Gruppe (Parlament)

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Eine Gruppe ist ein Zusammenschluss mehrerer Abgeordneter des Deutschen Bundestages oder eines anderen Parlaments, der weniger Rechte als eine Fraktion besitzt.

Allgemeines

Die Mindestzahl von Abgeordneten, die für die Bildung einer Gruppe erforderlich ist, sowie die Rechte der Gruppe sind in den Parlamenten unterschiedlich geregelt. Die rechtlichen Festlegungen finden sich in der jeweiligen Geschäftsordnung des entsprechenden Parlaments bzw. in einem gesonderten Fraktionsgesetz. Zur Gruppe können sich Abgeordnete zusammenschließen, die keine Fraktionsstärke erreichen.[1] In der Hamburgischen Bürgerschaft muss eine Gruppe so groß sein, dass sie Anspruch auf mindestens ein Ausschussmandat hat.[2]

Die Rechte einer Gruppe bleiben immer hinter denen einer Fraktion zurück. Die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages enthält diesbezüglich keine nähere Regelung, vielmehr legt der Bundestag mit der Anerkennung der Gruppe deren Rechte im Einzelnen fest.[3] Demgegenüber regelt das Hamburger Fraktionsgesetz im Einzelnen den Anspruch der Gruppe auf Vertretung in den Ausschüssen und auch auf anteilige Finanzierung entsprechend den Regelungen für die Fraktionen.[2] Nach § 11 des Fraktionsgesetz Rheinland-Pfalz erfolgt eine staatliche Finanzierung von Zusammenschlüssen fraktionsloser Abgeordneter nach Beschluss des Landtages.[4] Besondere Rechte der Gruppen sind gerechtfertigt, wenn und soweit die Gruppen wie Fraktionen durch ihre koordinierende Funktion innerhalb des Parlamentes zugleich die Arbeitsfähigkeit des Parlamentes insgesamt fördern.

Gruppen im Deutschen Bundestag

In der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages sind Gruppen seit Januar 1952 vorgesehen (gleichzeitig wurde die Mindestgröße einer Fraktion auf 15 Mitglieder angehoben). Die erste Gruppe bildeten die 14 Parlamentarier der Kommunistischen Partei Deutschlands – ein weiteres KPD-Mitglied war in der DDR in Haft. Bereits zuvor bestand ab der Konstituierung eine inoffizielle Gruppe Nationale Rechte, die sich später in Gruppe der Deutschen Reichspartei umbenannte; deren Mitglieder traten bis auf eines Ende 1950 anderen Fraktionen bei. Die Fraktion der Wirtschaftlichen Aufbau-Vereinigung (WAV) verlor im Oktober 1950 den Fraktionsstatus und bezeichnete sich bis Dezember 1951 ebenfalls als Gruppe. Von April 1953 bis zur Konstituierung des neuen Bundestages bildeten fünf Mitglieder der WAV erneut eine Gruppe.

Im 2. Deutschen Bundestag gründete sich am 14. Juli 1955 eine Gruppe aus ehemaligen Mitgliedern der GB/BHE-Fraktion, die sogenannte Gruppe Kraft/Oberländer. Alle Mitglieder traten am folgenden Tag als Gäste in die CDU/CSU-Fraktion ein. Am 15. März 1956 traten 14 Abgeordnete aus der FDP aus und bildeten die Gruppe Arbeitsgemeinschaft Freier Demokraten, später Demokratische Arbeitsgemeinschaft bzw. Bundestagsfraktion der Freien Volkspartei. Ab dem 26. Oktober 1956 hatte diese 15 Mitglieder und damit Fraktionsstatus. Sie bildete zudem eine technische Arbeitsgemeinschaft mit der DP-Fraktion, mit der sie schlussendlich auch fusionierte.

Im 3. Deutschen Bundestag verlor die DP-Fraktion am 1. Juli 1960 durch den Austritt von neun Mitgliedern den Fraktionsstatus, die verbliebenen sechs Mitglieder bildeten eine Gruppe. 1961 traten weitere Abgeordnete aus der DP aus, die drei verbliebenen Mitglieder der jetzt GDP genannten Partei verblieben fraktionslos.

Mit Beginn der 5. Wahlperiode wurde die Mindestgröße einer Fraktion auf fünf Prozent der Abgeordneten festgelegt.

Die 24 Abgeordneten der PDS, die nach der Wiedervereinigung ab dem 3. Oktober 1990 dem 11. Deutschen Bundestag angehörten, bildeten eine Gruppe.

Im 12. Deutschen Bundestag (1990–94) bildeten Bündnis 90/Grüne mit acht Sitzen und die PDS mit 17 Sitzen jeweils eine Gruppe. Letztere bildete im 13. Deutschen Bundestag (1994–98) mit 30 Sitzen wiederum eine Gruppe.

Den beiden bei der Bundestagswahl 2002 direkt in den 15. Bundestag gewählten PDS-Abgeordneten Gesine Lötzsch und Petra Pau wurde die Anerkennung als Gruppe aufgrund der geringen Größe der geplanten Gruppe verweigert.[5]

Gruppen in deutschen Landesparlamenten

Einen Überblick, in welchen Landesparlamenten die Bildung von Gruppen vorgesehen ist, gibt der Artikel Fraktionsstatus in deutschen Landesparlamenten.

Im Landtag von Brandenburg erstritten sich die drei Mitglieder der BVB/FW im Sommer 2016 vor dem Brandenburgischen Verfassungsgericht Gruppenrechte.[6] Die BVB/FW war im Herbst 2014 durch die Grundmandatsklausel in den Landtag eingezogen. Im September 2017 löste sich die Gruppe auf.

In der Bremischen Bürgerschaft existierte nach dem Übertritt eines SPD-Abgeordneten von Oktober 2013 bis Juni 2015 eine aus zwei Mitgliedern bestehende Gruppe der Bürger in Wut (BIW). Von Juni 2017 bis Juni 2019 gab es eine BIW-Gruppe aus drei Parlamentariern, von denen zwei zur BIW übergetreten waren. Zuvor bestand nach der Bürgerschaftswahl 2015 von Juni 2015 bis Juni 2017 eine AfD-Gruppe aus vier Mitgliedern, die später in Bremer Bürgerliche Reformer und, mit einem Mitglied weniger, in ALFA-Gruppe-Bremen bzw. Gruppe Liberal-Konservative Reformer umbenannt wurde. Drei Monate nach der Bürgerschaftswahl 2019 traten Anfang September drei der fünf AfD-Abgeordneten aus der AfD-Fraktion aus und bildeten die AfD-Gruppe in der Bremischen Bürgerschaft.

Im Schleswig-Holsteinischen Landtag hat die Gruppe[7] des Südschleswigschen Wählerverbandes als Vertretung der Dänischen Minderheit in Deutschland die Rechte einer Fraktion.[8] Von 1958 bis 1962 sowie von 1996 bis 2009 war der SSW mit weniger als der normalerweise zur Bildung einer Fraktion nötigen Abgeordnetenzahl, jedoch mit mehr als einem Abgeordneten vertreten. Das Gleiche gilt seit 2012.

In vielen Landtagen ist jedoch kein spezieller Status für Gruppen vorgesehen. So bezeichneten sich die Abgeordneten der Blauen Partei 2017 bis 2019 im Sächsischen Landtag (5 Abgeordnete) und im Landtag Nordrhein-Westfalen (3 Abgeordnete) jeweils als Blaue Gruppe, waren aber nicht offiziell als Gruppe vom jeweiligen Parlament anerkannt.

Gruppen im Schweizer Parlament

Siehe: Parlamentarische Gruppe, Abschnitt Schweiz

Weblinks

Einzelnachweise

  1. § 10 Absatz 4 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages
  2. a b § 6 des Hamburger Fraktionsgesetzes
  3. Allgemeine Ausführung zu Gruppenbildung und zu Gruppenrechten auf der Webpräsenz des Bundestages (Memento vom 30. Oktober 2013 im Internet Archive)
  4. § 11 des Fraktionsgesetzes Rheinland-Pfalz
  5. Beschlussempfehlung und Bericht zur Ablehnung der Anerkennung der Gruppe Lötzsch/Pau, BT-Drs. 15/2114 (PDF; 257 kB)
  6. Verfassungsrichter stärken Freie Wähler im Landtag (Memento vom 1. November 2016 im Internet Archive), rbb-online.de, 22. Juli 2016.
  7. Selbstbezeichnung des SSW als „Landtagsgruppe“: [1] 1. März 2000, [2] 6. April 2005, [3] 8. Juni 2012, ssw-sh.de, abgerufen am 9. August 2019.
  8. Geschäftsordnung des Schleswig-Holsteinischen Landtages. gesetze-rechtsprechung.sh.juris.de, abgerufen am 5. Oktober 2017.