Petra Pau

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Petra Pau (2018)

Petra Angelika Pau (* 9. August 1963 in Ost-Berlin) ist eine deutsche Politikerin (Die Linke) und Lehrerin. Seit 2006 ist sie Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages.

Leben und Beruf

Petra Pau wurde 1963 als Tochter eines Maurers in Ost-Berlin geboren.[1] Nach dem Besuch einer allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule begann sie 1979 ein Fachschulstudium am Zentralinstitut der Pionierorganisation „Ernst Thälmann“ (ZIPO) in Droyßig, das sie 1983 als Freundschaftspionierleiterin und als Unterstufenlehrerin für Deutsch und Kunsterziehung abschloss. Bis 1985 war Petra Pau in ihrem erlernten Beruf tätig. Dann begann sie ein Studium an der Parteihochschule Karl Marx (PHS) in Berlin, das sie 1988 als Diplom-Gesellschaftswissenschaftlerin abschloss. Bis 1990 war sie Mitarbeiterin beim Zentralrat der FDJ, den sie nach der Wende mit abwickelte. Bis 1991 war sie arbeitslos.[2]

Pau ist evangelisch getauft und konfirmiert,[1] trat jedoch in der zehnten Klasse aus der Kirche aus[3] und ist seither konfessionslos.[4] Seit 1994 ist sie mit dem Diplom-Mathematiker Michael Wolff verheiratet.[5]

Parteimitgliedschaften

1983 wurde Pau Mitglied der SED. Von Januar bis Oktober 1991 war sie Vorsitzende des PDS-Bezirksverbands Berlin-Hellersdorf und anschließend stellvertretende PDS-Landesvorsitzende in Berlin. Als André Brie wegen seiner verschwiegenen Stasi-Vergangenheit zurücktreten musste, wurde Pau im Oktober 1992 zur Landesvorsitzenden der Berliner PDS gewählt. Dieses Amt bekleidete sie bis Dezember 2001, von 2000 bis 2002 war sie außerdem stellvertretende PDS-Bundesvorsitzende. Innerhalb ihrer Partei gehört Pau zu den so genannten Reformlinken und war zudem lange Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft Bürgerrechte und Demokratie.

Abgeordnete

Petra Pau bei der Bundestagswahl 2013

Pau gehörte von 1990 bis 1995 der Bezirksverordnetenversammlung von Berlin-Hellersdorf und von 1995 bis 1998 dem Abgeordnetenhaus von Berlin an. Bei der Bundestagswahl 1998 gewann sie das Direktmandat für den Deutschen Bundestag im Wahlkreis Berlin-Mitte – Prenzlauer Berg gegen Wolfgang Thierse, den Kandidaten der SPD, und Marianne Birthler, die Kandidatin von Bündnis 90/Die Grünen. Pau ist auch danach als direkt gewählte Abgeordnete in den Bundestag eingezogen und gehörte wie Gesine Lötzsch als direkt gewählte, aber fraktionslose Abgeordnete weiterhin dem Bundestag an, nachdem die PDS bei der Bundestagswahl 2002 an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert war. Petra Pau erzielte im Bundestagswahlkreis Berlin-Marzahn – Hellersdorf bei der Bundestagswahl 2005 42,6 Prozent, bei der Bundestagswahl 2009 47,8 Prozent, bei der Bundestagswahl 2013 38,9 Prozent und bei der Bundestagswahl 2017 34,2 Prozent der Erststimmen. Bei der Bundestagswahl 2021 verlor sie den Wahlkreis an Mario Czaja (CDU), zog aber über die Landesliste der Linken in den 20. Deutschen Bundestag ein.[6]

Von Oktober 2000 bis Oktober 2002 war Pau zudem stellvertretende Vorsitzende der PDS-Bundestagsfraktion. Seit Oktober 2005 gehört sie dem Vorstand der Linksfraktion im Bundestag an; von 2005 bis 2008 war sie auch stellvertretende Fraktionsvorsitzende. 2005 bis 2008 leitete sie den Fraktionsarbeitskreis BürgerInnenrechte und Demokratie.

Petra Pau als Bundestagsvizepräsidentin (2019)

Am 7. April 2006 wurde Pau zu einer der Vizepräsidentinnen des Deutschen Bundestages gewählt, nachdem der ursprüngliche Kandidat der Linksfraktion, Lothar Bisky, in vier Wahlgängen nicht die notwendige Stimmenzahl erreicht hatte. Pau wurde am 27. Oktober 2009 im 17. Deutschen Bundestag, am 22. Oktober 2013 im 18. Deutschen Bundestag, am 24. Oktober 2017 im 19. Deutschen Bundestag und am 26. Oktober 2021 im 20. Deutschen Bundestag in dieser Position bestätigt. Sollte Pau bis zum regulären Ende der laufenden Legislaturperiode Bundestagsvizepräsidentin bleiben, würde sie Annemarie Renger als am längsten amtierendes Mitglied des Bundestagspräsidiums übertreffen.

2010 bis 2015 litt Pau an Spasmodischer Dysphonie, einer Erkrankung der Stimme.[7]

Pau war Obfrau der Linken in den zwischen 2012 und 2017 eingesetzten NSU-Untersuchungsausschüssen des Bundestages. Zudem ist Pau ordentliches Mitglied im Ausschuss für Inneres und Heimat, den sie als dienstältestes Mitglied übergangsweise leitete,[8] sowie im Gemeinsamen Ausschuss. Sie ist stellvertretendes Mitglied im Ausschuss Digitale Agenda.[9]

Seit Januar 2022 ist Petra Pau religionspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke.[10]

Politische Positionen und Kontroversen

In der Öffentlichkeit breit kritisiert wurde, dass Pau im November 2006 ohne Angabe ihrer Funktion eine Traueranzeige für den früheren Chef der Hauptverwaltung Aufklärung der DDR-Staatssicherheit, Markus Wolf, veröffentlichte.[11]

Im Januar 2012 wurde bekannt, dass im Rahmen der Beobachtung der Partei Die Linke durch den Verfassungsschutz auch Petra Pau als eine von 27 Bundestagsabgeordneten der Linken unter Beobachtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz stand,[12] was von Politikern aller Fraktionen kritisiert wurde.[13]

Im Dezember 2014 erhielt Pau aufgrund ihres Engagements für Flüchtlinge und gegen die von Neonazis maßgeblich beeinflussten Proteste gegen ein Flüchtlingsheim im Bezirk Marzahn-Hellersdorf über 40 Morddrohungen. Ihre Privatadresse wurde in dem Kontext veröffentlicht.[14] Anfang März 2015 wurde sie aus einer Demonstration der selbst ernannten „Bürgerbewegung Marzahn“ heraus direkt vor ihrer Wohnung unter den Augen der Polizei bedroht.[15]

Publikationen

  • Gottlose Type. Meine unfrisierten Erinnerungen. Eulenspiegel, Berlin 2015, ISBN 978-3-359-02476-7.
  • Links sein im 21. Jahrhundert, Rosa-Luxemburg-Stiftung, 2019.
  • Gott hab sie selig. Neue Anekdoten von anomal bis digital. Quintus-Verlag, Berlin 2021, ISBN 978-3-96982-006-3.
  • Für ein wirklich neues Deutschland. Petra Pau erklärt die Mühen der Ebenen für eine linke Bundestagsvizepräsidentin. In: nd – Die Woche vom 22./23. Mai 2021, S. 35.

Literatur

  • Brigitte Fehrle: Bundestagspräsidentin Petra Pau. In: Michael F. Feldkamp (Hrsg.): Der Bundestagspräsident. Amt – Funktion – Person. 17. Auflage, 16. Wahlperiode. Olzog, München 2007, ISBN 978-3-7892-8201-0, S. 202–208.
  • Jan Wielgohs: Pau, Petra. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band 2. Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.

Weblinks

Commons: Petra Pau – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Petra Pau lüftet ihre unfrisierten Geheimnisse. In: Berliner Kurier.
  2. Biografie. In: petrapau.de
  3. Linken-Politikerin Pau: "Wir sind keine atheistische Partei"
  4. Andreas Schäfer, Elke Schäfer: Religionszugehörigkeit Bundestag 17. Wahlperiode 2009 ff. (Memento vom 14. Mai 2013 im Internet Archive) Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland, 3. April 2014 (PDF; 320 kB).
  5. Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven: @1@2Vorlage:Toter Link/www.bild.de Berlin intern. In: bild.de
  6. Bundestagswahl 2021: Alle Gewählten in alphabetischer Reihenfolge. In: Der Bundeswahlleiter. Abgerufen am 27. September 2021.
  7. Miriam Hollstein: Linken-Politikerin: Als Petra Pau plötzlich ihre Stimme verlor. In: Die Welt, 10. Dezember 2012; Louis Lewitan: Petra Pau: „Ich war stumm und verzweifelt“. In: Die Zeit, Interview, 29. Mai 2017.
  8. Linken-Politikerin leitet vorerst den Innenausschuss: Als dienstälteste Abgeordnete will Petra Pau „völlig überparteilich“ dem Innenausschuss vorstehen, bis ein Vorsitz gewählt ist. Dass der AfD-Kandidat durchfiel, ist für die Vizepräsidentin des Parlaments zu akzeptieren. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 16. Dezember 2021, abgerufen am 16. Dezember 2021.
  9. Deutscher Bundestag - Abgeordnete. Abgerufen am 1. November 2020.
  10. https://www.katholisch.de/artikel/33989-linken-politikerin-pau-wir-sind-keine-atheistische-partei
  11. Holger Schmale: Konflikt um Traueranzeige für Markus Wolf. In: Berliner Zeitung, 16. Dezember 2006.
  12. Geheimdienst: Verfassungsschutz beobachtet 27 Linken-Abgeordnete. In: Spiegel Online. 22. Januar 2012, abgerufen am 26. Oktober 2013.
  13. Kritik an Beobachtung der Linkspartei durch Verfassungsschutz: Überwachung von Abgeordneten „unerträglich“. In: tagesschau.de. 22. Januar 2012, archiviert vom Original am 16. Januar 2013; abgerufen am 26. Oktober 2013.
  14. Matthias Meisner: Wegen Engagement für Flüchtlingsheim: Linke-Politikerin Petra Pau von Neonazis mit dem Tod bedroht. In: Der Tagesspiegel, 12. Dezember 2014.
  15. Petra Pau: Hass-Demo mit Erlaubnis der Polizei. In: Frankfurter Rundschau, 15. März 2015