William Carlos Williams

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Passfoto von William Carlos Williams aus dem Jahr 1921

William Carlos Williams (* 17. September 1883 in Rutherford, New Jersey; † 4. März 1963 ebenda) war ein amerikanischer Arzt und Lyriker.

Leben

WCW, wie er oft abgekürzt wird, verbrachte fast sein gesamtes Leben – sieht man von seinen Europa-Reisen ab – in seiner Heimatstadt Rutherford in New Jersey, wo er auch seit 1910 als Arzt (M.D.) praktizierte.

Nach seinem Schulabschluss 1897 in Rutherford besuchte er zwei Jahre zuerst eine Schule bei Genf und danach das Lycée Condorcet in Paris. Zurück in New York setzte er seine Studien fort und schloss sich der Schriftsteller-Avantgarde an.

Während seines Medizinstudiums an der University of Pennsylvania schloss er Freundschaft mit Ezra Pound. Später wurde er mit diesem (und T. S. Eliot) zum wichtigsten Dichter der amerikanischen Moderne. Im Gegensatz zu Pound, der sich nach europäischen Vorbildern richtete, forderte WCW in seiner Essaysammlung In the American Grain (1925) eine einfache, aber dennoch avantgardistische Poesie, die sich an der gesprochenen Sprache und der amerikanischen Alltagswelt orientieren sollte. Die Freundschaft mit Pound basierte immer auf diesem ausgeprägten Gegensatz zwischen den Auffassungen der beiden Dichter sowie ihren unterschiedlichen Schwerpunkten. WCW schreibt in seiner Autobiografie: „Ezra war immer sehr darauf bedacht, die Kluft zwischen meinen Bildungslücken und seiner souveränen Gelehrtheit zu überbrücken. Da er mich hierbei keineswegs gönnerhaft behandelt, lasse ich es mir gefallen. Es macht mir aufrichtig Kummer, dass meine literarischen Kenntnisse den seinigen so weit unterlegen sind. Ich respektiere sein Unbehagen und versuche mein Bestes, mich auf seine gutgemeinten Bemühungen einzustellen.“[1] Wenn WCW sich in der europäischen Literatur weniger gut auskannte als Pound, so bemühte er sich auf seiner Europareise, diesen Mangel zu beheben, da er sich vor allem in Paris mit namhaften europäischen Schriftstellern, Intellektuellen und Malern traf. Andererseits belächelte WCW die Versuche Pounds, sich als Opernkomponist zu profilieren. WCW sagt zu diesen Versuchen: „Meiner Meinung nach kann Ezra, ebenso wie W. B. Yeats, keinen Ton von einem anderen unterscheiden.“[2] Er glaubte, Pounds Interesse für die Oper basiere daher eher auf seinem ausgeprägten Gefühl für Rhythmus.

1909 reiste WCW nach Leipzig zur medizinischen Weiterbildung. Vom 18. Oktober 1909 bis zum 1. März 1910 war er an der Medizinischen Fakultät der sächsischen Universität eingeschrieben und hörte Vorlesungen zu seinem späteren Spezialgebiet Pädiatrie. In seiner vorlesungsfreien Zeit lernte er Leipzig und Umgebung mit dem Fahrrad kennen und widmete sich der europäischen Literatur. Er sah die Dramen Schillers und berichtete: Begeistert las ich Heine und Sudermanns „Frau Sorge“ und sein „Johannisfeuer“.[3]

Al Que Quiere!, sogenannte Ding-Lyrik von 1917. Der Titel kann mit Dem Einen, Der Will! übersetzt werden. Williams spielt darauf an, dass er als Poet Gleichgesinnte sucht.

Seine frühen Gedichte sind noch stark vom europäischen Dadaismus und Surrealismus geprägt. 1923 schrieb er sein bis heute wohl bekanntestes Gedicht This is Just to Say.[4] Zusammen mit Pound und Eliot schloss er sich um 1912 den Imagisten an, einer anglo-amerikanischen literarischen Bewegung. Seine Freundschaft zu Pound zerbrach später an künstlerischen Meinungsverschiedenheiten und an Pounds Unterstützung für den italienischen Faschismus, was ihn jedoch nicht daran hinderte, den in den USA internierten Pound zu besuchen (siehe Autobiografie).

1927 besuchte WCW auf seiner Europareise den Salon von Gertrude Stein in der Rue de Fleurus 27, Paris. Die beiden Erneuerer der Amerikanischen Sprache schätzen sich und teilten ihre Liebe zur Malerei. Zurück in den USA veröffentlichte er einen Essay über die revolutionäre Kraft des Wortes bei Stein.[5]

Infolge seines dritten Schlaganfalls im Oktober 1955 erlitt er eine Lähmung, wodurch sich sein Arbeitstempo verlangsamte. Dennoch brachte er sich selbst bei, mit seiner nicht-gelähmten Hand auf einer elektrischen Schreibmaschine zu tippen.

Im Alter von 79 Jahren starb William Carlos Williams im März 1963 in Rutherford, New Jersey, nach einer weiteren Serie schwerer Schlaganfälle.

Einfluss

Unter der Leitung von William Carlos Williams minimalistischer Schule wurde im Jahr 1932 eine „objektivistische“ Anthologie veröffentlicht. Darin finden sich auch die Dichter George Oppen, Charles Reznikoff und Louis Zukofsky. Die Gedichte sollten eine eigenständige und spezifische strukturelle Einheit darstellen und nicht den symbolischen oder emotionalen Subtext oder die Absicht des Autors gestatten.

Library Walk New York: „The rose fades, and is renewed again ....“

Als Williams' Meisterwerk gilt das ursprünglich zwischen 1946 und 1958 in fünf Bänden erschienene epische Gedicht über die Stadt Paterson in New Jersey.[6] Williams' Paterson spielt eine wichtige Rolle in Jim Jarmuschs Film Paterson.

1955 schrieb er das Vorwort zur ersten Ausgabe eines Gedichtes des damals noch unbekannten Autors und Lyrikers aus ebendieser Stadt – zu Allen Ginsbergs Gedicht Howl. Williams hatte großen Einfluss auf einige Autoren der Beat Generation. Über Harold Norse schrieb er, dass er einer der besten Lyriker seiner Generation sei. In seinen gleichermaßen meisterhaften Erzählungen bilden oftmals Williams' Erfahrungen als Arzt im ländlichen Amerika den Hintergrund der oft relativ kurzen, so genauen wie poetischen Texte.

Stephen King stellt in seinem Roman ES (1986) fünf Zitate aus Paterson seinen Kapiteln voran und unterstreicht damit sowohl seine literarische Anlehnung an WCW als auch sein Fortschreiben der Erkundungen in der amerikanischen Seele.

Auszeichnungen

1950 wurde ihm der National Book Award, 1963 postum der Pulitzer-Preis für Dichtung zugesprochen (Pictures from Brueghel). 1950 wurde er in die American Academy of Arts and Letters gewählt.[7]

Übersetzungen

  • Last Nights of Paris (1929) – Ein dadaistischer Roman aus dem Französischen von seinem Freund Philippe Soupault.
  • By Word of Mouth: Poems from the Spanish, 1916-1959 (2011) – Lyrik aus dem Spanischen und Lateinamerikanischen.

Werke (Auswahl)

Datei:Charles Demuth Figure 5 in Gold.jpg
Charles Demuths The Figure 5 in Gold (1928) ist vom Gedicht The Great Figure inspiriert.
  • The Tempers (1913)
  • Poems (1909–1917)
  • Al Que Quiere! (1917)
  • Poems (1918–1921)
  • Sour Grapes (1921)
  • The Great Figure (1921)
  • Spring and All (1923)
  • The Great American Novel (1923)
  • Poems (1922–1928)
  • In the American grain (1925)
  • The Descent of Winter (1928)
  • A voyage to Pagany (1928)
  • Poems (1929–1935)
  • An Early Martyr and Other Poems (1935)
  • Adam & Eve & the City (1936)
  • Poems (1936–1939)
  • The Wedge (1944)
  • The Desert Music and Other Poems (1954)
  • Journey to Love (1955)
  • Pictures from Brueghel and Other Poems (1962)

In deutscher Sprache

  • Neue Orte – New places. Üb. von Gertrude Clorius Schwebell, Holzschnitte von Claire-Lise Holy. J. G. Bläschke Verlag, Darmstadt 1966.
  • Paterson. Gedicht in fünf Bänden. Hanser Verlag, München 1998, ISBN 3-446-19512-2.
  • Die Romane. Bestehend aus „White Mule“, „Gut im Rennen“ (engl. „In the Money“) und „Der Aufbau“ (engl. „The Build-Up“) Zweitausendeins Verlag, Frankfurt am Main 1999, ISBN 3-86150-290-9.
  • Gedichte. Der harte Kern der Schönheit. Paterson. Zweitausendeins Verlag, Frankfurt am Main 1999, ISBN 3-86150-290-9
  • Liebesgedichte. Insel Verlag, Frankfurt am Main/ Leipzig 2008, ISBN 978-3-458-35043-9.

Literatur

  • James Guimond: The art of William Carlos Williams: a discovery and possession of America, University of Illinois Press, Urbana, 1968, ISBN 0-252-72449-6.
  • Mike Weaver: William Carlos Williams: the American background, Cambridge University Press, Cambridge, 1971, ISBN 0-521-08072-X.
  • Peter Schmidt: William Carlos Williams, the arts, and literary tradition, Louisiana University Press, Baton Rouge, 1988, ISBN 0-8071-1406-5.
  • Stefan Noa: „There's a lot of bastards out there!“ Nationalität und Internationalität in den Werken William Carlos Williams’ und Allen Ginsbergs, Cuvillier, Göttingen, 2005, ISBN 3-86537-591-X.
  • Theo Breuer: Aus dem Hinterland. Lyrik nach 2000. Edition YE, Sistig/Eifel 2005, ISBN 3-87512-186-4.
  • Herbert Leibowitz: „Something urgent I have to say to you“ : the life and works of William Carlos Williams, New York: Farrar, Straus and Giroux, 2011, ISBN 978-0-374-11329-2.

Weblinks

Zeitschriftenbeitrag

Einzelnachweise

  1. William Carlos Williams: Die Autobiographie (in: Ausgewählte Werke in Einzelausgaben). Übersetzt von Werner Schmitz. Hanser Verlag, München 1994, ISBN 3-446-17848-1, S. 310–311.
  2. William Carlos Williams: Die Autobiographie. Hanser Verlag, München 1994, S. 306.
  3. Klaus Schuhmann: Leipzig-Transit. Ein literaturgeschichtlicher Streifzug. Leipziger Universitätsverlag, Leipzig 2005, ISBN 3-936522-88-X, S. 59ff.
  4. This is Just To Say
  5. Paul Mariani: William Carlos Williams: A New World Naked. Trinity University Press 2016. S. 301.
  6. Die einzelnen Bände erschienen 1946, 1948, 1949, 1951 und 1958; 1963 erschienen sie in einem Band - zusammen mit Fragmenten von Band 6. Es handelt sich bei Paterson nicht um eine Gedichtsammlung, sondern, in Williams Worten, um ein einziges Langgedicht („long poem“). Siehe: William Carlos William: Paterson, revised edition, hg. von Christopher McGowan, New York 1995, S.IX-XV
  7. Members: William Carlos Williams. American Academy of Arts and Letters, abgerufen am 4. Mai 2019 (mit Informationen zu Auszeichnungen).