Benutzer:Annika Hampel/Fair Cooperation

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Begriffsdefinition und -herkunft

Fair Cooperation ist ein von Dr. Annika Hampel (* 17. Juni 1980 in Bremen) eingeführter Begriff. In ihrer Dissertation Fair Cooperation. Partnerschaftliche Zusammenarbeit in der Auswärtigen Kulturpolitik untersucht Annika Hampel am Beispiel deutsch-indischer Kooperationen in den Künsten und der Bildung die Zusammenarbeit im Bereich der Auswärtigen Kulturpolitik (im vollen Namen: „Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik“) Deutschlands. Ausgangspunkt der Untersuchung ist das Missverhältnis von Anspruch und Wirklichkeit hinsichtlich des in Deutschland politisch propagierten und geforderten Dialogs auf Augenhöhe mit Partnern des ‚Globalen Südens‘ und der tatsächlichen Praxis von geförderten Kooperationsprojekten, die sich auszeichnen durch asymmetrische Strukturen, Machtverhältnisse und ungleiche Partnerschaften. Resultierend aus ihrer Analyse von fünf Kooperationen und über 80 Experteninterviews in Indien und in Deutschland in den Jahren von 2011 bis 2014 erstellt Annika Hampel Handlungsempfehlungen für eine faire bzw. fairere Kooperationskultur zwischen diesen Partnern.

Die Dissertation Fair Cooperation wurde mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem ifa-Forschungspreis Auswärtige Kulturpolitik vom Institut für Auslandsbeziehungen in Stuttgart sowie mit dem ENCATC Research Award on Cultural Policy and Cultural Management vom European Network of Cultural Administration Training Centres in Brüssel (beide Auszeichnungen im Jahr 2015).

Fair Cooperation ist mittlerweile zu einem international feststehenden Begriff avanciert, über den Kunst- und Kulturbereich hinaus. Bei Kooperationsinitiierung und -durchführung findet er Anwendung in weiteren gesellschaftlichen Bereichen wie Wissenschaft und Wirtschaft, sowohl innen- als auch außenpolitisch. Fair Cooperation ist Leitmotiv für bi- und multinationale Kooperationen von Partnern des ‚Globalen Südens‘ wie Afrika, Lateinamerika und Asien und des ‚Globalen Nordens‘.

Fair Cooperation in der Praxis

Die Handlungsempfehlungen zur Überwindung asymmetrischer Begegnungen hin zu Fair Cooperation nach Annika Hampel sind:

  1. Partnerschaften müssen sich entfalten, sie können nicht verordnet werden. Das heißt, es muss in Plattformen wie Workshops und Festivals investiert werden, auf denen sich die Akteure kennen lernen können, indem sie ihre Arbeiten präsentieren und in einen ersten Austausch treten. Hierbei muss die begrenzte Mobilität von potenziellen Kooperierenden aus dem ‚Globalen Süden‘ beachtet und erhöht werden.
  2. Interessen und Ziele einer Kooperation sowie Rollen und Verantwortungen in einer Partnerschaft müssen zu Beginn von allen beteiligten Akteuren entwickelt und definiert werden. Im Laufe der Zusammenarbeit sollten sie reflektiert und überprüft, ggf. neu verhandelt und angepasst werden. So entstehen Transparenz und Vertrauen, als Basis jedweder Kooperation. Im Falle eines (Macht-)Konfliktes kann auf die gemeinsamen Ziele zurückgegriffen werden.
  3. Recherchereisen sind Pflicht einer jeden binationalen Kooperation. Sie ermöglichen, den Partner und den Kontext, in dem er lebt und arbeitet, verstehen zu lernen. Kontextwissen zum politischen und sozialen Rahmen, in dem man sich bewegt, Kenntnisse über lokale Akteure und Infrastrukturen sowie interkulturelle Kompetenz müssen sich die Kooperierenden aneignen. Die Reisen beruhen auf Gegenseitigkeit und sie sind sowohl finanziell als auch zeitlich einzuplanen in das Kooperationsprojekt. Denn sie dienen dem Gelingen einer Kooperation. Auch der Kooperationsprozess, der Arbeitsprozess hinsichtlich eines Ergebnisses, sowie die Präsentation des Kooperationsergebnisses sollten beidseitig verortet sein, um dem anvisierten Dialog Rechnung zu tragen. Zudem können die Kooperationsergebnisse so in mehrere Gesellschaften im Sinne eines vertieften Fremd- und Selbstverstehens hineinwirken.
  4. Externe Kooperationsbegleiter können als Vermittler und Übersetzer dienen. Voraussetzung ist, dass sie beide Kulturen und Kontexte, in denen sich die Partner bewegen, kennen und verstehen und dass alle beteiligten Akteure mit der Wahl des Begleiters einverstanden sind. Im Fall von Konflikten können externe Begleiter auch die Rolle des Moderators und Mediators übernehmen. Durch die Neutralität des Begleiters ist gegeben, dass alle Interessen - von den Partnern des ‚Globalen Südens‘ und des ‚Globalen Nordens‘ - gleichermaßen Einfluss in der Kooperation haben.
  5. Kooperation bedeutet im Idealfall, voneinander zu lernen und sich gemeinsam fortzuentwickeln. Wie Erfahrungen und Erkenntnisse, sprich: Resultate aus der Kooperation, in die jeweiligen Kontexte zur Anwendung überführt werden, muss dem Partner, der sich in dem spezifischen Kontext bewegt, überlassen sein. Häufig sind regionale Anpassungen vorzunehmen, damit Kooperationsresultate in unterschiedlichen Kontexten und deren lokalen Bedürfnissen angewandt werden und wirken können. Kontextorientierung ist eine Bedingung, um nicht in neokoloniale Strukturen – europäische Strategien und Konzepte zur Lösung von Herausforderungen für den Rest der Welt – zu verfallen.
  6. Die Kooperationsarbeit besteht aus mehreren Phasen: die Vorbereitung (siehe Punkte 1-4), der Kooperationsprozess an sich und die Nachbereitung (siehe Punkte 10-11). Diese Phasen benötigen spezifische Zeitfenster. Die Ressource Zeit kostet Geld. Insbesondere bei der Vorbereitung von Kooperationen als Voraussetzung einer gelingenden Partnerschaft werden häufig Geld und Zeit eingespart. Das führt zum Scheitern von Kooperationen. Zeitintervalle für prozessorientierte Kooperationsarbeit ermöglichen den beteiligten Akteuren hingegen Pausen zur Reflexion ihrer Zusammenarbeit und zur Bearbeitung anderer, über das Kooperationsprojekt hinaus fortlaufender Verpflichtungen.
  7. Finanzierungen von Kooperationen sind in der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik häufig an Nationalitäten, Sparten und Themen geknüpft. Eine offene und vor allem prozessorientierte Förderung würde der Kooperationsanbahnung und dem Kooperationsprozess in seiner Dynamik weitaus mehr entsprechen.
  8. Kooperationsarbeit bewegt sich zwischen Prozess- und Ergebnisorientierung. Meistens wird, in Hinblick auf die begrenzten Ressourcen Zeit und Geld, das Ergebnis fokussiert, zu Gunsten des Prozesses. Doch gute Prozesse, die den Dialog der Partner begründen, sind die Grundlage für erfolgreiche Kooperationen und somit auch für gelungene Kooperationsergebnisse. Demnach ist die Zusammenarbeit während des Entstehungsprozesses mindestens genauso wichtig, wenn nicht sogar noch wichtiger als die Zusammenarbeit hinsichtlich des Ergebnisses.
  9. Eine Kultur des Experimentierens und des Scheiterns muss durch eine schrittweise Förderung zugelassen werden. Akteuren wird zu Beginn ihrer Zusammenarbeit ein geringer Geldbetrag (‚seed money‘ bzw. Wagniskapital) zugesprochen (damit sind in der Regel einige Tausend Euro gemeint), um ihre Kooperationsidee zu erproben. Nach dieser Phase entscheiden die Kooperierenden gemeinsam mit ihren Förderern, ob die Weiterführung der Partnerschaft sinnvoll ist oder nicht.
  10. Internationale Kooperationen sind oftmals projektbasiert, sprich: Sie vermissen eine Kontinuität. Um Kooperationsarbeit zukünftig nachhaltiger wirken zu lassen, geht es folglich darum, dass die Partner die Resultate ihrer Zusammenarbeit in ihre jeweiligen Kontexte überführen (siehe Punkt 5). Dieser kontextorientierte Transfer des Kooperationsresultates – ob Prozess oder Ergebnis – als elementarer Bestandteil der gemeinsamen Arbeit erfordert finanzielle und zeitliche Ressourcen, wenn die Kooperationsarbeiten in ihre Eigenständigkeit und Unabhängigkeit überführt werden sollen. Aus Kooperationsarbeit kann dann ein stabiles und langfristiges Netzwerk entstehen.  
  11. Eine beständige Reflexion des Kooperationsprozesses ermöglicht den beteiligten Akteuren, fortlaufend auf die Qualität ihrer Zusammenarbeit zu achten und sie über den gesamten Zeitraum der Kooperation hinweg zu entwickeln. Damit wird das Leistungsvermögen der Partnerschaft gestärkt, welches als Basis für eine erfolgreiche Zusammenarbeit gilt. Die Erfahrungen aus internationaler Kooperationsarbeit inklusive ihrer Fehl- und Rückschläge können nutzbringend für die zukünftige Planung und Realisierung von weltweiten Kooperationen sein. Deshalb ist es wichtig, diese wertvollen Erkenntnisse zu sammeln. Auf Plattformen wie Workshops können die Kooperierenden ihre Erkenntnisse aus interkulturellen Kooperationen teilen und austauschen sowie ihre Zusammenarbeit analysieren und diskutieren. Denn diese Erfahrungen liefern die relevanten Perspektiven zur Entwicklung einer zukünftigen fairen bzw. faireren Kooperationskultur. Die (selbst-)kritische Reflexion der Kooperationsprojekte setzt voraus, dass die beteiligten Akteure keine Sanktionen befürchten müssen, bspw. indem ihre Förderanträge abgelehnt werden.
  12. Die Dominanz des Partners aus dem ‚Globalen Norden‘ gegenüber seinem Partner aus Afrika, Lateinamerika oder Asien ist nach wie vor häufig existent. Ursprung hierfür ist der ungleichgewichtige Ressourceneinsatz. Der Partner aus dem ‚Globalen Norden‘ bringt nach wie vor häufig den Großteil der finanziellen Ressourcen in die Kooperation ein. Das erzeugt eine Hierarchisierung der Akteure und damit Machtverhältnisse. Die Gleichberechtigung unter den Partnern wäre hergestellt, wenn alle beteiligten Akteure einen gleich hohen Geldbetrag in die Partnerschaft investieren. Partner aus Afrika, Asien und Lateinamerika verfügen aber (noch) nicht über die entsprechenden finanziellen Förderstrukturen. Eine kontinuierliche Debatte über die Grenzen von Gleichstellung und Gleichberechtigung der Partner ist der erste Schritt hin zu einer fairen Kooperation. Ein zweiter Schritt ist, die Verwaltung und Kontrolle der Finanzen – unabhängig von ihrer Quelle – auf alle beteiligten Akteure gleichmäßig zu verteilen. Die gemeinsame Verantwortung für die Verwendung der Gelder macht die Kooperation fairer.

Der Begriff Fair Cooperation ist angelehnt an den Begriff Fair Play. Fair Play besagt, dass Fairness eine Haltung ist, die einen größtmöglichen Respekt gegenüber dem Partner inklusive seiner Andersartigkeit und dessen Würde beschreibt. Fairness bedeutet, auf gleiche Chancen und Bedingungen zu achten. Sie setzt gleiche und gerechte Verhältnisse nicht als gegeben, im Sinne eines Dialogs auf Augenhöhe, voraus. Diese Haltung muss Eingang finden in interkulturelle Kooperationen. Kooperationsarbeit ist voraussetzungsvolle und damit zeitintensive Arbeit, die einen Rahmen, Strukturen und Prozesse benötigt, um sich entfalten zu können. Internationale Beziehungen sind nach wie vor geprägt von einem begrenzten Austausch. Das gesamte Potenzial von globaler Zusammenarbeit wird erst bei fairen Kooperationen, unter Berücksichtigung der kulturellen Vielfalt, sichtbar (siehe auch die UNESCO-Konvention zum Schutz der kulturellen Vielfalt).

Literatur

  • Annika Hampel: Fair Cooperation. Partnerschaftliche Zusammenarbeit in der Auswärtigen Kulturpolitik. Springer Verlag, Wiesbaden 2015, ISBN 978-3-658-07592-7
  • Annika Hampel: Fair Cooperation. A New Paradigm for Cultural Diplomacy and Arts Management. Peter Lang Verlag, Brüssel 2017, ISBN 978-2-8076-0471-1


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