. Band II: Deutsch-Twareg. Wiesbaden 2009. ISBN 978-3-447-05887-2.
- Edgar Sommer: Kel Tamashek – Die Tuareg Cargo Verlag, Schwülper 2006. ISBN 978-3-938693-05-6.
- Gerd Spittler: Dürren, Krieg und Hungerkrisen bei den Kel Ewey (1900–1985). Franz Steiner, Stuttgart 1989. ISBN 978-3-515-04965-8.
- Gerd Spittler: Handeln in einer Hungerkrise. Tuaregnomaden und die große Dürre von 1984. Westdeutscher Verlag, Opladen 1989. ISBN 978-3-531-11920-5.
- Désirée von Trotha: Die Enkel der Echse. Lebensbilder aus dem Land der Tuareg. Frederking & Thaler, München 1998; erweiterte Neuausgabe, Cindigobook, München und Berlin 2013. ISBN 978-3-944251-02-8.
Belletristik
- Ibrahim al-Koni: Die Magier. Das Epos der Tuareg. Lenos Verlag, Basel 2001. ISBN 3-85787-670-0.
- Ibrahim al-Koni: Die steinerne Herrin: Ergänzende Episoden zum Epos der Tuareg. Aus dem Arabischen übersetzt von Hartmut Fähndrich, Lenos Verlag, Basel 2004. ISBN 3-85787-354-X.
- Federica de Cesco: Hinani – Tochter der Wüste. 2008. ISBN 3-401-50048-1 (Jugendroman).
- Federica de Cesco: Samira – Königin der roten Zelte. Band 1 der Samira-Trilogie. Arena Verlag, Würzburg 2006. ISBN 3-401-05363-9 (Jugendroman).
- Federica de Cesco: Samira – Hüterin der blauen Berge. Band 2 der Samira-Trilogie. Arena Verlag, Würzburg 2006. ISBN 3-401-05364-7 (Jugendroman).
- Federica de Cesco: Samira – Erbin der Ihagarren. Band 3 der Samira Trilogie. Arena Verlag, Würzburg 2006. ISBN 3-401-05875-4 (Jugendroman).
- Federica de Cesco: Wüstenmond. Marion von Schröder, München 2000. ISBN 3-547-71765-5. (Roman)
- Mano Dayak: Geboren mit Sand in den Augen. Die Autobiographie des Führers der Tuareg-Rebellen. Unionsverlag, Zürich 1997. ISBN 978-3-293-00237-1.
- Jane Johnson: Die Seele der Wüste. Page & Turner, 2010. ISBN 3-442-20344-9 (Roman).
- Heike Miethe-Sommer: Tuareg Poesie. Cargo Verlag, Schwülper 1994. ISBN 978-3-9805836-1-9.
- Alberto Vázquez-Figueroa: Tuareg. Goldmann Verlag, München 1989. ISBN 3-442-09141-1.
Weblinks
- Artefakt – Studentische Zeitschrift für Kunstgeschichte und Kunst: Symbole der Mystik – Lederarbeiten der Tuareg
- Günter Heckenhahn: Die Tuareg. Ihre Wüste, ihre Feste. Kommentierte Fotogalerie.
- Edmond Bernus: Dates, Dromedaries, and Drought: Diversification in Tuareg Pastoral Systems. In: J. G. Galaty und D. L. Johnson (Hrsg.): A Word of Pastoralism: Herding Systems in Comparative Perspective. Guilford Press, New York 1990. S. 149–176. (PDF; 2,1 MB)
- Karen L. Barron: The Effects of Time and Place on the Nomads of Niger. Chicken Bones: A Journal for Literary & Artistic African-American Themes
- Wolfgang Günter Lerch: Einst die Herren der Wüste Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8. September 2011
- Markus M. Haefliger: Tuareg als unwillige Helfer Ghadhafis. Frühere Verbündete in Mali und Niger wenden sich vom ehemaligen libyschen Machthaber ab. In: Neue Zürcher Zeitung. 27. September 2011, abgerufen am 27. September 2011 (Hintergrundbericht über das Verhältnis der Tuareg zu Muammar al-Gaddafi im Lichte des Bürgerkriegs in Libyen 2011).
Einzelnachweise
- ↑ John A. Shoup: Ethnic Groups of Africa and the Middle East. An Encyclopedia Ethnic Groups of the World Ethnicity in Global Focus. ABC-CLIO, 2011 ISBN 978-1-59884-362-0, S. 295.
- ↑ Prasse 1999:380
- ↑ Chaker, Claudot-Hawad, Gast 1984:31
- ↑ Kohl 2007:47
- ↑ Thomas Krings, S. 33 (s. Lit.)
- ↑ Thomas Krings, S. 33 (s. Lit.)
- ↑ IRIN News: NIGER: New Touareg rebel group speaks out (englisch)
- ↑ Scott Stewart: Mali Besieged by Fighters Fleeing Libya. In: Stratfor. 2. Februar 2012, abgerufen am 6. April 2012 (englisch).
- ↑ Tuareg rufen eigenen Staat in Nord-Mali aus. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 6. April 2012, abgerufen am 6. April 2012.
- ↑ Maggie Fick: Tea with the Tuareg. International Herald Tribune, 12. Dezember 2007
- ↑ Stühler 1978, Keenan 1977, Pandolfi 1998, Kohl 2007 u. a.
- ↑ Henrietta Butler: The Tuareg or Kel Tamasheq. Unicorn Press 2015, ISBN 978-1-906509-30-9
- ↑ ASSHAK, TALES FROM THE SAHARA Zwitserland/Duitsland/Nederland, 2004 – Ulrike Koch Ein Film von Ulrike Koch, Presseheft, S. 11.
- ↑ Claudot-Hawad, 2000; Kohl, 2007
- ↑ Kohl 2008, Susan J. Rasmussen 2006
- ↑ Claudot-Hawad 1993:33