Fiedlerit

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Fiedlerit
Fiedlerite-112692.jpg
Farblose Fiedleritkristalle aus der Hafen-Schlacken-Lokalität, Lavrio, Attika, Griechenland (Bildbreite 3 mm)
Allgemeines und Klassifikation
Chemische Formel Pb3(OH)FCl4·H2O[1]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Halogenide
System-Nr. nach Strunz
und nach Dana
3.DC.10 (8. Auflage: III/D.08)
10.03.02.01
Kristallographische Daten
Kristallsystem triklin oder monoklin
Kristallklasse; Symbol triklin-pinakoidal; 1 oder
monoklin-prismatisch; 2/m
Raumgruppe siehe Kristallstruktur
Gitterparameter siehe Kristallstruktur
Formeleinheiten siehe Kristallstruktur
Häufige Kristallflächen {100}, gestreckt nach [010][2]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte ≈ 3,5
Dichte (g/cm3) gemessen: 5,88; berechnet: 5,15 (2M) oder 5,69 (1A)[2]
Spaltbarkeit gut nach {100}[2]
Farbe farblos bis weiß
Strichfarbe weiß
Transparenz durchsichtig bis durchscheinend
Glanz Diamantglanz
Kristalloptik
Brechungsindizes nα = 1,980
nβ = 2,040
nγ = 2,100[3]
Doppelbrechung δ = 0,120[3]
Optischer Charakter zweiachsig negativ

Fiedlerit ist ein selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Halogenide“ mit der chemischen Zusammensetzung Pb3(OH)FCl4·H2O,[1] ist also ein wasserhaltiges Blei-Oxihalogenid. Kristallographisch gesehen ist Fiedlerit ein Polytyp, das heißt seine Kristallstruktur besteht aus einem Schichtgitter mit abwechselnd in trikliner bzw. monokliner Symmetrie kristallisierenden Struktureinheiten. Zur Unterscheidung werden diese zwar gelegentlich als Fiedlerit-1A bzw. Fiedlerit-2M bezeichnet, gelten jedoch nicht als eigenständige Modifikationen und Minerale.[4]

Fiedlerit entwickelt tafelige, leistenförmige Kristalle und Kombinationen bis etwa zwei Millimeter Größe mit diamantähnlichem Glanz auf den Oberflächen. In reiner Form sind die Kristalle farblos und durchsichtig. Durch vielfache Lichtbrechung aufgrund von Gitterbaufehlern oder polykristalliner Ausbildung können diese aber auch weiß erscheinen, wobei die Transparenz entsprechend abnimmt.

Etymologie und Geschichte

Erstmals entdeckt wurde Fiedlerit in den alten Schlackehalden bei Lavrio in der griechischen Region Attika und beschrieben 1887 durch Gerhard vom Rath, der das Mineral nach dem sächsischen Kommissar für Bergbau Karl Gustav Fiedler (1791–1853) benannte.

Klassifikation

Bereits in der veralteten, aber teilweise noch gebräuchlichen 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Fiedlerit zur Mineralklasse der „Halogenide“ und dort zur Abteilung der „Oxihalogenide“, wo er zusammen mit Laurionit die „Fiedlerit-Laurionit-Gruppe“ mit der System-Nr. III/D.08 und den weiteren Mitgliedern Challacolloit, Cotunnit, Hephaistosit, Paralaurionit und Pseudocotunnit bildete.

Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) verwendete 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Fiedlerit zwar ebenfalls in die Klasse der „Halogenide“, dort jedoch in die neu definierte Abteilung der „Oxihalogenide, Hydroxyhalogenide und verwandte Doppel-Halogenide“ ein. Diese ist zudem weiter unterteilt nach den in der Verbindung vorkommenden Metallen, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Mit Pb (As, Sb, Bi) ohne Cu“ zu finden ist, wo es als einziges Mitglied die unbenannte Gruppe 3.DC.10 bildet.

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Fiedlerit in die Klasse der „Halogenide“ und dort in die Abteilung der „Oxihalogenide und Hydroxyhalogenide“ ein. Hier ist er als einziges Mitglied in der unbenannten Gruppe 10.03.02 innerhalb der Unterabteilung „Oxihalogenide und Hydroxyhalogenide mit der Formel A3(O,OH)2Xq“ zu finden.

Kristallstruktur

Fiedlerit-1A kristallisiert triklin in der Raumgruppe P1 (Raumgruppen-Nr. 2)Vorlage:Raumgruppe/2 mit den Gitterparametern a = 8,57 Å; b = 8,04 Å; c = 7,28 Å; α = 90,0°; β = 102,0° und γ = 103,4° sowie zwei Formeleinheiten pro Elementarzelle.[1]

Fiedlerit-2M kristallisiert monoklin in der Raumgruppe P21/a (Nr. 14, Stellung 3)Vorlage:Raumgruppe/14.3 mit den Gitterparametern a = 16,68 Å; b = 8,04 Å; c = 7,28 Å und β = 102,6° sowie vier Formeleinheiten pro Elementarzelle.[1]

Bildung und Fundorte

Datei:Fiedlerite-112695.jpg
Fiedlerit mit deutlichen Spaltrissen aus der Vrissaki-Schlackenlokalität, Lavrio, Attika, Griechenland (Bildbreite 3 mm)

Fiedlerit bildet sich sekundär als Reaktionsprodukt aus bleihaltigen Schlacken mit halogenhaltigem Meerwasser. Als Begleitminerale können je nach Fundort Cotunnit, Laurionit, Penfieldit und Phosgenit auftreten.

Als seltene Mineralbildung konnte Fiedlerit nur an wenigen Fundorten nachgewiesen werden, wobei bisher (Stand 2014) etwas mehr als 10 Fundorte bekannt sind.[5] An seiner Typlokalität Lavrio in Griechenland fand man das Mineral auf mehreren alten Schlackehalden wie unter anderem im Hafen von Laurion, bei St. Nikolas, Mikrolimanou, Oxygon, Panormos, Passa Limani, Sounion, Thorikos, Tourkolimanon und Vrissaki.

Der bisher einzige bekannte Fundort in Deutschland ist die Zeche Christian Levin in Essen (NRW) und in Österreich kennt man Fiedlerit bisher nur aus einer Schlackenhalde bei Waitschach in Kärnten.

Weitere bisher bekannte Fundorte sind Baratti in der italienischen Gemeinde Piombino, Argent in der südafrikanischen Provinz Gauteng und die Schlackenlokalität „The Gannel Smelter“ bei Crantock nahe St Agnes in der englischen Grafschaft Cornwall.[6]

Siehe auch

Literatur

  • Gerhard vom Rath: Einige mineralogische und geologische Mittheilungen. In: Niederrheinische Gesellschaft für Natur und Heilkunde in Bonn. Band 102 (1887), S. 149–154.
  • Hans Jürgen Rösler: Lehrbuch der Mineralogie. 4. durchgesehene und erweiterte Auflage. Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie (VEB), Leipzig 1987, ISBN 3-342-00288-3, S. 370.
  • Friedrich Klockmann: Klockmanns Lehrbuch der Mineralogie. Hrsg.: Paul Ramdohr, Hugo Strunz. 16. Auflage. Enke, Stuttgart 1978, ISBN 3-432-82986-8, S. 495 (Erstausgabe: 1891).

Weblinks

Commons: Fiedlerite – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c d Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. 9. Auflage. E. Schweizerbart'sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 176.
  2. a b c Fiedlerite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America, 2001 (PDF 70,5 kB)
  3. a b Mindat - Fiedlerite
  4. IMA/CNMNC List of Mineral Names; Oktober 2103 (PDF 1,5 MB)
  5. Mindat - Anzahl der Fundorte für Fiedlerit
  6. Fundortliste für Fiedlerit beim Mineralienatlas und bei Mindat