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Der Baumgarten-Bau in Karlsruhe ist der Amtssitz des Bundesverfassungsgerichts. Der in den Jahren 1965 bis 1969 im Botanischen Garten des Schlossgartens nach Plänen des Architekten Paul Baumgarten errichtete Baukomplex bestand aus ursprünglich fünf pavillonartigen Baukörpern mit Flachdächern, die um einen langen Verbindungsgang angeordnet sind. Der heutige Gerichtskomplex steht auf dem Grund des kriegsbeschädigten, 1963 abgetragenen Hoftheaters von Heinrich Hübsch. Seit Mai 1969 dient der Baugarten-Bau als Amtssitz, nachdem der erste Amtssitz von 1951 bis 1969, das Prinz-Max-Palais, aufgrund des wachsenden Raumbedarfs ausgedient hatte. In den Jahren 2005 bis 2007 erhielt der Komplex im Nordwesten einen Erweiterungsbau, so dass das Ensemble von fünf auf sechs Bauwerke anwuchs; 2011 bis 2014 wurden die ursprünglichen Bauwerke grundsaniert. Die Sanierung des Bauwerks wurde durch mehrere Preise gewürdigt. Das Bauwerksensemble steht seit der Einbindung des neugebauten Bürobaus unter Denkmalschutz.[1] Am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe arbeiteten 2021 rund 260 Personen.[2]

Geschichte

Vorgängerbau

Der erste Amtssitz hatte das Bundesverfassungsgericht von 1951 bis 1969 im Prinz-Max-Palais. Die vom Architekten Josef Durm im Stil der Gründerzeit entworfene Stadtvilla aus den 1880er Jahren liegt in der Karlsruher Innenstadt-West nahe des Europaplatzes. Sie befindet sich rund einen halben Kilometer südwestlich vom heutigen Amtssitz des Verfassungsgerichts. Nachdem das Bundeskabinett trotz heftiger Proteste aus Berlin im Dezember 1950 Karlsruhe als Sitz für das Verfassungsgericht festlegte, wurde das im Krieg zerstörte wieder aufgebaut und den Bedürfnissen des Gerichts angepasst. Am 28. September 1951 zog das Bundesverfassungsgericht in einem Festakt im Beisein von Bundespräsident Theodor Heuss und Bundeskanzler Konrad Adenauer[3] in die neuen Räumlichkeiten.[4] Das Palais erwies sich allerdings von den Räumlichkeiten als zu klein; die Richter teilten sich zumeist die Zimmer mit anderen Kollegen und Mitarbeitern. Bereits 1959 äußerte der damalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Gebhard Müller den Wunsch nach einem Neubau. Es gab Überlegungen, den Sitz des Verfassungsgerichts nach München zu verlegen oder ins nahe gelegene Schloss umzuziehen. Beides wollte die Stadt Karlsruhe verhindern und lobte 1960 einen Architektenwettbewerb aus.[5]

Bau und Verwendung des heutigen Ensembles

Als Standort wurde das während des Zweiten Weltkrieges zerstörte vom Architekten Heinrich Hübsch gestaltete Hoftheater zwischen Schlossplatz und Botanischem Garten gewählt. Im September präsentierte der Architekt Paul Baumgarten drei von ursprünglich fünf Vorentwürfen von insgesamt fünf Baukörpern in Pavillonform. Die nüchtern-sachliche Gestaltung steht dabei im deutlichen Gegensatz zur Bautradition von Gerichtsgebäuden des 19. und 20. Jahrhunderts. Damit sollte der Gebäudekomplex bewusst das städtebauliche Gesamtkonzept des Schlossplatzes nicht beeinträchtigen.[6] Als bauliches Vorbild der transparenten Glas- und Stahlarchitektur hat der Baumgarten-Bau den deutschen Beitrag zur Brüsseler Weltausstellung 1958 der Architekten Egon Eiermann und Sep Ruf.[7]

In der Bevölkerung und Administration wurde erwogen, das zerstörte Hoftheater wieder aufzubauen. Mit der Entscheidung für einen Verfassungsgerichts-Neubau sind die Wiederaufbaupläne endgültig gescheitert. Der umstrittene Abbruch der Kriegsruine 1964 wurde mit entsprechender Bitterkeit verfolgt.

Im Februar 1965 begannen die Bauarbeiten am Gebäudeensemble im Karlsruher Schlossbezirk. Im Oktober 1966 fand das Richtfest statt und am 6. Mai 1969 erfolgte die Schlüsselübergabe des neuen Amtssitzes.[8]

In die Bauzeit des Baumgarten-Baus fällt die Austragung der Bundesgartenschau 1967 in Karlsruhe. Der Landschaftsarchitekt Walter Rossow entwickelte einen „grünen Weg“ für Fußgänger vom Karlsruher Hauptbahnhof über den denkmalgeschützten Stadtgarten bis zum Schlosspark. Die Grün- und Freiflächen rund um den Baumgarten-Bau folgen diesem Konzept und binden sich in den angrenzenden Schlosspark ein.[9]

Am Abend des 4. März 1975 kam es am Bundesverfassungsgericht zu einem Anschlag. An einem Pfeiler des Richtergebäudes war eine Sprengladung angebracht. Die Explosion zerbast eine große Fensterscheibe. Verletzt wurde niemand. Zum Tatzeitpunkt patrouillierten vier Beamte des Bundesgrenzschutzes – zu wenige um den Anschlag zu verhindern. Wie Untersuchungen zeigten konnte die Sprengladung aufgrund des fehlenden Gehäuses keine massive Zerstörung hervorrufen. Die Bombe wurde von keinen Profis gebaut. Später geht beim Nachrichtenmagazin Der Spiegel ein Bekennerschreiben der Roten Zora ein, einer radikal-feministischen Terrororganisation, die mit dem Anschlag gewaltsam gegen das eine Woche alte Urteil des Bundesverfassungsgerichts protestieren wollte, welches die Reform des Paragraphen 218 für nichtig erklärten. Trotz Bekennerschreiben werden die Täterinnen nie gefasst.[10]

Ab 1982 mietete das Bundesverfassungsgericht aufgrund des gestiegenen Platzbedarfs zusätzliche Räumlichkeiten im Nord-West-Flügel des Karlsruher Schlosses an. Mit diesen Räumen ist der Baumgartenkomplex über einen unterirdischen Ganz verbunden.[11] Das vormalige Speise-Casino wurde zwischen 1995 bis 1997 soweit umgebaut, dass es zusätzliche Büroräumlichkeiten bot. Im Jahr 2000 erfolgte ein Einbau im Untergeschoss der Bibliothek um weitere sieben Büroräume. 2001 erhielt das Richtergebäude im Unterbau 13 weitere Räume.[8]

Interimsquartier

Seit der Deutschen Wiedervereinigung hatte das Verfassungsgericht deutlich mehr Beschwerdefälle, so dass der Baumgarten-Bau in seiner ursprünglichen Form den gestiegenen Anforderungen nicht mehr gerecht wurde. Neben einem geplanten Erweiterungsbau hin zum Botanischen Garten wurde eine Sanierung der bestehenden Bauwerke notwendig. Um die mehrjährigen Arbeiten bewältigen zu können wurden die 16 Verfassungsrichter und damals etwa 60 Mitarbeiter für drei Jahre in ein Interimsquartier verlegt. Das nordöstlich vom Baugarten-Bau gelegene Zwischenquartier war die ehemalige General-Kammhuber-Kaserne (Lage) an der Rintheimer Querallee 11 am östlichen Rand des Hardtwaldes. Um den üblichen Bürostandard und den halböffentlichen Bereich repräsentativ zu gestalten wurde die Stuttgarter Architekten Lederer Ragnarsdóttir Oei beauftragt. Ähnlich wie am Stammsitz des Verfassungsgerichts am Schlossbezirk standen im Interimsquartier – auch „Dienstsitz Waldstadt“ genannt – verschiedene Baukörper zur Verfügung, die durch Gänge und Verbindungstrakte verbunden sind und in der Gestaltung durch die Architekten eine gewisse Erinnerung an den eigentlichen Amtssitz wecken sollten. Nach dem Eingang kontrastierte ein hellgrüner Teppichboden mit einem Glasbild. Der Plenarsaal – der ehemalige Lehrsaal der Kaserne – erhielt einen seitlichen angefügten Treppenturm, der zur Presseemepore führte. Damit erhielt der Saal von Außen eine skulpturale Anmutung. Im Saal selbst öffnete sich auf den Längsseiten mit zwei gläsernen Vorbauten zu den Höfen. Die so gebildeten Dachüberstände erinnerten an die architektonische Formensprache der 1950er Jahre. Der Interimsbau griff gewisse Formen des Baugarten-Baus auf und nutzte sie als Vorbild. Nichts sollte protzig, aber auch nicht zu spartanisch wirken.[12]

Ergänzungsbau und Sanierung

In einem Wettbewerb wurde 2002 der Architekt Michael Schrölkamp für die Gestaltung des Erweiterungsbaus ausgelobt. In der Zeit von Juni 2005 bis März 2007 wurde der neue Bauteil mit einer Nutzungsfläche von 794 Quadratmetern, einer Brutto-Grundfläche von 1576 Quadratmetern und einem Brutto-Rauminhalt von 5081 Kubikmetern errichtet. Die Baukosten betrugen 3,4 Mio. Euro. Die Eröffnung fand am 10. Mai 2007 im Beisein des damaligen Ministerpräsidenten Günter Oettinger, Staatssekretär Engelbert Lütke Daldrup, dem damaligen Karlsruher Oberbürgermeister Heinz Fenrich, dem Architekten und weiteren Ehrengästen statt.[13] Der Erweiterungsbau wurde im Jahr 2007 bezogen.[14]

Der langjährige Betrieb, Komfortmängel und eine Analyse der Bausubstanz zeigten, dass eine bauliche und energetische Sanierung des Baumgarten-Baus notwendig geworden war. Aus diesem Grund wurden die Gebäude von August 2011 bis August 2014 einer dreijährigen Sanierung unterzogen, die insgesamt rund 55 Mio. Euro beanspruchte. Neben der Nachrüstung und Optimierung der Grundsubstanz bestand die Herausforderung darin, das denkmalgeschützte Ensemble zu erhalten. Die markanten Fassaden mit Holzfenster aus Red Oregon Pine und der Einfachverglasung konnte nicht behalten werden. Sie wurden durch doppeltverglaste Fenster ersetzt und hatten keine reflektierende Beschichtung, um die Transparenz zu bewahren. Betonbrüstungen erhielten energetisch günstigere vollgedämmte Sandwichpaneele, die aufwendig gefertigten Aluminiumgusstafeln wurden abgenommen, gereinigt und mit verstärkter Befestigung wieder montiert. Im Inneren waren in einigen Bereichen Schadstoffsanierung notwendig. Bereiche, deren funktionale Nutzung weggefallen war, wurden entsprechend umgestaltet. Um den Brandschutz zu gewährleisten wurden Stahlstützen abgeschliffen und neu beschichtet. Überdies wurde die gesamte technische Gebäudeausstattung auf den aktuellen Stand gebracht sowie Haus- und Kommunikationstechnik neu installiert und eine effiziente LED-Beleuchtung verbaut. Die Arbeiten wurden von dem Rotterdamer Architekturbüro West 8 durchgeführt, das 2012 bei einem internationalen Wettbewerb ausgelobt wurde.[15] Zur Verbesserung des Komforts trugen der Einbau von Kühldecken beziehungsweise sogenannte Coolwave-Elementen in allen Büros bei, ebenso wie der Einbau von Teppichböden und schallschluckenden Elementen zur Verbesserung der Akustik und Einbau von perforierten Sonnenschutzelementen.[16]


Zu den Massnahmen im Innenausbau zählten die Erneuerung der Sanitäranlagen sowie der Austausch von Heizkörpern, Bodenbelägen und Möblierung.

Zum Festprogramm zum 70-jährigen Bestehen des Grundgesetzes öffnete am 25. Mai 2019 das Bundesverfassungsgericht seine Tore und veranstaltete einen Tag der offenen Tür für 5000 interessierte Bürger. In einem kostenlosen, rund 90 Minuten dauernden Rundgang ließen sich der Sitzungssaal und der Richter-Ring anschauen. Auch außerhalb dieses Anlasses bestanden und bestehen Möglichkeiten für begrenzte öffentliche Führungen.[17]

Beschreibung

Lage und Situation

Standorte Bundesverfassungsgericht Karlsruhe

Der Baumgarten-Gebäudekomplex befindet sich im Karlsruher Stadtteil Innenstadt-West – mit der Adresse Schlossbezirk 3 – am südlichen Rand des Schlossgartens, benachbart und eingerahmt vom Schloss Karlsruhe im Norden, dem Schlossplatz im Osten, der Staatliche Kunsthalle im Süden und dem Botanischer Garten im Westen. Unmittelbar gegenüber der Zufahrt Waldstraße ist das Amtsgericht Karlsruhe gelegen.

Das Bundesverfassungsgericht ist für den motorisierten Verkehr nur von Süden über die Waldstraße beziehungsweise von Osten über den Schlossplatz anzufahren. Die beschrankten Einfahrten in den Schlossbezirk ist jedoch nur Mitarbeitern und geladenen Personen gestattet. Über die Einfahrt Schlossbezirk ist der Vorplatz mit dem sogenannten „Platz der Grundrechte“ erreichbar. Der Platz wurde 2005 mit 24 doppelseitigen Straßenschildern gestaltete, die Richter, Juristen und Bürger zitiert, die sich mit dem Thema Recht und Unrecht befassen. Eine weitere Einfahrt zur Liegenschaft führt links ab in eine Rampe, welche in ein unterirdisches Parkhaus unterhalb des Sitzungssaalgebäude führt. Die Bundespolizei schützt das Gebäude und Areal und unterhält vor Ort eine eigenes Revier. Die Schutzmaßnahmen werden durch Zugangskontrollen sowie Posten- und Streifenpräsenz der Bundespolizei sichergestellt.

Die Nordwestflanke des Gebäudekomplexes wird durch Baumbewuchs fast vollständig bedeckt. Die Südostflanke ist von dem Vorplatz und der gepflasterten Zufahrt geprägt, die wiederum dicht mit Bäumen bepflanzt ist. Diese Allee bildet die unmittelbare Sichtachse auf den Westflügel des Karlsruher Schlosses und folgt damit dem strengen geometrischen Schema der gesamten Anlage. Die Gebäude des Baumgarten-Baus sind exakt parallel zu dieser Sichtachse ausgerichtet und fügen sich durch ihre zurückhaltende architektonische Gestaltung in das baulich deutlich ältere Umfeld ein.

Gebäudekomplex

Situationsplan und Umgebung des Baumgarten-Baus

Der Baumgarten-Bau mit seinen sechs Gebäuden mit rechteckigem, größtenteils quadratischem Grundriss weist eine Nutzfläche von 10.086 Quadratmeter auf, eine Brutto-Grundfläche von 16.342 Quadratmeter und einen Brutto-Rauminhalt von 64.274 Kubikmeter. Der Komplex besteht aus folgenden Bauteilen, die offiziell römischen Zahlen zugeordnet sind:

Sämtliche Bauwerke sind in ihre Aufgabengebiete räumlich getrennt und der Höhe nach unterschiedlich gestaffelt. Die Anordnung und Höhendifferenzierung soll die Wertigkeit und Beziehung zur Öffentlichkeit ausdrucken.[18] Alle Gebäude sind über einen gut 150 Meter langen, verglasten Verbindungsbau miteinander verbunden. Der gerade Verbindungsgang zwischen dem ehemaligen Casino im Norden durchdringt das Richtergebäude und führt bis zum Verwaltungsgebäude im Süden. Vorher zweigt rechtwinklig der Gang zweifach zum südlich gelegenen Sitzungssaalgebäude, einfach zur nördlich gelegenen Bibliothek ab. Der 2007 bezogene Erweiterungsbau ist mit dem Verwaltungsgebäude ebenfalls über einen Verbindungsgang überdacht erreichbar. Die Untergeschosse aller Gebäude bestehen aus einer Stahlbeton-Konstruktion mit außenliegenden Foamglas-Wärmedämmungen. Ab der Eingangshöhe sind die Geschosse als Stahlskelett-Konstruktion mit Stahlbetondecken umgesetzt.[19] Ein Merkmal des Baumgarten-Baus ist die vollflächige Einbettung des Komplexes in die ihn umgebende Rasenfläche. Dadurch sollen Architektur und Natur eine Einheit bilden. Die Verschmelzung dieser zwei Elemente ist am Eingangsbereich des Sitzungssaals und des Richtergebäudes besonders augenfällig. Der teilweise gepflasterte Vorplatz wird von streifigen Rasenstücken unterbrochen. Das rhythmisierte streifenförmige Fugenraster der Natursteinplatten leitet sich optisch von der Tragstruktur des Gebäude ab. Der fließende Übergang zwischen Grünraum und Bauwerk wird auch in den Innenhöfen des Ensembles durch skulpturale Gehölzer und farbenfrohe Blütenteppiche umgesetzt.[20]

Bauteile

Das mit etwa 15 Metern höchste der Bauwerke ist der das Sitzungssaalgebäude (Bauteil III), das durch seine gläserne Fassade den Einblick bis in den Sitzungssaal ermöglicht. Es ist gleichzeitig der Baukörper, der am meisten der Öffentlichkeit zugewendet ist. Im Erdgeschoss befindet sich neben einem großen Foyer auch der Plenarsaal. Im Zwischengeschoss liegt ein Empfangssaal und ein Presseraum. Im ebenerdigen, im 2. Stock befindlichen Sitzungssaal befindet sich eine kleine Empore, die Platz für 44 Personen bietet. Dem gegenüber der Richtertisch mit einem mehrere hundert Kilogramm schweren hölzernen Bundesadler-Relief, der vom Bildhauer Hans Kindermann gestaltet wurde. Der Sitzungssaal weist seitlichen Glaswände auf, die eine freie Sicht zum Schloss und Schlossplatz ermöglichen. An der Seite zum Botanischen Garten sind Beratungszimmer und Nebenräume angeordnet.[21]

Das zum Schloss anschließende Richtergebäude (Bauteil IV) oder „Richterring“ genannte, zweigeschossige Bauwerk ist ein rechteckiger Atriumbau mit einem Innenhof in der Mitte. Jeder der beiden Senate des Bundesverfassungsgerichtes steht ein eigenes Stockwerk zu, das dessen jeweils acht Richter und seine Mitarbeiter beherbergt. Die ringförmige Raumgruppierung erfolgt nach Richtern, wissenschaftlichen Mitarbeitern und dem Sekretariat. Die Räumlichkeiten der Senate und die Dienstzimmer des Präsidenten und Vizepräsidenten liegen auf zur Seite zum Botanischen Garten. Das Bauwerk steht auf Stelzen, so dass das Bauwerk zu schweben scheint. Unterhalb des Stelzenbaus befinden sich Abstellmöglichkeiten für Personenkraftwagen.[22] Die Decken des Richtergebäudes werden am inneren Freiraum von vier über zwei Geschosse führende Fachwerkträger aufgenommen, die vor der Fassade liegen. Damit ist das Richtergebäude aufgrund dessen das einzige, was im Grundriss kein exaktes Rechteck bildet. Die Spannstähle des der Diagonalstäbe sind den entsprechenden Stabkräften ihrer Anzahl abgestuft; im Durchschnitt sind es 26 Spannstähle. Die Konstruktion wurde weitgehend durch Erdbebensicherheit beeinflusst.[19]

Das dem Schloss am nächsten gelegene Bauwerk des Gerichtskomplexes ist das Verwaltungsgebäude (Bauteil V), welches über ein oberirdisches Geschoss verfügt. In diesem sind die Räumlichkeiten der Verwaltungsmitarbeiter, dem Leiter, dem Stellvertreter und dem Sekretariat untergebracht. Daneben sitzt in diesem Bauteil die Amtsmeisterei. Neben dem Verwaltungsarchiv, Kanzleiräumen, sanitären Räumen beherbergt Bauteil V auch einen Raum für Vervielfältigungen.[23] Zwischen dem Verwaltungsgebäude und der Zugangsstraße befindet sich auf dem Rasenstück die Plastik „Erkenntnis“ des Schweizer Künstlers André Bucher. Ihre Maße betragen 215 × 215 × 60 Zentimeter und sie besteht aus einem unbearbeiteten Findling und Bronze. Das am 21. Mai 1982 enthüllte Kunstwerk mit geschwungenen Ellipsen trägt in seiner Mitte einen Lava-Gesteinsbrocken vom Vulkan Ätna.[24]

Gegenüber des Sitzungssaalgebäudes liegt zum Botanischen Garten hin gewandt der Bibliotheksbau (Bauteil II). Sein Mittelpunkt bildet der Katalogsaal, in welchem sich neben der Auskunft, Kataloge, Ausleihetheke und der Bücheraufzug zum Magazingeschoss sowie Treppe und Personalaufzug befinden. Um den Katalogsaal sind zwei Lesesäle und Räume für Bibliotheksmitarbeiter untergebracht. Im ersten Untergeschoss, dass du Gebäudeangleichung teilweise Tageslicht hat, befinden sich Pressearchiv, Signierraum sowie eine Buchbinderei und Einbandstelle sowie eine Magazinfläche von 780 Quadratmetern und Studierplätze.[22] Das zweite Untergeschoss wird ausschließlich als Büchermagazin genutzt. Der Bibliotheksbestand umfasst derzeit 400.000 Bände und wächst jährlich um rund 5.000 Bände. Darüber führt die Bibliothek einen umfangreichen Zeitschriftenbestand, Parlamentaria und Amtsdruckschriften des Bundes und der Länder und 450 rechts- und sozialwissenschaftliche Periodika des In- und Auslandes.[25] Die Hauptkontruktion des stützenfreien Daches des Sitzungssaalgebäudes besteht aus sich in den vier Viertelpunkten kreuzenden Stahlblechträgern, die beweglich an acht Stützen angeschlossen sind. Diese Pfeiler nehmen zwar keine Vertikalkräfte auf, sind jedoch mit dem statischen System der Geschossdecken ausgesteift.[19]

Den südlichen Abschluss der Gebäudegruppe, benachbart zur Kunsthalle, befindet sich das ehemalige Casino-Gebäude (Bauteil I). In dem Bauwerk war ursprünglich ein Restaurant befindlich, dessen Speisesaal zum Botanischen Garten hin orientiert ist. Die Küchenanlage befand sich im Kern des Gebäudes. Zum Schlossplatz gab es ein Restaurant-Sonderzimmer und Dienstzimmer. Im Untergeschoss ist neben einer Technikzentrale eine Tiefgarage für 78 Personenwagen untergebracht.[19] Seit 1995 befinden sich im ehemaligen Casino-Bau Büroräume, ein Besprechungszimmer und ein Pausenraum.[26]

Der im März 2007 fertiggestellte Erweiterungsbau (Bauteil IX) von Schrölkamp befindet sich in der Nahtstelle zum Botanischen Garten und nicht mit Fluchten der benachbarten Bauwerke auf. Der Neubau ist über eine Brücke mit den übrigen Bauten verbunden. Der Erweiterungsbau fasst in zwei Obergeschossen 40 Büroräume. Im abgesenkten Erdgeschoss sind Speiseraum und und -ausgabe untergebracht. Küche, Technik- und Lagerräume befinden sich im Untergeschoss. Der Erweiterungsbau versucht die rationalen, quaderförmige Gebäudeform mit der umgebenden Natur in Einklang zu bringen. Dazu wurde unter anderem ein pergolaähnlicher Vorbau an der Nordwest-Fassade zur Orangerie eingesetzt, der mit Pflanzenbewuchs eine Korrespondenz zum umgebenden Garten schaffen möchte.[27] Auf dem Stahlgerüst vor den Büros wachsen zwergwüchsige Kiefern, Schlitzahorn, Weißdorne und Bambus.[28] Die beiden Stirnseiten des Erweiterungsbaus sind mit Paneelen aus brüniertem Messing verkleidet,[29] setzen sich damit farblich zu den restlichen Bauwerken ab ohne zu stark hervorzustechen.

Kunst am Bau

Der an der Karlsruher Kunstakademie lehrende Maler Franz Ackermann gestaltete großflächige, zum Teil über zwei Stockwerke gehende, farbige Gemälde auf mehreren Innenwandsegmenten in den Fluren und Zimmern des Richtergebäudes. Ackermann war 2013 als Sieger eines international besetzten Wettbewerbs hervorgegangen.[30] Die Wandmalerei, die durch den Einsatz von intensiven Farben lebt wechselt in der Bildersprache zwischen kartografischer Zeichenstruktur, gegenständlichen Elementen, abstrakten Farbwirbeln und ornamentalen Passagen.[31]

Im Treppenhaus des Erweiterungsbaus schuf die Karlsruher Künstlerin Stefanie Lampert 2008 ein farbiges Wand-Relief, das sich abhängig von der Belichtung ändert. Lampert schuf rechteckige Farbfelderflächen in den Farben Gelb, Grau und Grün, die auf den Wänden und Wandvorsprüngen durch das Licht aus der Südostseite sich perspektivisch zu verschieben scheinen.[32]

Eine besonders symbolhafte Skulptur ist „Die Gerechtigkeit“ von André Bucher, von dem bereits im Außenbereich des Baumgarten-Baus eine Plastik stammt. Die Metalskulptur aus dem Jahr 1997 aus vier gebogenen und miteinander verbundenen Eisenstangen hält in der Mitte eine Kugel im Gleichgewicht. und steht auf einem Marmorblock. Das Kunstwerk, was im ehemaligen Casino steht, wurde 2001 auf einer Briefmarke der Post (Mi.-Nr. 2214) zum 50-jährigen Bestehen des Bundesverfassungsgerichts aufgegriffen.[33]

Rezeption

Allgemein

Der nüchtern-sachliche Baumgarten-Bau der Moderne steht im architektonischen Spannungsfeld zwischen dem barocken Schloss, dem Botanischen Garten und der historistischen Kunsthalle. Die offensichtlichen Unterschiede dieser Bauwerke aus den unterschiedlichsten Bauepochen wurden nicht durch eine Angleichung versucht zu überbrücken sondern sollten einen reflektierenden Dialog mit dem Bestehenden eingehen. Zu diesem Zweck wurden verschiedene Maßnahmen umgesetzt. Die flachen Gebäude des Bundesverfassungsgerichts sind nicht nur durch ihre niedrige Höhe sondern auch durch die zurückgenommene Farbigkeit in Silbergrau, dem verbauten Glas und dem braunen Holzton gut in die Parklandschaft integriert. Überdies wurde trotz der erforderlichen Absicherung der Institution das Bauwerk nicht mit Mauern oder anderen Elementen vom übrigen Umfeld getrennt. Vielmehr wurde durch die Gestaltung Auflockerung und Transparenz gesucht.[34] Der Baumgarten-Bau steht nicht nur zu seiner unmittelbar umgebenden Architektur in einem konträren Gegensatz sondern auch zur Tradition aller Justizpalästen der Gründerzeit. https://www.db-bauzeitung.de/bauen-im-bestand/projekte/massenweise-unikate/

Trotz der bewussten Zurückhaltung des Staatsbaus war der Anspruch der Bauherren durchaus auf Repräsentanz angelegt. Aber genau diese machten zeitgenössische Kritiker dem Bau streitig. Dabei mangelte es nicht an exklusiven Elementen. Die sonderangefertigten Aluminium-Gusstafeln heben sich bewusst von der einfachen Materialität der 1950er Jahre ab. Die Fassade enthält neben filigranen Linienführungen auch körperhafte Flächen, die mit ihren Sturz- und Brüstungselementen einen deutlich sichtbaren Kontrast zur Offenheit der Glaszone bilden. Im übrigen sind die einzelnen Bauten des Bundesverfassungsgericht trotz ihrer Ähnlichkeit nicht gleich und entsprechend ihrer Funktion individuell gestaltet. Die Ausarbeitung unterlag keinen genormten und zeitsparenden Raster. Im Gegenteil stellte die Tagespresse während der Bauarbeiten fest, dass das Bautempo hinter den Erwartungen zurück liege. Dies lag nicht zuletzt auch am Architekten Baumgarten selbst, der manchmal um jede Schraube ringe.[35]

Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichtes Andreas Voßkuhle befand zu den geraden Blickachsen und großen Fensterflächen der Gerichtsgebäude: „Das transparente, zugewandte Gebäude gehört zu unserer Identität als Bürgergericht“.[36]

Der Jurist Ulrich Battis sprach sich bei seiner Antrittsvorlesung „Demokratie als Bauherrin“ am 25. Januar 1994 kritisch gegen dem Transparenzanspruch des Bauwerks aus. Zwar sieht er in historischen Staatsbauten wie den monumentalen Justizpalästen einen Ausdruck der Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit. Allerdings konnte der institutionelle Transparenzanspruch im Baumgarten-Bau nur bedingt umgesetzt werden. Es sei ein frommer Wunsch der „Egalitätsverfechter“ Gerichtsgebäude zu errichten, in denen man sich wohlfühlen könne und in dem alle Prozessbeteiligten an einem „runden Tisch“ säßen.[37]

Preise

Literatur

  • Wolfgang Grether: Die Grundsanierung des Bundesverfassungsgerichts in: Sebastian Horn (Hrsg.): Denkmal und Energie 2017. Energieeffizienz, Nachhaltigkeit und Nutzerkomfort. Springer, 2016, ISBN 978-3-658-16453-9, S. 7–19.
  • Bundesbau Baden-Württemberg, Staatliches Hochbauamt Baden-Baden für Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (Hrsg.): Grundsanierung Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, 2014. (Digitalisat)
  • Falk Jaeger (Hrsg.): Transparenz und Würde – Das Bundesverfassungsgericht und seine Architektur, Jovis Verlag, Berlin 2014, ISBN 978-3-86859-286-3.
  • Clemens Kieser: „Zweckmäßigkeit und Ruhe“ – Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. In: Denkmalpflege in Baden-Württemberg 4/2008, S. 210–215 (PDF; Digitalisat).
  • Annette Menting: Paul Baumgarten – Schaffen aus dem Charakter der Zeit, Gebr. Mann Verlag, Berlin 1998, ISBN 978-3-7861-1777-3.
  • Bundesverfassungsgericht Karlsruhe in: Bauwelt, Nr. 48, 1969, 1714–1722. (Digitalisat)

Weblinks

Commons: Dienstsitz des Bundesverfassungsgerichts – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Datenbank der Kulturdenkmale der Stadt Karlsruhe: Bundesverfassungsgericht. Schlossbezirk 3, Innenstadt-West, aufgerufen am 21. Oktober 2021
  2. Bundesverfassungsgericht: Die wichtigsten Fakten über das Bundesverfassungsgericht, aufgerufen am 20. Oktober 2021
  3. Badische Neueste Nachrichten: Bewegte Zeiten in Karlsruhe: Bundesverfassungsgericht wird 70, Artikel vom 28. September 2021, aufgerufen am 29. September 2021
  4. ka-news.de: Wie ein Wohnhaus zum Sitz des Bundesverfassungsgerichts wurde: Die bewegte Geschichte des Karlsruher Prinz-Max-Palais, Artikel vom 1. August 2021, aufgerufen am 29. September 2021
  5. Landeskunde Baden-Württemberg: Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe: „Eines der allerersten gläsernen Gerichte der Welt“, aufgerufen am 30. September 2021
  6. Clemens Kieser: „Zweckmäßigkeit und Ruhe“ – Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. In: Denkmalpflege in Baden-Württemberg 4/2008, S. 210 (PDF; 1,6 MB)
  7. Clemens Kieser: „Zweckmäßigkeit und Ruhe“ – Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. In: Denkmalpflege in Baden-Württemberg 4/2008, S. 211 (PDF; 1,6 MB)
  8. a b Transparenz und Würde – Das Bundesverfassungsgericht und seine Architektur, S. 166.
  9. Clemens Kieser: „Zweckmäßigkeit und Ruhe“ – Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. In: Denkmalpflege in Baden-Württemberg 4/2008, S. 212 (PDF; 1,6 MB)
  10. WDR: 04. März 2005 - Vor 30 Jahren: Sprengstoffanschlag auf das Bundesverfassungsgericht, aufgerufen am 21. Oktober 2021
  11. Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg: Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe: „Eines der allerersten gläsernen Gerichte der Welt“ – Interview mit dem Architekten Wolfgang Grether, aufgerufen am 20. Oktober 2021
  12. Bauwelt: Bundesverfassungsgericht. Temporäres Hintergrundbild, 32/2011, S. 24–31, (Artikel als PDF)
  13. OFD-Magazin: Erweiterung des Bundesverfassungsgerichts, (PDF) 3/2007, S. 4–9.
  14. nextroom.at: Bundesverfassungsgericht – Erweiterung, Artikel vom 6. August 2008, aufgerufen am 6. Oktober 2021
  15. Bundesbauamt Baden-Württemberg: Bundesverfassungsgericht, Karlsruhe, aufgerufen am 5. Oktober 2021
  16. Architekturkammer Baden-Württemberg: Auszeichnungsverfahren „Karlsruhe-Stadt 2012–2018“, aufgerufen am 6. Oktober 2021
  17. Badische Neueste Nachrichten: Tag der offenen Tür im Bundesverfassungsgericht: So können Besucher dabei sein, Artikel vom 22. Mai 2019, aufgerufen am 20. Oktober 2021
  18. Bundesverfassungsgericht Karlsruhe in: Bauwelt, S. 1715.
  19. a b c d Bundesverfassungsgericht Karlsruhe in: Bauwelt, S. 1718.
  20. Transparenz und Würde – Das Bundesverfassungsgericht und seine Architektur, S. 136–137.
  21. Bundesverfassungsgericht Karlsruhe in: Bauwelt, S. 1715.
  22. a b Bundesverfassungsgericht Karlsruhe in: Bauwelt, S. 1716.
  23. Bundesverfassungsgericht Karlsruhe in: Bauwelt, S. 1717.
  24. Erkenntnis, aufgerufen am 20. Oktober 2021
  25. Bundesverfassungsgericht: Die Bibliothek des Bundesverfassungsgerichts, aufgerufen am 29. September 2021
  26. Bundesverfassungsgericht: Gebäude – Bauwerksbeschreibung, aufgerufen am 1. Oktober 2021
  27. OFD-Magazin: Erweiterung des Bundesverfassungsgerichts, 3/2007, S. 5.
  28. Bauwelt: Verfassungsorganfortsatz, 14/2008, S. 27.
  29. Bauwelt: Verfassungsorganfortsatz, 14/2008, S. 29.
  30. Kunstakademie Karlsruhe: Professor Franz Ackermann führt Wandmalerei im Bundesverfassungsgericht aus, Pressemitteilung vom 7. Juni 2013, aufgerufen am 19. Oktober 2021
  31. Transparenz und Würde – Das Bundesverfassungsgericht und seine Architektur, S. 144.
  32. Bundesverfassungsgericht: Entscheidung über den Kunstwettbewerb für den Erweiterungsbau des Bundesverfassungsgerichts, Pressemitteilung vom 17. Juni 2008, aufgerufen am 28. September 2021
  33. Lexikon Geschichte Baden-Württemberg: Karlsruhe (Memento vom 29. Mai 2009 im Internet Archive)
  34. Clemens Kieser: „Zweckmäßigkeit und Ruhe“ – Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe., S. 213.
  35. Annette Menting: Paul Baumgarten – Schaffen aus dem Charakter der Zeit, S. 240–241.
  36. Stuttgarter Zeitung: Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Die letzte Instanz, Artikel vom 26. September 2014, zuletzt aufgerufen am 28. September 2021
  37. Achim Hahn (Hrsg.), Guido Brendgens: Demokratisches Bauen. Eine architekturtheoretische Diskursanalyse zu Parlamentsbauten in der Bundesrepublik Deutschland. Shaker Verlag, Aachen 2008, ISBN 978-3-8322-7301-9, S. 43–44. (Digitalisat)

Koordinaten: 49° 0′ 46″ N, 8° 24′ 5,3″ O