Unternehmensfinanzierung
Unternehmensfinanzierung sind alle Maßnahmen, die sich mit der Planung und Durchführung der Finanzierung von Unternehmen befassen.
Allgemeines
Die Finanzierung ist in Unternehmen eine wichtige betriebliche Funktion. Die Unternehmensfinanzierung beruht auf der Finanzplanung eines Unternehmens. Im Rahmen der Unternehmensfinanzierung ist zu entscheiden, ob und wann Eigenkapital und Fremdkapital aufgenommen werden soll, in welcher Form Eigenkapital bereitzustellen ist, welche Laufzeiten beim Fremdkapital zu bevorzugen sind, ob Fremdkapital als Blankokredit nachgefragt oder mit Kreditsicherheiten besichert werden soll.[1] Selbst die Prolongation von Bankkrediten oder die Entscheidung für eine Just-in-time-Produktion im Rahmen der Materialwirtschaft stellen eine Maßnahme der Unternehmensfinanzierung dar. Diese Aktionsparameter sind von den Reaktionsparametern der Gesellschafter (Renditeerwartungen) und Gläubiger (Kreditwürdigkeit des finanzierenden Unternehmens) und von Datenparametern wie dem herrschenden Zinsniveau abhängig. Der Unternehmensfinanzierung stehen zur Durchführung ihrer Aufgaben verschiedene Finanzierungsarten, Finanzierungsinstrumente und Finanzierungsquellen zur Verfügung. Unternehmensfinanzierung setzt einen gegebenen Kapitalbedarf voraus.
Aufgaben
Die Unternehmensfinanzierung übernimmt finanzwirtschaftliche Aufgaben. Zu den zentralen Aufgaben der Unternehmensfinanzierung gehören neben der jederzeitigen Sicherstellung der Liquidität die finanzielle Verwirklichung der Unternehmensziele, die Ermittlung des zukünftigen Finanzbedarfs sowie die Bestimmung von Art, Höhe und Zeitpunkt von Finanzierungsmaßnahmen durch möglichst kostengünstige Finanzierung.[2] Die Unternehmensfinanzierung hat auch die Finanzrisiken zu überwachen. Die Liquiditätssicherung ist eine taktische Aufgabe, die übrigen Aufgaben sind eher strategischer Art.
Finanzierungsarten
Bei gegebenem Kapitalbedarf stehen der Unternehmensfinanzierung die Eigen- und Fremdfinanzierung zur Verfügung. Im Rahmen der Eigenfinanzierung kommen die Selbstfinanzierung durch Gewinnthesaurierung oder die Kapitalerhöhung durch Gesellschafter in Betracht, bei Fremdfinanzierung stehen neben den Gesellschaftern (Gesellschafterdarlehen) als größte Gläubigergruppen Kreditinstitute mit Bankkrediten und Lieferanten mit Lieferantenkrediten zur Verfügung. Da meistens eine Mischung zwischen Eigen- und Fremdfinanzierung sinnvoll ist, spielt die Frage der vertikalen Kapitalstruktur, also der optimalen Verschuldung, im Rahmen des Leverage-Effektes eine wesentliche Rolle.
Kapitalstruktur
Aufgrund der Differenz zwischen Eigenkapital- und Fremdkapitalkosten sinken zunächst durch die Aufnahme des günstigeren Fremdkapitals die Gesamtkapitalkosten.[3] Der Leverage-Effekt besagt in diesem Zusammenhang, dass sich mit steigendem Verschuldungsgrad die Eigenkapitalrentabilität bei Unternehmen verbessert, solange der Fremdkapitalzins unter der Gesamtkapitalrentabilität liegt. Dieser positive Leverage-Effekt macht sich bis zur Erreichung des optimalen Verschuldungsgrads positiv bemerkbar; der optimale Verschuldungsgrad wird jedoch überschritten, wenn der Anstieg der Gesamtkapitalkosten den positiven Effekt der Fremdkapitalaufnahme übersteigt. Die optimale Kapitalstruktur ist aus Sicht der Finanzierungskosten erreicht, wenn quantitative und qualitative Finanzierungskosten ein Minimum bilden.[4]
Financial leverage
Die „Hebelwirkung der Kapitalstruktur“ (englisch financial leverage) ist ein Effekt, bei dem – bei konstantem Gewinn – die Eigenkapitalrendite steigt, wenn ein Unternehmen zunehmend mit Fremdkapital finanziert wird.[5] Durch höheren Einsatz von Fremdkapital steigt jedoch der Zinsaufwand, der möglicherweise nicht erwirtschaftet werden kann. Dies ist ein aus dem „financial leverage“ entstehendes Finanzierungsrisiko.
Finanzierungskosten wie der Zinsaufwand für Fremdkapital gelten als Fixkosten, da sie beschäftigungsunabhängig anfallen. Im „Financial leverage“ wirken sie daher insbesondere bei (fremd)kapitalintensiven Unternehmen als besonders belastend und erhöhen die Gewinnschwelle bei sich verringerndem Beschäftigungsgrad. Der Financial leverage beschreibt den Einfluss der Kapitalstruktur auf die Eigenkapitalrentabilität und drückt die Reagibilität der Nettogewinne (Bruttogewinn minus Zinsaufwand) auf eine Veränderung der Bruttogewinne aus:
Finanzierungsinstrumente
Neben den passiven Finanzierungsinstrumenten (Kapitaleinlagen, Darlehen, Anleihen, Gewinnrücklagen und Rückstellungen) gibt es noch aktive Finanzierungsinstrumente (Factoring, Forfaitierung, Verbriefung, Unitranche, Direct Lending, Finetrading, Sale-Lease-Back und Cross-Border-Leasing) und das bilanzneutrale Instrument des Leasing. Ihr Einsatz hängt von Fragen der Verfügbarkeit (kaufbereiter Anleihemarkt), der Existenz von entsprechenden Vermögenswerten (Forderungen beim Factoring, Sachanlagevermögen für Sale-Lease-Back) sowie von der Höhe der Finanzierungskosten ab. Aus Sicht der Finanzierungskosten ist diejenige Mischung verschiedener Finanzierungsinstrumente optimal, die die geringsten Finanzierungskosten auslöst.
Durch die verstärkten Eigenkapitalvorschriften für Kreditinstitute durch bspw. Basel III kommen immer wieder neue und weitere Finanzierungsinstrumente am europäischen Finanzierungsmarkt zum Vorschein.
Finanzierungsquellen
Als Finanzierungsquellen kommen bei der Eigenfinanzierung das eigene Unternehmen (Gewinnthesaurierung, Bildung von Rückstellungen) oder die Gesellschafter in Frage, während die Fremdfinanzierung auf Geld- und Kapitalmarkt zurückgreift. Es wird danach unterschieden, ob die Finanzierungsquelle im eigenen Unternehmen liegt (Innenfinanzierung) oder außerhalb (Außenfinanzierung). Während es sich bei Gewinnthesaurierung und der Bildung von Rückstellungen um Innenfinanzierung handelt, liegt Außenfinanzierung bei der Kapitalzuführung durch Gesellschafter oder beim Fremdkapital vor.
Die Verfügbarkeit der Finanzierungsquellen kann durch Engpässe begrenzt sein. Besitzt das Unternehmen keine Gewinnrücklagen und erwirtschaftet Verluste, kommt eine Gewinnthesaurierung nicht in Betracht. Die Verfügbarkeit der Außenfinanzierung ist eingeschränkt oder nicht vorhanden, wenn die Gesellschafter vermögenslos sind, der Kapitalmarkt wegen des schlechten Unternehmensratings nicht finanzierungswillig ist oder gar eine Kreditklemme vorliegt.
Abgrenzung
Unternehmensfinanzierung und Corporate Finance sind keine Synonyme, weil der Begriffsinhalt von Corporate Finance weit über den der Unternehmensfinanzierung hinausgeht. Der deutschsprachige Anglizismus Corporate Finance hat sich in den 1980er Jahren in der Kreditwirtschaft im Zusammenhang mit kapitalmarktorientierten Finanzprodukten der Kreditinstitute eingebürgert.[6]
Siehe auch
Weblinks
- Ingrid Größl/Peter Stahlecker/Eckhardt Wohlers: Finanzierungsverhalten im Unternehmensbereich als gesamtwirtschaftlicher Risikofaktor. In: Wirtschaftsdienst, Jahrgang 79 (1999), Heft 4, S. 252–258. (Download, PDF, 644 kB)
Einzelnachweise
- ↑ Bernd Rudolph, Unternehmensfinanzierung und Kapitalmarkt, 2006, S. 3
- ↑ Hans-Werner G. Grunow/Stefanus Figgener, Handbuch Moderne Unternehmensfinanzierung, 2006, S. 1
- ↑ Gabriele Hildmann/Jörg Fischer, Finanzierung, 2002, S. 49
- ↑ Johannes Frerich, Ursachen und wirkungen der regionalen Differenzierung der privaten Spartätigkeit in Industrieländern, 1969, S. 90
- ↑ Klaus Spremann/Oliver P. Pfeil/Stefan Weckbach, Lexikon Value-Management, 2001, S. 275
- ↑ Rolf Bühner (Hrsg.), Management-Lexikon, 2001, S. 161