Judasohr

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Judasohr

Judasohr (Auricularia auricula-judae)

Systematik
Klasse: Agaricomycetes
Unterklasse: unsichere Stellung (incertae sedis)
Ordnung: Ohrlappenpilzartige (Auriculariales)
Familie: Ohrlappenpilzverwandte (Auriculariaceae)
Gattung: Ohrlappenpilze (Auricularia)
Art: Judasohr
Wissenschaftlicher Name
Auricularia auricula-judae
(Bull. : Fr.) Quél.

Das Judasohr (Auricularia auricula-judae, Syn.: A. auricula, A. sambucina, Hirneola auricula-judae) ist ein nahezu weltweit verbreiteter Pilz. Eine ähnliche Art mit ostasiatischer Verbreitung (A. polytricha) wird als Mu-Err (chinesisch 

木耳

, Pinyin

mù'ěr

 – „Holzohr, Baumohr“), Black Fungus, Holunderpilz oder -schwamm, Ohrlappenpilz oder Wolkenohrenpilz (

雲耳

 / 

云耳

,

yún'ěr

 – „Wolkenohr“) bezeichnet, der in vielen Gerichten der asiatischen und speziell auch der chinesischen Küche verwendet wird.

Merkmale

Selten bildet das Judasohr (A. auricula-judae) pigmentlose Fruchtkörper aus.

Makroskopische Merkmale

Die dunkelbraunen Fruchtkörper haben eine lappenartige, oft wie eine Ohrmuschel geformte Struktur. Sie stehen seitlich vom Substrat ab und haben eine konvexe, feinfilzige Oberfläche. Diese ist mehr oder weniger mit Adern durchzogen. Das Hymenium auf der Unterseite hat jung eine blass-gräuliche Farbe, die nach und nach in ein Fleischbräunlich übergeht. Die Unterseite ist immer heller als die Oberseite. Der Pilz wird 3–10 Zentimeter breit und das Fleisch erreicht eine Dicke von 1,5–2 Millimeter. Es ist sehr zäh und elastisch-gallertartig, kann durch Austrocknen aber sehr hart werden und auf ein Zehntel seiner vorherigen Größe schrumpfen. Nach einem Regen kann er stark aufgequollen weiterwachsen. Der Geruch kann manchmal muffig-erdig sein, der Geschmack ist mild. Das Sporenpulver ist inamyloid und weiß.

Mikroskopische Merkmale

Die glatten, zylindrisch-gekrümmten Sporen mit abgerundeten Enden messen 15–23 × 5–7 Mikrometer. Die Basidien sind langzylindrisch und mit Querwänden in vier Abschnitte geteilt.[1] Die Sterigmen sind lang, an den Hyphen sind Schnallen vorhanden.

Artabgrenzung

Der Gezonte Ohrlappenpilz (Auricularia mesenterica) besitzt einen gezonten, struppigeren Hutfilz und eine dunklere Unterseite. Der Pappel-Becherrindenschwamm (Auriculariopsis ampla) wächst zwar ebenfalls an Holz, bevorzugt aber Pappeln und Weiden.[2] Er hat eine viel hellere Oberseite und kann mikroskopisch vom Judasohr leicht durch die 1- statt 4-zelligen Basidien unterschieden werden. Verwechslungen wären auch mit dem Blattartigen Zitterling (Tremella foliacea) denkbar, der jedoch keine ohrmuschelartigen Fruchtkörper ausbildet und in der Regel büschelig wächst. Der Stoppelige Drüsling (Exidia glandulosa s. orig.) ist normalerweise dunkler gefärbt und hat eine auffällig körnig-warzige, sterile Unterseite.

Ökologie

Das Judasohr ist ein Schwächeparasit an lebenden Bäumen oder ernährt sich saprobiontisch von bereits abgestorbenem Holz; es ist ein Weißfäuleerreger. Judasohren wachsen an zahlreichen Baumarten, wie zum Beispiel Birken, Robinien, Ulmen, Walnuss-, Mango-, Kapok- und am häufigsten an Holunderbäumen. Sehr selten ist der Pilz auch an Nadelbäumen wie Fichten (Picea) zu finden. Man kann das Judasohr fast über das ganze Jahr an geeigneten Stellen finden. Da sie frostbeständig sind, können sie auch im tiefsten Winter unter dem Schnee ausgegraben werden. Das Judasohr ist in ganz Europa verbreitet.[2]

Bedeutung

Das Judasohr ist ein relativ geschmacksneutraler Speisepilz und kann in Suppen oder in Pilzgerichten als „Füllpilz“ verwendet werden. In asiatischen Gemüsegerichten eignet er sich gut als Ergänzung.

Speisewert

Judasohren, getrocknet (oben) und vorgequollen

Im Handel sind Judasohren meist getrocknet erhältlich und werden in großen Mengen vor allem aus Vietnam importiert. Sie sind reich an Eisen, Kalium und Magnesium[3][4] und enthalten Phosphor, Silicium und Vitamin B1. In der Chinesischen Küche werden frische oder rehydratisiert und vom Stielansatz befreite Exemplare verwendet. Beim Quellen erreichen sie ein Vielfaches ihrer Größe im Trockenzustand. Sie haben nur einen geringen, pilzartigen Eigengeschmack, aber ein besonderes Mundgefühl: eine eigenartige Textur, die an frische Meeresalgen erinnert. Außerdem nimmt das Judasohr sehr gut die Geschmackstoffe der Flüssigkeiten auf, in denen es zubereitet wird.

Chinesische Medizin

In der Chinesischen Medizin werden die Pilze bei Patienten, die unter Arteriosklerose leiden, zur Verbesserung der Fließfähigkeit des Blutes und damit zur Behandlung von Kreislaufproblemen verwendet.[5][6] Sie wirken zudem entzündungshemmend[7] und senken den Cholesterinspiegel.[8]

Etymologie

Der Apostel Judas soll sich der Legende zufolge nach der Verurteilung Jesu an einem Holunderbaum erhängt haben. Da Judasohren besonders häufig an diesem Substrat wachsen und durch sein ohrförmiges Aussehen erhielt der Pilz in vielen europäischen Sprachen diesen bzw. einen gleich bedeutenden Namen.[1]

Pilz des Jahres 2017

Die Deutsche Gesellschaft für Mykologie hat das Judasohr zum Pilz des Jahres 2017 gekürt.[1]

Weblinks

Wiktionary: Judasohr – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Literatur

  • Ewald Gerhardt: Pilze. Treffsicher bestimmen mit dem 3er Check. Verlag BLV, München 2008, ISBN 978-3-8354-0377-2.
  • Olaf Schmidt: Holz- und Baumpilze. Biologie, Schäden, Schutz, Nutzen. Springer, Berlin 1994, ISBN 3-540-57334-8.
  • Mirko Svrček, Jiri Kubicka, Josef Erhart: Der Kosmos – Pilzführer. Die Pilze Mitteleuropas, Kosmos 1991, ISBN 3-440-05449-7
  • Fang Wu, Yuan Yuan, Shuang-Hui He, Asanka R. Bandara, Kevin D. Hyde, Vera F. Malysheva, De-Wei Li, Yu-Cheng Dai: Global diversity and taxonomy of the Auricularia auricula-judae complex (Auriculariales, Basidiomycota). In: Mycological Progress. Band 14, Nr. 10, 2015, 95, doi:10.1007/s11557-015-1113-4 (freier Volltext).

Einzelnachweise

  1. a b c Pilz des Jahres 2017: Judasohr. DGfM, abgerufen am 24. Juni 2018.
  2. a b Andreas Gminder, Tanja Böhning: Welcher Pilz ist das? 2. Auflage. Kosmos, Stuttgart 2014, ISBN 978-3-440-13748-2, S. 278.
  3. Irina A. Kadnikova, Rui Costa, Tatiana K. Kalenik, Olga N. Guruleva, Shi Yanguo: Chemical Composition and Nutritional Value of the Mushroom Auricularia auricula-judae. In: Journal of Food and Nutrition Research. Band 3, Nr. 8, 2015, S. 478–482, doi:10.12691/jfnr-3-8-1 (researchgate.net).
  4. R. C. Ohiri, E. E. Bassey: Evaluation and Characterization of Nutritive Properties of the Jelly Ear Culinary-Medicinal Mushroom Auricularia auricula-judae (Agaricomycetes) from Nigeria. In: International Journal of Medicinal Mushrooms. Band 19, Nr. 2, 2017, S. 173–177, doi:10.1615/IntJMedMushrooms.v19.i2.90, PMID 28436326.
  5. Wu Qin, Tan Zhiping, Liu Haidan, Gao Lei, Wu Sijie, Luo Jinwen, Zhang Weizhi, Zhao Tianli, Yu Jiefeng, Xu Xinhua: Chemical characterization of Auricularia auricula polysaccharides and its pharmacological effect on heart antioxidant enzyme activities and left ventricular function in aged mice. In: International Journal of Biological Macromolecules. Band 46, Nr. 3, 2010, S. 284–288, doi:10.1016/j.ijbiomac.2010.01.016.
  6. Seon-Joo Yoon, Myeong-Ae Yu, Yu-Ryang Pyun, Jae-Kwan Hwang, Djong-Chi Chu, Lekh Raj Juneja, Paulo A. S. Mourão: The nontoxic mushroom Auricularia auricula contains a polysaccharide with anticoagulant activity mediated by antithrombin. In: Thrombosis Research. Band 112, Nr. 3, 2003, S. 151–158, doi:10.1016/j.thromres.2003.10.022, PMID 14967412.
  7. Namal Perera, Feng-Ling Yang, Jeffy Chern, Hsiao-Wen Chiu, Chih-Yu Hsieh, Lan-Hui Li, Yan-Long Zhang, Kuo-Feng Hua, Shih-Hsiung Wu: Carboxylic and O-acetyl moieties are essential for the immunostimulatory activity of glucuronoxylomannan: a novel TLR4 specific immunostimulator from Auricularia auricula-judae. In: Chemical Communications. Band 54, Nr. 51, 2018, S. 6995–6998, doi:10.1039/C7CC09927D, PMID 29799035.
  8. Ahsanur Reza, Akil Hossain, Dereje Damte, Woo-Sik Jo, Walter H. Hsu, Seung-Chun Park: Hypolipidemic and Hepatic Steatosis Preventing Activities of the Wood Ear Medicinal Mushroom Auricularia auricula-judae (Higher Basidiomycetes) Ethanol Extract In Vivo and In Vitro. In: International Journal of Medicinal Mushrooms. Band 17, Nr. 8, 2015, S. 723–734, doi:10.1615/IntJMedMushrooms.v17.i8.30.