Ute Erb

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Ute Erb in Berlin (2017)

Ute Erb (* 25. Dezember 1940 in Scherbach) ist eine deutsche Schriftstellerin, Lyrikerin, Korrektorin und Übersetzerin.

Leben, Bildung, Engagement

Ute Erb ist die jüngste Tochter von Ewald Johann Erb (1903–1978) und Elisabeth Erb (1904-, geb. Hansen, geschiedene Schürmann), die aus der früheren Ehe Hildegard, die älteste Schwester der Mädchen, mit in die Familie brachte. Wie die mittleren Schwestern (Elke und Gisela Erb) wurde Ute in die Zwergschule in Neukirchen (Rheinbach) eingeschult.

1949 holte Ewald Erb seine Familie nach Halle in die Sowjetische Besatzungszone (SBZ), die kurz darauf in Deutsche Demokratische Republik (DDR) umbenannt wurde. Seine drei Töchter kamen in die Franckeschen Stiftungen, wo Ute umgehend in die Organisation der Jungen Pioniere aufgenommen wurde. Anderthalb Jahre später konnte die Familie wieder zusammenziehen; drei Zimmer einer 5-Zimmer-Wohnung waren für sie durch "Westflucht" frei geworden. Eins davon kriegten Elke, Gisela, Ute; jeder standen eine Schublade in einer Kommode und ein Schreibplatz an einem Tisch zur Verfügung, Elke bekam ein Bett für sich allein. 1955 nahm Ute an der Jugendweihe teil, wechselte von der achtklassigen Schiller-Schule zur 4-jährigen Thomas-Müntzer-Oberschule, trat der Freien Deutschen Jugend (FDJ) bei und wurde von ihrer Klasse in den Freundschaftsrat gewählt, wo sie sich für die Funktion des Literatur-Obmanns entschied.

Nach Auseinandersetzungen im Unterricht, im Freundschaftsrat und beim Mittagessen zuhause wegen der Ereignisse in Ungarn verließ sie im November 1957 die DDR gegen den Willen der Eltern – und ohne irgendjemand Bescheid zu sagen. Sie musste nicht in ein Notaufnahmelager, sondern konnte in Köln bei alten Freunden ihrer Eltern unterkommen.

Auf Anregung von Joseph Scholmer begann sie 1958 in den Osterferien mit der Schilderung ihrer Beweggründe für die Flucht aus der DDR schilderte sie in ihrem Buch Die Kette an deinem Hals – Aufzeichnungen eines zornigen jungen Mädchens aus Mitteldeutschland, das sie auf die Anregung von Joseph Scholmer in den Osterferien 1958 in Düsseldorf und in der unterrichtsfreien Zeit während des Schichtunterrichts am Nicolaus-Cusanus-Gymnasium in Godesberg zu schreiben begann.

Das Buch erschien 1960 in der Europäischen Verlagsanstalt, während sie im Kibbuz Gal’ed (einer Siedlung ehemaliger Mitglieder der Berliner Gewerkschaftsjugend) arbeitete, und wurde in mehrere Sprachen übersetzt.

Sie zog 1960 nach West-Berlin und heiratete 1962 den Arbeiter, Dolmetscher und Sänger Michael Pampuch (Scheidung 1966), mit dem zusammen sie die Lyndon-B.-Johnson-Biographie von Booth Mooney übersetzte. 1961 und 1963 kamen ihre beiden Söhne zur Welt.

1967 wurde ihre Mitgliedschaft in der SPD nach vier Monaten widerrufen, da sie im Rahmen des Kampfs gegen den Vietnam-Krieg maßgeblich an der Störung einer US-Truppenparade in Berlin-Neukölln beteiligt war.

Das Abitur machte Erb im Mai 1968 auf dem zweiten Bildungsweg. Sie verkehrte in der Kommune 1,[1] war Mitbegründerin, Namensgeberin und Hauptmieterin der Kommune  99 sowie aktiv in der Kinderladen-Bewegung.

Sie war Stipendiatin der Pädagogischen Hochschule Berlin (PH), gab aber als Alleinerziehende aus finanziellen Gründen das Studium auf. 1970 trat sie an der PH der Studentengruppe der SEW bei.

In zweiter Ehe war Ute Erb ein Jahr lang mit dem österreichischen Dichter Hermann Schürrer verheiratet und wurde so auch Österreicherin (Ute Schürrer).[2]

1976 erschien beim Wolfgang Fietkau Verlag das erste Lyrikbändchen, 1979 das zweite bei der Edition Neue Wege. 1976 organisierte sie federführend den II. Berliner Autorentag (Thema: „Schreib das auf, Frau“) und versammelte die Sektion Literatur in der Vereinigung demokratischer und sozialistischer Künstler (VDSK). Sie arbeitete im Vorstand des Westberliner Verbandes deutscher Schriftsteller (VS), im Werkkreis Literatur der Arbeitswelt, im Ständigen Komitee Kulturtage, Progressive Kunst West-Berlin e. V. und in der Libanon-Hilfe mit. Sie ist Mitglied bei der Grazer Autorinnen Autorenversammlung (GAV) mit Sitz in Wien.

Werktätigkeit

Von 1974 an arbeitete sie im Composersatz (englisch typesetting),[3] zunächst im Druckhaus Norden, dem Verlagshaus der Wahrheit. Neben der Schichtarbeit machte sie einen Korrektoren-Fernkurs bei der Industriegewerkschaft Druck und Papier. Ab 1978 setzte sie bei der Neuen für den Forschungsschwerpunkt Theorie und Geschichte von Bau, Raum und Alltagskultur in Berlin an der Hochschule der Künste in Westberlin.[4][5][6] 1982 gründete sie die „Schriftstellerei Ute Erb & Kollektiv“ und heiratete Omar Saad, einen palästinensischen Flüchtling aus dem Libanon (Scheidung 1986). Als Verlegerin stellte sie einige Rara her (wie den Landwehrkanal) und brachte ein Buch von Sigrun Casper auf den Markt. 1996 zog sie sich wegen chronischer Quecksilbervergiftung zurück.

Ute Erb lebt seit 2001 in Berlin-Charlottenburg, und seit 2007 ist sie aktiv im gemeinnützigen Projekt Wikipedia.

Werke (Auswahl)

  • Die Kette an deinem Hals. Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt 1960 (wieder Bertelsmann Lesering: Gütersloh 1962) DNB-LINK
  • als Übersetzerin, zus. mit Michael Pampuch: Booth Mooney: Lyndon B. Johnson. Colloquium, Berlin 1964
  • als Übersetzerin, zus. mit Ludwig Mau: Donatien Alphonse François de Sade: Die Marquise de Gange. Historischer Roman. Merlin Verlag, Hamburg 1967; wieder 1990, ISBN 3-87536-089-3.
  • als Übersetzerin: Georges Bataille: Gilles de Rais. Leben und Prozeß eines Kindermörders. Merlin, Hamburg 1967. 7. Auflage, 2000, ISBN 3-87536-042-7.
  • Das Wochenende einer Gastarbeiterin. Westdeutscher Rundfunk, Köln 1968 (Fernsehskizze)
  • Hütet euren Kopf. Gedichte. Sender Freies Berlin, 1972
  • Nie kommen wir ins Paradies. Gedichte. Sender Freies Berlin, 1973
  • Schindluder treiben. Gedichte. Sender Freies Berlin, 1975
  • Ein schöner Land. Gedichte. schritte 30, Wolfgang Fietkau Verlag, Berlin 1976, ISBN 3-87352-030-3.
  • Schulter an Schulter. 75 Gedichte und Sprüche auf einen Griff. Neue Wege, Berlin 1979, ISBN 3-88348-025-8.
  • als Übersetzerin: Tahsin İncirci: Lieder für den Frieden und Lieder aus der Fremde. Mit Sümeyra und Türkischer Arbeiterchor Westberlin. Verlag „pläne“, Dortmund 1979 (LP, Übertragung ins Deutsche)
  • Ich habe einen Mann in Süddeutschland. Lyrik bei SFB1, 18. Oktober 1982. 23:00–23:10 Uhr (selbst vorgetragen)
  • Berliner Künstler. Feature in SFB3 (Journal), 7. Juni 1983, 17:05–18:10 Uhr
  • Ende einer Versammlung. In: Radio Bremen am 20. April 1984, 22:50–23:00 Uhr
  • Frauenleiden. In: Schreibwerkstatt – Texte von Frauen. Hessischer Rundfunk am 6. Januar 1985, 16:15–16:30 Uhr (Teilsendung mit 2 Minuten von Anna Rheinsberg)
  • Lyrik und Interview (17 Minuten) in Deutschland – Deutschland (2) Die Töchter der Verlierer. In: WDR3 (Fernsehen) ab 22:20 Uhr (Gesamtdauer 69 Minuten)
  • Alternative – Gebrauchsanthologie. 1. Zwanzig Einfälle auf zehn Streichholzschachteln. Amerikanischer Sektor. Berlin 1988
  • Gebühreneinheit. In: Lyrik um zehn vor elf. RBII am 8. Januar 1989, 22:50–23:00 Uhr
  • mit Regina Nössler: So können wir uns nicht trennen. In: Neue literarische Texte. SFB3 (Hörfunk), 16. April 1989, 18:30–19:00 (Textanteil 12,5 Minuten)
  • mit Petra Ganglbauer in Jazz und Lyrik. Es las Judith Keller (Schauspielerin). Es dankten fürs Zuhören Gerald Bisinger und Friederike Raderer auf ORF 2 1995.

Literatur

  • Kreuz- und Querfahrten. Biographie einer Deutschen. In: Kürbiskern 4, 1974: Kultur & Nation, 25 Jahre BRD
  • BStU 000310. MfS Zentralarchiv, Allg. S, Band 101/77.
  • Susan L. Cocalis (Hrsg. und Übersetzung ins Englische): The Defiant Muse: German Feminist Poems from the Middle Ages to the Present, Feminist Press, New York 1986, S. 121–122.
  • Walther Killy (Hrsg.): Literaturlexikon. Autoren und Werke deutscher Sprache. Bertelsmann Lexikon, Gütersloh 1989
  • Walter Habel (Hrsg.): Wer ist wer? Schmidt-Römhild, Lübeck 2002
  • Ute Erb: Die Kette an deinem Hals. In: Der Spiegel. Nr. 52, 1960 (online).
  • Vereinigt Euch. In: Der Spiegel. Nr. 24, 1969 (online).
  • Rolf Michaelis: Wir Angsthasen. In: Die Zeit, Nr. 19/1977
  • Dietmar Pertz: Vom Zufluchtsort vor den Nazis zum Kommunistischen Müttererholungsheim. In: Heimatblätter des Rhein-Sieg-Kreises – Geschichts- und Altertumsverein für Siegburg und den Rhein-Sieg-Kreis e.V. 80. Jahrgang 2012. Rheinlandia Verlag Klaus Walterscheid, Siegburg 2012, ISBN 978-3-938535-94-3, S. 90–107.

Buchferne Medien

  • „Die Zeit der Vogelfreiheit ist vorbei.“ Interview von Claudia Lenssen in SFB 1 am 16. Juni 1979 ab 15:30 Uhr (42 Minuten)
  • „Wir haben die moralische Verpflichtung, Ulbricht zu stürzen.“ Margit Miosga porträtiert Ute Erb. Im SFBIII, Reihe Kulturtermin, ab 19:05 Uhr am 9. August 1995

Weblinks

Commons: Ute Erb – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Horst Rieck: Auch im Osten bekannt – Fritz Teufels Händel mit den Vopos. In: Die Zeit, Nr. 50/1967. (Memorial bei Archive.org)
  2. Eintrag „Erb, Ute (verh. Ute Pampuch, Ute Schürrer)“. In: Kürschners Deutscher Literatur-Kalender 2012/2013. Walter De Gruyter, Berlin, S. 239.
  3. Siehe Impressum der gekürzten Ausgabe von Philip S. Foner, Reinhard Schultz: Das Andere Amerika. Neue Gesellschaft für Bildende Kunst und Elefanten Press, Berlin (West) 1983, published by The Journeyman Press, London/West Nyack 1985.
  4. Johann Friedrich Geist und Klaus Kürvers: Das Berliner Mietshaus 1740–1862. Prestel-Verlag, München 1980, ISBN 3-7913-0524-7, S. 8.
  5. Johann Friedrich Geist und Klaus Kürvers: Das Berliner Mietshaus 1862–1945. Prestel-Verlag, München 1984, ISBN 3-7913-0696-0, Klappentext vorne.
  6. Johann Friedrich Geist und Klaus Kürvers: Das Berliner Mietshaus 1945–1989. Prestel-Verlag, München 1989, ISBN 3-7913-0707-X, S. 8.