Liste von Spionagefällen in Deutschland

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Die Liste von Spionagefällen in Deutschland enthält die öffentlich bekannt gewordenen Spionagefälle in Deutschland.

Kalter Krieg 1945 bis 1990

Enttarnung/
Verhaftung
Zeitraum Verrat an Spionageziel Bemerkungen Name Beruf/Tätigkeit Arbeitgeber Datum Gericht Strafmaß Strafnorm
Spionagetätigkeit Spion Verurteilung
Juni 1953 1953 Polen Amt Blank fotografierte u. a. Dokumente wie den vorläufigen Entwurf „Sicherung“ zu Personalauswahlverfahren, Vorschriftenentwürfe und den OrgPlan des Referats „Abwehr“ ab[1] Bruno Sniegowski Bürohilfskraft im Sachgebiet Grundlagen der militärischen Ordnung des Referats Inneres Gefüge Amt Blank Mai 1954 BGH 5 J. (Zuchthaus) 100 StGB (a. F.)
1950er Jahre 1950er Jahre DDR: MfS Bundesmarine lieferte u. a. Informationen über Schnellboote[2] Horst Ludwig Leutnant zur See auf einem Schnellboot in Bremerhaven Bundesmarine Jan. 1960 BGH 5 J. (Zuchthaus) 100 StGB (a. F.), schwere Bestechlichkeit
6. Nov. 1961 1951–1961 UdSSR: KGB BND Heinz Felfe zuletzt Referatsleiter Sowjetunion der Abteilung Gegenspionage BND 23. Juli 1963 BGH 14 J. 100, 100e StGB (a. F.)
Okt. 1968 22. Okt. 1967 UdSSR: KGB Bundeswehr stahl eine Sidewinder-Rakete und schickt sie nach Moskau Manfred Ramminger selbständig 7. Okt. 1970 OLG Düsseldorf 4 J. u. a. 243 StGB
1975 1956–1975 DDR: MfS Bundeswehr verriet unter anderem Raketen- und Bomben­ziele, Einsatzpläne, Dienstvorschriften und Manöver; Agentenlohn: 185.000 DM[3][4] Norbert Moser Oberstleutnant, Leiter Luftwaffenverbindungskommando PzBrig 21 Bundeswehr 16. Dez. 1977 BayObLG 11 J. § 94 StGB
2. Juni 1976 1973–1976 DDR:
HV A
BMVg verriet unter anderem Details zum NATO-Pipelinesystem Lothar-Erwin Lutze Bürohilfskraft und Hilfssachbearbeiter in der Rüstungsabteilung BMVg 1979 OLG Düsseldorf 12 J. § 94 StGB
20. Dez. 1976 1970–1976 DDR: MfS BND verriet unter anderem die Stay-behind-Organisation an den Ostblock. Anwerbung durch das MfS unter falscher Flagge: Hofer dachte, Informationen an eine rechtsgerichtete Offiziervereinigung zu geben.[5] siehe auch: Operation Skorpion Heidrun Hofer Sekretärin BND keine Verurteilung möglich: Hofer sprang nach ihrer Verhaftung aus dem 6. Stock des Bayerischen LKA, wobei sie sich so schwer verletzte, dass sie bis zum Ablauf der Verjährung nicht wieder verhandlungsfähig wurde.
1985 1972–1985 DDR: HV A Bundespräsidialamt hatte Zugang zu über 1700 Verschlusssachen, trug diese aus der Behörde und unbemerkt wieder zurück[6] Margarete Höke Vorzimmerdame Bundespräsidialamt 1987 OLG Düsseldorf 8 J. § 94 StGB (besonders schwerer Fall)
18. Aug. 1985 DDR: HV A BfV Hansjoachim Tiedge Gruppenleiter der Abteilung Spionageabwehr BfV keine Verurteilung möglich wegen Flucht in DDR, später Russland
1990 1968–1990 DDR: HV A BND Gabriele Gast Regierungsdirektorin im Referat Sowjetunion[7] BND Dez. 1991 BayObLG 6 J. 9 M. § 94 StGB
8. Okt. 1990 1981–1990 DDR: HV A BfV Klaus Kuron Regierungsoberamtsrat in der Spionageabwehr BfV 7. Feb. 1992 OLG Düsseldorf 12 J., Vermögensverfall: 692.000 Mark § 94 StGB
15. Apr. 1991 1979–1991 DDR: HV A BMVg Deckname „Rödel“; 55 000 Einzeldokumente Verratsumfang, Anwerbung unter falscher Flagge[8] Wolf-Heinrich Prellwitz Registrator in der Unterabteilung Rü IV (Wehrmaterial Luft) BMVg 21. Mai 1992 OLG Düsseldorf 10 J., Vermögensverfall: 820.000 Mark § 94 StGB (besonders schwerer Fall)
6. Mai 1993 1973–1990 DDR: HV A BMB Deckname „Töpfer“; lieferte 538 Informationen, darunter zu deutsch-deutschen Verhandlungen im Reise- und Transitverkehr Knut Gröndahl Grundsatzreferent, Referatsleiter Politik im BMB, Referatsleiter in der StÄV der BRD in der DDR BMB OLG Düsseldorf 3 J. 3 M. § 99 StGB

In den Jahren 1990 bis 1999 wurden etwa 3000 Ermittlungsverfahren gegen Deutsche geführt, die bereits vor 1990 Staatsbürger der Bundesrepublik waren und für die DDR zwischen 1949 und 1990 spioniert haben sollen. Daraus folgten 364 Verurteilungen, 64 davon zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung.[9]

Deutschland seit 1990

Enttarnung/
Verhaftung
Zeitraum Verrat an Spionageziel Bemerkungen Name Beruf/Tätigkeit Arbeitgeber Datum Gericht Strafmaß Strafnorm
Spionagetätigkeit Spion Verurteilung
18. Okt. 2011 ca. 1986
–2011
Russland: SWR EU, NATO falsche Identität als Österreicher, echte Vornamen: Sascha u. Olga; Decknamen: Pit und Tina, nutzten Agentenfunk, Tote Briefkästen, führen niederländische Quelle[10][11][12] Andreas Anschlag Ingenieur 2. Juli 2013 OLG Stuttgart 6 J. 6 M. § 99 StGB
Heidrun Anschlag Hausfrau 5 J. 6 M.
2. Juli 2014 2008–2014 USA: CIA; Russland BND gab min. 200 teils streng geheime Dokumente an die CIA, darunter eine Datenbank mit Tarn- und Klarnamen deutscher Agenten im Ausland; Motiv: Langeweile, Frust, Unterforderung; Agentenlohn: min. 80.000 € Markus R. Beamter des mittleren Dienstes in der Registratur der Abteilung EA BND 2. Juli 2013 OLG München 8 J. § 94 StGB, Verletzung von Dienstgeheimnissen
Apr. 2017 –2017 Schweiz: NDB Finanzverwaltung NRW spionierte Steuerfahnder aus und wollte einen Maulwurf in die Finanzverwaltung einschleusen, 28.000 € Agentenlohn[13][14] Daniel M. 8. Nov. 2017 OLG Frankfurt 1. J, 10 M.
auf Bewährung + 40.000 € Bewährungsauflage
§ 99 StGB
2017 2016–2017 BfV bot Informationen über das BfV in islamistischen Online-Chats an[15] Roque M. Observant BfV OLG Düsseldorf Versuchter Geheimnisverrat (angeklagt)
2018 Airbus Bundeswehr Weitergabe eines als GEHEIM eingestuften detaillierten Finanzplans für einzelne Rüstungsprojekte[16][A 1] Martin M. Rüstungsmanager Airbus 12. Juli 2019 OLG Düsseldorf 2. J, 6 M. § 95 StGB
Thomas M. Ehem. Kampfpilot Rüstungsbranche 1. J., 3 M.
auf Bewährung[A 2]
2015– Indien: R&AW Sikh-; Kaschmir-Bewegung Weitergabe von Interna aus Sikh-Tempeln in Frankfurt und Köln, Informationen über Protest zum Besuch des indischen Premierministers in Deutschland Manmohan S. Dez. 2019 Oberlandesgericht Frankfurt 1 J., 6 M.[17] § 99 StGB
15. Jan. 2019 2013–Feb. 2019 Iran: MOIS Bundeswehr Afghane, 50 J., Zugang zu Informationen in der Heinrich-Hertz-Kaserne in Daun[18] über den Bundeswehreinsatz in Afghanistan.[19] Abdul-Hamid S. Sprachauswerter und landeskundlicher Berater Bundeswehr 23. März 2020 Oberlandesgericht Koblenz 6 J., 10 M.[20][21] § 94 StGB (besonders schwerer Fall)
Dez. 2019 Jul. 2020–Dez. 2019 Ägypten: GIS BPA Unterstützung des GIS bei der Informationsbeschaffung und Werbung von Quellen[22] Amin K. Besucherdienst des BPA BPA Kammergericht Berlin (angeklagt) § 99 StGB (angeklagt)
18. Okt. 2011 2010–2021 China Soll auch ehemalige Quelle des BND gewesen sein. Seine Ehefrau Knapp wurde ebenfalls verurteilt.[23][24] Klaus Lange Referatsleiter für internationale Sicherheitspolitik der Hanns-Seidel-Stiftung, Gründer der Denkfabrik Institut für Transnationale Studien 13. Dez. 2021 OLG München 2 J.
Klara Knapp 1 J. 6 M.

Siehe auch

Literatur

  • Helmut Roewer, Stefan Schäfer, Matthias Uhl: Lexikon der Geheimdienste im 20. Jahrhundert. mit 1465 Abbildungen und Organigrammen. Herbig, München 2003, ISBN 3-7766-2317-9.
  • Bernadette Droste: Handbuch des Verfassungsschutzrechts. Boorberg, Stuttgart u. a. 2007, ISBN 978-3-415-03773-1, S. 738–754, Anhang 12 (Umfangreiche Liste von herausragenden Spionagefällen in der Geschichte des BfV bis 2000, Namen anonymisiert).
  • Hendrik van Bergh: Köln 4713. Geschichte und Geschichten des Kölner Bundesamtes für Verfassungsschutz. J.W. Naumann Verlag, Würzburg 1981, ISBN 3-88567-010-0, S. 462–465 (aufgelistet sind 14 Spionageabwehr-Erfolge des BfV).

Anmerkungen

  1. Das Dokument hätte Rückschlüsse auf die materielle Schlagkraft der Bundeswehr und der NATO und ermöglicht. Es wäre mit schweren Nachteilen für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu rechnen gewesen, wenn es in die Hände einer fremden Macht gefallen wäre.
  2. und Verlust des Ruhegehaltes

Einzelnachweise

  1. Helmut R. Hammerich: „Stets am Feind!“ – Der Militärische Abschirmdienst (MAD) 1956–1990. 1. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2019, ISBN 978-3-525-36392-8, S. 326 f. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  2. Helmut R. Hammerich: „Stets am Feind!“ – Der Militärische Abschirmdienst (MAD) 1956–1990. 1. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2019, ISBN 978-3-525-36392-8, S. 327–330 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  3. Hendrik van Bergh: Köln 4713. Geschichte und Geschichten des Kölner Bundesamtes für Verfassungsschutz. J.W. Naumann Verlag, Würzburg 1981, ISBN 3-88567-010-0, S. 464.
  4. Bernadette Droste: Handbuch des Verfassungsschutzrechts. Boorberg, Stuttgart u. a. 2007, ISBN 978-3-415-03773-1, S. 742, Anhang 12 (Eintrag 1975 „M., N.“).
  5. Dieter Krüger: Gerhard Wessel (1913–2002) – Der Ziehsohn Gehlens an der Spitze des BND. In: Dieter Krüger und Armin Wagner (Hrsg.): Konspiration als Beruf – Deutsche Gemeindienstchefs im Kalten Krieg. Ch. Links Verlag, Berlin 2003, ISBN 3-86153-287-5, S. 279 f.
  6. Helmut R. Hammerich: „Stets am Feind!“ – Der Militärische Abschirmdienst (MAD) 1956–1990. 1. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2019, ISBN 978-3-525-36392-8, S. 333 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  7. Gabriele Gast: Kundschafterin des Friedens. 17 Jahre Topspionin der DDR beim BND. Eichborn, Frankfurt am Main 1999, ISBN 3-8218-0522-6.
  8. Helmut R. Hammerich: „Stets am Feind!“ – Der Militärische Abschirmdienst (MAD) 1956–1990. 1. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2019, ISBN 978-3-525-36392-8, S. 317 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  9. Doppelleben eines Spions in der Bonner Republik. In: WDR. 19. August 2021, abgerufen am 12. Dezember 2021 (Audiofeature in der Reihe: WDR 5 Neugier genügt - das Feature; 14:39 min).
  10. Uwe Müller, Lars-Marten Nagel: Die Eheleute Anschlag müssen für Jahre in Haft. In: Welt Online. 2. Juli 2013, abgerufen am 3. Februar 2019.
  11. Uwe Müller, Lars-Marten Nagel: Agententhriller von historischer Dimension. In: Welt Online. 21. Oktober 2012, abgerufen am 3. Februar 2019.
  12. Urteil in Spionageprozess – „Ehepaar Anschlag“ zu mehreren Jahren Haft verurteilt. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 2. Juli 2013, abgerufen am 3. Februar 2019.
  13. Ausgespähte Steuerfahnder – Schweizer Spion zu Bewährungsstrafe verurteilt. In: Spiegel Online. 9. November 2017, abgerufen am 28. Januar 2019.
  14. Michael Rasch: Spion Daniel M. ist auf freiem Fuss. In: NZZ.ch. 9. November 2017, abgerufen am 3. Februar 2019.
  15. Reiner Burger: Der merkwürdige Maulwurf Roque M. In: FAZ.net. 5. September 2017, abgerufen am 28. Januar 2019.
  16. Offenbaren von Staatsgeheimnissen: OLG Düsseldorf verurteilt zwei Angeklagte. In: hartpunkt.de. Lars Hoffmann, 14. Juli 2019, abgerufen am 15. November 2019.
  17. Verurteilung eines indischen Ehepaars wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit für einen indischen Nachrichtendienst. In: Bundesamt für Verfassungsschutz. August 2020, abgerufen am 17. August 2020.
  18. Rheinland-Pfalz – Ministerium des Innern und für Sport (Hrsg.): Verfassungsschutzbericht 2018. 2019, ISSN 0948-8723, S. 130 (rlp.de [PDF]).
  19. Jörg Diehl, Fidelius Schmid: Iranischer Geheimdienst – Ermittler enttarnen mutmaßlichen Spion bei der Bundeswehr. In: Spiegel Online. 15. Januar 2019, abgerufen am 28. Januar 2019.
  20. Verrat von Geheiminformationen an den iranischen Nachrichtendienst: Urteile gesprochen. (Nicht mehr online verfügbar.) In: Bundesamt für Verfassungsschutz. August 2020, ehemals im Original; abgerufen am 17. August 2020.@1@2Vorlage:Toter Link/www.verfassungsschutz.de (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven)
  21. Verurteilung wegen Landesverrats und wegen Beihilfe zum Landesverrat. In: OLG Koblenz. 23. März 2020, abgerufen am 17. August 2020.
  22. Anklage wegen Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit erhoben. Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, 16. November 2020, abgerufen am 17. November 2020.
  23. Spionage: Auch gegen Südtirolerin wird in Deutschland ermittelt. In: rainews.it. Abgerufen am 15. Dezember 2021.
  24. Oberlandesgericht München: Bewährungsstrafe für Landshuter Spione. In: idowa.de. Landshuter Zeitung, 13. Dezember 2021, abgerufen am 15. Dezember 2021.