Litauische Streitkräfte

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Litauen Litauische Armee
Lietuvos kariuomenė
Insignia of the Lithuanian Armed Forces.svg
Führung
Oberbefehlshaber: Verteidigungsminister

(im Kriegsfall: Präsident Gitanas Nausėda)

Verteidigungsminister: Arvydas Anušauskas
Militärischer Befehlshaber: Generalleutnant
Valdemaras Rupšys
Sitz des Hauptquartiers: Vilnius
Teilstreitkräfte: Insignia of the Lithuanian Land Force.svg Landstreitkräfte
Insignia of the Lithuanian Naval Force.svg Seestreitkräfte
Insignia of the Lithuanian Air Force.png Luftstreitkräfte
Specialiųjų operacijų pajėgos.png Spezialkräfte
Militärische Stärke
Aktive Soldaten: 15.700 (2019)[1]
Reservisten: 20.000 (2021)[2]
Wehrpflicht: 9 Monate
Wehrtaugliche Bevölkerung: 677.689 Männer (2009)

743.468 Frauen (2009)

Wehrtauglichkeitsalter: 19–45
Haushalt
Militärbudget: 1,107 Milliarden USD (2019)[3]
Anteil am Bruttoinlandsprodukt: 2,03 % (2019)[4]
Geschichte
Gründung: 23. November 1918 (Befehl No. 1 zum Aufbau einer Armee)[5]
Faktische Gründung: 11. März 1990 (Wiedererlangung der Unabhängigkeit)

Die Litauische Armee (litauisch Lietuvos kariuomenė) sind die Streitkräfte der Republik Litauen. Die Geschichte der Streitkräfte ist eng mit der Geschichte des Landes verknüpft, das erst in den 1990er Jahren seine Unabhängigkeit zurückerlangte. In den vier Teilstreitkräften und deren Unterstützungsverbänden dienen rund 15.700 Soldaten; Verteidigungsminister ist Arvydas Anušauskas (TS-LKD).

Litauen ist Mitglied der NATO. Aufgrund der begrenzten finanziellen Möglichkeiten des Landes werden bestimmte Verteidigungsaufgaben zusammen mit den baltischen Nachbarstaaten und/oder anderer Partnerstaaten durchgeführt. Im Rahmen von Internationalen Bündnisseinsätzen (EU, NATO u. a.) ist oder war die Litauische Armee in Somalia, Mali, Afghanistan (bis Mitte 2021). Libyien, Irak, ZAR, im Kosovo und der Ukraine aktiv (Stand 2021).

Geschichte

Vorgeschichte

Das Großfürstentum Litauen war im 14. Jahrhundert der einzige Staat in Osteuropa, der die Goldene Horde militärisch effektiv bekämpfen konnte. Aufgrund des stetigen militärischen Drucks von außen führte die Union von Krewo zu einem Bündnis zwischen Polen und Litauen, das 1569 in der Lubliner Union zu einer Realunion (siehe Polen-Litauen) umgewandelt wurde, die bis 1795 bestand.[6]

Zwischen den Weltkriegen

Noch vom Deutschen Kaiserreich besetzt, hatte Litauen 1918 seine Unabhängigkeit vom Russischen Kaiserreich erklärt und mit dem Aufbau eigener Streitkräfte begonnen. Nach Kämpfen gegen Rote Armee und polnische Truppen konnte die Unabhängigkeit des Landes in der Folgezeit auch durchgesetzt werden. Im Jahr 1935 hatte die litauische Armee etwa 1800 Offiziere sowie etwa 28.000 Unteroffiziere und Soldaten.

Schon bald geriet das Land aber wieder unter Druck seiner Nachbarn. Im Vorfeld des Zweiten Weltkrieges musste Litauen im März 1939 das Memelland, das es 1923 besetzt hatte, an das Deutsche Reich zurückgeben. Im selben Jahr, nach der Wiedererlangung der Region Vilnius, stieg die Zahl der Soldaten auf 33.000. Zudem fand angesichts der angespannten internationalen Situation, nach dem deutschen Überfall auf Polen, eine Teilmobilisierung statt. So wuchs die Armee im September 1939 auf 87.000 Soldaten und für die Verteidigung wurde jährlich bis zu einem Viertel des Staatshaushalts aufgewendet. Schließlich dienten bis zu 500.000 Männer im Militärdienst. Das Militär war ziemlich gut ausgerüstet und hatte beträchtliche Autorität im Staat.[7]

Nach der Niederlage der Schutzmacht Frankreich im Westfeldzug hatte Litauen seinen übermächtigen Nachbarn trotzdem nicht viel entgegenzusetzen. So wurde nach dem Einmarsch sowjetischer Truppen im Sommer 1940 eine prosowjetische Regierung ins Amt gebracht, die den Beitritt zur Sowjetunion erklärte. Im Juni/Juli 1941 eroberten Truppen der deutschen Wehrmacht das litauische Staatsgebiet. Im Sommer 1944 besetzte die Rote Armee wieder große Teile Litauens und etablierte die Litauische Sozialistische Sowjetrepublik (LSSR) erneut. Der militärische Widerstand der „Waldbrüder“ gegen die sowjetische Besatzung stand ohne ausländische Unterstützung auf verlorenem Posten, war ab 1948 auf einige wenige Partisanenverbände geschrumpft und wurde schließlich ganz eingestellt.

Die Zeit seit 1991

Im Jahr 1991 gewann Litauen seine staatliche Unabhängigkeit zurück und führte ein Jahr später die allgemeine Wehrpflicht ein. Die russische Armee zog 1993 aus Litauen ab. In der Folgezeit orientierten sich die litauischen Streitkräfte in Richtung Westen (NATO-Beitritt 2004) und beteiligten sich an verschiedenen internationalen Missionen und Manövern. Zudem modernisierte man, entsprechend der finanziellen Möglichkeiten des Landes, nach und nach die Ausrüstung der Truppe.

Ende Februar 2015 wurde bekannt, dass Litauen die Wehrpflicht aufgrund der Annexion der Krim durch Russland und des russischen Kriegs gegen die Ukraine (zunächst vorübergehend für eine Dauer von fünf Jahren) wieder einführen will, nachdem man diese 2008 abgeschafft hatte. Ein entsprechender Gesetzesentwurf wurde im März 2015 im Parlament eingebracht und mit 112 zu drei Stimmen bei fünf Enthaltungen angenommen. Die Dienstzeit beträgt neun Monate, rund 3.500 Staatsbürger sollen jährlich eingezogen werden.[8] Zudem wird das Militärbudget, das zeitweise bei unter einem Prozent des BIP gelegen hatte, wieder erhöht.

Organisation

Gliederung

Structure of the Lithuanian Armed Forces, 2020 (click to enlarge)

Die Armee Litauens bestehen aus dem Oberkommando und Verteidigungsstab:

  • Insignia of the Lithuanian Armed Forces.svg Oberkommando (litauisch Vadovybė)
  • Insignia of the Joint Headquarters of the Lithuanian Armed Forces.jpg Verteidigungsstab (Gynybos štabas)

den vier Teilstreitkräften:

sowie Unterstützungsbereichen, wie z. B.:

  • Insignia of the Logistics Command (Lithuania).jpg Logistikkommando (Logistikos valdyba)
  • Insignia of the Training and Doctrine Command (Lithuania).jpg Trainings- und Ausbildungskommando (Mokymo ir doktrinų valdyba)
  • Insignia of the Military Police (Lithuania).jpg Militärpolizei (Karo policija)

Die Grenztruppen (Valstybės sienos apsaugos tarnyba prie Lietuvos Respublikos vidaus reikalų ministerijos) gehören nicht zur Armee. Sie sind, wie früher der Bundesgrenzschutz in der Bundesrepublik, dem Innenministerium unterstellt.

Mannschaftszahlen

  • Landstreitkräfte: 12.500 (davon 5.000 in den Freiwilligenverbänden)[9]
  • Seestreitkräfte: 600
  • Luftstreitkräfte: 1.000
  • Logistikkommando: 1.200
  • Trainings- und Ausbildungskommando: 670[10]

Oberkommando

Die Streitkräfte sind direkt dem litauischen Verteidigungsministerium unterstellt. Gemäß Verfassung ist im Verteidigungsfall der Präsident der oberste Befehlshaber.

Derzeitiger militärischer Befehlshaber der Streitkräfte ist Generalleutnant Valdemaras Rupšys. Befehlshaber der Landstreitkräfte ist Brigadegeneral Raimundas Vaikšnoras, Befehlshaber der Marine Kapitän zur See Giedrius Premeneckas und Befehlshaber der Luftstreitkräfte Oberst Antanas Matutis.

Militärische Befehlshaber der Streitkräfte waren seit ihrer Gründung:

Name Dienstzeit Beginn Dienstzeit Ende
(1918–1940)
Silvestras Žukauskas N.N. N.N.
Stasys Raštikis 1935 1940
Vincas Vitkauskas 1940
Kariuomenės vado (seit 1993)
Jonas Andriškevičius 20. Oktober 1993 1. Juli 1999
Jonas Kronkaitis 1. Juli 1999 30. Juni 2004
Valdas Tutkus 30. Juni 2004 3. Juli 2009
Arvydas Pocius 24. Juli 2009 24. Juli 2014
Jonas Vytautas Žukas 24. Juli 2014 24. Juli 2019
Valdemaras Rupšys seit 24. Juli 2019

Aus- und Weiterbildung

Die Aus- und Weiterbildung der litauischen Soldaten wird zentral vom Ausbildungskommando (litauisch Mokymo ir doktrinų valdyba) koordiniert. Für die eigentliche Ausbildung stehen das Hetman Jonušas Radvila Ausbildungsregiment, das General Adolfas Ramanauskas Kampftrainingszentrum und die Divisionsgeneral-Stasys-Raštikis-Militärschule zur Verfügung. Die Offiziersausbildung erfolgt an der General Jonas-Žemaitis-Militärakademie.

Darüber hinaus gibt es zahlreiche Bildungseinrichtungen, die gemeinsam mit den estnischen und lettischen Streitkräften betrieben werden. Hier sei beispielhaft nur die Baltische Verteidigungsakademie (BALTDEFCOL) in Tartu genannt, an der die angehenden Stabsoffiziere der baltischen Republiken ausgebildet werden.

Ausrüstung

Landstreitkräfte

Soldat der Infanteriebrigade Geležinis Vilkas

Die bedeutendste Teilstreitkraft ist das litauische Heer. Dieses verfügt über[11]:

Seit 2003 setzen die Streitkräfte das Heckler & Koch G36 als Standard-Gewehr ein.

Seestreitkräfte

Patrouillenschiff Žemaitis (P 11) der Flyvefisken-Klasse

Die litauischen Seestreitkräfte betreiben in Kooperation mit den baltischen Nachbarstaaten das Ostseegeschwader BALTRON. Wichtigster Stützpunkt der Marine ist Klaipėda. Dort ist u. a. die Flotte stationiert, die über folgende Einheiten verfügt:

Daneben verfügt die Marine auch über eine Taucherabteilung. Zudem ist sie zuständig für die See- und Küstenüberwachung sowie die Seerettung.

Luftstreitkräfte

Litauische Alenia C-27J

Die litauische Luftwaffe nutzt den Flughafen Šiauliai. Sie betreibt mit den baltischen Nachbarn das Luftraumüberwachungssystem BaltNet. Die Luftstreitkräfte verfügen über:[13]

Flugzeuge:

Hubschrauber:

Flugabwehrsysteme:

Internationale Zusammenarbeit

Seit der wiedergewonnenen Unabhängigkeit beteiligen sich die litauischen Streitkräfte an verschiedenen internationalen Auslandsmissionen. So hatte Litauen als Mitglied in der Koalition der Willigen Truppen in den Irak und nach Afghanistan entsandt. Am 14. Juni 2009, während eines Treffens der EU-Verteidigungsminister, vereinbarte man die Gründung einer Litauisch-Polnisch-Ukrainischen Brigade.[14]

Zudem versucht man durch internationale Zusammenarbeit die Verteidigungsfähigkeit des eigenen Landes zu steigern. Schon in den Jahren der Neuaufstellung begann man bei verschiedenen Projekten mit den baltischen Nachbarstaaten zu kooperieren (BALTRON, BaltNet etc.). Als größter Meilenstein kann aber der Beitritt zur NATO angesehen werden. Seit 1994 nahm das Land am NATO-Programm Partnerschaft für den Frieden teil – seit 2004 ist es reguläres Mitglied des Bündnissystems. Im Rahmen der Ukraine-Krise und der Stärkung der Ostflanke der NATO wurde die NATO-Battlegroup Lithuania aufgestellt. Es handelt sich dabei um einen internationalen NATO-Verband unter deutscher Führung. Durch die USA wurden in den baltischen Staaten zudem Kampfpanzer vom Typ M1 Abrams, M2/M3 Bradley sowie Humvees in Litauen, Estland und Lettland stationiert.[15][16]

Militärpersonen

Generäle 1569–1795

Generäle 1918–1940

Generäle und Admiräle seit 1991

Weblinks

Commons: Litauische Streitkräfte – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Streitkräfte der NATO, Veröffentlichung auf statista.com, abgerufen am 23. September 2020
  2. https://www.globalfirepower.com/country-military-strength-detail.php?country_id=lithuania. Abgerufen am 26. April 2021 (englisch).
  3. Militärausgaben in den NATO-Staaten, Veröffentlichung auf statista.com, abgerufen am 23. September 2020
  4. Militärausgaben am Bruttoinlandsprodukt in den NATO-Staaten, Veröffentlichung auf statista.com, abgerufen am 23. September 2020
  5. Armed Forces Day (englisch).
  6. Mathias Niendorf: Das Großfürstentum Litauen. Studien zur Nationsbildung in der Frühen Neuzeit (1569–1795)Veröffentlichungen des Nordost-Instituts 3. Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 2006, ISBN 3-447-05369-0 (Zugleich: Kiel, Univ., Habil.-Schr., 2003).
  7. Ką savo didžiausiu ir pavojingiausiu priešu laikė Lietuvą okupavę sovietai? (Tageszeitung Panevėžio balsas und Portal Alfa.lt)
  8. Litauen führt Wehrpflicht wieder ein Onlinemeldung auf faz.net, abgerufen am 20. März 2015.
  9. Lithuania - The World Factbook. Abgerufen am 26. April 2021.
  10. White Paper on Lithuanian defence policy (Downloadquelle auf http://kam.lt), abgerufen am 18. September 2017 (englisch).
  11. Lithuania Land Forces Equipment auf globalsecurity.org, abgerufen am 10. Juli 2016.
  12. spiegel.de 14. Juni 2022: Meldung von 9:55
  13. Lithuanian Air Force Equipment auf globalsecurity.org, abgerufen am 10. Juli 2016.
  14. Robert Rochowicz: List intencyjny w sprawie LITPOLUKRBRIG podpisany (Memento vom 26. November 2009 im Internet Archive), Polska Zbrojna, 16. November 2009 (polnisch).
  15. Onlinemeldung der Zeit vom 9. März 2015, abgerufen am 10. März 2015.
  16. Onlinemeldung bei tagesschau.de vom 10. März 2015 (Memento vom 11. März 2015 im Internet Archive), abgerufen am 12. März 2015.