Herzog & de Meuron

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Allianz Arena München (2002–2005)

Herzog & de Meuron ist ein 1978 von den Schweizer Architekten Jacques Herzog (* 19. April 1950 in Basel, bürgerlich Jürg A. Herzog[1]) und Pierre de Meuron (* 8. Mai 1950 in Basel) gegründetes, international bedeutendes Architekturbüro mit Sitz in Basel in der Schweiz.

Leben und Werk

Jacques Herzog und Pierre de Meuron, die sich bereits seit der Primarschule kannten,[2] studierten von 1970 bis 1975 Architektur an der ETH Zürich bei den Architekten Aldo Rossi, Luigi Snozzi und Dolf Schnebli.

Nach dem Architekturdiplom gründeten sie im Jahr 1978 eine Bürogemeinschaft an der Rheinschanze 6 in Basel.[3]

Seit 1994 haben De Meuron und Herzog eine Gastprofessur an der Harvard University, seit 1999 lehren sie ebenfalls an der ETH Zürich.

Neben diesem Hauptsitz unterhalten sie fünf weitere Niederlassungen in London, Hamburg, Madrid, New York City und Hongkong. Insgesamt beschäftigt das Architekturbüro rund 420 Mitarbeiter.[4] Partner von Herzog & de Meuron sind: Christine Binswanger (* 1964), Ascan Mergenthaler (* 1969), Stefan Marbach (* 1970), Michael Fischer (* 1969), Jason Frantzen (* 1977), Andreas Fries (* 1976), Robert Hösl (* 1965), Wim Walschap (* 1969) und Esther Zumsteg (* 1964).[5]

Bauprojekte (Auswahl)

Herzog & de Meuron waren wegführend in der Verwendung von Gabionen als gestalterischem Element bei Gebäudefassaden. Bei dem Dominus Weingut im kalifornischen Napa Valley, dem ersten aussereuropäischen Projekt des Architekturbüros im Jahr 1997, wurden Gabionen als hinterlüftete Fassade angeordnet, zum Teil statt Bruchsteins mit Glasbruch gefüllt und somit lichtdurchlässig.[6][7]

International bekannt wurden Herzog & de Meuron mit dem Umbau der Tate Gallery of Modern Art in London, deren Aussenraumgestaltung die Architekten – wie in vielen anderen Projekten – zusammen mit dem Zürcher Landschaftsarchitekten Dieter Kienast entwickelten. Die Kunstgalerie wurde in die alte Bankside Powerstation, einem ehemaligen Ölkraftwerk, eingebaut und im Jahr 2000 eröffnet. Aufgrund des unerwartet großen Besucheransturms wurde in den Jahren 2010 bis 2016 ein Erweiterungsbau errichtet.[8] Zudem entwarfen Herzog und de Meuron die beiden Stadionbauten St. Jakob-Park in Basel (2001) und Allianz Arena in München (2005). Für die Olympischen Spiele 2008 planten und bauten sie das Nationalstadion in Peking. Sie befassten sich ebenso mit der Planung eines großen, neuen Stadtteils in derselben Stadt, um neue Akzente in die gleichförmige chinesische Städtebau-Architektur zu bringen. Wie beim Stadionbau wurde versucht, Geschichte, Tradition und heutige Ansprüche miteinander zu vereinen und in die Bauten einfließen zu lassen. Das Städtebauprojekt stieß bei Fachleuten auf Begeisterung, weil es eine Identifizierung seiner Bewohner mit ihrem Stadtteil versprach.

Ihre Arbeit in der Volksrepublik China löste eine Welle an Kritik aus. Chinesische Fachleute werfen den Architekten „Effekthascherei“ und „einen Missbrauch Chinas als Experimentierfeld“ vor,[9] während Menschenrechtler die Zusammenarbeit mit China aufgrund der Menschenrechtsverletzungen durch das Regime kritisieren.[10][11] Ein weiterer Kritikpunkt sind die hohen Kosten der Bauprojekte.

Im Jahr 2005 stimmte der Hamburger Senat dem Bau der Elbphilharmonie zu. Oberhalb der mehrstöckigen Backsteinfassade (Architekt: Werner Kallmorgen) des Kaispeicher A in der Elbe ist eine mächtige Glaswelle entstanden, die unter anderem drei Konzertsäle, ein Tagungszentrum, Wohnungen und ein Hotel beherbergt, der Raum hinter der Fassade des alten Speichers wird unter anderem als Parkhaus genutzt. Ähnlich wie bei der Tate Modern entstand durch Aus- und Umbau eines alten Gebäudes ein neues. Die Elbphilharmonie wurde teilweise schon während der Bauzeit zum neuen Wahrzeichen der Hansestadt hochstilisiert. Auch hier werden Herzog und de Meuron laut Untersuchungsbericht für die stark gestiegenen Kosten als mitverantwortlich bezeichnet, z. B. wegen mehrfach nicht eingehaltener Fristen.[12]

Für den Pharmaziekonzern Roche entwarfen Herzog & de Meuron in Basel ein Hochhaus von 154 Metern. Dessen Gebäudeform sollte an die Doppelhelix erinnern. Das Projekt wurde von Roche zurückgezogen.[13] Ein neuer Entwurf für das Bürogebäude, das nunmehr 178 Meter erreichen sollte, wurde am 17. Dezember 2009 von Roche bekanntgegeben. Dieser sogenannte Roche-Turm wurde 2015 fertiggestellt. Es ist vor dem Prime Tower in Zürich das höchste Hochhaus der Schweiz.[14][15] Ein zweiter, 205 Meter hoher Roche-Turm befindet sich seit 2017 im Bau und wird voraussichtlich 2022 fertiggestellt.[16]

Im Februar 2020 wurde ein Vorprojekt der ersten Autobahnkirche der Schweiz bei Andeer vorgestellt. Es orientiert sich äusserlich an den mittelalterlichen Wegkapellen und verbirgt die weit grösseren drei geplanten Räume unter dem Boden. Diese Kirche war der erste Kirchenentwurf des Architekturbüros. Man habe „nach einer Architektur gesucht, welche die sinnliche Wahrnehmung des Menschen schärfe“ und zwar «Im Bezug auf den Ort, die Natur und sich selbst», so Jacques Herzog.[17]

Preise

Bauten

Fertiggestellte Bauten

Tenerife Espacio de las Artes Santa Cruz de Tenerife, 2007
Das Nationalstadion Peking
Prada Aoyama Epicenter, Tokio, 2001–2003
IKMZ in Cottbus (2004)
Erweiterung der Tate Gallery – Tate Gallery of Modern Art, London; 1995–1999
Zentrales Stellwerk der SBB Basel (1994–1998)
ICT und Apotheke des Universitätsspitals, Basel (1995–1997)
Bibliothek der Fachhochschule Eberswalde (1993–1996)

Laufende Projekte

Ehemalige Mitarbeiter

Ehemalige Partner

Nicht-architektonische Projekte

Im April 2006 gestalteten Herzog & de Meuron das Bühnenbild für die Neuinszenierung der Oper Tristan und Isolde von Richard Wagner an der Berliner Staatsoper Unter den Linden.

Literatur

  • Herzog & de Meuron: Das Gesamtwerk, in sechs Bänden. Birkhäuser Verlag, Basel.
    • Band 1: ISBN 978-3-7643-5616-3.
    • Band 2: ISBN 978-3-7643-7365-8.
    • Band 3: ISBN 978-3-7643-7112-8.
    • Band 4. ISBN 978-3-7643-8639-9.
    • Band 5. ISBN 978-3-0356-1005-5.
    • Band 6. ISBN 978-3-0356-1003-1.
  • Herzog & de Meuron: Naturgeschichte. 2005, ISBN 978-3-03778-050-3.
  • Herzog & de Meuron: Die Schweiz. Ein städtebauliches Porträt. 3 Bände. 2006, ISBN 978-3-7643-7282-8.
  • Christoph Gunßer (Hrsg.): Einfamilienhäuser. Deutsche Verlags-Anstalt, München 1997

Weblinks

Commons: Herzog & de Meuron – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Quellen

  1. Jürg A. Herzog, Pierre de Meuron: Architektonische Elemente der Stadtentwicklung Basels. In: Basler Stadtbuch. Basel 1975, S. 102.
  2. Marcel Rohr, Martin Furrer: «Das Meret-Oppenheim-Hochhaus ist kein liebliches Gebäude». In: Basler Zeitung (online). 2. Juni 2019, abgerufen am 2. Juni 2019.
  3. Herzog & de Meuron. In: Vitra. Abgerufen am 28. April 2020.
  4. Herzog & de Meuron planen Zukunft. In: Basler Zeitung. 18. März 2009.
  5. https://web.archive.org/web/20090807000736/http://www.baunetzwissen.de:80/standardartikel/Glas-Gabionen-mit-Glasbruch_806799.html
  6. Dominus Architecture: Winery features.
  7. Marion Löhndorf: Der neu eröffnete Erweiterungsbau der Tate Modern. In der Welt verankert. In: Neue Zürcher Zeitung. 17. Juni 2016 ([1] [abgerufen am 25. Juli 2017]).
  8. dasmagazin.ch (Memento vom 23. November 2010 im Internet Archive)
  9. Hanno Rauterberg: Wie viel Moral braucht Architektur? In: Die Zeit. 27. März 2008.
  10. Nur ein Idiot hätte nein gesagt. In: Der Spiegel. online.
  11. Christian Rickens: Untersuchungsbericht zur Elbphilharmonie: Die Chaostruppe vom Hafenrand. In: Spiegel Online. 7. Januar 2014, abgerufen am 7. Januar 2014.
  12. nzz-Online: Roche verzichtet auf geplanten Turmbau zu Basel.
  13. Badische Zeitung: Roche stellt neues Bürohochhaus vor.
  14. www.baunetz.de
  15. Basel wächst weiter. In: bz-Zeitung. Abgerufen am 26. April 2020.
  16. Stille Oase neben lärmiger Strasse, pöschtli, 27. Februar 2020
  17. Kulturquartier In: FAZ. 3. Juli 2013, S. 28.
  18. Ralph Schindel: Eine Perle für Riehen. In: Jahrbuch z’Rieche. 2014, S. 86–89 (online).
  19. M wie Minimalismus. In: FAZ. 30. November 2012, S. 33.