Der Begriff Linearer Operator wurde in der Funktionalanalysis (einem Teilgebiet der Mathematik) eingeführt und ist synonym zum Begriff der linearen Abbildung. Eine lineare Abbildung ist eine strukturerhaltende Abbildung zwischen Vektorräumen über einem gemeinsamen Körper. Werden Vektorräume über dem Körper der reellen oder komplexen Zahlen betrachtet und sind diese mit einer Topologie versehen (lokalkonvexe Räume, normierte Räume, Banachräume), so spricht man vorzugsweise von linearen Operatoren.
Im Gegensatz zu endlichdimensionalen Räumen, wo lineare Operatoren stets beschränkt sind,
tauchen bei unendlichdimensionalen Räumen auch unbeschränkte lineare Operatoren auf.
Definition
Linearer Operator
Es seien und reelle oder komplexe Vektorräume. Eine Abbildung von nach heisst linearer Operator, wenn für alle und die folgenden Bedingungen gelten:
- ist homogen:
- ist additiv: .
Antilinearer Operator
Seien und komplexe Vektorräume. Ein Operator von in heißt antilinearer Operator, wenn für alle und die folgenden Bedingungen gelten:
- ist antihomogen:
- ist additiv: .
Beispiele
Lineare Operatoren
- Es sei eine reelle -Matrix. Dann ist die lineare Abbildung ein linearer Operator von in .
- Sei ein -Vektorraum. Dann ist jedes lineare Funktional ein linearer Operator.
- Für eine offene Menge ist der Ableitungsoperator der einer Funktion ihre Ableitung zuordnet, ein linearer Operator von (Menge aller einmal stetig differenzierbaren Funktionen von nach ) in (Menge der stetigen Funktionen auf ).
- Für offen und einer messbare Funktion als Integralkern ist der Integraloperator ein linearer Operator zwischen zwei Vektorräumen.
- Bemerkung Auch Distributionen können als Integralkerne verwendet werden.
- Kernsatz von Schwartz Für offen sei der Raum aller glatten Funktionen mit kompaktem Träger auf und sein Dualraum.
- Dann gibt es zu jedem linearen Operator eine eindeutige Distribution so dass für alle gilt. Diese Distribution nennt man Schwartz-Kern.
Antilinearer Operator
- Sei ein komplexer Hilbertraum und sein stetiger Dualraum, d.h der Raum aller linearer stetiger Abbildungen von nach Dann gibt es nach dem rieszschen Darstellungssatz zu jedem genau ein , so dass für alle gilt. Die Abbildung ist antilinear. Diese liegt darin begründet, dass ein komplexes Skalarprodukt in der zweiten Variablen antilinear ist.
Bedeutung und Anwendungen
Die Bedeutung linearer Operatoren besteht darin, dass sie die lineare Struktur des unterliegenden Raumes respektieren, d.h. sie sind Homomorphismen zwischen Vektorräumen.
Anwendungen linearer Operatoren sind:
- In der Vierpoltheorie (Elektrotechnik) werden die Beziehungen zwischen den Eingangsgrößen (Stromstärke und Spannung) und den Ausgangsgrößen (Stromstärke und Spannung) als wechselseitig voneinander linear abhängig betrachtet. Die Abhängigkeiten können durch 2x2 Matrizen beschrieben werden.
Beschränkte lineare Operatoren
Definitionen
Seien und zwei normierte Vektorräume und ein linearer Operator. Die Operatornorm von ist definiert durch:
Oder äquivalent
Es gilt:
Ein Operator heisst beschränkt, falls die Operatornorm endlich ist, d.h.
Andernfalls heisst der Operator unbeschränkt.
Die Menge aller beschränkten linearen Operatoren vom normierten Raum in den normierten Raum nennt man Durch die Definition der Addition und skalaren Multiplikation wird selbst zu einem Vektorraum.
Mit der Operatornorm ist dieser selbst ein normierter Vektorraum. (sogar ein Banachraum, falls vollständig ist[1]) Falls ist, wird auch abkürzend geschrieben.
Der Raum heisst stetiger Dualraum von . Seine Elemente sind die stetigen linearen Funktionale auf
Charakterisierung beschränkter linearer Operatoren
Die beschränkten linearen Operatoren lassen sich wie folgt charakterisieren:
Ist ein linearer Operator zwischen zwei normierten Vektorräumen, dann sind die folgenden Aussagen äquivalent:
- ist beschränkt, d.h. in enthalten.
- ist gleichmässig stetig.
- ist stetig.
- ist stetig in einem Punkt .
Beweis
1.) 2.): Aufgrund der Linearität und der Beschränktheit von gilt
- für ein Somit ist gleichmässig stetig.
Die Implikationen 2.) 3.) 4.) sind offensichtlich.
4.) 1.):
Sei ohne Einschränkung stetig in Angenommen ist nicht beschränkt. Dann existiert eine Folge mit und Für die Folge mit gilt für und Das ist aber ein Widerspruch zur Stetigkeit von in Somit ist beschränkt.
Beispiele beschränkter linearer Operatoren
- mit , wobei der identische Operator auf ist.
- Es sei eine kompakte Menge und der Banachraum der stetigen Funktionen auf mit der Supremumsnorm. Weiter sei und der lineare Operator ist definiert durch für . Dann ist und .
- Es sei ein Maßraum und der Lp-Raum der Äquivalenzklassen der in p-ter Potenz integrierbaren, messbaren Funktionen auf mit der Lp-Norm für Weiter sei und der lineare Operator definiert durch für Dann ist und
- Sei dann sei der Lp-Raum mit dem Zählmaß über für
- Der Shiftoperator ist beschränkt mit wobei auf dem Folgenraum mit definiert ist.
Anwendungen
- Funktionalkalkül, d.h. für eine beschränkte, reelle bzw. komplexwertige messbare Funktion f und einen beschränkten linearen Operator T kann f(T) definiert werden.
Klassen beschränkter linearer Operatoren auf Hilberträumen
Seien und Hilberträume.
Adjungierter Operator
Für ist der adjungierte Operator definiert durch für alle
Beispiel
- Auf dem Hilbertraum ist für der Fredholmsche Integraloperator
- stetig auf
- Sein adjungierter Operator lautet
Selbstadjungierter Operator
Ein linearer Operator heisst selbstadjungiert, falls gilt.
Beispiel
- Jede symmetrische Matrix von nach ist ein selbstadjungierter Operator.
- Der lineare Operator mit ist beschränkt mit und selbstadjungiert. hier ist die charakteristische Funktion auf einer Menge
Unitärer Operator
Ein Operator heisst unitär, falls gilt wobei
Beispiel
- Sei der Shiftoperator auf dem Folgenraum definiert durch Es gilt und aber . Somit ist auf nicht unitär.
- Betrachtet man den Shiftoperator auf dann ist unitär.
Projektionsoperator
Ein Operator heisst Projektion, falls gilt.
Eine Projektion ist genau dann eine Orthogonalprojektion, wenn sie selbstadjungiert ist.
Beispiel
- Für mit ist eine Orthogonalprojektion.
Kompakter Operator
Ein Operator heisst kompakt, falls er beschränkte Mengen auf relativ kompakte Mengen abbildet, d.h. für eine beschränkte Menge in ist der Abschluss von kompakt in
Beispiel
- Auf ist für eine stetige Funktion der Fredholmsche Integraloperator ein kompakter Operator.
Unbeschränkte lineare Operatoren
Die Theorie der unbeschränkten Operatoren wurde von John von Neumann 1929 und, weitgehend unbahängig von Neumann, von Marshall Harvey Stone begründet.[2]
Das Interesse an unbeschränkten Operatoren ist durch die Untersuchung von Differentialoperatoren und deren Eigenwertspektrum und Observablenalgebren begründet.
Definitionen
Seien und Banachräume. Ein unbeschränkter linearer Operator
ist eine lineare Abbildung von einem linearen Unterraum — die Domäne von — nach Dieser Unterraum muss im Allgemeinen weder abgeschlossen noch dicht definiert sein. Der Operator wird als partielle Abbildung aufgefasst.
Ein Operator heisst dicht definiert, falls dicht in ist. Das bedeutet, dass man zum Beispiel bei Betrachtung unbeschränkter Operatoren auf Hilberträumen auch einen Prähilbertraum als Definitionsbereich zulässt.
Ein Operator ist abgeschlossen, falls sein Graph von ein abgeschlossener Untervektorraum in der Produkttopologie ist, d.h. für jede Folge in mit und gilt und
Ein Operator heisst abschliessbar, falls der Abschluss von der Graph eines Operators ist. In diesem Fall ist eindeutig und wird als Abschluss von bezeichnet.
Ein Operator ist eine Fortsetzung (oder Erweiterung) eines Operator , falls d.h. und für Man schreibt
Zwei Operatoren heissen gleich, falls und oder äquivalent: und für
Summe und Produkt zweier Operatoren sind durch und definiert.
Beispiel
- auf dem Hilbertraum (die Menge aller Äquivalenzklassen der quadratisch integrierbaren, messbaren Funktionen auf ) mit der Norm definiert auf , der Menge aller stetig differenzierbaren Funktionen auf . Dann ist ein unbeschränkter Operator, da für die Funktionen auf mit gilt aber
- Der Operator ist dicht definiert und nicht abgeschlossen.
Abgeschlossener Operator
Abgeschlossene lineare Operatoren sind eine spezielle Klasse linearer Operatoren auf Banachräumen. Sie sind nicht notwendigerweise stetig, aber sie besitzen immer noch genügend Eigenschaften, sodass das Spektrum als auch (mit gewissen Voraussetzungen) der Funktionalkalkül definiert werden kann. Viele wichtige lineare Operatoren (z.B. Differentialoperatoren ) sind abgeschlossen, aber nicht beschränkt.
Definition
Ein linearer Operatorer heisst abgeschlossen, falls er die folgenden äquivalenten Eigenschaften erfüllt:
- Der Graph ist in abgeschlossen.
- ist ein Banachraum bezüglich der Graphennorm für .
- Für jede Folge in mit und gilt und
Beispiele
- Jeder stetige Operator ist abgeschlossen. Sind und Banachräume, so gilt nach dem Satz vom abgeschlossenen Graphen (s.u.) auch die Umkehrung. Doch i.Allg. gilt die Umkehrung nicht wie das folgende Beispiel zeigt:
- auf dem Banachraum der stetigen Funktionen auf dem Intervall mit der Supremumsnorm. Wählt man als Definitionsbereich die einmal stetig differenzierbaren Funktionen dann ist ein abgeschlossener Operator, der nicht beschränkt ist. Denn für die Folge ist für alle aber für gilt für
Abschliessbarer Operator
Definitionen
Ein linearer Operator heisst abschliessbar, falls er folgende äquivalente Bedingungen erfüllt:
- besitzt eine abgeschlossene Fortsetzung.
- Der Abschluss des Graphen von ist der Graph eines Operators.
- Für jede Folge in mit und gilt
Der Kern (oder Gen) eines abschliessbaren Operators ist ein Unterraum von , sodass gilt.
Bemerkung Nicht alle Operatoren sind abschliessbar wie das folgende Beispiel zeigt:
Beispiel
- Auf sei der Operator definiert durch und Für die Folge in mit gilt
- für
- aber Deshalb ist nicht abschliessbar.
Anwendungen
- Die Darstellung von Observablen der Quantenmechanik erfordert unbeschränkte lineare Operatoren, da die den Observablen zugeordneten Operatoren i. Allg. unbeschränkt sind.
Klassen unbeschränkter linearer Operatoren auf Hilberträumen
Seien und Hilberträume.
Adjungierter Operator
- Die Operatoren und heissen zueinander formal adjungiert, falls
- für alle und gilt. Unter diesen Voraussetzungen ist im Allgemeinen nicht eindeutig durch gegeben. Ist dicht definiert, so existiert ein zu eindeutig bestimmter maximaler, formal adjungierter Operator . Diesen nennt man den adjungierten Operator von .
Symmetrischer Operator
Ein linearer Operator heisst symmetrisch, falls für alle
Beispiel
- mit ist absolut stetig und abgeschlossen und symmertrisch, aber nicht selbstadjungiert.[3]
Wesentlich selbstadjungierter Operator
Ein linearer Operator heisst wesentlich selbstadjungiert, falls dicht definiert ist und gilt.
Beispiel
- (wobei bzw. den Gradient bzw. die Divergenz bezeichnen)
- auf mit der Raum aller glatten Funktionen mit kompaktem Träger auf wesentlich selbstadjungiert.[4]
Selbstadjungierter Operator
Ein linearer Operator ist selbstadjungiert, falls dicht definiert ist und gilt.
Bemerkung Für beschränkte Operatoren sind die Begriffe selbstadjungiert, symmetrisch und wesentlich selbstadjungiert äquivalent.
Beispiel
- Sei ein Maßraum und eine messbare Funktion. Dann ist der Multiplikationsoperator
- auf mit dicht definiert und selbstadjungiert.
Normaler Operator
Ein linearer Operator heisst normal, falls
Beispiel
- Selbstadjungierte und unitäre Operatoren sind normal.
Resolvente und Spektrum
Sei ein linearer i.Allg. unbeschränkter dicht definierter Operator auf einem Banachraum und
Dann ist in der Resolventenmenge von falls der Operator bijektiv und beschränkt ist. Aus dem Satz des abgeschlossen Graphen folgt, dass die Resolvente für alle beschränkt ist, wenn abgeschlossen ist.
Für ist die Resolvente von definiert durch
Die Menge heisst Spektrum von
Das Spektrum eines linearen i.Allg. unbeschränkten Operator kann folgendermaßen unterteilt werden:
- Das Punktspektrum ist nicht injektiv ist die Menge der Eigenwerte.
- Das kontinuierliche Spektrum ist injektiv und hat dichtes Bild, aber ist nicht surjektiv
- Das Residualpektrum ist die Menge ist injektiv, aber das Bild ist nicht dicht
Bemerkung Das Spektrum eines linearen Operator kann jede abgeschlossen Menge sein, sogar und Eine wichtige Rolle spielt dabei die Domäne des Operators wie folgendes Beispiel zeigt:
Beispiel
Betrachte den Banachraum und die Operatoren mit und
Für gilt Dann ist
Für die lineare Differentialgleichung existiert eine eindeutige Lösung Diese definiert eine Inverse für Somit gilt
Hauptsätze über lineare Operatoren
Satz von Hahn-Banach
Sei ein Vektorraum über , ein linearer Unterraum. Sei eine sublineare Abbildung und
ein lineares Funktional mit für alle (wobei mit der Realteil einer komplexen Zahl gemeint ist).
Dann existiert ein lineares Funktional mit
- und
- für alle
Satz von Banach-Steinhaus (Prinzip der gleichmässigen Beschränktheit)
Sei ein Banachraum, ein normierter Raum und eine Familie beschränkter linearer Operatoren von nach
Dann folgt aus der punktweisen Beschränktheit
- für alle
die gleichmäßige Beschränktheit
Satz von der offenen Abbildung
Seien Banachräume und surjektiv. Dann ist offen.
Insbesondere gilt: Satz vom stetigen Inversen Ist bijektiv und stetig, dann ist die Inverse stetig.
Satz vom abgeschlossenen Graphen
Seien Banachräume und linear und abgeschlossen. Dann ist stetig.
Satz vom abgeschlossenen Bild
Seien Banachräume, und mit sein dualer Operator. Dann sind folgende Aussagen äquivalent: (wobei bzw. das Bild bzw. den Kern von bezeichnen)
- ist abgeschlossen in
- ist abgeschlossen in
- für alle
- für alle
Konvergenzbegriffe / Topologien auf Operatorräumen
Ist der zugrundeliegende Vektorraum endlichdimensional mit Dimension , so ist ein Vektorraum der Dimension . In diesem Fall sind alle Normen äquivalent. d.h. sie liefern den gleichen Konvergenzbegriff und die gleiche Topologie.
Im Unendlichdimensionalen gibt es dagegen verschiedene nicht-äquivalente Topologien. Seien nun und Banachräume und eine Folge (oder auch ein Netz) in .
Normtopologie
konvergiert in der Normtopologie gegen genau dann wenn:
Die Normtopologie ist die Topologie, die durch die offenen Kugeln erzeugt wird.
Starke Operatortopologie
konvergiert in der starken Operatortopologie (kurz stop) gegen genau dann wenn es punktweise konvergiert:
oder anders ausgedrückt:
Die zugehörige Topologie ist die Initialtopologie, die durch die Menge von linearen Abbildungen
erzeugt wird. Dies ist die kleinste Topologie, in der all diese Abbildungen stetig sind. mit der starken Operatortopologie ist also ein lokalkonvexer Raum.
Alternativ ausgedrückt: Die starke Operatortopologie ist die Produkttopologie aller Funktionen von nach eingeschränkt auf die (evtl. beschränkten) linearen Operatoren.
Schwache Operatortopologie
konvergiert in der schwachen Operatortopologie gegen genau dann wenn:
oder anders ausgedrückt:
(Hierbei bezeichnet den stetigen Dualraum von )
Die zugehörige Topologie ist die Initialtopologie, die durch die Menge von linearen Funktionalen
erzeugt wird. Dies ist die kleinste Topologie, in der all diese Funktionale stetig sind. mit der schwachen Operatortopologie ist also ebenfalls ein lokalkonvexer Raum.
Literatur
- Hans Wilhelm Alt: Lineare Funktionalanalysis : eine anwendungsorientierte Einführung. 5. Auflage. Springer-Verlag, 2006, ISBN 3-540-34186-2
- Joachim Weidmann: Lineare Operatoren in Hilberträumen Teil I Grundlagen. 1.Auflage. B.G. Teubner Verlag, 2000, ISBN 3-519-02236-2
- Anton Deitmar: Funktionalanalysis Skript WS 2011/12 <http://www.mathematik.uni-tuebingen.de/~deitmar/LEHRE/frueher/2011-12/FA/FA.pdf>
- Paul R. Chernoff: Journal of Functional Analysis 12 Academic Press, 1973, Seite 401-414
Einzelnachweise
- ↑ Dirk Werner: Funktionalanalysis. 5., erweiterte Auflage. Berlin: Springer 2005. ISBN 3-540-21381-3. Satz II.1.4 (b)
- ↑ Dirk Werner: Funktionalanalysis. Berlin: Springer 2007. ISBN 978-3-540-72533-6. Kapitel VII.6
- ↑ Michael Reed, Barry Simon: Functional Analysis. Academic Press 1973. 2.Auflage. Seite 257 Example
- ↑ Michael E. Taylor: http://math.unc.edu/Faculty/met/chap8.pdf Proposition 2.4
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