Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik
(DGAP)
Logo
Rechtsform eingetragener Verein
Gründung 1955
Gründer Hermann Josef Abs, Robert Pferdmenges
Sitz Berlin (Koordinaten: 52° 30′ 31,2″ N, 13° 20′ 46,7″ O)
Zweck Denkfabrik für Außenpolitik
Vorsitz Präsident: Thomas Enders
Geschäftsführung Direktor Guntram Wolff
Umsatz 6.433.404 Euro (2020)
Beschäftigte 81 (2020)
Mitglieder 2698 (2020)
Website dgap.org

Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e. V. (DGAP) ist ein Netzwerk und eine Denkfabrik für Außenpolitik. Die 1955 in Zusammenarbeit mit dem Council on Foreign Relations und Chatham House gegründete Gesellschaft betreibt Forschungseinrichtungen für Fragen der internationalen Politik sowie der Außen- und Sicherheitspolitik. Die DGAP zählt heute über 2.800 Mitglieder, darunter führende Persönlichkeiten aus dem Bank- und Finanzwesen, der Wirtschaft, Politik, Medien und der Wissenschaft.[1] Sitz der DGAP ist das ehemalige Gebäude der Jugoslawischen Gesandtschaft im Botschaftsviertel in Berlin-Tiergarten.

Verein und Zweck

Sitz der DGAP in Berlin-Tiergarten

Der Verein versucht, aktiv die außenpolitische Meinungsbildung auf allen Ebenen zu beeinflussen. Seine Arbeit richtet sich an Entscheidungsträger in der deutschen Politik, Wirtschaft, Verwaltung, in Nichtregierungsorganisationen, im Militär sowie an eine breite Öffentlichkeit. Die international als German Council on Foreign Relations bekannte Institution versteht sich als praxisorientierter Think Tank, der auf wissenschaftlicher Basis nachfrageorientierte Politikberatung anbietet.

Die DGAP ist Mitglied im Netzwerk Europäische Bewegung.

Geschichte

Der Verein wurde 1955 in Bonn gegründet. Vorbild bei der Gründung war in vielen Belangen der Council on Foreign Relations in New York und das Chatham House in London.[2] In Bonn hatte die DGAP von 1956 bis 1959 ihren Sitz in der Villa Joachimstraße 7 und anschließend bis 1965/1966 in der Villa Schaumburg-Lippe-Straße 6. 1965 erwarb sie mit dem vormaligen Haus des Deutschen Handwerks in Bonn einschließlich der Villa Adenauerallee 131, die in späteren Jahren auch als Signet der DGAP diente, erstmals ein eigenes Gebäude. Es diente von April 1966 bis 1999 als Sitz der DGAP. 1. Präsident der neu gegründeten DGAP wurde der CDU-Politiker, Diplomat und Unternehmer Günther Henle.[3]

Gründungsvater Hermann Josef Abs

Anhand der Funktionen und Tätigkeiten der DGAP-Gründungsväter ist bereits 1955 eine Verzahnung von Entscheidungsträgern aus Finanzwesen, Industrie, Medien, Politik und Justiz nach dem Beispiel der Strukturen des Council on Foreign Relations und des Chatham House wahrnehmbar. Den Aufruf zur Gründung der DGAP verfassten gemeinsam die folgenden Personen:[4]

sowie die Bundespolitiker

Mit 1. August 2022 wurde Guntram Wolff Direktor der DGAP.[5]

Aktivitäten

Forschungsinstitut

Das Forschungsinstitut (auch als Think Tank bezeichnet) der DGAP betreibt eine handlungs- und praxisorientierte Forschung an der Schnittstelle von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien. Mehr als 40 außenpolitische Experten arbeiten in zehn Forschungsprogrammen zu den thematischen Schwerpunkten der DGAP.

Unter Beteiligung von hochrangigen Entscheidern aus Politik und Wirtschaft organisiert und moderiert die DGAP in zahlreichen Fachkonferenzen, Gesprächskreisen sowie Studien- und Projektgruppen die Diskussion in der außenpolitischen Community. Die Experten der DGAP veröffentlichen jährlich zahlreiche Studien und Analysen zu aktuellen außenpolitischen Themen und entwickeln konkrete Lösungsansätze zu den thematischen Schwerpunkten der DGAP: Europäische Union, Geoökonomie, Internationale Ordnung & Demokratie, Klimapolitik, Migration, Sicherheit, Technologie & Digitalisierung.[6]

Informationsaustausch

Im Rahmen exklusiver Vorträge, Podiumsdiskussionen und Kamingespräche tauschen sich die Mitglieder der DGAP mit hochrangigen Entscheidern aus dem In- und Ausland über Grundfragen und aktuelle Themen der Außenpolitik aus – am Hauptsitz in Berlin und bundesweit in den Regionalforen DGAPforum NRW, Hansestädte, München, Frankfurt, Sachsen und Baden-Württemberg.

Bis zum Jahr 2009 richtete die DGAP das EU-Russland Forums aus.

Nachwuchsförderung

Im Jahr 2008 wurde die „Junge DGAP“ gegründet, die für ihre ca. 1000 Mitglieder jährlich etwa 120 Veranstaltungen organisiert und ein Mentoring-Programm anbietet.[7]

Zusammen mit dem Institut français des relations internationales (Ifri) und der Robert-Bosch-Stiftung organisiert die DGAP den „Deutsch-Französischen Zukunftsdialog“.[8] Damit soll ein Netzwerk für Nachwuchskräfte geschaffen werden. Der Dialog fand zuletzt im Jahr 2019 statt.[9]

Bibliothek

Das Informationszentrum, eine Bibliothek und Dokumentationsstelle der DGAP, ist eine der ältesten und bedeutendsten öffentlich zugänglichen Spezialbibliotheken zur deutschen Außen- und Sicherheitspolitik. Ihr Bestand geht bis auf das Jahr 1945 zurück und umfasst mehr als 250 nationale und internationale Zeitschriften, über 85.000 Bücher sowie zahlreiche elektronische Publikationen. Durch die Kooperation mit dem Fachinformationsverbund „Internationale Beziehungen und Länderkunde“ (IBLK) bietet die Bibliothek darüber hinaus die größte Fachdatenbank ihrer Art in Europa.[10]

Publikationen

Die Zeitschrift Internationale Politik wurde 1945 von Wilhelm Cornides unter dem Namen „Europa-Archiv“ gegründet. Die hat sich die IP unter Experten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien als Deutschlands führende außenpolitische Zeitschrift etabliert. Die IP erscheint alle zwei Monate und ist sowohl im Abonnement als auch bundesweit im Bahnhofs- und Flughafenbuchhandel erhältlich. Eine englische Ausgabe erscheint vierteljährlich online unter dem Namen Internationale Politik Quarterly (IPQ).[11]

aussenpolitik.net war das Wissensportal der DGAP für internationale Beziehungen und globale Fragen. Angelehnt an die Schwerpunkte der DGAP präsentierte es ausgewählte Analysen aus dem Internetangebot von Fachzeitschriften und Think Tanks weltweit. Das Portal wurde im Herbst 2012 eingestellt.

Struktur

Die Gremien der DGAP sind zusammen mit den entsprechenden Mitgliedern (Stand Februar 2022) im Folgenden aufgelistet:[12][13]

Vorstand

Ex officio Mitglieder des Vorstandes:

  • Cathryn Clüver Ashbrook – Direktorin (von 2021 bis Februar 2022)[14][15]
  • Martin Bialecki – Chefredakteur der Zeitschrift IP – INTERNATIONALE POLITIK
  • Thorsten Klaßen – Verwaltungsdirektor[12]

Präsidium

Finanzausschuss

  • Stephan Goetz
  • Klaus Mangold
  • Herbert J. Scheidt[12]

Wissenschaftlicher Beirat

  • Thomas Risse (Vorsitz)
  • Armin Grunwald
  • Mikkel Vedby Rasmussen
  • Natasha Wunsch
  • Fiona Hill[12]

Ehrenmitglieder

Derzeitige Ehrenmitglieder:[12] Ehemalige Ehrenmitglieder:[16]

Finanzierung

Die DGAP finanziert sich über Projektmittel (34 %), Bundeszuschüsse (27 %), Mittel aus dem Förderkreis des DGAP e.V. (21 %), Mitgliedsbeiträgen (8 %), Umsatzerlösen (7 %) und sonstigen Erträgen (3 %).[17] Dies stelle nach eigenen Angaben die Unabhängigkeit der DGAP sicher.

Die konkreten Förderbeträge der DGAP stellen sich im Jahresbericht 2020/2021 folgendermaßen dar:[18]

Spenden von
100.000 € und mehr 25.000 € und mehr 10.000 € und mehr 5.000 €
mehr als 5.000 €:

bis 5.000 €:

Kritik

Im Oktober 2015 berichteten deutsche Medien, dass das zur DGAP gehörende „Berliner Forum Zukunft“ über mehrere Jahre Luxusexkursionen zu verschiedenen Standorten von Rüstungskonzernen für insgesamt 350 Mitarbeiter von Bundestagsabgeordneten organisiert hatte. Finanziert wurden diese Reisen größtenteils von den Rüstungsfirmen Krauss-Maffei Wegmann, MBDA und Airbus Helicopters.[19] Der Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen Thomas Gamke kritisierte dies als intransparente Einflussnahme von Rüstungsunternehmen auf die Politik.[19] Das „Berliner Forum Zukunft“ wird von Airbus und Eurojet Turbo gefördert. Zu den Mitgliedern des Förderkreises der DGAP gehören außerdem die im Rüstungsbereich agierenden Unternehmen Airbus Defence and Space, Rheinmetall und Rolls-Royce Group.[20]

Die Initiative Lobbycontrol führt in ihrem lobbykritischen Onlinelexikon Lobbypedia die DGAP auf und benennt den maßgeblichen Einfluss von Lobbyorganisationen und der Wirtschaft auf die Gremien der DGAP.[21]

Literatur

  • Daniel Eisermann: Außenpolitik und Strategiediskussion, Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik 1955–1972. Oldenbourg, München 1999, ISBN 3-486-56338-6.
  • Estelle Bunout: Vertrauensbildende Gespräche als Werkzeug der Sicherheit? Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik als Gesprächskanal zwischen der Sowjetunion und Westdeutschland (1955-1990) In: Sicherheitskulturen im Vergleich: Deutschland und Russland/UdSSR seit dem späten 19. Jahrhundert = Kul'tury bezopasnosti: sravnitel'noe izmerenie : Germanija i Rossija / SSSR v konce XIX - načale XXI vv. - Paderborn: Schöningh, (2014), S. 193–216

Weblinks

Einzelnachweise

  1. 50 Jahre DGAP, S. 26 ff. (PDF; 1,6 MB).
  2. Daniel Eisermann in „Außenpolitik und Strategiediskussion“, „Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik 1955–1972“, Oldenbourg Verlag, München 1999, Band 66, S. 62ff, ISBN 3-486-56338-6.
  3. Daniel Eisermann in „Außenpolitik und Strategiediskussion“, „Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik 1955–1972“, S. 79f.
  4. Aufzählung nach Daniel Eisermann in „Außenpolitik und Strategiediskussion“, „Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik 1955–1972“, S. 78.
  5. Guntram Wolff neuer DGAP-Direktor. In: ostexperte.de. 3. August 2022, abgerufen am 4. August 2022.
  6. Webauftritt der DGAP: Wir über uns, Think Tank
  7. Junge DGAP | DGAP. Abgerufen am 22. Februar 2022.
  8. Deutsch-Französischer Zukunftsdialog | DGAP. Abgerufen am 22. Februar 2022.
  9. Deutsch-Französischer Zukunftsdialog | IFRI - Institut français des relations internationales. Abgerufen am 22. Februar 2022.
  10. DGAP: Das Informationszentrum
  11. DGAP: Das Netzwerk für Außenpolitik
  12. a b c d e f Die Organe der Gesellschaft | DGAP. Abgerufen am 4. Januar 2021.
  13. Gremien und Struktur der DGAP, Jahresbericht 2020/21, S. 20, dgap.org
  14. DGAP Pressemitteilung: Clüver Ashbrook neue Direktorin der DGAP. 26. April 2021, abgerufen am 19. Juli 2021.
  15. DGAP Pressemitteilung: Cathryn Clüver Ashbrook verlässt die DGAP | DGAP. Abgerufen am 14. März 2022.
  16. Jubiläumsbroschüre 50 Jahre DGAP
  17. DGAP: Förderer.
  18. DGAP Jahresbericht 2020/2021 | DGAP. S. 32, abgerufen am 23. Februar 2022.
  19. a b Für Abgeordneten-Mitarbeiter: Rüstungsindustrie finanziert Luxusreisen, t-online.de, 17. Oktober 2015.
  20. DGAP Jahresbericht 2020/2021 | DGAP. S. 33, abgerufen am 22. Februar 2022.
  21. Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik – Lobbypedia. Abgerufen am 22. Februar 2022.