Wunder von Bern

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Als das Wunder von Bern wird der Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaft 1954 in der Schweiz durch die bundesdeutsche Fußballnationalmannschaft gegen die hoch favorisierte Nationalmannschaft Ungarns bezeichnet. Das Endspiel, das mit einem 3:2-Sieg für die Bundesrepublik Deutschland endete, fand am 4. Juli 1954 im Berner Wankdorfstadion vor 65.000 Zuschauern statt. Die Spieler um Kapitän Fritz Walter und Bundestrainer Sepp Herberger gingen als „Helden von Bern“ in die deutsche Sportgeschichte ein. Der Titelgewinn löste in Deutschland einen Freudentaumel aus. Neun Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs hob er das Selbstwertgefühl und stärkte die Identifikation vieler Westdeutscher mit ihrem noch jungen Staat. Er wird deshalb gelegentlich als „die eigentliche Geburtsstunde der Bundesrepublik Deutschland“ bezeichnet.[1]

Deutschland Ungarn
Die Stadionuhr des „Wunders von Bern“ wurde restauriert und als Denkmal im neuen Wankdorfstadion aufgestellt.

Die Vorbereitung

Lehrgänge in den Sportschulen Grünwald und Schöneck

Von den 40 ursprünglich genannten Spielern wurden 29 vom DFB zu einem Lehrgang eingeladen, der vom 24. Mai bis zum 3. Juni in der Sportschule Grünwald bei München stattfand. Sepp Herberger wollte dort die Ausdauer fördern und Taktik lehren. Zur Abwechslung gab es Trainingsspiele gegen Bayern München. Eine Woche später, am 10. Juni, traf sich das Team in der Sportschule Schöneck zur Mission Fussball-Weltmeisterschaft.[2]

Sportschule Schöneck logo

Der Geist von Spiez

Am 11. Juni 1954 fuhren Mannschaft und Betreuer mit dem Rheinblitz von Karlsruhe nach Basel, wo in einen Schnellbus zum Wankdorf-Stadion ― dem Schauplatz des 1. Gruppenspiels gegen die Türkei ― umgestiegen wurde. Nach der Stadionbesichtigung ging es nach Spiez am Thunersee, wo der in der Schweiz als Trainer tätige Albert Sing das Hotel Belvedere als Quartier ausgewählt hatte.[3] Dort entwickelte sich der sogenannte „Geist von Spiez“,[4] der großen Anteil am WM-Erfolg haben sollte. Der Plan Herbergers sah vor, dass die Mannschaft von der Außenwelt abgeschirmt zueinanderfinden sollte. Presse und Ehefrauen beziehungsweise Freundinnen im Mannschaftsquartier waren nicht gestattet. Allerdings wurden die Autogrammjäger zur Plage, so dass Herberger am Tag vor dem Endspiel ein striktes Autogrammverbot erließ.[5] Das Leitbild des Trainers war, dass die Mannschaft nur als Gemeinschaft weit kommen könne. Das Training beim gastfreundlichen FC Thun,[6] gemeinsame Ausflüge in der Umgebung und Skatrunden förderten das soziale Gefüge. Auch führte Herberger mit jedem Spieler Einzelgespräche, um sie psychologisch auf die kommenden Aufgaben einzustellen. Dass Herberger eine Gemeinschaft im Sinne „alle für einen – einer für alle“, also Mannschaft im urtümlichsten Sinne formte, darf als mitausschlaggebend für das Erringen des Endspielsieges gelten.[7]

Der Weg ins Finale

Bundesrepublik Deutschland

Die deutsche Mannschaft bekam es in der Vorrunde mit der Türkei und Ungarn zu tun. Im ersten Spiel gegen die türkische Mannschaft gewann die Herberger-Elf sicher mit 4:1. Für das zweite Spiel gegen Ungarn, die damals weltbeste Mannschaft, traf Sepp Herberger eine taktische Entscheidung. Er ließ nur seine zweitbeste Mannschaft spielen, um seine beste Elf für ein Entscheidungsspiel gegen die Türkei zu schonen (Die Tordifferenz oder das Spiel gegeneinander waren damals noch ohne Bedeutung). Die Begegnung gegen Ungarn endete dementsprechend hoch mit 8:3 für Ungarn. Es gab nun scharfe Kritik aus der heimischen Öffentlichkeit, die sich vor allem auf Trainer Herberger konzentrierte und bis hin zu gefordertem Selbstmord reichte. Doch die Taktik des erfahrenen Trainers war erfolgreich, denn im Entscheidungsspiel gegen die Türken siegte die westdeutsche Auswahl mit 7:2. Im Viertelfinale hieß der Gegner Jugoslawien. Auch hier gelang der deutschen Mannschaft ein Sieg. Jetzt musste man in der Runde der letzten Vier gegen Österreich antreten. Die österreichischen Spieler waren noch geschwächt vom schweren Viertelfinalspiel gegen die Schweiz in Lausanne, wo sie bei 40 Grad im Schatten mit 7:5 gewonnen hatten, und erwiesen sich für die deutsche Mannschaft nicht wirklich als Prüfstein (Spielergebnis 6:1). Deutschland stand im Finale, zur Überraschung der allgemeinen Fachwelt, die der Mannschaft vor dem Turnier wenig zugetraut hatte.[8][9]

Ungarn

Die Ungarn hatten es in der Vorrunde leichter als die deutsche Mannschaft. Im ersten Spiel gegen WM-Außenseiter Südkorea gelang der Mannschaft von Trainer Sebes ein 9:0. Auch Deutschland konnte im zweiten Spiel den ungarischen Spielfluss nicht stoppen und ging beim 3:8 unter. Im Viertelfinale wartete dann die erste schwere Aufgabe. Gegen Brasilien gewannen sie mit 4:2. Das Viertelfinale gegen die Brasilianer ist heute allgemein als Schlacht von Bern bekannt, da es zunächst drei Platzverweise während des Spiels (zwei für Brasilien, einen für Ungarn) gab und die Spieler sich nach dem Spiel in den Umkleidekabinen weiter angingen. Das gleiche Ergebnis wie im Viertelfinale gelang den Magyaren im Semifinale gegen Uruguay, den amtierenden Weltmeister. Jedoch kam hier das 4:2 erst nach Verlängerung zustande. Damit stand Ungarn im Finale. Gegner dort war die deutsche Mannschaft, die in der Vorrunde bereits mit 8:3 besiegt worden war.[10]

Die Endspielgegner

Bundesrepublik Deutschland

Die fünf Kaiserslauterer WM-Helden von Bern in Bronze vor dem Fritz-Walter-Stadion in Kaiserslautern, von links: Liebrich, F. Walter, Kohlmeyer, Eckel, O. Walter

Der deutsche Fußball litt an den Folgen des Zweiten Weltkrieges. Der Deutsche Fußballbund hatte sich bereits am 1. Juli 1940 aufgelöst, und die Nationalmannschaft wurde von anderen Nationen boykottiert. Die Fußballweltmeisterschaft in Brasilien vom 24. Juni bis zum 16. Juli 1950 wurde ohne die deutsche Auswahl durchgeführt, da das Team noch nicht spielberechtigt war. In diesem Jahr leistete die Schweiz nachbarschaftliche Hilfe und kam am 22. November 1950 zu einem Länderspiel ins Neckarstadion in Stuttgart.[11] Vor 100.000 Zuschauern gewann die deutsche Elf mit 1:0 durch ein Elfmetertor von Herbert Burdenski. Deutschlands Fußballamateure nahmen unter Sepp Herberger an den Olympischen Sommerspielen 1952 teil, wo sie im Spiel um Bronze Schweden unterlagen. Das Länderspiel der deutschen Elf am 9. November 1952 gegen die Schweiz in Augsburg wird als Geburtsstunde der Weltmeistermannschaft von 1954 angesehen, da acht Spieler der späteren Helden von Bern dabei waren. Wenige Wochen vorher – am 5. Oktober 1952 – war die Mannschaft zu einem Länderwettstreit gegen Frankreich nach Paris gefahren. Nach einer 1:3-Niederlage[12] gab es viel Kritik von der deutschen Presse. Daraufhin erklärte Fritz Walter seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft. Walter wurde unterstellt, er wäre mit seinen 31 Jahren zu alt, zu langsam und hätte keine Lust mehr. Doch Herberger gelang es noch zum nächsten Spiel, jenem besagten Spiel in Augsburg, seinen gekränkten Kapitän zurückzuholen. Im Frühjahr 1954 durfte der DFB das FIFA-Jugend-Weltturnier mit 18 Jugend-Nationalmannschaften ausrichten. Im Endspiel in Köln trennten sich Deutschland und Spanien vor 60.000 Zuschauern mit einem 2:2-Unentschieden.[13] Das letzte Länderspiel vor der Weltmeisterschaft spielte die deutsche Auswahl am 25. April 1954 ebenfalls gegen die Schweiz.

Ungarn

Der Endspielgegner der Deutschen, Ungarn, galt damals als weltbeste Mannschaft. Vor dem Endspiel von Bern war die ungarische Mannschaft um Stars wie Ferenc Puskás, Sándor Kocsis und Nándor Hidegkuti in 32 aufeinanderfolgenden Spielen unbesiegt geblieben. Die Serie begann am 4. Juni 1950, als man in Warschau Polen mit 5:2 besiegte. Das nächste Spiel gewannen die Magischen Magyaren, wie sie damals genannt wurden, mit 12:0 gegen Albanien. Das erste große Turnier der großen ungarischen Mannschaft waren die Olympischen Sommerspiele in Helsinki 1952. Dort besiegte man Rumänien (2:1), den zweimaligen Weltmeister Italien (3:0), die Türkei (7:1), Schweden (6:0) und Jugoslawien (2:0) und wurde Olympiasieger im Fußball. Den nächsten Erfolg verbuchten die Ungarn 1953, als sie den seit 1948 ausgetragenen Europapokal der Fußball-Nationalmannschaften gewannen; einen Vorläufer der Fußball-Europameisterschaft, an dem neben Ungarn noch Italien, Österreich, die Schweiz und die Tschechoslowakei teilnahmen. Das entscheidende letzte Spiel wurde am 17. Mai 1953 in Rom vor 80.000 Zuschauern mit 3:0 gegen Italien gewonnen. Puskás war mit zehn Toren Torschützenkönig des Wettbewerbs.

Am 25. November 1953 folgte das vielleicht spektakulärste Spiel der „Goldenen Elf“, wie Ungarns damalige Mannschaft heute bezeichnet wird. Auf dem „heiligen Rasen“ von Wembley, London, spielte die Mannschaft um Kapitän Puskás vor 100.000 Menschen gegen England, das Mutterland des Fußballs. Die Engländer hatten bis zu diesem Tag noch kein Spiel vor heimischer Kulisse gegen eine Mannschaft vom europäischen Festland verloren. Doch was nun folgte, war eine Demonstration der ungarischen Fußballkunst. Die Magyaren bezwangen die Engländer mit 6:3.[14] Auf der Tribüne im Wembley-Stadion war ein Deutscher zu Gast, der begriffen hatte, wie man die Ungarn besiegen konnte. Sepp Herberger hatte in seinem berühmten Notizbuch vermerkt, dass die Ungarn eine grandiose Offensive hatten, aber auch drei Tore gegen völlig unterlegene Engländer zugelassen hatten. Das bedeutete, dass sie in der Defensive Schwächen haben mussten. Nach dem Sieg in Wembley brannten die Engländer auf Revanche. Sie wollten die Demütigung nicht auf sich sitzen lassen und reisten im Mai 1954 nach Budapest, um sich eine 1:7-Klatsche einzufangen. Dieses Spiel war das letzte Spiel vor der Fußball-Weltmeisterschaft in der Schweiz. Die Ungarn spielten meist mit einem 3-2-5-System, also mit fünf nominellen Stürmern und bereiteten dadurch jeder Abwehrreihe größte Probleme. Sie konnten aber auch auf 4-2-4, also mit vier Stürmern umstellen, was sie beim 6:3 in England zeigten.[15]

Spielverlauf

Ungarn Bundesrepublik Deutschland Aufstellung
Ungarn
Finale
4. Juli 1954, 17:00 Uhr in Bern (Stadion Wankdorf)
Ergebnis: 2:3 (2:2)
Zuschauer: 65.000[16]
Schiedsrichter: William Ling (England England)
[Report (Memento vom 14. März 2013 im Internet Archive) Spielbericht]
Bundesrepublik Deutschland
Aufstellung Ungarn gegen Bundesrepublik Deutschland
Gyula GrosicsJenő Buzánszky, Gyula Lóránt, Mihály LantosJózsef Bozsik, József ZakariásSándor Kocsis, Nándor Hidegkuti, Ferenc Puskás (C)ein weißes C in blauem Kreis, Zoltán Czibor, Mihály Tóth
Cheftrainer: Gusztáv Sebes
Toni TurekWerner Kohlmeyer, Horst Eckel, Josef PosipalKarl Mai, Werner LiebrichHelmut Rahn, Max Morlock, Ottmar Walter, Fritz Walter (C)ein weißes C in blauem Kreis, Hans Schäfer
Cheftrainer: Sepp Herberger
Tor 1:0 Puskás (6.)
Tor 2:0 Czibor (9.)


Tor 2:1 Morlock (10.)
Tor 2:2 Rahn (18.)
Tor 2:3 Rahn (84.)

Erste Hälfte

Nachdem sich die beiden Kapitäne Fritz Walter (Bundesrepublik Deutschland) und Ferenc Puskás (Ungarn) begrüßt und die Wimpel der beiden Fußballverbände ausgetauscht hatten, pfiff Schiedsrichter Ling pünktlich um 17 Uhr das Spiel an.[17] „Deutschland im Endspiel der Fußballweltmeisterschaft – das ist eine Riesen-Sensation – das ist ein echtes Fußballwunder“, so eröffnete NWDR-Radioreporter Herbert Zimmermann seine Radioreportage,[18] der Tausende Fußballfans in Deutschland interessiert folgten. Nach einem kurzen Abtasten konnten die Deutschen einen ungarischen Blitzstart wie im Vorrundenspiel vermeiden. Doch bereits in der 6. Minute fiel das erste Tor der Ungarn durch Ferenc Puskás, der von der Attacke Werner Liebrichs im Vorrundenspiel wieder genesen war, und dessen Abpraller mit einem platzierten Flachschuss ins lange Eck verwerten konnte. Nur zwei Minuten später erzielte Zoltán Czibor nach einem deutschen Abwehrfehler das 2:0. Zimmermann reagierte mit dem Satz „Was wir befürchtet haben, das ist eingetreten.“[19] Keine 60 Sekunden später zog Helmut Rahn auf Linksaußen unwiderstehlich nach vorne, flankte nach rechts, und Max Morlock konnte den von Gyula Lórant abprallenden Ball an Gyula Grosics vorbei zum Anschlusstreffer einschieben. „Gott sei Dank! Es steht nur noch 2:1. Und das sollte uns Mut geben“, meinte Zimmermann. Das Spiel wogte in der Folge hin und her. In der 18. Minute verwandelte dann Helmut Rahn eine Ecke von Fritz Walter mit einem Volleyschuss zum 2:2. Die Ungarn verschärften ihr Angriffstempo, und der 35-jährige Torhüter Toni Turek begann zum Turm in der Abwehrschlacht zu werden, als er in der 28. Minute einen Schuss von Hidegkuti aus kurzer Entfernung wegfaustete. In der 36. Minute fiel Kocsis im Strafraum zu Boden, nachdem er von Liebrich bedrängt worden war, aber Schiedsrichter Ling gab keinen Elfmeter. Sechs Minuten danach konnte Grosics einen Schuss von Hans Schäfer gerade noch aus dem ungarischen Tor lenken, Rahns Nachschuss wurde durch Buzánszky abgewehrt. Unmittelbar darauf blieb Horst Eckel liegen, doch nach kurzer Behandlung war er wieder auf den Beinen. Schließlich pfiff Schiedsrichter William Ling zur Pause.

Zweite Hälfte

Die Ungarn kamen mit großer Entschlossenheit aus der Kabine. Bereits in der 46. Minute konnte Turek einen abgefälschten Schuss von Czibor und kurz darauf einen von Puskás aufnehmen. Aber selbst wenn Turek geschlagen war, retteten Kohlmeyer (53. Minute) oder die Latte (57. Minute). Nach etwa einer Viertelstunde ungarischer Drangperiode kündigte sich mit unübersehbar geringerem Tempo der Magyaren eine Wende an. In der 67. Minute konnte Turek einen Schuss von Puskás mit dem Fuß parieren, bevor Kohlmeyer den Ball wegschoss. Ab etwa der 70. Minute wandelte sich das Spielgeschehen: die Ungarn mussten ihrem hohen Tempo und dem aufgeweichten Boden Tribut zollen während die deutsche Elf von Fritz Walter angetrieben wurde und so auch wieder zu Torchancen kam. In der 74. Minute hatte Rahn eine Torchance ― das Tor verhinderte Grosics mit einer tollen Parade. Im Gegenzug musste Turek gegen Czibor klären. Kurze Zeit später prallten Turek und Hidegkuti aneinander. Der deutsche Torhüter blieb liegen, musste von Mannschaftsarzt Franz Loogen behandelt werden und konnte wieder in sein Tor zurückkehren. Als die 84. Minute angebrochen war, verlor der ungarische Läufer József Bozsik den Ball an den deutschen Linksaußen Hans Schäfer. Dieser flankte den Ball in den ungarischen Strafraum. Die ungarische Abwehr klärte nur schwach, sodass der Ball zu Helmut Rahn kam. Der täuschte ein Zuspiel zu Ottmar Walter im Strafraum vor, trickste damit zwei Ungarn aus und schoss den Ball zum 3:2 in die linke untere Ecke. Zunächst folgte noch ein Schuss der Deutschen auf das ungarische Tor, den Grosics hielt. Die deutsche Mannschaft kam aber wieder in Schwierigkeiten. Ungarn drang in den deutschen Strafraum ein, Puskás kam zum Schuss und der Ball lag im Tornetz (86. Minute), aber Linienrichter Mervyn Griffiths (Wales) hatte Abseits gegeben. So erfuhren die Hörer in Deutschland von den Geschehnissen:

„Drei zu zwei führt Deutschland fünf Minuten vor dem Spielende. Halten Sie mich für verrückt, halten Sie mich für übergeschnappt. Ich glaube, auch Fußball-Laien sollten ein Herz haben und sollten sich an der Begeisterung unserer Mannschaft und an unserer eigenen Begeisterung mitfreuen und sollten jetzt Daumen halten. Viereinhalb Minuten Daumen halten in Wankdorf. Drei zu zwei führt Deutschland nach dem Linksschuss von Rahn, der flach im linken Eck einschlug […] Drei zu zwei für Ungarn – für Deutschland – ich bin auch schon verrückt, Entschuldigung! […] Und die Ungarn, wie von der Tarantel gestochen, lauern die Puszta-Söhne, drehen jetzt den siebten oder zwölften Gang auf, Und Kocsis flankt – Puskás abseits – Schuß – aber nein, kein Tor! Kein Tor! Kein Tor! Puskás abseits.“

Als die reguläre Spielzeit schon fast vorbei war, erschien Czibor plötzlich frei fünf Meter vor Turek, doch der parierte.

Dann klärte Fritz Walter an der Mittellinie zum Einwurf. Dieser wurde schnell ausgeführt und landete bei Bozsik, doch Schiedsrichter Ling pfiff schon zum Spielende – Deutschland war Weltmeister. Kurze Zeit später nahm Fritz Walter den WM-Pokal aus den Händen von Jules Rimet entgegen. Er war damit der letzte Weltmeisterschaftskapitän, der den WM-Pokal vom Erfinder der Fußball-Weltmeisterschaften überreicht bekam, denn Rimet verstarb zwei Jahre später im Alter von 83 Jahren.[20][21][22][23][24]

Dopingverdacht und Hepatitis-Erkrankungen

Bereits wenige Tage nach dem Spiel hatte Ungarns Kapitän Ferenc Puskás den Finalgegner des Dopings beschuldigt. Gerüchte diesbezüglich hielten sich in den folgenden Jahrzehnten hartnäckig, wurden jedoch von den Beteiligten stets bestritten.

Ein Indiz für Injektionen war eine Gelbsuchterkrankung diverser Spieler der Weltmeistermannschaft von 1954. Eine Untersuchung der gesamten Mannschaft im Oktober 1954 ergab, dass praktisch alle Spieler Leberschädigungen in unterschiedlicher Schwere davongetragen hatten. Richard Herrmann starb 1962 an Leberzirrhose, einer Folge der Hepatitis-C-Erkrankung, die er sich nach dem Sieg von Bern zuzog. Auch das Ableben von Werner Liebrich kann als Folgeerscheinung einer nicht behandelten Gelbsucht gedeutet werden.[25] Ein Gutachten des DFB im November 1954 führte die Infektion auf das „enge Zusammenleben der Mannschaft“ zurück und hielt es für „unwahrscheinlich“, dass die Übertragung durch Injektionen erfolgt sei. Dies gilt heute allgemein als Fehldiagnose. Wahrscheinlicher ist, dass sich die Spieler durch eine Gruppeninjektion infizierten. Da es damals noch keine Einwegspritzen gab, wurden den Spielern die Injektionen vermutlich durch ein- und dieselbe Spritze verabreicht.

2004 wurde bekannt, dass der Platzwart des ehemaligen Wankdorf-Stadions nach dem WM-Finale leere Glasampullen in einem Abflussgitter des Mannschaftsraumes fand.[26] Diese leeren Ampullen ließen darauf schließen, dass der damalige deutsche Mannschaftsarzt den Spielern unmittelbar vor dem Finale eine Flüssigkeit verabreichte.[26] In der Folge räumten Ottmar Walter und Horst Eckel, zwei der zu diesem Zeitpunkt noch lebenden Spieler der Weltmeister-Elf, dies schließlich ein.[27]

Den Sportlern und DFB-Offiziellen zufolge soll es sich bei den Injektionen um eine Vitamin-C-Lösung gehandelt haben. Eine Studie von Wissenschaftlern aus Berlin unter dem Titel Doping in Deutschland von 1950 bis heute aus historisch-soziologischer Sicht im Kontext ethischer Legitimation[28] kam 2010 jedoch zu einem anderen Schluss. Der Sporthistoriker Erik Eggers von der Humboldt-Universität erklärte: „Die Indizien sprechen dafür, dass in ihren Spritzen kein Vitamin C war. Es könnte Pervitin gewesen sein.“ Pervitin gehört zu den Stimulanzien und wurde vor allem während des Zweiten Weltkriegs bekannt, als es massenweise produziert und an die Soldaten verteilt wurde. Anti-Doping-Bestimmungen gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Auch beim Finalgegner Ungarn sollen Mittel verabreicht worden sein. Torhüter Gyula Grosics sprach ebenfalls von Vitamin C und auch Traubenzucker. Im Unterschied zu den Deutschen sollen die Mittel bei den Ungarn in Tablettenform verabreicht worden sein.[29]

Rückkehr der Weltmeister

Für die Heimfahrt der siegreichen Mannschaft stellte die Deutsche Bundesbahn einen Sonderzug (BR VT 08) zur Verfügung. Dieser startete mit den Weltmeistern im schweizerischen Spiez, wo sich das Mannschaftsquartier der Herberger-Truppe befand. Von dort aus ging es nach München, wo auf dem Marienplatz eine riesige Menge jubelnder Menschen wartete. Nachdem bereits auf der Durchreise viele Menschen den Weltmeistern zugejubelt hatten, bildeten die über 100.000 Begeisterten in Bayerns Landeshauptstadt den Höhepunkt des Finale Grande, wie es der Buchautor Alfred Georg Frei in seiner Dokumentation über die Rückreise der deutschen Mannschaft bemerkte. Von München aus setzten die Helden von Bern ihren Triumphzug durch andere große Städte Westdeutschlands fort. Überall kamen die Menschen auf die Straßen und überreichten der Mannschaft um Fritz Walter Glückwünsche und Geschenke.

„Frenetischer Jubel, durchbrochene Polizeisperren, Geschenke an die Spieler als Vorgeschmack des Wirtschaftswunders, Blasmusik, vorbereitete Reden von Oberbürgermeistern und Landräten, denen niemand zuhören wollte.“

Alfred Georg Frei: in seinem Buch „Finale Grande“[30]

Historische Auswirkungen

Deutschland

Der „Weltmeisterzug“ von 1954

„Man hatte das Gefühl, wieder in die Völkervereinigung aufgenommen zu werden. Man hatte das Gefühl, dass man einem wieder Respekt entgegenbringt, das hat uns gut getan.“

Im Jahr 1949 wurde die Bundesrepublik Deutschland gegründet. Die Menschen im Land waren jedoch immer noch deprimiert und enttäuscht wegen der Auswirkungen des vergangenen Weltkriegs und der Herrschaft der Alliierten in Deutschland. Doch zu Beginn der Fünfzigerjahre schien sich die Situation zu verbessern. Deutschland war gerade dabei, wieder von anderen Nationen akzeptiert zu werden, und auch bei der Weltmeisterschaft im Fußball durfte wieder mitgespielt werden.

Nachdem die Weltmeisterschaft mit dem unerwarteten Titelgewinn endete, entstand ein kollektives „Wir-Gefühl“. Im Gegensatz zu den anderen Weltmeistertiteln hieß es 1954 „Wir sind Weltmeister“ und nicht „Deutschland ist Weltmeister“. Auch oft zu finden war in der damaligen Zeit die Formulierung: „Wir sind wieder wer“. Dies war bezogen auf die scheinbare Bedeutungslosigkeit Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg. Da man nun die Weltmeisterschaft gewonnen hatte, konnte man darauf stolz sein, ein Deutscher zu sein. Der Politologe Arthur Heinrich und der Historiker Joachim Fest sprechen im Zusammenhang mit dem Wunder von Bern auch von der eigentlichen Geburtsstunde der Bundesrepublik Deutschland.[32]

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass das Wunder von Bern einen großen Anteil an der Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem starken Staat hatte. Es hatte eine große Aufbruchstimmung zur Folge, die sicher auch mit ausschlaggebend war für das nun folgende Wirtschaftswunder in der Bundesrepublik Deutschland. Die Leitmotive der Herberger-Elf galten auch als Vorbild für die Menschen in der damaligen Zeit. Man ging nach den Prinzipien Fleiß, Mannschaftsgeist, Disziplin und Einordnung in ein Kollektiv vor. Auch diese Motive waren wichtig für das Wirtschaftswunder.[33]

Zu Kritik im Ausland und Befürchtungen einer Rückkehr nationalistischer Überheblichkeit führte die Tatsache, dass die deutschen Zuschauer im Wankdorf-Stadion nach dem Schlusspfiff beim Abspielen der Nationalhymne die erste Strophe des Deutschlandlieds sangen. Inwieweit dies einen nationalistischen Hintergrund hatte oder schlicht auf Unkenntnis der dritten Strophe zurückzuführen war, ist umstritten.[34][35][36]

Ungarn

In Ungarn, deren Mannschaft zum ersten Mal nach 4½ Jahren wieder ein Spiel verloren hatte, kam es bereits kurz nach dem Spiel zu Ausschreitungen. Spieler wurden verhört und vom kommunistischen Regime drangsaliert. Einigen Spielern, die mit deutschen Mercedes-PKW aus der Schweiz heimkehrten, wurde Folter angedroht und unterstellt, sie hätten sich kaufen lassen, um absichtlich zu verlieren.

Gyula Grosics hat man das Siegtor der Deutschen niemals ganz verziehen. Er wurde ein Jahr nach dem verlorenen Finale in Budapest verhaftet und 1957 zu Tatabánya Bányász SC in die Provinz verbannt. Dennoch bestritt er zwei weitere Endrunden für Ungarn. Ebenfalls verloren Verwandte von Spielern ihre Arbeitsplätze. Auch für andere Spieler hatte die Niederlage Folgen. So konnte der lukrative Schmuggel über die Grenze, den die Behörden vor dem 4. Juli noch gern übersahen, bei Auswärtsspielen nicht mehr betrieben werden. Ferenc Puskás sagte später, die Menschen in Budapest hätten ihn bei seiner Ankunft nach dem verlorenen Endspiel angeschaut, als hätte er eine Krankheit. Puskás, Kocsis, Hidegkuti & Co. waren jetzt nicht mehr die uneingeschränkten Lieblinge der Ungarn.

„Wenige Kilometer vor Budapest mussten wir gegen Mittag plötzlich aussteigen, wurden in ein Trainingslager gebracht und durften es den ganzen Tag nicht verlassen. Abends kamen die höchsten Politiker – Rakosi, der Generalsekretär der Kommunistischen Partei, auch der Innenminister und der Militärminister sowie Leute der ungarischen Stasi. Rakosi hielt eine Rede, auch der zweite Platz sei ein schönes Ergebnis, und dann sagte er noch: Niemand von euch soll Angst haben, bestraft zu werden für dieses Spiel. Ich habe den Klang seiner Stimme noch im Ohr. Als dieser Satz fiel, wusste ich, dass er genau das Gegenteil bedeutet. Ich wusste, dass etwas Schlimmes passieren würde. Ich war oft mit der Staatssicherheit AVH aneinandergeraten, jetzt hatte ich das Gefühl, in Gefahr zu sein. Ich wusste, sie hatten es auf mich abgesehen. Ich behielt Recht.“

Gyula Grosics[37]

Für den ungarischen Fußball bedeutete die Niederlage von Bern das Ende aller Hoffnungen auf einen WM-Titel oder einen ähnlich großen Pokal. Die Goldene Elf blieb noch weitere zwei Jahre zusammen und setzte ihre Siegesserie fort. Doch als im Jahr 1956 der Ungarische Volksaufstand von den Kommunisten brutal niedergeschlagen wurde und die Mannschaft von Honvéd Budapest mit Stars wie Puskás, Czibor und Kocsis gerade im österreichischen Wien weilte, endete die Ära der großen ungarischen Fußballnationalmannschaft. Als die Spieler des Clubs aus dem Budapester Stadtteil Kispest von der Niederschlagung des Ungarnaufstandes hörten, entschlossen sich die meisten von ihnen, in Spanien zu bleiben. Kocsis und Czibor spielten in Barcelona, übrigens zusammen mit ihrem Landsmann László Kubala, der Ungarn schon früher den Rücken gekehrt hatte, Puskás in Madrid. Damit war die Zeit der „goldenen“ ungarischen Fußballgeneration beendet.

Die „Helden von Bern“

Autogrammkarte der Weltmeister

Die siegreiche Mannschaft von Bern wurde in der Heimat seit dem 4. Juli 1954 verehrt. Allen voran Kapitän Fritz Walter, Siegtorschütze Helmut Rahn und Trainer Sepp Herberger erlangten den Status von Volkshelden.

Walter setzte seine Nationalmannschaftskarriere bis 1958 fort und machte später Werbung für Unternehmen, schrieb Sportbücher und besaß in Kaiserslautern zeitweise ein Kino.[38] Herberger war noch zwei weitere Weltmeisterschaften Trainer der Nationalmannschaft, ehe er sich aus der Öffentlichkeit zurückzog. Helmut Rahn verkraftete den Heldenstatus nicht; er verfiel dem Alkohol und landete schließlich im Gefängnis wegen Trunkenheit am Steuer. Dort holte ihn Herberger wieder heraus, weil er Rahn für die Mission Titelverteidigung 1958 in Schweden benötigte.[39] Auch andere Spieler der Weltmeistermannschaft von 1954 kamen mit dem Ruhm nicht gut zurecht. Werner Kohlmeyer verfiel wie Rahn dem Alkohol und verprasste sein ganzes Geld durch seine Sucht. Er landete auf der Straße und musste auch seine WM-Medaille verkaufen. Kohlmeyer starb 1974 mit weniger als 50 Jahren an den Folgen seines langjährigen übermäßigen Alkoholkonsums.[40] Ottmar Walters Versuch, sich das Leben zu nehmen, scheiterte und er bekam von der Stadt Kaiserslautern eine Stelle in der Verwaltung angeboten, nachdem er lange arbeitslos gewesen war. Toni Turek erkrankte 1973 an einer rätselhaften Lähmung der Beine, es folgten Herzinfarkt und Schlaganfall, sodass der ehemalige „Fußballgott“ 1984 mit 65 Jahren verstarb.[41] Richard Herrmann, der aber nur in der Vorrunde gegen Ungarn eingesetzt worden war, starb an den Folgen von Gelbsucht. Horst Eckel, der Jüngste in der Weltmeistermannschaft, starb als letzter Held von Bern am 3. Dezember 2021.[42]

Mythos Wunder von Bern

Fritz-Walter-Wetter

Fritz Walter war in den 1950er Jahren der beste Fußballer Deutschlands. Er war beim Titelgewinn 1954 Kapitän der Nationalmannschaft und absolvierte insgesamt 61 Länderspiele für Deutschland, in denen ihm 33 Tore gelangen.

Wie viele andere Männer des Jahrgangs 1920 war auch Fritz Walter im Zweiten Weltkrieg im Einsatz. Obwohl Herberger für seine Spieler Privilegien durchsetzen konnte, blieben auch die Nationalspieler nicht vom Kriegseinsatz verschont und so musste Walter zunächst in Frankreich als Infanterist dienen. Nach Kriegsende fiel er in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Dort erkrankte Walter an Malaria, einer Krankheit, die sich durch hohes Fieber kennzeichnet und in den Tagen nach dem gerade beendeten Krieg häufig in Kriegsgefangenenlagern auftrat. Als Folge dieser Malariaerkrankung konnte er nur bei regnerischem Wetter seine beste Leistung zeigen, weshalb es bald als Fritz-Walter-Wetter bezeichnet wurde. In der Kriegsgefangenschaft bestritt Walter auch das „Spiel seines Lebens“, wie er es später nannte. Geschwächt von einem Malaria-Anfall spielte er mit den ungarischen und slowakischen Wachsoldaten Fußball. Sie erkannten den deutschen Nationalspieler und stellten ihn dem sowjetischen Lagerkommandanten Major Schukow vor. Ebenfalls ein großer Fußballfan, bewahrte Schukow Walter und dessen jüngeren Bruder Ludwig vor dem Abtransport in ein sibirisches Gulag. Bereits am 28. Oktober 1945 kehrten die Brüder nach Kaiserslautern zurück. Am Abend vor dem Endspiel in Bern besuchte ein ungarischer Reporter das Lager der deutschen Mannschaft in Spiez. Dort fragte er Sepp Herberger, ob er wirklich glaube, dass seine Mannschaft im Endspiel eine Chance gegen die Ungarn habe. Herberger sagte, dass Deutschland Ungarn zwar spielerisch unterlegen sei, aber die Dinge anders laufen könnten, wenn es denn am 4. Juli regnen würde. Am Morgen des Endspieltages schauten die Spieler gen Himmel, doch es kam kein Regen. Erst bei der Abfahrt aus Spiez zur Mittagsstunde fielen die ersten Regentropfen. Es war dem Fritz sei Wetter, wie es in Lauterer Dialekt hieß. Auf dem Weg zum Endspiel sagte Sepp Herberger zu seinem Kapitän: „Fritz, Ihr Wetter.“ Walter erwiderte: „Chef, ich hab nix dagege.“[43][44]

Radioreportage

Das bekannte Bild des Uhrturms, um den sich die Menge drängt, schmückt heute die Rückseite der restaurierten Matchuhr vor dem neuen Wankdorfstadion.

1954 gab es in Deutschland nur etwa 20.000 Fernsehgeräte.[45] Die Tonspur der TV-Reportage von Bernhard Ernst ist verloren gegangen, auch vom Filmmaterial sind nur noch 18 Minuten vorhanden. Die Filmbilder der entscheidenden Szenen werden fast immer mit dem Radiokommentar von Herbert Zimmermann unterlegt. Im Folgenden die berühmtesten Ausschnitte:

„Sechs Minuten noch im Wankdorf-Stadion in Bern. Keiner wankt. Der Regen prasselt unaufhörlich hernieder. Es ist schwer, aber die Zuschauer, sie harren nicht [sic!] aus, wie könnten sie auch! Eine Fußballweltmeisterschaft ist alle vier Jahre, und wann sieht man ein solches Endspiel, so ausgeglichen, so packend – jetzt Deutschland am linken Flügel durch Schäfer, Schäfers Zuspiel zu Morlock wird […] abgewehrt, und Bozsik […], der rechte Läufer der Ungarn, am Ball. Er hat den Ball – verloren diesmal, gegen Schäfer, Schäfer nach innen geflankt – Kopfball – abgewehrt – aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen – Rahn schießt! – Tooooor! Tooooor! Tooooor! Tooooor! […] Halten Sie mich für verrückt, […] ich glaube, auch Fußballlaien sollten ein Herz haben, sollten sich […] mitfreuen und sollten jetzt Daumen halten.“

Das Ende des Spiels:

„es kann nur noch ein Nachspiel von einer Minute sein. Deutschland führt […], aber es droht Gefahr, die Ungarn auf dem rechten Flügel – jetzt hat Fritz Walter den Ball […] ins Aus geschlagen. Wer will ihm das verdenken? Die Ungarn erhalten einen Einwurf zugesprochen, der ist ausgeführt, kommt zu Bozsik – Aus! Aus! Aus! – Aus! – Das Spiel ist aus! – Deutschland ist Weltmeister, schlägt Ungarn mit drei zu zwo Toren im Finale in Bern! … Nach diesen 30 Sekunden, die Sie dem Reporter verzeihen müssen […], wollen wir versuchen, in normaler Lautstärke und einigermaßen ruhig Ihnen das weitere Geschehen hier zu schildern. Hundert, zweihundert Fotografen auf dem Spielfeld, Angehörige der Schweizer Armee bilden mit einem Seil ein Karree. Die deutsche Mannschaft – Weltmeister 1954! – ist vollkommen im Mittelpunkt der Ovationen, daneben stehen die Ungarn, die Ungarn, ruhig, gesammelt, ein Kompliment für diese Jungens, die großartig verlieren können.“

Zuvor schon war Zimmermann ob der Reflexe von Torhüter Toni Turek bei der Verteidigung des 2:2 so außer sich geraten, dass er die Worte „Turek, du bist ein Teufelskerl – Turek, du bist ein Fußballgott“ aussprach. Dafür handelte er sich ernste Tadel von Kirchenvertretern ein und hatte vor dem Intendanten zu erscheinen.

Genau 50 Jahre nach dem Endspiel wiederholte am 4. Juli 2004 der Deutschlandfunk zur selben Tageszeit in Erinnerung an das Finale die Rundfunkreportage von Herbert Zimmermann. Sie wurde vom NDR auch auf zwei CDs veröffentlicht. Robert Lembke als Ansager eröffnete jeweils die Übertragungen der Halbzeiten und schloss auch mit einem Hinweis, der die damalige politische Situation in Deutschland mit drei politisch unabhängigen Gebieten (Bundesrepublik, DDR, das teilunabhängige Saarland) sowie dem geteilten Berlin verdeutlicht:

„Hier sind alle Sender in der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin, angeschlossen Radio Saarbrücken. Wir übertragen aus dem Wankdorf-Stadion in Bern das Endspiel um die Fußballweltmeisterschaft zwischen Deutschland und Ungarn. Reporter ist Herbert Zimmermann.“

„Hier sind alle Sender in der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin, angeschlossen Radio Saarbrücken. […] Die Sendung ist beendet, wir schalten zurück nach Deutschland.“

Stollenschuhe

Adolf „Adi“ Dassler war der Zeugwart der deutschen Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft 1954. Zudem war Dassler Gründer des Sportartikelherstellers Adidas. Er rüstete die deutsche Mannschaft im Gegensatz zu den anderen Mannschaften mit damals neuartigen Schuhen mit Schraubstollen aus. Dieser Vorteil zeigte sich im Finale von Bern, wo es während des gesamten Spiels in Strömen regnete. In der Halbzeitpause wurden die Stollen ausgetauscht und damit die Schuhe den sich verändernden Gegebenheiten angepasst.[46]

Der linke Schuh von Torschütze Helmut Rahn wurde dem Deutschen Fußballmuseum in Dortmund überlassen und ist Bestandteil der Dauerausstellung.[47]

Internationale Pressestimmen (Auszug)

Der erste große deutsche Sporterfolg nach 1945 fand in der internationalen Presse eine entsprechende Beachtung und Würdigung.[48]

Belgien

  • La Cité: „Nach Italien und Uruguay, die die vier letzten Meisterschaften monopolisierten, endlich etwas Neues. (...)“

Dänemark

  • Nationaltidende: „Daß der Jubel in Deutschland heute und in den kommenden Tagen riesengroß ist, erscheint nur natürlich. Trotzdem soll der Wahrheit halber gesagt werden, daß sich in diese Freude nicht (...) Chauvinismus mischt. Dieses bewies deutlich der Ton der deutschen Rundfunkreportage aus Bern.“

England

  • The Times: „(...) Deutschland vollbrachte eine bemerkenswerte Leistung. Aus einer hoffnungslos erscheinenden Position erkämpften sich die Deutschen durch ihre ungeheure Begeisterung, ihr Stehvermögen, ihre Stärke und Willenskraft den Weg zum Ruhm zurück. (...)“
  • Daily Express: „Diese wenig beachteten Deutschen, jahrelang die Parias im internationalen Fußball, schlugen zurück und gewannen. Sie gewannen, weil sie im Gegensatz zu jeder anderen Mannschaft dieser Meisterschaftsserie sich weigerten, auf die erschreckenden Geschichten der magyarischen Ballzauberei zu hören.“

Frankreich

  • Le Figaro: „Man muß schon anerkennen, daß die deutschen Fußballer in wunderbarer Weise ihre Fähigkeiten zu verwerten wußten. (...)“

Holland

  • Algemeen Dagblad: „Man kann nichts anderes sagen als dies: Die Deutschen haben verdient gewonnen.“
  • De Telegraaf: „Die Wundermannschaft der Magyaren ist geschlagen. Sie wurde von einer Elf bezwungen, die eine Einheit war und sich mit aller Kraft gegen eine langdauernde Offensive zur Wehr setzte, um dann die gebotenen Chancen auf glänzende Weise zu nutzen. (...)“
  • Nieuws van den Dag: „Das Wunder ist geschehen. Der Großmeister ist durch eine Mannschaft bezwungen worden, der niemand eine Chance gab, die aber trotzdem den Sieg errang, weil sie die gleiche messerscharfe Waffe wie die Ungarn gebrauchte: eine geschlossene Einheit, zu der alle elf Spieler von Anfang bis Ende alles beitrugen.“

Österreich

  • Welt am Montag: „Der Erfolg ist verdient, denn Deutschland habe nicht nur eine grandiose kämpferische Leistung gezeigt, sondern auch über einen Angriff verfügt, der dem der Ungarn in keiner Weise nachstand. (...)“

Schweiz

Verfilmungen

Das Wunder von Bern bot schon in einigen Fällen die Grundlage für Filme. Der erste Film, der sich mit dem deutschen Titelgewinn 1954 auseinandersetzte, war 1994 der Fernsehfilm Das Wunder von Bern: Deutschland und die Fußball-WM 1954[49] von Ulrich Lenze.

Acht Jahre später, 2002, produzierten drei Studenten der Fachhochschule Offenburg den 11-minütigen Brickfilm Die Helden von Bern, der die Höhepunkte des Endspiels von Bern mit Legofiguren zeigt. Unterlegt wurde dieser Trickfilm mit den Kommentaren von Herbert Zimmermann. Um die alte Tradition des Kurzfilms wieder aufleben zu lassen, führten die Verantwortlichen einen nicht-kommerziellen Kinostart im Jahr 2003 durch. Dank einiger Sponsoren konnte eine Ausbelichtung auf 35-mm-Film realisiert werden. Davon wurden eine Vielzahl an Kopien gezogen, die bundesweit in ausgewählten Kinos gezeigt wurden.

Ein Jahr später, 2004, sendete das ZDF den 90-minütigen Dokumentarfilm Das Wunder von Bern – die wahre Geschichte. Der Film von Guido Knopp beschreibt die Geschehnisse vor, während und nach dem Titelgewinn der deutschen Mannschaft. Darin kommen zahlreiche beteiligte Personen, zum Beispiel Ottmar Walter, Co-Trainer Albert Sing und Ersatz-Torwart Heinrich Kwiatkowski, aber auch noch lebende Spieler der Ungarn wie Jenő Buzánszky und Gyula Grosics zu Wort. Im gleichen Jahr wurde der Dokumentarfilm Das Wunder von Bern – Das Spiel – Eine Rekonstruktion vom ZDF gezeigt. Hierfür wurde das verfügbare original Filmmaterial zusammengetragen, zusammengeschnitten und mit dem Radiokommentar unterlegt. Insgesamt konnten so 38 Minuten des Spiels rekonstruiert werden.

Auch Spielfilme verwiesen schon auf das Wunder von Bern. So verwendete Rainer Werner Fassbinder die Radioreportage des Endspiels von Bern in seinem Film Die Ehe der Maria Braun, um während der gesamten mehrminütigen Schlussszene des Films den Zeitbezug zum Jahr 1954 herzustellen. Am wohl bekanntesten ist Sönke Wortmanns Film Das Wunder von Bern aus dem Jahr 2003. Der Film beschreibt die Geschichte vom unerwarteten Sieg bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1954 in Bern. Darüber hinaus beschreibt der Film die Schwierigkeiten eines heimgekehrten Kriegsgefangenen, der sich in seinem alten Leben nicht mehr zurechtfindet, parallel zum deutschen Erfolg aber seinem Sohn und seiner Familie wieder näherkommt.[50][51][52]

Musical

2014 entstand in Hamburg ein Musical mit dem Titel Das Wunder von Bern, welches am 23. November 2014 uraufgeführt wurde.[53] Die Handlung ist an Sönke Wortmanns Spielfilm angelehnt. Produzent ist die Firma Stage Entertainment Germany.[54]

Literatur

  • Gerhard Bahr (Hrsg.): Fussball Weltmeisterschaft 1954. Offizielles Erinnerungswerk Coupe Jules Rimet. Deutsche Ausgabe, Protektorat Deutscher Fußball-Bund. Offenburg 1954; über ZVAB erhältlich
  • Andreas Bauer: Das Wunder von Bern. Spieler, Tore, Hintergründe. Alles zur WM 54. Wißner, Augsburg 2004, ISBN 3-89639-426-6.
  • Franz-Josef Brüggemeier: Zurück auf dem Platz. Deutschland und die Fußball-Weltmeisterschaft 1954. Deutsche Verlagsanstalt, München 2004, ISBN 3-421-05842-3.
  • Alfred Georg Frei: Finale grande. Die Rückkehr der Fussballweltmeister 1954. Transit, Berlin 1994, ISBN 3-88747-092-3.
  • Arthur Heinrich: Tooor! Toor! Tor! 40 Jahre 3:2. Rotbuch, Berlin 1994, ISBN 3-88022-344-0.
  • Arthur Heinrich: 3:2 für Deutschland. Die Gründung der Bundesrepublik im Wankdorf-Stadion zu Bern. Die Werkstatt, Göttingen 2004, ISBN 3-89533-444-8.
  • Christian Jessen: Fußballweltmeisterschaft 1954 Schweiz. Das Wunder von Bern. Agon-Sport, Kassel 2003, ISBN 3-89784-218-1.
  • Stefan Jordan: Der deutsche Sieg bei der Weltmeisterschaft 1954: Mythos und Wunder oder historisches Ereignis? In: Historical Social Research / Historische Sozialforschung (HSR) 30 (2005), Nr. 4, S. 263–287, ISSN 0172-6404, ISSN 0936-6784, (Volltext als PDF, ca. 136 kB).
  • Peter Kasza: Fußball spielt Geschichte. Das Wunder von Bern 1954. be.bra-Verlag, Berlin und Brandenburg 2004, ISBN 3-89809-046-9.
  • Rudi Michel: Deutschland ist Weltmeister! – Meine Erinnerungen an das Wunder von Bern. Südwest, München 2004, ISBN 3-517-06735-0.
  • Thomas Raithel: Fußballweltmeisterschaft 1954 – Sport – Geschichte – Mythos. Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, München 2004.
  • kicker Edition: 50 Jahre – Das Wunder von Bern, Olympia-Verlag, Nürnberg 2004, ISSN 1613-2297 (mit Nachdruck des kickers vom 5. Juli 1954).
  • Diethelm Blecking: Das „Wunder von Bern“ 1954: zur politischen Instrumentalisierung eines Mythos. In: Historical Social Research (HSR) 40 (2015), Nr. 4, S. 197–208. doi:10.12759/hsr.40.2015.4.197-208, (Volltext als PDF).

Tonträger

Weblinks

Commons: Final of the 1954 FIFA World Cup – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Das „Wunder von Bern“: WM-Triumph 1954 als „Geburtsstunde“. In: news.at. 29. November 2007, abgerufen am 18. Dezember 2019.
  2. Bahr: Fussball Weltmeisterschaft 1954. 1954, S. 41.
  3. Bahr: Fussball Weltmeisterschaft 1954. 1954, S. 43.
  4. Thomas Gerlach: Der Geist von Spiez. Die Welt, 2. Juni 2008, abgerufen am 31. August 2022.
  5. Bahr: Fussball Weltmeisterschaft 1954. 1954, S. 44.
  6. Bahr: Fussball Weltmeisterschaft 1954. 1954, S. 44.
  7. Der Geist von Spiez. Andreas Bauer, abgerufen am 31. August 2022.
  8. Chronik des deutschen Fußballs. S. 82–85.
  9. Fußball-Weltmeisterschaften 1930-heute S. 50–56.
  10. Fußball-Weltmeisterschaften 1930-heute S. 51–57.
  11. Beat Jung (Hrsg.), Fabian Brändle: Die Nati. S. 102–104.
  12. Freundschaftsspiele 1952 - So. 05.10.1952 - 15:00 Uhr. Fussballdaten.de, abgerufen am 15. September 2022.
  13. Bahr: Fussball Weltmeisterschaft 1954. 1954, S. 30.
  14. Ungarn besiegt England. faz.net, 24. November 2003, abgerufen am 10. Januar 2020.
  15. Magische Magyaren.
  16. Bahr: Fussball Weltmeisterschaft 1954. 1954, S. 178.
  17. Bahr: Fussball Weltmeisterschaft 1954. 1954, S. 178.
  18. Radio Saarbrücken aus dem Wankdorf-Stadion. Andreas Bauer, abgerufen am 2. September 2022.
  19. Radio Saarbrücken aus dem Wankdorf-Stadion. Andreas Bauer, abgerufen am 2. September 2022.
  20. Sporthelden.de: Highlights des Finales (Memento vom 28. September 2015 im Internet Archive)
  21. Sporthelden.de: Text zum Endspiel (Memento vom 17. Januar 2017 im Internet Archive)
  22. Bericht auf fifa.com (Memento vom 24. Mai 2010 im Internet Archive)
  23. www.das-wunder-von-bern.de: Spielbericht des Endspiels.
  24. Fußball-Weltmeisterschaften 1930-heute. S. 57–61.
  25. Dopingvorwürfe
  26. a b Abenteuer Diagnose History: Die Helden von Bern und ihr mysteriöses Leiden (Memento vom 24. September 2015 im Internet Archive), RBB Praxis, rbb-online,5. November 2014.
  27. Christian Hoffmann, Heiner Wedemeyer, Tim Niehues: Fussballweltmeisterschaft 1954: Die Virushepatitis der „Helden von Bern“. In: Deutsches Ärzteblatt. Band 107, Nr. 23. Deutscher Ärzte-Verlag, 11. Juni 2010, S. A-1159 / B-1018 / C-1006 (aerzteblatt.de).
  28. Zusammenfassende Darstellung: „Doping in Deutschland von 1950 bis heute aus historisch-soziologischer Sicht im Kontext ethischer Legitimation“ (Memento vom 13. Juli 2015 im Internet Archive)
  29. Private Internetseite Das Wunder von Bern.
  30. Alfred Georg Frei: Finale Grande.
  31. Zitat von Mayer-Vorfelder.
  32. „Geburtsstunde der Bundesrepublik Deutschland“.
  33. Bedeutung für Deutschland.
  34. Jürgen Leinemann: Das Wunder von Bern, Spiegel Special 1/2006, 21. Februar 2006, abgerufen am 17. Juli 2014.
  35. Stefan Reinecke: Dieses Wir meinte die Bundesrepublik. Interview mit Arthur Heinrich, taz, 3. Juli 2004, abgerufen am 17. Juli 2014.
  36. Michael Marek: Ein Land spielt sich frei, Deutsche Welle, 23. Juni 2009, abgerufen am 17. Juli 2014.
  37. Zitat von Grosics (Memento vom 3. Dezember 2013 im Internet Archive)
  38. Fritz Walter
  39. Helmut Rahn
  40. Werner Kohlmeyer
  41. Toni Turek. Vgl. Werner Raupp: Toni Turek – „Fußballgott“. Eine Biographie. Arete Hildesheim 2019, ISBN 978-3-96423-008-9, siehe bes, S. 106–114 (Endspiel am 4. Juli 1954) u. 158–170 (Erkrankung, Lebensende).
  42. DFB trauert um Weltmeister Horst Eckel. Abgerufen am 3. Dezember 2021.
  43. Fritz-Walter-Wetter (Memento vom 5. September 2010 im Internet Archive)
  44. Fritz Walter – Kapitän Walter war Deutschlands Nachkriegsheld (Memento vom 4. Juni 2015 im Internet Archive)
  45. Deutschlands "Wunder von Bern". Focus Online, 9. September 2015, abgerufen am 4. September 2022.
  46. Dasslers Schuhe
  47. dfb-fussballmuseum.de: Rahns WM-Schuh erinnert an „Das Wunder von Bern“, 4. Juli 2014.
  48. Bahr: Fussball Weltmeisterschaft 1954. 1954, S. 253.
  49. www.cinefacts.de
  50. Wunder von Bern. In: cinema. Abgerufen am 13. März 2022.
  51. Infos zum Film
  52. Christof Siemes: Das Wunder von Bern.
  53. Das Wunder von Bern, Musical (Memento vom 19. Mai 2016 im Internet Archive)
  54. Theater an der Elbe (Memento vom 11. September 2014 im Internet Archive)