Aderendhülse
Aderendhülsen (englisch wire ferrules) werden verwendet, um die abisolierten Enden von Litzenleitungen zu schützen, so dass sie ohne Beschädigung der Einzeldrähte in Klemmen angeschlossen werden können. Bei der Verwendung bestimmter Klemmentypen, wie den Fahrstuhlklemmen, ist keine Aderendhülse nötig.
Zweck
Seit Beginn der Elektrotechnik kommen Klemmen und Schraubklemmen zum Einsatz. Die Befestigung starrer Leiter ist dabei problemlos. Hingegen geben bei litzenförmigen Leitern die Einzeldrähte unter dem Druck der Klemme nach, lösen sich aus dem Verbund oder die Verbindung lockert sich. Die Schraube gleicht den sich mindernden Klemmdruck nicht aus und musste gegebenenfalls nachgezogen werden. Der schlechte Kontakt befördert die Funkenbildung und folglich Brandgefahr oder Verbindungsabriss. Der möglicherweise herausrutschende und spannungsführende Leiter kann jetzt andere Teile berühren und so Schäden und Gefahren verursachen. Um dies zu verhindern, werden Aderendhülsen eingesetzt, die die Litzendrähte zusammenhalten und sich nun beim Klemmen fast wie ein starrer Leiter verhalten.
Die Schraubklemme wird mehr und mehr durch Federzugklemmen verdrängt. Aderendhülsen sind hier oft entbehrlich oder sogar kontraproduktiv. Zwar geben auch hier die Einzeldrähte der Litze unter dem Kontaktdruck nach. Anders als bei der Schraubklemme sorgt die Feder jedoch für nicht nachlassenden Klemmdruck. Die einzelnen Litzendrähte verteilen sich in der Klemme, sodass sich eine große Kontaktoberfläche und ein kleinerer Übergangswiderstand ergibt.
Verarbeitung
Aderendhülsen werden zum Leiterquerschnitt passend mit einer Aderendhülsenzange oder maschinell (teilautomatisiert) verarbeitet. Aderendhülsen-Presswerkzeuge bzw. -zangen erzeugen entweder ein V-förmiges (Dorn-Pressung), viereckiges (Quadrat, Rechteck, Trapez) oder ein sechseckiges Profil. Die Anforderungen an Crimpverbindungen sind in der EN 60352-2:2014-04 festgelegt. Neben der Vermeidung typischer Fehler, wie sie beim Crimpen entstehen können (siehe unten), ist die erreichte Zugfestigkeit der Hülse ein Testkriterium. Es werden auch Schliffbilder zur Qualitätssicherung angefertigt.
Zunächst erfolgt das Abisolieren auf die richtige Länge ohne Beschädigung der Litzen und der verbleibenden Isolierung, gefolgt vom Aufschieben der passenden Aderendhülse und dem Verpressen.[1]
Verwendung
Die Aderendhülse wird über das Ende eines abisolierten Kabels gelegt. Anschließend wird mithilfe einer Aderendhülsen-Crimpzange die Hülse auf das Kabel gecrimpt. Das Crimpwerkzeug presst das Röhrchen auf die Drähte. Anschließend kann man das Endprodukt beispielsweise an einer Schraub- oder Federklemme befestigen.
Fehler, die beim Crimpen entstehen können
- Rissbildung an den Längskanten und Stempelabdrucken
- Aufplatzen der Aderendhülse
- asymmetrische Crimpform
- starke Gratbildung an den Längskanten
- Hülse vom Leiter nicht ausgefüllt
- Einzellitzen zurückgeschoben, stehen aus dem Kragen heraus
- Einzellitzen abgequetscht
- Draht zu kurz oder zu weit bis in Kontaktfläche eingeschoben
- Kunststoffkragen durch Crimp-Stempel beschädigt
- Leiterisolation nicht in den Kunststoffkragen geschoben
- Aderendhülse nach dem Crimpen in Längsrichtung durchgebogen
Ausführung und Varianten
Aderendhülsen mit Schutzkragen (die farbigen im Bild) bieten einen zusätzlichen Knickschutz der angeschlossenen Ader. Der konische Kragen erleichtert einerseits das Einführen des Litzenbündels in die Hülse, andererseits auch das Einführen des behülsten Leiters in die Klemme. Ein Verhaken der Kanten von Klemmenisolation und Leiterisolation wird vermieden. Zum Anschluss zweier Adern in einer Klemme gibt es sogenannte Duo-Aderendhülsen (im Bild das graue Exemplar).
Die Hülsen bestehen aus Kupfer und können verzinnt, in Sonderfällen auch versilbert oder vergoldet sein. Der Schutzkragen besteht etwa aus PA6.6 oder PP.
Farbliche Markierung
Die Farbe des Schutzkragens gibt Aufschluss über den maximalen Draht- bzw. Leiterquerschnitt. Es gibt drei verschiedene, sich teils widersprechende Farbcodes. Im Fachhandel setzt sich die Farbkodierung nach der DIN-Norm 46228 zunehmend durch. Im Zweifelsfalle können ungebrauchte Exemplare anhand des Innendurchmessers identifiziert werden. Für jeden Querschnitt werden unterschiedliche Längen angeboten. Bei der E-Bezeichnung geben die beiden ersten Ziffern den Aderquerschnitt. Die letzten beiden Ziffern geben die Länge der Metallhülse in Millimetern an.
Querschnitt | Französischer Farbcode | Deutscher Farbcode | DIN-Norm 46228 | Bezeichnung | Innendurch- messer[2] |
AWG[3] |
---|---|---|---|---|---|---|
0,08 mm² | 0,5 mm | 28 | ||||
0,14 mm² | braun | grau | grau | 0,7 mm | 26 | |
0,25 mm² | violett | hellblau | gelb | 0,8 mm | 23 | |
0,34 mm² | rosa | türkis | türkis | 0,9 mm | 22 | |
0,50 mm² | weiß | orange | weiß | E0506, E0508, E0510 | 1,1 mm | 20 |
0,75 mm² | blau | weiß | grau | E7506, E7508, E7510 | 1,3 mm | 18 |
1,00 mm² | rot | gelb | rot | E1006, E1008, E1010 | 1,5 mm | 17 |
1,50 mm² | schwarz | rot | schwarz | E1508, E1510, E1512 | 1,8 mm | 15 |
2,50 mm² | grau | blau | blau | E2508, E2510, E2512, E2518 | 2,3 mm | 13 |
4,00 mm² | orange | grau | grau | E4009, E4012, E4018 | 2,9 mm | 11 |
6,00 mm² | grün | schwarz | gelb | E6010, E6012, E6018 | 3,6 mm | 10 |
10,00 mm² | braun | elfenbein | rot | E10-12, E10-18 | 4,6 mm | 7 |
16,00 mm² | elfenbein | grün | blau | E16-12, E16-18 | 5,9 mm | 5 |
25,00 mm² | schwarz | braun | gelb | E25-16, E25-22 | 7,4 mm | 3 |
35,00 mm² | rot | beige | rot | E35-16, E35-25 | 8,4 mm | 2 |
50,00 mm² | blau | oliv | blau | E50-20, E50-25 | 10,5 mm | 1/0 |
70,00 mm² | gelb | 12,7 mm | 2/0 | |||
95,00 mm² | rot | 14,7 mm | 3/0 | |||
120,00 mm² | blau | 16,7 mm | 4/0 | |||
150,00 mm² | 18,7 mm | 5/0 | ||||
185,00 mm² | 20,2 mm | 6/0 | ||||
240,00 mm² | 23,0 mm | 7/0 |
Normative Anforderungen
Leitungen, die aus Einzellitzen bestehen, müssen mit Aderendhülsen versehen werden, wenn die Anschlussklemme nicht für den Anschluss unkonfektionierter Litzenleitungen zugelassen ist.[4] Beim Einbau der Litze in eine dafür ungeeignete Klemme bleiben häufig einzelne Drähte am Rand der Klemme hängen, werden dadurch zurückgeschoben und stehen im ungünstigsten Fall über den isolierten Rand der Klemme vor. Es besteht Gefahr für Kurzschluss und/oder Gefahr eines Stromunfalls. Zudem besteht bei nicht mit Aderendhülsen versehenen Leitungen eine erhöhte Korrosionsgefahr. In Fahrstuhlklemmen ist eine Aderendhülse nicht erforderlich, da die Konstruktion solcher Klemmen sowohl das Herausrutschen einzelner Drähte als auch das Abscheren wirksam verhindert.
Alternativen
Das an Stelle von Aderendhülsen früher häufig praktizierte Verzinnen von Litzenenden ist in der Elektroinstallation nicht mehr Stand der Technik. Der Grund dafür ist die niedrige Druckfestigkeit des Lotes. In Schraubklemmen verformt und lockert sich ein verzinntes Litzenende unter der Anpresskraft der Schraube mit der Zeit so stark (sog. „Fließen“), dass nach einiger Zeit kein hinreichender Kontakt zwischen Litze und Klemme mehr besteht. Im Extremfall entsteht eine nicht gewollte Funkenstrecke. Die Ausbildung von Oxidschichten lässt dann den Übergangswiderstand stark ansteigen, was zu einer hohen Brandgefahr führt. Gefördert wird dies durch die hohe Korrosionsneigung von Lötverbindungen (Lokalelement). In den einschlägigen Normen ist das Löten elektrischer Verbindungen zwar nicht ausdrücklich verboten, in VDE 0100-520:2003-06 Abschnitt 526.2 ist jedoch festgehalten, dass Lötverbindungen in Leistungskreisen vermieden werden sollen.[5]
Stiftkabelschuhe bestehen aus einem Stift und einer Crimphülse für das Litzenende. Es gibt auch mit Isolierstoff ummantelte Typen – hiermit wird das Ende der Litzenisolierung zusätzlich gestützt.[6] Die Stifte benötigen einen geringeren Klemmenquerschnitt als die Litzenenden.
Das Ultraschallverdichten der Litzenenden ist ein Verfahren, das dem Ultraschallschweißen ähnelt, jedoch nur dazu dient, das Litzenende zu stabilisieren. Damit werden präzise geformte, feste Litzenenden erzeugt, ohne dass zusätzliche Teile oder Zusatzwerkstoff erforderlich ist. Der erforderliche Klemmenquerschnitt wird minimiert.[7][8]
Industrielle Verarbeitung
Es werden auch Maschinen angeboten, die automatisch abisolieren, Hülse aufstecken und verpressen. Die Hülsen sind dann meist automatengerecht verkettet. Wenige Maschinen arbeiten auch mit losen Hülsen, die über Schwingförderer sortiert zugeführt werden.
Im industriellen Bereich werden statt verpressbarer Aderendhülsen auch crimpbare Endhülsen verwendet. Diese sind bedeutend kostengünstiger, da als Halbzeug Bandmetall verwendet werden kann, das entsprechend vorgeformt wird.
Siehe auch
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Qualitätshandbuch für industrielles Crimpen. (PDF; 1,2 MB) Molex, 23. Dezember 2009, abgerufen am 27. November 2012 (Begriffe, Verfahren, Fehlerbilder, Prüfung).
- ↑ Katalog der Firma Eisenacher ab Seite 3, Quelle für alle Innendurchmesser und AWG-Entsprechungen
- ↑ Katalog der Firma Eisenacher ab Seite 3, Quelle für alle Innendurchmesser und AWG-Entsprechungen
- ↑ Vergleiche VDE 0100-520:2003-06: Errichten von Niederspannungsanlagen – Teil 5: Auswahl und Errichtung elektrischer Betriebsmitteln; Kapitel 52: Kabel- und Leitungsanlagen
- ↑ Anmerkung in VDE 0100-520:2003-06 Abschnitt 526.2 – (sinngemäß): „Lötverbindungen sollten in Leistungsstromkreisen vermieden werden. Werden diese angewendet, müssen die Verbindungen so ausgeführt sein, dass das Fließen des Lötmittels, mechanische Belastungen und Temperaturerhöhung im Fehlerfall berücksichtigt sind.“
- ↑ ummantelte Stiftkabelschuh-Type bei TE Connectivity, abgerufen am 23. Mai 2021
- ↑ Ultraschallverdichten bei Firma AAC Kabelverarbeitungssysteme GmbH, abgerufen am 23. Mai 2021
- ↑ Ultraschallverdichten bei Firma Elkalux AG, abgerufen am 23. Mai 2021