Münsterlingen
Münsterlingen | |
---|---|
Staat: | Schweiz Schweiz |
Kanton: | Kanton Thurgau Thurgau (TG) |
Bezirk: | Kreuzlingen |
BFS-Nr.: | 4691 |
Postleitzahl: | 8596 Münsterlingen 8596 Scherzingen 8597 Landschlacht |
UN/LOCODE: | CH SCG (Scherzingen) |
Koordinaten: | 734877 / 277395 |
Höhe: | 405 m ü. M. |
Höhenbereich: | 395–507 m ü. M.[1] |
Fläche: | 5,46 km²[2] |
Einwohner: | 3512 (31. Dezember 2020)[3] |
Einwohnerdichte: | 643 Einw. pro km² |
Ausländeranteil: (Einwohner ohne Schweizer Bürgerrecht) |
38,1 % (31. Dezember 2020)[4] |
Website: | www.muensterlingen.ch |
Münsterlingen aus der «Zeppelinperspektive» | |
Lage der Gemeinde | |
Münsterlingen ist eine Ortschaft[6] und seit 1994 eine politische Gemeinde im Bezirk Kreuzlingen des Kantons Thurgau in der Schweiz. In Münsterlingen befinden sich das Kantonsspital Münsterlingen und die Psychiatrische Klinik Münsterlingen.
Geographie
Münsterlingen liegt am Bodensee zwischen Bottighofen und Altnau südöstlich von Kreuzlingen und zählt 3512 Einwohner. Der Dorfkern befindet sich am südlichen Bodenseeufer, das Gelände des Klosters Münsterlingen schliesst östlich daran an.
Geschichte
Der Legende nach soll das Kloster Münsterlingen um 986 von einer Schwester des Abts Gregor von Einsiedeln gegründet worden sein und der heiligen Walburga geweiht. 1125 wurde Münsterlingen erstmals als Munsterlin urkundlich erwähnt. Papst Innozenz IV. bestätigte 1254 die Augustinerregel.[7]
1288 konnte sich das Frauenkloster von der Vogtei der Herren von Klingen loskaufen. Es baute die Immunität für den Klosterbezirk aus und begann, eine Gerichtsherrschaft über ihre Höfe zu errichten. 1460 kam Münsterlingen unter die Kastvogtei der sieben im Thurgau regierenden eidgenössischen Orte und unterstand fortan deren hohen Gerichtsbarkeit. 1524 hielt die Reformation Einzug. 1549 wurde das Klosterleben mit Benediktinerinnen vom Kloster Engelberg wieder hergestellt.[7] 1617/18 errichtete das Kloster als Patronatsherr eine reformierte Kirche in Scherzingen.[8] 1709 bis 1716 liess das Kloster weiter landeinwärts ein neues Konventsgebäude und eine neue Klosterkirche errichten.[7]
1486 bis 1621 erwarb Münsterlingen die Gerichtsherrschaft von Landschlacht. Durch die Gerichtsherrschaft erhielt Münsterlingen 1509 vertraglich im thurgauischen Gerichtsherrenstand Einsitz. Das Kloster behielt die niedere Gerichtsbarkeit unter anderem in Münsterlingen, Landschlacht, Uttwil, einem Teil von Schönenbaumgarten und Belzstadel bis 1798. Mit der Säkularisation des Besitzes jenseits des Bodensees sowie etlichen Missernten von 1805 bis 1817 geriet die klösterliche Ökonomie in Schwierigkeiten.[7]
1839 übernahm der Kanton Thurgau einen Gebäudeflügel und eröffnete darin 1840 das Kantonsspital. 1848 hob er das Kloster auf. 1849 betraute er den Arzt Ludwig Binswanger mit der Behandlung der psychisch Kranken. 1893/94 erhielt diese Abteilung eigene Gebäude am See. 1972 war der rund 70 Millionen Franken teure Neubau des Kantonsspitals Münsterlingen nach langen Auseinandersetzungen bezugsbereit.[7]
Auf den 1. Januar 1994 wurde im Rahmen der thurgauischen Gemeindereorganisation die politische Gemeinde Münsterlingen gebildet. Sie besteht aus den beiden früher eigenständigen Ortsgemeinden Landschlacht und Scherzingen der früheren Munizipalgemeinde Scherzingen. Den Namen und das Wappen hat die Gemeinde von der alten Klosteranlage Münsterlingen erhalten.[7]
1999 wurden das Kantonsspital und die Psychiatrische Klinik Münsterlingen in die Spital Thurgau AG integriert. 2005 stellte der dritte Wirtschaftssektor 97 % der Arbeitsplätze, die Klinik und das Spital beschäftigten allein 877 Personen.[7]
→ siehe auch Artikel Kloster Münsterlingen
→ siehe auch Abschnitt Geschichte im Artikel Landschlacht TG
→ siehe auch Abschnitt Geschichte im Artikel Scherzingen TG
→ siehe auch Artikel Seekrieg auf dem Bodensee 1632–1648
Wappen
Blasonierung: In Rot ein weisses Tatzenkreuz.[9]
Nachdem 1994 die politische Gemeinde Münsterlingen gebildet worden war, bestimmte die Gemeindeversammlung 1996 das Wappen des ehemaligen Klosters Münsterlingen zum Gemeindewappen.[9]
Bevölkerung
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1850 | 1900 | 1950 | 1990 | 2000 | 2010 | 2018 | |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Politische Gemeinde Münsterlingen[10] | 2599 | 2867 | 3476 | ||||
Ortsgemeinde Landschlacht[11] | 1260 | 1666 | 2385 | 3652 | |||
Ortsgemeinde Scherzingen[8] | 285 | 705 | 1228 | 1470 |
Von den insgesamt 3476 Einwohnern der Gemeinde Münsterlingen im Jahr 2018 waren 1294 bzw. 37,2 % ausländische Staatsbürger. 1096 (31,5 %) waren evangelisch-reformiert und 1006 (28,9 %) römisch-katholisch. Die Ortschaft Münsterlingen zählte zu diesem Zeitpunkt 139 Bewohner.[6]
Wirtschaft
In früherer Zeit wurde an den umliegenden Hängen Wein kultiviert, heute wird vor allem Ackerbau und Weidewirtschaft betrieben. Die 1886 gegründete Weinkellerei Rutishauser, welche 2021 mit der Fenaco-Tochter DiVino zur Rutishauser-DiVino AG fusionierte[12], erzielte 2010 knapp 40 Millionen Franken Umsatz und füllte circa drei Millionen Flaschen Wein ab.[8] Im Jahr 2016 bot Münsterlingen 2290 Personen Arbeit (umgerechnet auf Vollzeitstellen). Davon waren 1,2 % in der Land- und Forstwirtschaft, 1,8 % in Industrie, Gewerbe und Bau sowie 97,0 % im Dienstleistungssektor tätig.[5] Wichtigste Arbeitgeber sind das Kantonsspital und die Psychiatrische Klinik.
Verkehr
Durch Münsterlingen verläuft die Hauptstrasse Schaffhausen–Rorschach. Im Schienenverkehr verfügt Münsterlingen über drei Bahnhöfe an der Seelinie: Münsterlingen-Scherzingen, Münsterlingen Spital und Landschlacht. Eine Buslinie bindet Münsterlingen an die Stadtbusnetze der nahe gelegenen Städte Kreuzlingen und Konstanz an.
Sehenswürdigkeiten
Kloster Münsterlingen
Das (vom Kanton Thurgau übernommenen) Kloster Münsterlingen hat eine Barockkirche. Mit dem am anderen Seeufer gelegenen Hagnau am Bodensee gibt es den Brauch, bei der sogenannten Seegfrörne die Büste des Heiligen Johannes über den zugefrorenen See in die jeweilige Partnergemeinde zu tragen. Seit 1963 steht sie wieder in der ehemaligen Klosterkirche St. Remigius zu Münsterlingen.[13]
Das Kloster Münsterlingen ist im Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz aufgeführt.
Leonhardskapelle
Die St. Leonhardskapelle ist neben der Sylvesterkapelle im Überlinger Stadtteil Goldbach eine der ältesten romanischen Kapellen im Bodenseeraum. Die ältesten Teile sind vor dem Jahr 1000 entstanden und sie wurde seit dem 11. Jahrhundert mit Fresken ausgemalt, besonders gut erhalten sind der Passionszyklus (2. Hälfte 15. des Jahrhunderts) und der datierte Leonhardszyklus von 1432. Die westliche Kapellenhälfte mit dem Eingang ist romanisch und aus groben Feldsteinen errichtet. Die andere Kapellenhälfte ist gotisch und wurde Ende des 14. Jahrhunderts angebaut. Die Kapelle ist mit gotischen Masswerkfenstern ausgestattet.
Weitere Bauten
- Zwischen Dorf und See verläuft die Eisenbahnlinie Kreuzlingen–Romanshorn. Unterhalb der Bahnlinie auf einem Parkgelände am See liegen die Gebäude der 1839 gegründeten, privatisierten Psychiatrischen Klinik, ehemals Psychiatrisches Kantonsspital und der Stiftung Mansio (hervorgegangen aus den ehemaligen kantonalen IV-Betrieben, vorübergehend als Stiftung Kompass aufgetreten); oberhalb des Klosters liegt das frühere allgemeinmedizinische Kantonsspital Münsterlingen, heute Spital Thurgau AG. «Münsterlingen Seeseite» ist in der örtlichen Umgangssprache ein Euphemismus für die Psychiatrische Klinik.
Die psychiatrische Anstalt in Münsterlingen kam seit 2013 in die öffentliche Kritik, weil Heimkinder aus dem katholischen Kinderheim Fischingen Anfang der 1970er Jahre dort illegitimen Medikamentenversuchen ausgesetzt waren.[14]
- Die reformierte Dorfkirche in Scherzingen ist der älteste reformierte Kirchenbau im Kanton Thurgau.
Persönlichkeiten
- Anton Zeller (1760–nach 1836), in Scherzingen geborener Maler, Hofmaler in Neustrelitz
- Ludwig Binswanger der Ältere (1820–1880), Psychiater, leitete ab 1850 die psychiatrische Anstalt Münsterlingen
- Otto Binswanger (1852–1929), in Scherzingen geborener Psychiater und Professor in Jena, Sohn von Ludwig Binswanger
- Ernest Prodolliet (1925–2009), Filmwissenschaftler
- Julia Onken (* 1942 in Münsterlingen), Psychologin und Psychotherapeutin
- René Aebi (* 1946), Schrittmacher
- Joachim Eder (* 1951 in Münsterlingen), Regierungsrat des Kantons Zug, Ständerat für den Kanton Zug
- Hans-Ruedi Binswanger (1952–2022), Schauspieler und Autor, Gründer des Irrland Verlags
- Peter Stamm (* 1963 in Scherzingen), Schriftsteller
- Timon Altwegg (* 1967 in Münsterlingen), Pianist
- Heidi Diethelm Gerber (* 1969), Sportschützin
- Stefan Birkner (* 1973 in Münsterlingen), deutscher Politiker
- Nils Günther (* 1973 in Scherzingen), Komponist und Pianist
- Jan Ullrich (* 1973), deutscher Radrennfahrer; lebte in Münsterlingen im Ortsteil Scherzingen
- Sabine Wen-Ching Wang (* 1973 in Münsterlingen), Theaterautorin und Lyrikerin
- Bettina Bernadotte (* 1974 in Scherzingen), Geschäftsführerin der Mainau GmbH
- Björn Bernadotte (* 1975 in Scherzingen), Geschäftsführer der Lennart-Bernadotte-Stiftung
- Catherina Ruffing-Bernadotte (* 1977 in Scherzingen), deutsch-schwedische Landschaftsarchitektin
- Laurens Walter (* 1977 in Münsterlingen), österreichischer Schauspieler
- Anita Buri (* 1978 in Münsterlingen), Miss Schweiz 1999
- Tabea Steiner (* 1981 in Münsterlingen), Literaturvermittlerin und Autorin
- Muriel Roth (* 1982 in Münsterlingen), Schauspielerin (u. a. Tatort; Staatstheater Stuttgart)
- Julian Reinard (* 1983 in Scherzingen), deutsch-schweizerischer Fussballer
- Kariem Hussein (* 1989 in Münsterlingen), schweizerisch-ägyptischer Hürdenläufer
- Silvan Dillier (* 1990 in Scherzingen), Radrennfahrer
- Claudio Imhof (* 1990 in Scherzingen), Bahnradsportler
- Christian Witzig (* 2001 in Münsterlingen), Fussballspieler
- Lisa della Casa († 2012 in Münsterlingen), Opernsängerin
- Udo Jürgens († 2014 in Münsterlingen), Komponist, Pianist und Sänger
Literatur
- Jürg Ganz: Münsterlingen (= Schweizerische Kunstführer. Nr. 206). Hrsg. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte GSK. Bern 1977, ISBN 978-3-85782-206-3.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ BFS – generalisierte Grenzen 2020. Bei späteren Gemeindefusionen Höhen aufgrund Stand 1. Januar 2020 zusammengefasst. Abruf am 17. Mai 2021.
- ↑ Generalisierte Grenzen 2020. Bei späteren Gemeindefusionen Flächen aufgrund Stand 1. Januar 2020 zusammengefasst. Abruf am 17. Mai 2021.
- ↑ Ständige Wohnbevölkerung nach Staatsangehörigkeitskategorie, Geschlecht und Gemeinde, definitive Jahresergebnisse, 2020. Bei späteren Gemeindefusionen Einwohnerzahlen aufgrund Stand 2020 zusammengefasst. Abruf am 17. November 2021
- ↑ Ständige Wohnbevölkerung nach Staatsangehörigkeitskategorie, Geschlecht und Gemeinde, definitive Jahresergebnisse, 2020. Bei späteren Gemeindefusionen Ausländeranteil aufgrund Stand 2020 zusammengefasst. Abruf am 17. November 2021
- ↑ a b Thurgau in Zahlen 2019. Auf der Webseite der Dienststelle für Statistik des Kantons Thurgau (PDF-Datei; 1,8 MB), abgerufen am 28. April 2020.
- ↑ a b Ortschaften und ihre Wohnbevölkerung. Ausgabe 2019. Auf der Webseite der Dienststelle für Statistik des Kantons Thurgau (Excel-Tabelle; 0,1 MB), abgerufen am 20. Juni 2022.
- ↑ a b c d e f g Erich Trösch: Münsterlingen. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
Diese Abschnitte basieren weitgehend auf dem Eintrag im Historischen Lexikon der Schweiz (HLS), der gemäss den Nutzungshinweisen des HLS unter der Lizenz Creative Commons – Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International (CC BY-SA 4.0) steht. - ↑ a b c Erich Trösch: Scherzingen. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
- ↑ a b Gemeindewappen. Auf der Webseite des Staatsarchivs des Kantons Thurgau, abgerufen am 8. Dezember 2019
- ↑ a b Bevölkerungsentwicklung der Gemeinden. Kanton Thurgau, 1850–2000 (Excel-Tabelle; 0,1 MB),
Wohnbevölkerung – Wohnbevölkerung der Gemeinden 1990, 2000, 2010 und 2011 (PDF; 1,3 MB) und
Ortschaften und ihre Wohnbevölkerung. Ausgabe 2019 (Excel-Tabelle; 0,1 MB). Auf der Webseite der Dienststelle für Statistik des Kantons Thurgau, abgerufen am 20. Juni 2022. - ↑ Erich Trösch: Landschlacht. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
- ↑ DiVino und Rutishauser fusionieren zur Rutishauser-DiVino SA. In: fenaco.com. 1. April 2021, abgerufen am 6. Juni 2021.
- ↑ Friedrich Meichle: Seegfrörne und Eisprozession in Vergangenheit und Gegenwart. In: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung. Nr. 81. Thorbecke, Lindau/Konstanz 1963, S. 145–170.
- ↑ Menschenversuche - Wie viel Skrupel braucht die Forschung?, Bericht des SWR2 vom 30. Mai 2015, abgerufen 10. Juni 2015