Justizvollzugsanstalt Landsberg

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Justizvollzugsanstalt Landsberg
Eingangsgebäude
Informationen zur Anstalt
Name Justizvollzugsanstalt Landsberg
Bezugsjahr 1908
Haftplätze 581[1]
Mitarbeiter 306[2]
Anstaltsleitung Monika Groß

Die Justizvollzugsanstalt Landsberg des Freistaates Bayern für erstmals bestrafte männliche erwachsene Strafhäftlinge in Landsberg am Lech erstreckt sich über sechs Hektar und ist für 565 Insassen ausgelegt sowie für weitere 109 Insassen im offenen Vollzug in der Außenstelle Rothenfeld in der Gemeinde Andechs und 58 in zwei Freigängerhäusern in Landsberg am Lech. Verwaltung und Versorgung der JVA Garmisch-Partenkirchen erfolgen gemeinsam mit der JVA Landsberg.

Geschichte

Die Anstalt wurde 1908 durch Ausgliederung von Teilen des Gefängnisses Ebrach als Staatliche Gefangenenanstalt Landsberg a. Lech nach Plänen von Hugo Höfl in zurückhaltend barockisierendem Reformstil erbaut. Zum Baukomplex, der nach den „modernen Richtlinien des Strafvollzugs“ von der Königlichen Staatsbauverwaltung errichtet wurde, gehören eine Reihe weiterer Gefängnisbauten und Dienstwohnungen.

Festungshaft

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde eine Festungs- und Schutzhaftabteilung eingerichtet. Erster Festungshaftgefangener war Anton Graf von Arco auf Valley, der im Februar 1919 den bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner erschossen hatte; 1923/1924 verbüßte Adolf Hitler hier 264 Tage Festungshaft.

Bekannte Festungshaftgefangene in Landsberg

wegen Beteiligung am Hitler-Ludendorff-Putsch:

Zeit des Nationalsozialismus

In der Zeit des Nationalsozialismus waren unter anderem folgende Personen in Landsberg inhaftiert:

Zahlreiche ausländische politische Gefangene wurden auch nach Deutschland deportiert und in Landsberg inhaftiert. Zwischen Anfang 1944 und Kriegsende kamen mindestens 210 Menschen hier wegen Misshandlungen oder Hinrichtungen ums Leben.[3]

War Criminals Prison No. 1

Datei:Landsberg 1945.webm

Die Gefangenenanstalt Landsberg am Lech wurde am 30. April 1945 von Streitkräften der US-Armee befreit. Nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs in Europa richtete ab 1. Januar 1947 die United States Army im Gebäude der Gefangenenanstalt Landsberg das

War Criminal Prison No. 1

(deutsch Kriegsverbrechergefängnis Nr. 1) ein.

Hier wurden Freiheitsstrafen und Todesurteile aus diversen Prozessen gegen deutsche Kriegsverbrecher vollstreckt:

In Landsberg wurden 259 Todesurteile durch den Strang und 29 durch Erschießen vollstreckt. Auch nachdem bei der Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Mai 1949 die Todesstrafe abgeschafft worden war, fanden in Landsberg weitere Hinrichtungen statt, zum letzten Mal am 7. Juni 1951 (siehe unten).

Von deutscher Seite gab es zahlreiche Gnadengesuche für die zum Tode Verurteilten. So baten im November 1950 alle Parteien aus Stadt und Kreis Landsberg in einer Resolution um Gnade, ebenso eine Delegation des Deutschen Bundestages im Januar 1951.[4]

Dazu heißt es auf der Website der Stadt Landsberg:

„Am 7. Januar 1951 sprachen die Bundestagsabgeordneten Dr. Richard Jäger [sic] (CSU) und Dr. Seelos (BP) sowie Landtagsabgeordnete beider Parteien auf einer Kundgebung auf dem Landsberger Hauptplatz. Bei dieser Demonstration fanden sich mehrere tausend Menschen ein. Die Kundgebung endete im Eklat, als jüdische DPs aus dem Lager Lechfeld eine Gegendemonstration zum Gedenken der Opfer abhielten. Bei aller Anteilnahme der Bevölkerung für die Täter gab es keine Bemühungen um die Opfer des Nationalsozialismus.“[4]

Bei dem „Eklat“ brüllte die aufgeputschte Menge nach Recherchen des Historikers Jens-Christian Wagner: „Juden raus!“[5]

Am 31. Januar 1951 gaben der für die in den Nürnberger Prozessen Verurteilten zuständige US-amerikanische Hohe Kommissar, John McCloy, und der für die in den Dachauer Prozessen Verurteilten zuständige Oberbefehlshaber der US-amerikanischen Streitkräfte in Europa, General Handy, ihre Entscheidungen bekannt, durch die von insgesamt 28 noch nicht vollstreckten Todesurteilen sieben bestätigt wurden – 21 Todesurteile und auch zahlreiche andere Urteile wurden im Zuge dieser Überprüfungen im Strafmaß herabgesetzt. Eine Reihe prominenter Häftlinge – zum Beispiel Alfried Krupp von Bohlen und Halbach und Wilhelm Speidel – wurden bereits 1951 gnadenhalber entlassen.[4]

Die sieben bestätigten Todesurteile – sie wurden am 7. Juni 1951 vollstreckt – betrafen

sowie

Einige der Hingerichteten wurden auf dem „Spöttinger Friedhof“ (Gefängnisfriedhof) begraben, andere wurden in die Heimatorte überführt. Durch die Veröffentlichung der Bürgervereinigung Landsberg im 20. Jahrhundert und des kritischen Heimatforschers Anton Posset zu den Kriegsverbrechern im Themenheft 1 „Von Hitlers Festungshaft zum Kriegsverbrecher-Gefängnis N° 1: Die Landsberger Haftanstalt im Spiegel der Geschichte“ rückte auch der Friedhof des Gefängnisses, auf dem u. a. die im Gefängnis gehängten Kriegsverbrecher sowie jüdische Opfer des NS-Regime begraben wurden, wieder ins Gedächtnis. Über viele Jahre hinweg wurde er als Pilgerstätte von Rechtsextremen genutzt. Die Bürgervereinigung löste in zahllosen Zeitungsartikeln und Leserbriefen eine Diskussion rund um den Umgang mit dieser „Pilgerstätte“ aus, die 50 Jahre später auch hätte aufgelöst werden können, stattdessen wurden die Gräber noch staatlich weiter gepflegt.[6][7] 2002 erstellte Lutz Hachmeister einen Dokumentarfilm rund um dieses emotional viel diskutierte Thema und die historische Bedeutung des Gefängnisses.[8] 2003 wurde der Friedhof durch den Freistaat Bayern entwidmet und die Namensschilder unter starken Protesten von den Gräbern entfernt.[4]

Weitere Haftstrafen unter US-Verwaltung verbüßten hier unter anderen:

Weiterhin wurden 1947 die 21 in Kriegsverbrecherprozessen in Shanghai Verurteilten hier untergebracht.[9]

Das WCP No. 1 wurde am 9. Mai 1958 aufgelöst. Die Anstalt wurde an die bayerische Justiz zurückgegeben.

Justizvollzugsanstalt

Seit 1959 wird die Einrichtung als Justizvollzugsanstalt betrieben. Prominente oder bekannte Häftlinge seither waren:

Kritik

Im Februar 2011 kam es innerhalb von nur drei Tagen zu zwei Suiziden von Gefangenen der JVA Landsberg.[13][14] Die Angehörigen erhoben daraufhin schwere Vorwürfe gegen die Anstaltsleitung und kritisierten die Haftbedingungen in Landsberg. Insbesondere wurde der Vorwurf laut, der Vorfall sei längst nicht so überraschend gekommen, wie die JVA-Leiterin Monika Groß in der Presse behauptet hatte.[15]

Siehe auch

Literatur

  • Thomas Raithel: Die Strafanstalt Landsberg am Lech und der Spöttinger Friedhof (1944–1958). Eine Dokumentation im Auftrag des Instituts für Zeitgeschichte München, Oldenbourg, München 2009, ISBN 978-3-486-58741-8 (Rezension von Heiner Möllers in Sehepunkte, Ausgabe 9 (2009), Nr. 6, vom 15. Juni 2009).
  • Landsberg in der Zeitgeschichte – Zeitgeschichte in Landsberg. Forschungsprojekt der Universität Augsburg mit dem Stadtarchiv Landsberg am Lech. Vögel, München 2010, ISBN 978-3-89650-310-7.[16]
  • Bürgervereinigung Landsberg im 20. Jahrhundert: Von Hitlers Festungshaft zum Kriegsverbrecher-Gefängnis N° 1: Die Landsberger Haftanstalt im Spiegel der Geschichte. In: Landsberg im 20. Jahrhundert. Heft 1, Bürgervereinigung Landsberg im 20. Jahrhundert, Landsberg/Lech 1993, ISSN 0945-9901, ISBN 3-9803775-0-4
  • Bürgervereinigung Landsberg im 20. Jahrhundert: Der nationalsozialistische Wallfahrtsort Landsberg: 1933–1937: Die „Hitlerstadt“ wird zur „Stadt der Jugend“ ISBN 3-9803775-2-0
  • Marion Gräfin Dönhoff: Todesurteile und Drohbriefe. In: Die Zeit, Nr. 10/1951. (zum Echo auf die Begnadigungen von Landsberg im In- und Ausland)
  • Heinrich Pflanz: Der Spöttinger Friedhof in Landsberg am Lech: Eine Dokumentation. 1. Auflage. Selbstverlag, Landsberg 2004, S. 424.
  • Heinrich Pflanz, Die Hingerichteten von Landsberg und der Spöttinger Friedhof: eine Dokumentation, Hersg.: (rechtsextremer) Verlag Bublies, Schnellbach 2010, ISBN 978-3-937820-14-9, http://d-nb.info/1008315516
  • Ernst Würzburger: Der letzte Landsberger. Verlag Jörg Mitzkat, Holzminden 2015, ISBN 978-3-940751-97-3.

Einzelnachweise

  1. Kurzinformation über die Justizvollzugsanstalt Landsberg am Lech Stand: 31. Dezember 2014
  2. Kurzinformation über die Justizvollzugsanstalt Landsberg am Lech Stand: 31. Dezember 2014
  3. Landsberg Prison / Frank Falla Archive
  4. a b c d Das Gefängnis Landsberg und der Spöttinger Friedhof. In: Internetseite der Stadt Landsberg. Stadt Landsberg am Lech, archiviert vom Original am 19. Juli 2011; abgerufen am 8. Januar 2013.
  5. Ralf Beste, Georg Bönisch, Thomas Darnstädt, Jan Friedmann, Michael Fröhlingsdorf, Klaus Wiegrefe: ZEITGESCHICHTE: Welle der Wahrheiten. In: Der Spiegel. Nr. 1, 2012, S. 32 f. (online).
  6. http://www.merkur.de/lokales/regionen/kreuze-nsfriedhof-bleiben-130684.html
  7. Artikel von Wolfgang Habel; http://www.buergervereinigung-landsberg.de/kriegsverbrecher/Ehrengrab.pdf
  8. Das Gefängnis. Landsberg und die Entstehung der Republik http://www.hmr-produktion.de/filme/das-gefaengnis.html
  9. Schmitt-Englert, Barbara; Deutsche in China 1920–1950 Alltagsleben und Veränderungen; Gossenberg 2012; ISBN 978-3-940527-50-9.
  10. Quandt-Erbin: Klatten zwingt Erpresser in Beugehaft. In: Spiegel Online. 19. Januar 2014, abgerufen am 6. Januar 2017.
  11. Stefan Schultz: Ex-Sträfling Josef Müller: "Dann wird es Nacht, die Tür fällt zu, du bist allein". In: Spiegel Online. 14. März 2014, abgerufen am 6. Januar 2017.
  12. http://www.br.de/nachrichten/uli-hoeness-gefaengnis-100.html (Memento vom 13. Mai 2014 im Internet Archive)
  13. Letzter Ausweg auf Kreisbote
  14. Zwei Suizide innerhalb weniger Tage (Memento vom 25. Februar 2011 im Internet Archive) auf Augsburger Allgemeine
  15. Man hätte es bemerken müssen auf Kreisbote
  16. Inhaltsverzeichnis (Memento vom 9. Oktober 2011 im Internet Archive)

Weblinks

Commons: Justizvollzugsanstalt Landsberg – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Koordinaten: 48° 3′ 15,2″ N, 10° 52′ 0,2″ O