Grundsicherung

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Als Grund- oder Mindestsicherung, auch Grundversorgung, werden bedarfsorientierte und bedürftigkeitsgeprüfte Sozialleistungen zur Sicherstellung des Lebensunterhaltes bezeichnet. Hervorgegangen sind diese Leistungen aus der Armenhilfe bzw. -fürsorge.

Nationales

Mindestsicherungssysteme in Europa

Grund- bzw. Mindestsicherungssysteme zur Vermeidung von Armut bestehen in den meisten europäischen Staaten. Alle EU-Bürger erhalten bei Zuzug in ein anderes EU-Land Grundsicherungsleistungen zu den Bedingungen des jeweiligen anderen Staates. Auch neben einer allgemeinen und existenzsichernden Grundrente (Bsp.: die schwedische „Volksrente“, ab 1999 Garantierente) sind zur Armutsvermeidung Sozialhilfeleistungen erforderlich, da bestimmte Personengruppen (unter anderem Migranten) andernfalls keine existenzsichernden Leistungen erhalten würden. Die Leistungen umfassen allgemein ein definiertes Existenzminimum.

Dem Begriff „Sozialhilfeleistungen des Mitgliedstaats“ ist eine eigenständige Bedeutung im Unionsrecht zuerkannt.[1] Somit ist es einem Mitgliedstaat zum Beispiel untersagt, die Grundsicherung aus anderen Gründen als der Bedürftigkeit (eheähnliche Gemeinschaft usw.) zu verweigern.

Deutschland

Als Grundsicherung wird in Deutschland eine aus Steuergeldern finanzierte Sozialleistung bezeichnet, die dem Sozialversicherungssystem (u. a. Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung) gegenübersteht. Im Sozialgesetzbuch (SGB) besteht eine Unterteilung in Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII sowie Arbeitslosenunterstützung und -förderung nach dem SGB II.

Nach ständiger Rechtsprechung kann eine Leistung nach der Verordnung dann als eine Leistung der sozialen Sicherheit betrachtet werden, wenn sie den Begünstigten aufgrund eines gesetzlich umschriebenen Tatbestands ohne jede im Ermessen liegende individuelle Prüfung der persönlichen Bedürftigkeit gewährt wird und wenn sie sich auf eines der in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 ausdrücklich aufgezählten Risiken bezieht.[2]

Dementsprechend gibt es die Grundsicherungsleistungen der Sozialhilfe (SGB XII):

sowie die Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II):

Die letztgenannten beiden Leistungen werden umgangssprachlich – wenn auch nicht korrekt und auch mit abwertender Tendenz – nach dem Gesetzespaket, mit dem sie eingeführt wurden als „Hartz IV“ bezeichnet. In vielen Fällen wird diese Bezeichnung auch nur im Sinne von Alg II verwendet bzw. allein mit dieser Leistung gleichgesetzt.

Des Weiteren steht der Begriff für in der politischen Diskussion stehende Modelle, zum Beispiel:

  • Kindergrundsicherung (bedarfsabhängig oder aber bedingungslos) als eine mögliche Form des Familienleistungsausgleichs für Kinder.

Das ifo Institut für Wirtschaftsforschung kritisiert im Mai 2021 in einer Studie die Praxis der Grundsicherung: Das System wirkt, als wäre es gemacht, um es den Empfängern schwer zu machen. Es gibt Fragen, die sind mit doppelter Verneinung so kompliziert gestellt, dass ich nicht weiß, ob ich ja oder nein ankreuzen muss. Nach seinen Recherchen spare der Staat zwischen sechs und zehn Milliarden Euro pro Jahr, weil Berechtigte ihnen zustehende Leistungen nicht in Anspruch nehmen. Die Grundsicherung werde derzeit durch rund 175 Bestimmungen geregelt. Peichl sieht maximal fünf Bestimmungen als angemessen an und hält eine radikale Vereinfachung für möglich und nötig.[3]

Teilhabechancengesetz

Das Förderinstrumentarium der Grundsicherung für Arbeitsuchende wurde durch das Teilhabechancengesetz grundlegend erweitert. Seither stehen zwei neue Lohnkostenzuschüsse zur Verfügung, um die Erwerbsbeteiligung besonders arbeitsmarktferner Leistungsberechtigter zu fördern. Je länger die Suche nach Arbeit dauert, desto schwieriger wird nicht nur der Weg zurück in Beschäftigung. Die Betroffenen brauchen daher zielgenaue, individuelle Unterstützung. Seit Januar 2019 stehen den Jobcentern in Deutschland mit dem bereits 2018 verabschiedeten Teilhabechancengesetz zwei neue Maßnahmen zur Verfügung, um langzeitarbeitslose Menschen im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu fördern. Die beiden Instrumente "Eingliederung von Langzeitarbeitslosen" (§ 16e SGB II) und "Teilhabe am Arbeitsmarkt" (§ 16i SGB II) sollen arbeitsmarktfernen Leistungsberechtigten einen Zugang zum Arbeitsleben ermöglichen und auf diese Weise ihre Beschäftigungschancen und Teilhabemöglichkeiten verbessern.[4]

Österreich

In Österreich wurde die bedarfsorientierte Mindestsicherung – als Ersatz für die auf Länderebene organisierte Sozialhilfe – ab 1. September 2010 eingeführt.

Arbeitslose erhalten aber nach wie vor im Anschluss an das befristete Arbeitslosengeld eine als Versicherungsleistung konzipierte Notstandshilfe, die einen individuellen Lebensstandard auf niedrigem Niveau ermöglicht. Diese kann abhängig von deren Höhe durch die bedarfsorientierte Mindestsicherung ergänzt werden.

Außerdem gibt es für Asylwerber die Grundversorgung.[5]

Schweiz

In der Schweiz gibt es kantonale Regelungen mit stark unterschiedlichen Leistungen, siehe Sozialhilfe (Schweiz).

Spanien

Am 10. Juni 2020 hat das spanische Parlament – ohne Gegenstimmen, bei nur 52 Enthaltungen – ein Gesetz zur Grundsicherung beschlossen.[6][7] Darin steht, dass die berechtigten Haushalte – je nach Größe und Zusammensetzung – zwischen 462 und 1015 Euro pro Monat erhalten. Anspruchsberechtigt sind die Personen zwischen 23 und 65 Jahren, die seit mindestens drei Jahren einen selbstständigen Haushalt führen, ein Jahr sozialversicherungspflichtig waren und deren Einkommen pro Person im Haushalt unter 230 Euro im Monat liegt.

Weitere Länder in Europa

  • Frankreich hat 2009 die Sozialhilfe Revenu minimum d’insertion (RMI) durch die neue Mindestsicherung Revenu de solidarité active (RSA) ersetzt.
  • Italien hat 2017 die Sozialhilfe Reddito di inclusione (REI) eingeführt. Die Aufführung zielt darauf ab, bedürftigen Menschen eine sofortige und konkrete finanzielle Unterstützung (von 187,50 € bis 534 € pro Monat) zu bieten und sie gleichzeitig zur sozialen und beruflichen Eingliederungen zu führen. 2019 wurde die Sozialhilfe Reddito di Cittadinanza (RDC) eingeführt. Die Leistung ist sehr ähnlich der deutschen Grundsicherung für Arbeitssuchende und ersetzt die bisherige Sozialhilfe REI. Die Unterstützung beträgt 780 € pro Monat für Alleinstehende, bis zu 1180 € pro Monat für eine Familie mit zwei Erwachsenen und zwei minderjährigen Kindern und bis zu 1.280 € pro Monat für eine Familie mit zwei Erwachsenen und mit einem minderjährigen Kind und einem Erwachsenen.

Als einziges EU-Mitgliedsland ohne allgemeine bedarfsorientierte Mindestsicherung nennt die europäische Missoc-Statistik Griechenland.[8]

Vergleiche

Weblinks

Einzelnachweise

  1. siehe Urteil vom 4. März 2010, Chakroun (C 578/08)
  2. siehe Urteil vom 18. Dezember 2007, Habelt u. a. (C 396/05, C 419/05 und C 450/05)
  3. https://www.ifo.de/node/63143
  4. IAB-Forum: Evaluation des Teilhabechancengesetzes: Erste Antworten, aber noch viele offene Fragen. 16. März 2021 (abgerufen am 24. März 2021)
  5. Beispielsweise: Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde – Flüchtlingshilfe. noe.gv.at; Grundversorgung von Fremden (Asylwerber/innen). land-oberoesterreich.gv.at; Grundversorgung (Memento vom 24. September 2015 im Internet Archive). salzburg.gv.at; – in den anderen Ländern analog.
  6. El Pais vom 10. Juni 2020
  7. SZ vom 11. Juni 2020
  8. Missoc. ec.europa.eu.