Weißer Kreis (Burschenschaft)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Der Weiße Kreis war von seiner Gründung 1919 bis zu seiner Suspendierung 1961 ein Zusammenschluss „weißer“ Burschenschaften innerhalb der Deutschen Burschenschaft. Seine Nachfolgeorganisationen existieren bis heute.

Geschichte

Der Weiße Kreis (WK) wurde am 15. April 1919 von 18 Burschenschaften gegründet. Er ging aus der 1908 entstandenen „weißen Richtung“ in der Deutschen Burschenschaft hervor. Mit der Gründung des WK sollte der Einfluss der „weißen“ Burschenschaften auf die Verbandspolitik der Deutschen Burschenschaft sichergestellt werden. Bereits seit 1902 waren weiße Burschenschaften geschlossener aufgetreten und hatten sich zu den jeweiligen Burschentagen zu Vorbesprechungen getroffen.[1] Um dem WK etwas entgegenzusetzen, entstand 1920 als Gegenpol die Rote Richtung.

1934 trat der Weiße Kreis aus der Deutschen Burschenschaft aus[2] und musste sich unter dem Druck der politischen Verhältnisse auflösen (siehe auch: Alte Burschenschaft); er wurde erst nach Ende der nationalsozialistischen Herrschaft am 15. Juni 1951 von 15 Burschenschaften wiederbegründet.

In den 1950er Jahren setzte sich der WK für die Pflichtmensur ein. Zum Burschentag 1959 wurde im Auftrag des WK der Antrag gestellt, die DB solle von allen Mitgliedern von Verbandsburschenschaften mindestens zwei Pflichtmensuren erwarten.[3]

1961 zerfiel der auf 28 Mitgliedsburschenschaften angewachsene Weiße Kreis, nachdem auf dem Burschentag in Nürnberg die Vereinigung der Deutschen Burschenschaft in Österreich (DBÖ) mit der Deutschen Burschenschaft (DB) abgelehnt worden war. Der WK hatte sich wie die gesamte DB in Fusionsgegner und -befürworter gespalten, wobei die Mehrheit im WK sich gegen die Fusion aussprach.[4] Der WK gilt seitdem als vertagt oder suspendiert, allerdings nicht als aufgelöst.[5]

Nachfolgeorganisationen

Der Weiße Verband

Jene zehn Mitgliedsverbindungen, die eine Fusion der DB mit der DBÖ befürworteten, bildeten den Weißen Verband[6], der nach der Suspendierung des WK geschlossen der Burschenschaftlichen Gemeinschaft beitrat. Diese wurde noch im selben Jahr auf dem Haus der letzten Vorsitzenden Burschenschaft des WK, Cimbria München, gegründet.

Ring Weißer Burschenschaften

Acht andere ehemalige Mitgliedsburschenschaften des WK gründeten 1965[7] nach maßgeblicher Initiative von Jürgen Borgwardt[8] den auch heute noch bestehenden Ring Weißer Burschenschaften (RWB), zwei wurden Mitglied der Neuen Deutschen Burschenschaft. Der RWB ist kein Kartell, sondern eine Arbeitsgemeinschaft von Burschenschaften, die anfangs vor allem das korporativ-waffenstudentische Element in den Vordergrund stellte.[9] Ihm gehörten daher nur pflichtschlagende Burschenschaften an, die sich wiederholt für die Wiedereinführung der Pflichtmensur in der DB einsetzten.[10] In der DB galt er als Mitte zwischen den unterschiedlichen Lagern.[11] Seit 2003 hat der RWB fünf Mitgliedsverbindungen in Bonn, Hamburg, Marburg, Leipzig und Rostock. Wegen der starken Fluktuation der Mitgliedsburschenschaften, deren insgesamt geringen Zahl und des stetigen Kampfes mit deren Nachwuchsmangel konnte der RWB im Gegensatz zum WK lange Zeit keinen entscheidenden Einfluss auf die Verbandspolitik der Deutschen Burschenschaft ausüben. In den Geschäftsjahren 2003/04 und 2004/05 stellten dann aber nacheinander die beiden RWB-Burschenschaften Obotritia Rostock und Normannia-Leipzig zu Marburg die Vorsitzende Burschenschaft der DB. Seit 2012 sind nicht mehr alle Mitgliedsburschenschaften des RWB auch Mitglied der DB.

Arbeitsgemeinschaft Weißer Kreis

Auf dem Burschentag 2010 gründeten unter dem Vorsitz der Münchener Burschenschaft Cimbria sechs Burschenschaften die Arbeitsgemeinschaft Weißer Kreis (AGWK) mit dem Ziel, die Suspendierung aufzuheben und den WK wiederzubeleben. Aufgrund formeller Erfordernisse konnte jedoch dieses Ziel nicht erreicht werden.

Einordnung innerhalb der Zusammenschlüsse weißer Burschenschaften

Der Weiße Kreis war seinerzeit der bedeutendste Zusammenschluss von Burschenschaften der weißen Richtung.

In der Zwischenkriegszeit bestand er aus den Burschenschaften des Alt-Weißen Kartells, des Schwarz-Weiß-Roten Kartells, des Freundschaftsbundes und des Schwarz-Weißen Kartells. Innerhalb der Deutschen Burschenschaft bildete der Weiße Kreis gemeinsam mit dem Schwarz-Rot-Goldenen Kartell, dem Weißen Ring sowie 14 weiteren Einzelburschenschaften die lose Weiße Arbeitsgemeinschaft (W.A.G.).

Das „weiße Prinzip“

Die „weißen“ Burschenschaften legen – besonders im Gegensatz zu den „roten“ Burschenschaften – besonderes Augenmerk auf ihr korporatives Zusammenleben und gesellschaftliche Umgangsformen. Zudem sind sie definitionsgemäß pflichtschlagend und werden innerhalb der Deutschen Burschenschaft zum konservativen Flügel gezählt.[12]

Schon zwischen den Weltkriegen betonte die weiße Richtung „mit Nachdruck die korporative Eigenart und waffenstudentischen Aufgaben der Einzelburschenschaften und die Wahrung der überlieferten Formen eines straff geknüpften Gemeinschaftslebens.“[13]

Politisch standen die entsprechenden Verbindungen der traditionellen politischen Rechten nahe. Dies war nicht mit zwangsläufig mit einem Anschluss an den in den 20er Jahren bereits in einigen Burschenschaften und ab 1929 in der Studentenschaft allgemein zunehmend verbreiteten militanten Antisemitismus verbunden, sondern bezog sich auf Traditionen und konservative Strömungen der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg.[14]

Prinzipien des Weißen Kreises

Aus der Satzung des Weißen Kreises aus dem Jahr der Suspendierung (1961) ergeben sich die folgenden Prinzipien:

  • Verfolgen der gleichen burschenschaftlichen Ziele und gemeinsame Vertretung derselben innerhalb der Deutschen Burschenschaft
  • Betonung der Eigenständigkeit der Einzelburschenschaften
  • Konservative Grundhaltung gegenüber Bestrebungen zur Änderung oder Aufgabe der alten Überlieferungen
  • Eintreten für den volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriff
  • Auf burschenschaftlichen Grundsätzen beruhende Bildungsarbeit
  • Nichteinmischung in parteipolitische Auseinandersetzungen
  • Wahrung und Überlieferung bewährter studentischer Formen
  • Absolvieren eines akademischen Studiums (ein eigentliches Examensprinzip war den alten weißen Burschenschaften aufgrund der seinerzeitigen Verhältnisse zumeist unbekannt)
  • Freundschaftliche Beziehungen der Mitgliedsburschenschaften untereinander

Mitglieder

Zum Zeitpunkt der Suspendierung bestand der Weiße Kreis aus folgenden 28 Burschenschaften:[15]

Name Sitz Gründung Farben Kartell Verbleib
Aachener Burschenschaft Alania Aachen 1876 blau-rot-gold BG (bis 1996), IBZ (bis 2016), Gründungsmitglied der ADB
Burschenschaft Cimbria Berlin Berlin 1888 weiß-schwarz-rot-weiß SWK RWB, Fusion zu Brandenburgia Dortmund (1999 aufgelöst), heute wieder in Berlin
Burschenschaft Germania Berlin Berlin 1862 schwarz-rot-silber (v.u.) WR RWB, Fusion zu Brandenburgia Dortmund (1999 aufgelöst), heute wieder in Berlin
Burschenschaft Hevellia Berlin Berlin 1877 grün-silber-rot Fusion zu Brandenburgia Dortmund (1999 aufgelöst), heute wieder in Berlin
Bonner Burschenschaft Frankonia Bonn 1845 weiß-rot-gold AWK RWB
Burschenschaft Frankonia Erlangen Erlangen 1884 weiß-schwarz-rot-weiß (v.u.) SWRK BG
Burschenschaft Teutonia Prag Erlangen 1876 schwarz-rot-gold SRGK BG, heute in Würzburg
Burschenschaft Dresdensia-Rugia Frankfurt Frankfurt 1853 rot-weiß-grün und violett-weiß-rot AWK heute in Gießen
Burschenschaft Franconia Freiburg Freiburg 1877 rosa-weiß-grün (v.u.) VGK RWB (bis 1972), NeueDB (bis 2017)
Burschenschaft Alemannia Gießen Gießen 1861 blau-rot-gold RWB (bis 1993)
Burschenschaft Alemannia Göttingen Göttingen 1880 violett-weiß-rot WR RWB, 1999 aufgelöst
Grazer akademische Burschenschaft Arminia Graz 1868 schwarz-rot-gold SRGK BG
Grazer akademische Burschenschaft Marcho-Teutonia Graz 1885 schwarz-silber-grün BG (bis 2014)
Hamburger Burschenschaft Germania Hamburg 1919 schwarz-rot-gold (v.u.) SWRK BG
Burschenschaft Germania Königsberg Hamburg 1843 schwarz-weiß-rot (v.u.) AWK RWB
Alte Rostocker Burschenschaft Obotritia Hamburg 1883 blau-gold-rot FB seit 2003 RWB, heute in Rostock
Burschenschaft Rheno-Arminia Heidelberg Heidelberg 1913 violett-weiß-blau 1993 aufgelöst
Akademische Burschenschaft Germania Innsbruck Innsbruck 1892 schwarz-weiß-gold
Burschenschaft Germania Halle Mainz 1861 weiß-rot-gold (v.u.) SWRK BG
Burschenschaft Alemannia Marburg Marburg 1874 violett-silber-rot VGK RWB (bis 1972), NeueDB (bis 2017)
Münchener Burschenschaft Cimbria München 1879 rot-gold-schwarz FB BG
Münsterer Burschenschaft Franconia Münster 1878 violett-weiß-rot BG (bis 2012)
Burschenschaft Ghibellinia Stuttgart Stuttgart 1862 blau-gold-rot BG (bis 1985), IBZ
Alte Straßburger Burschenschaft Germania Tübingen 1880 schwarz-silber-rot AWK IBZ
Wiener akademische Burschenschaft Albia Wien 1870 schwarz-rot-gold SRGK BG
Wiener akademische Burschenschaft Libertas Wien 1860 schwarz-rot-gold BG
Akademische Burschenschaft Markomannia zu Wien Wien 1860 schwarz-weiß-gold BG, heute in Deggendorf
Burschenschaft Cimbria Würzburg Würzburg 1875 violett-silber-schwarz FB RWB (bis 1991)

Siehe auch

Literatur

  • Hans-Georg Balder: Geschichte der Deutschen Burschenschaft. WJK-Verlag, Hilden 2006. ISBN 3-933892-25-2.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Georg Heer: Geschichte der Deutschen Burschenschaft IV: Die Burschenschaft in der Vorbereitung des zweiten Reichs, im zweiten Reich und im Weltkrieg. (Quellen und Darstellungen zur Geschichte der Burschenschaft und der deutschen Einheitsbewegung, Band 16), Heidelberg 1939. S. 75.
  2. Paul Wentzcke: Darstellungen und Quellen zur Geschichte der deutschen Einheitsbewegung im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert. Band 4, Heidelberg 1957, S. 219.
  3. Sonja Kuhn: Die Deutsche Burschenschaft – eine Gruppierung im Spannungsfeld zwischen Traditionsformalismus und Traditionsstiftung – eine Analyse für den Zeitraum 1950 bis 1999. Diplomarbeit im Studiengang Pädagogik, Philosophie, Psychologie der Universität Bamberg. Stuttgart 2002. ISBN 3-00-009710-4. S. 99.
  4. Hans-Georg Balder: Geschichte der Deutschen Burschenschaft. WJK-Verlag, Hilden 2006. S. 398.
  5. Sonja Kuhn: Die Deutsche Burschenschaft – eine Gruppierung im Spannungsfeld zwischen Traditionsformalismus und Traditionsstiftung – eine Analyse für den Zeitraum 1950 bis 1999. Diplomarbeit im Studiengang Pädagogik, Philosophie, Psychologie der Universität Bamberg. Stuttgart 2002. ISBN 3-00-009710-4. S. 215.
  6. Sonja Kuhn: Die Deutsche Burschenschaft: eine Gruppierung im Spannungsfeld zwischen Traditionsformalismus und Traditionsstiftung; eine Analyse für den Zeitraum von 1950 bis 1999. Stuttgart 2002, S. 107.
  7. Hans-Georg Balder: Die deutschen Burschenschaften. Ihre Darstellung in Einzelchroniken. Hilden 2005, S. 72.
  8. Helge Dvorak: Biographisches Lexikon der deutschen Burschenschaft. Band I: Politiker, Teilband 7: Supplement A–K, Winter, Heidelberg 2013, ISBN 978-3-8253-6050-4, S. 120f.
  9. Hans-Georg Balder: Die deutschen Burschenschaften. Ihre Darstellung in Einzelchroniken. WJK-Verlag, Hilden 2005, S. 23.
  10. Sonja Kuhn: Die Deutsche Burschenschaft – eine Gruppierung im Spannungsfeld zwischen Traditionsformalismus und Traditionsstiftung – eine Analyse für den Zeitraum 1950 bis 1999. Diplomarbeit im Studiengang Pädagogik, Philosophie, Psychologie der Universität Bamberg. Stuttgart 2002. ISBN 3-00-009710-4. S. 158f.
  11. Hans-Georg Balder: Geschichte der Deutschen Burschenschaft. WJK-Verlag, Hilden 2006, S. 460.
  12. Michael Gehler: Studenten und Politik: der Kampf um die Vorherrschaft an der Universität Innsbruck, 1918–1938. Innsbruck 1990, S. 295.
  13. Herman Haupt (Hrsg.): Handbuch für den Deutschen Burschenschafter, Brönner, Frankfurt 1925, S. 118.
  14. Sören Flachowsky und Holger Stoecker (Hrsg.): Vom Amazonas an die Ostfront. Der Expeditionsreisende und Geograph Otto Schulz-Kampfhenkel (1910-1989). Böhlau Verlag, Köln/Wien/Weimar 2011, ISBN 978-3-412-20765-6, S. 26
  15. Sonja Kuhn: Die Deutsche Burschenschaft – eine Gruppierung im Spannungsfeld zwischen Traditionsformalismus und Traditionsstiftung – eine Analyse für den Zeitraum 1950 bis 1999. Diplomarbeit im Studiengang Pädagogik, Philosophie, Psychologie der Universität Bamberg. Stuttgart 2002. ISBN 3-00-009710-4. S. 215.