Luigi Snozzi
Luigi Snozzi (* 29. Juli 1932 in Mendrisio; † 29. Dezember 2020 in Minusio[1]) war ein Schweizer Architekt und Universitätsprofessor.
Werdegang
Snozzi studierte von 1952 bis 1957 Architektur an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich. Nach seinem Diplom machte er Praktika bei den Tessiner Architekten Peppo Brivio in Locarno und bei Rino Tami in Lugano. 1958 eröffnete er in Locarno ein eigenes Architekturbüro. Moderne Architektur war im Tessin zu dieser Zeit weitgehend exotisch. Snozzi hatte an der ETH Zürich zusammen mit seinen ebenso berühmten Kollegen Livio Vacchini und Aurelio Galfetti studiert, ihre Gemeinsamkeit war der offensichtliche Bezug zur Architektur der Moderne. Snozzi arbeitete von 1962 bis 1971 mit Livio Vacchini zusammen. Von 1973 bis 1975 war Snozzi Gastdozent für architektonisches Entwerfen an der ETH Zürich. Von 1975 bis 1988 unterhielt Snozzi ein Zweitbüro in Zürich mit seinem Büropartner Bruno Jenni. Erst 1985, zehn Jahre nach seiner Gastdozentur in Zürich, wurde Snozzi schliesslich ordentlicher Professor an der EPFL (École Polytechnique Fédérale) in Lausanne, wo er bis 1997 lehrte. Von 1986 bis 1988 war Luigi Snozzi Vorsitzender des Gestaltungsbeirats der Stadt Salzburg. 1988 eröffnete Snozzi dann ein Zweitbüro in Lausanne.
Mit der Ausstellung «Tendenzen – Neue Architektur im Tessin»[2] 1975 am Institut für Geschichte und Theorie der Architektur der ETH Zürich wurde Snozzis zentrale Position in der Tessiner Architekturschule erstmals einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Von dieser Zeit an nimmt sein Einfluss auf die jüngere Architektengeneration in der Schweiz zu – und kann bis heute kaum überschätzt werden. Für Snozzis Arbeiten ist die Architektur der Moderne ein stetiger Bezugspunkt, die der «bekennende Sozialist» und Mitglied der Partito Socialista Autonomo jedoch nie unkritisch adaptiert. Snozzi vollzieht keinen dezidierten Bruch mit der Vergangenheit, er versteht vielmehr die Geschichte als Impuls des Neuen. Sein Credo lautet: «Architektur muss man nicht erfinden, man muss sie nur wiederfinden.»
Jenseits aller Klischees und gegen grosse Widerstände konnte Snozzi, der auch politisch engagiert war, seine Vorstellung der Neuinterpretation des kleinräumig-urbanen Lebens in dem beeindruckenden Beispiel der Revitalisierung des Örtchens Monte Carasso (ab 1977) verwirklichen, welches er aus einer zersplitterten und ihrer Strukturen beraubten Siedlung mit verschiedenen Eingriffen wieder in einen Ort der Identifikation verwandelte, wobei seine Architektur niemals aufdringlich modisch, sondern immer zurückhaltend und sich dem Zweck unterwerfend, jedoch immer voller Poesie ist.
Snozzi starb im Alter von 88 Jahren an den Folgen von COVID-19.[1]
Architektursprache
Snozzis häufig in Sichtbeton ausgeführten Bauten sind keine autonomen Objekte, sondern suchen immer die Beziehung zur Stadt. Erst durch die genaue «Lektüre des Ortes» entwickelt Snozzi seine Architektur. Auch in seinen Aphorismen stellt er beharrlich den wichtigen Dialog zwischen Einzelgebäude und Stadt heraus. «Ich liebe die Stadt», bekennt Snozzi.
Bauten
- 1959: Casa Stratmann, San Nazzaro (TI)
- 1962–1965: Verwaltungsgebäude Fabrizia, Bellinzona mit Livio Vacchini
- 1964–1966: Casa Snider, Verscio mit Livio Vacchini und Ingenieur Alessandro Rima[3]
- 1970–1974: Condominio Collina, Locarno
- 1975–1976: Casa Kalman, Brione sopra Minusio
- seit 1977: Stadtplanung und mehrere Wohnhäuser, Monte Carasso
- 1977: Casa Bianchetti, Locarno (Monti della Trinita)
- 1977–1979: Geschäftsgebäude Constantini, Minusio
- 1981–1984: Raiffeisenbank, Monte Carasso[4]
- 1982–1984: Sporthalle, Monte Carasso[5]
- 1983–1984: Sportverein, Monte Carasso[6]
- 1985: Casa Barbarossa, Minusio
- 1977–1987: Renovierung des Klosterkomplexes Madonna del Sasso, Orselina
- 1985–1987: Appartementhaus Bianchini, Brissago mit Bruno Barosso, Gian Franco Chiappini, Michele Arnaboldi, Maurizio Vicedomini
- 1988–1990: Casa Diener, Ronco sopra Ascona
- 1987–1993: Grundschule, Monte Carasso[7]
- 1983–1994: Pfarreizentrum, Lenzburg
- 1992–1995: Casa Cassina, Bellinzona
- 1992–1995: Häuser Giannini und Salzborn, Cureglia
- 1996: Masterplan Wohnbebauung Neues Bauen am Horn mit Adolf Krischanitz & Diener & Diener[8]
- 1993–2002: Wohnzeile «STOA», Maastricht
- 2003: Stadthof, Sursee
- 2004: Casa Gobbi, Tegna
- 2004–2008: Erweiterung Grundschule, Monte Carasso[9]
- 2009–2011: Casa Stefano Guidotti, Monte Carasso[10]
- 1993–2013: Verwaltungszentrum mit Sabine Snozzi Groisman und Gustavo Groisman[11]
Auszeichnungen und Mitgliedschaften
- 1983: Ehrenmitglied des Bundes Deutscher Architekten BDA
- 1994: Mitglied der Akademie der Künste in Berlin und Ehrenmitglied des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins SIA
- 2013: Ehrendoktor an der Fakultät für Architektur der Technischen Universität München
- 2018: Prix Meret Oppenheim[12]
Zitate
- «Baust Du einen Weg, ein Haus, ein Quartier, dann denke an die Stadt!»[13]
- «Jeder Eingriff bedingt eine Zerstörung, zerstöre mit Verstand.»[14]
- «Es gibt nichts Neues zu erfinden, alles ist erneut zu erfinden.»[15]
- «Architektur ist ‹LEERE›, es liegt an dir, sie zu definieren.»[16]
- «Die Vielfalt ist das Präludium zur Monotonie. Willst du die Monotonie vermeiden, wiederhole dein Element!»[14]
Ehemalige Mitarbeiter
- 1966–1981: Walter von Euw
- 1979–1985: Michele Arnaboldi
- 1982–1985: Raffaele Cavadini
Schüler
Schriften
- Das Unding über den Geleisen: zum Projekt HB-Südwest in Zürich. Redigierte Fassung des Vortrags von Luigi Snozzi vom 13. Mai 1987 im Kunsthaus Zürich. POCH-Verlag, Zürich 1987.
- Auf den Spuren des Ortes. Museum für Gestaltung, Zürich 1996.
- Luigi Snozzi u. a.: Bau der Gesellschaft. ETH, Zürich 1996.
- Luigi Snozzi u. a.: Städte bauen – Urbanistische Projekte, Ideen und Arbeiten, 1972–1997. Niggli, Sulgen 1997.
- Wie wohnen – heute? Architektur-Galerie am Weißenhof, Stuttgart 2002.
- Le mur oublié (= Leçons du Thoronet, Nr. 3). Hrsg. Maison de l'architecture et de la ville, Marseille 2009.
Vorträge
- 2012: Interview von Ivo Bösch, Hochparterre
- 2015: Kritik als Dienstleistung, Berlin
Literatur
- Jens Broszeit: Wohnen am Steilhang. Die Entwurfsmethodik Luigi Snozzis untersucht anhand der Einfamilienhäuser von 1972–1990. Dissertation. Hannover 2006.
- Marcello Congiu: Quarantuno domande a Luigi Snozzi. Clean Edizioni, Neapel 2008.
- Pierre-Alain Croset (Hrsg.): Luigi Snozzi, progetti e architetture 1957–1984. Electa, Mailand 1984
- Pierre-Alain Croset (Hrsg.): Pour une école de tendance, mèlange offerts à Luigi Snozzi. Presse polytechniques et universitaires romande, Lausanne 1999.
- Peter Disch: Luigi Snozzi – L’opera completa. ADV Publishing House, Lugano 2003.
- Es lebe der Widerstand! Vortrag in: Bau der Gesellschaft. Architekturvorträge der ETH Zürich, Heft 7. gta Verlag, Zürich 2009 ISBN 978-3-85676-241-4.
- Vanessa Giannò: Luigi Snozzi. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 6. Dezember 2011.
- Claude Lichtenstein (Hrsg.): Luigi Snozzi. Birkhäuser, Basel/Boston/Berlin 1997.
- Luigi Snozzi und das Politische in der Architektur. In: Du 11, 1989.
- Roberto Masiero (Hrsg.): Architettura in Ticino. Skira, Mailand 1999.
- Un lugar cuatro arquitectos – Botta, Galfetti, Snozzi, Vacchini en ticino. Museo de belas artes, Caracas 1995.
- Maximilian Rimmel und Edition Bibliothek Werner Oechslin (Hrsg.): Luigi Snozzi – 25 Aphorismen zur Architektur. Schwabe Verlag, Basel 2013, ISBN 978-3-7965-3264-1.
Nachruf:
- Gabriele Detterer: Standhaft, rebellisch, authentisch: Luigi Snozzi war ein innovativer Querdenker. In: Neue Zürcher Zeitung, 30. Dezember 2020 (online).
Weblinks
- Literatur von und über Luigi Snozzi im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Einzelnachweise
- ↑ a b Addio a Luigi Snozzi. RSINews, l’informazione della Radiotelevisione svizzera, abgerufen am 31. Dezember 2020 (italienisch).
- ↑ Tendenzen – Neue Architektur im Tessin. Schweizerische Bauzeitung 1975, S. 815–816, doi:10.5169/seals-72894.
- ↑ Haus Snider in Verscio TI : 1966, Architekten Luigi Snozzi SIA und Livio Vacchini SIA, Locarno. In: www.e-periodica.ch. ETH Zürich, abgerufen am 28. Mai 2021 (deutsch).
- ↑ www.archipicture.eu – Luigi Snozzi – Banca Raiffeisen Monte Carasso. Abgerufen am 16. Juli 2020.
- ↑ www.archipicture.eu – Luigi Snozzi – Palestra Monte Carasso. Abgerufen am 16. Juli 2020.
- ↑ www.archipicture.eu – Luigi Snozzi – Spogliato Unione Sportiva Monte Carasso. Abgerufen am 16. Juli 2020.
- ↑ www.archipicture.eu – Luigi Snozzi – Elementary School Monte Carasso. Abgerufen am 16. Juli 2020.
- ↑ BauNetz: Neues Bauen am Horn – Wohnhaus in Weimar fertig. 10. Mai 2012, abgerufen am 16. Juli 2020.
- ↑ www.archipicture.eu – Luigi Snozzi – Elementary School Extension Monte Carasso. Abgerufen am 16. Juli 2020.
- ↑ www.archipicture.eu – Luigi Snozzi – Casa Stefano Guidotti. Abgerufen am 16. Juli 2020.
- ↑ www.archipicture.eu – Luigi Snozzi – Stabile Administrativo 3 Bellinzona. Abgerufen am 16. Juli 2020.
- ↑ Prix Meret Oppenheim 2018. In: www.bak.admin.ch. Bundesamt für Kultur, abgerufen am 1. November 2019.
- ↑ Gegenseitiges Vertrauen ist Voraussetzung für gutes Wohnen. Luigi Snozzi über das Dorf Monte Carasso, die Stadt und das Wohnen. In: betonprisma 96: Wohnen. Informationszentrum Beton, abgerufen am 29. Mai 2020.
- ↑ a b Professeur d’Architecture. Snozzi-Ausstellung in Lausanne. Baunetz, 27. September 2010, abgerufen am 29. Mai 2020.
- ↑ Planen und Bauen in den Alpen: «Es gibt nichts zu erfinden, alles ist wieder zu finden»: Luigi Snozzi. Fachtagung. Bayerische Architektenkammer, abgerufen am 29. Mai 2020.
- ↑ Einführungs– und Abschiedsvorlesungen: Luigi Snozzi. ETH Zürich, 30. Oktober 2003, abgerufen am 29. Mai 2020.
- ↑ Danielle Fischer: «Ein Zentrum für einen Ort schaffen, der keine Mitte hatte» | Espazium. 2. April 2020, abgerufen am 7. November 2021.
Personendaten | |
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NAME | Snozzi, Luigi |
KURZBESCHREIBUNG | Schweizer Architekt |
GEBURTSDATUM | 29. Juli 1932 |
GEBURTSORT | Mendrisio |
STERBEDATUM | 29. Dezember 2020 |
STERBEORT | Minusio |