Borishanskiit

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Borishanskiit
Allgemeines und Klassifikation
Andere Namen

IMA 1974-010[1]

Chemische Formel
  • Pd1+x(As,Pb)2 (x = 0,0–0,2)[1]
  • Pd(As,Pb)2[2]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Sulfide und Sulfosalze
System-Nr. nach Strunz
und nach Dana
2.AC.45c
02.12.16.01
Kristallographische Daten
Kristallsystem orthorhombisch
Kristallklasse; Symbol orthorhombisch-pyramidal; mm2
Raumgruppe Ccm21 (Nr. 36, Stellung 2)Vorlage:Raumgruppe/36.2[2]
Gitterparameter a = 7,18 Å; b = 8,62 Å; c = 10,66 Å[2]
Formeleinheiten Z = 16[2]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 4 bis 4,5[3] (VHN20 = 241[4])
Dichte (g/cm3) berechnet: 10,2[4]
Spaltbarkeit nicht definiert
Bruch; Tenazität spröde[4]
Farbe stahlgrau bis dunkelgrau, auf polierten Flächen hellgrau
Strichfarbe nicht definiert
Transparenz undurchsichtig (opak)
Glanz Metallglanz

Borishanskiit ist ein sehr selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Sulfide und Sulfosalze“ mit der vereinfachten chemischen Zusammensetzung Pd(As,Pb)2[2] und damit chemisch gesehen ein Palladium-Arsenid, bei dem ein Teil des Arsens durch Blei ersetzt ist. Als enge Verwandte der Sulfide werden die Arsenide in dieselbe Klasse eingeordnet.

Borishanskiit kristallisiert im orthorhombischen Kristallsystem, konnte bisher aber nur als Einschlüsse in anderen Sulfiden in Form unregelmäßiger Körner bis etwa 150 μm Größe entdeckt werden. Das Mineral ist vollkommen undurchsichtig (opak) und zeigt auf den Oberflächen der stahlgrauen bis dunkelgrauen, poliert auch hellgrauen, Flächen einen metallischen Glanz.

Etymologie und Geschichte

Erstmals entdeckt wurde Borishanskiit in der Grube Oktyabrsky (russisch Октябрьского; auch Oktyabr'skoye, Oktyabr'sky oder Oktyabr'skoe), einer Kupfer-Nickel-Sulfid-Lagerstätte bei Talnach (englisch Talnakh) etwa 60 km westlich vom Lamasee im Putorana-Gebirge auf der zum russischen Föderationsgebiet Sibirien gehörenden Taimyrhalbinsel. Die Erstbeschreibung erfolgte 1975 durch L. V. Razin, L. S. Dubakina, V. I. Meshchankina und V. D. Begizov (russisch Л. В. Разин, Л. С. Дубакина, В. И. Мещанкина, В. Д. Бегизов), die das Mineral nach der russischen Mineralogin Serafima Samoilowna Borischanskaja (russisch Серафимы Самойловны Боришанской, 1907–1988) benannten. Borischanskaja war eine der ersten Forscherinnen von Platinmineralien in der Region Norilsk.[5]

Das Typmaterial des Minerals wird im Mineralogischen Museum der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau aufbewahrt.[4]

Klassifikation

Da der Borishanskiit erst 1974 als eigenständiges Mineral anerkannt und dies erst 1975 bzw. 1976 publiziert wurde, ist er in der seit 1977 veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz noch nicht verzeichnet. Einzig im Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch nach dieser alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. II/D.21-05. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies der Klasse der „Sulfide und Sulfosalze“ und dort der Abteilung „Sulfide mit [dem Stoffmengenverhältnis] Metall : S,Se,Te < 1 : 1“, wo Borishanskiit zusammen mit Froodit und Urvantsevit eine eigenständige, aber unbenannte Gruppe bildet (Stand 2018).[3]

Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) bis 2009 aktualisierte[6] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Borishanskiit ebenfalls in die Klasse der „Sulfide und Sulfosalze“, dort allerdings in die Abteilung der „Legierungen und legierungsartigen Verbindungen“ ein. Diese ist zudem weiter unterteilt nach den in der Verbindung vorherrschenden Metalle, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Legierungen von Halbmetallen mit Platin-Gruppen-Elementen (PGE)“ zu finden ist, wo es als einziges Mitglied die unbenannte Gruppe 2.AC.45c bildet.

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Borishanskiit in die Klasse der „Sulfide und Sulfosalze“ und dort in die Abteilung der „Sulfidminerale“ ein. Hier ist er als einziges Mitglied in der unbenannten Gruppe 02.12.16 innerhalb der Unterabteilung „Sulfide – einschließlich Seleniden und Telluriden – mit der Zusammensetzung AmBnXp, mit (m+n) : p = 1 : 2“ zu finden.

Chemismus

Entsprechend der idealisierten und vereinfachten chemischen Zusammensetzung Pd(As,Pb)2 von Borishanskiit besteht das Mineral aus Palladium sowie aus Arsen und Blei, wobei die beiden in den runden Klammern angegebenen Elemente sich in der Formel jeweils gegenseitig vertreten (Substitution, Diadochie) können, zusammen jedoch immer im selben Stoffmengenverhältnis zum Palladium von 1 : 2 stehen.

Zwei Mikrosondenanalysen am Typmaterial ergaben einen Massenanteil von 29,8 Gew.-% Pd, 21,4 Gew.-% As und 50,4 Gew.-% Pb beziehungsweise 31,4 Gew.-% Pd, 19,8 Gew.-% As und 50,2 Gew.-% Pd sowie zusätzlich einen geringen Silberanteil von 1,1 Gew.-%. Daraus errechneten sich die beiden empirischen Formeln Pd1,08(As1,08Pb0,92) und (Pd1,16Ag0,04)(As1,04Pd0,96).

Diese wurden zur allgemeinen Formel Pd1+x(As,Pb)2 mit x < 0,2 idealisiert,[5][7] die in der Form Pd1+x(As,Pb)2 (x = 0,0–0,2) auch von der IMA anerkannt wurde.[1]

Kristallstruktur

Borishanskiit kristallisiert im orthorhombischen Kristallsystem in der Raumgruppe Ccm21 mit den Gitterparametern a = 7,18 Å, b = 8,62 Å und c = 10,66 Å sowie 16 Formeleinheiten pro Elementarzelle.

Bildung und Fundorte

Borishanskiit bildet sich in sulfidischen Kupfer-Nickel-Erzen.

An seiner Typlokalität und dem bisher einzigen bekannten Fundort (Stand 2020), der Grube Oktyabrsky bei Talnach in Sibirien, trat das Mineral in Paragenese mit Atokit, Chalkopyrit, Cubanit, palladiumhaltigem Cuproaurid, Magnetit, Nickelin, Pentlandit, Pyrrhotin und Zvyagintsevit auf.[8]

Siehe auch

Literatur

  • Л. В. Разин, Л. С. Дубакина, В. И. Мещанкина, В. Д. Бегизов: Боришанскиит – Новый Плюмбоарсенид Палладия из Медно-Никелевых Сульфидных руд Талнахского дифференцированного Интрузива. In: Zapiski Vsesoyuznogo Mineralogicheskogo Obshchestva. Band 104, Nr. 1, 1975, S. 57–61 (russisch, rruff.info [PDF; 410 kB; abgerufen am 22. Oktober 2020] englische Übersetzung: L. V. Razin, L. S. Dubakina, V. I. Meshchankina, V. D. Begizov: Borishanskiite – a new plumboarsenide of palladium for the copper-nickel sulfides ores of the Talnakh differentiated intrusive).
  • Michael Fleischer, Louis J. Cabri: New mineral names. In: American Mineralogist. Band 61, 1976, S. 502–504 (englisch, rruff.info [PDF; 411 kB; abgerufen am 22. Oktober 2020]).

Weblinks

  • Borishanskiit. In: Mineralienatlas Lexikon. Stefan Schorn u. a., abgerufen am 22. Oktober 2020.
  • Borishanskiite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 22. Oktober 2020 (englisch).
  • David Barthelmy: Mineral Data. In: webmineral.com. Abgerufen am 22. Oktober 2020 (englisch).

Einzelnachweise

  1. a b c Malcolm Back, William D. Birch, Michel Blondieau und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: September 2020. (PDF; 3,4 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Marco Pasero, September 2020, abgerufen am 21. Oktober 2020 (englisch).
  2. a b c d Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 61 (englisch).
  3. a b Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  4. a b c d Borishanskiite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 62 kB; abgerufen am 22. Oktober 2020]).
  5. a b Л. В. Разин, Л. С. Дубакина, В. И. Мещанкина, В. Д. Бегизов: Боришанскиит – Новый Плюмбоарсенид Палладия из Медно-Никелевых Сульфидных руд Талнахского дифференцированного Интрузива. In: Zapiski Vsesoyuznogo Mineralogicheskogo Obshchestva. Band 104, Nr. 1, 1975, S. 57–61 (russisch, rruff.info [PDF; 410 kB; abgerufen am 22. Oktober 2020] englische Übersetzung: L. V. Razin, L. S. Dubakina, V. I. Meshchankina, V. D. Begizov: Borishanskiite – a new plumboarsenide of palladium for the copper-nickel sulfides ores of the Talnakh differentiated intrusive).
  6. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,82 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Januar 2009, abgerufen am 21. Oktober 2020 (englisch).
  7. Michael Fleischer, Louis J. Cabri: New mineral names. In: American Mineralogist. Band 61, 1976, S. 502–504 (englisch, rruff.info [PDF; 411 kB; abgerufen am 22. Oktober 2020]).
  8. Fundortliste für Borishanskiit beim Mineralienatlas und bei Mindat, abgerufen am 22. Oktober 2020.