Nandi-Expedition

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Die Nandi-Expedition war eine Polizeiaktion der britischen Kolonialherren in Ostafrika im Jahre 1905 gegen Angehörige des Nandi-Stammes, die gegen die Enteignung ihres Landes durch weiße Siedler aufbegehrten.

Ursache

Die Briten konsolidierten ihre Herrschaft in Ostafrika in den 1890er Jahren durch die Errichtung von Protektoraten in den Gebieten des heutigen Kenia und Uganda sowie den Erwerb von Sansibar vom Deutschen Reich. Im Jahre 1905 ging die Verwaltung der Region vom Foreign Office auf das Colonial Office über, dessen Bürokraten am wirtschaftlichen Erfolg der Kolonien interessiert waren. Im Schlepptau der ab 1896 von Mombasa nach Kisumu gebauten Uganda-Bahn rissen weiße Siedler das gute Weideland entlang der Bahnstrecke an sich.

Die Nandi lebten im Hügelland nordöstlich des Victoriasees. Es handelte sich, mit etwa 14.000 Männern, von denen etwa 4000 waffenfähig waren, um einen der kleineren Stämme Zentralafrikas, der den Kolonialherren jedoch erhebliche Schwierigkeiten bereitete. Sie lebten nicht in Dörfern, sondern auf Gehöfte verteilt, deren Männer sich bezirksweise zusammenschlossen, z. B. um Raubzüge gegen die Viehbestände ihrer Nachbarn durchzuführen. Ein Teil des Stammes wohnte auch in gut geschützten Höhlen am Mount Elgon bis in 1800 m Höhe. Unverheiratete lebten kommunal zusammen. Sie hatten keinen eigentlichen Häuptling, jedoch genossen Medizinmänner (laibon) gewissen Einfluss. Bereits seit 1897 leisteten sie immer wieder bewaffneten Widerstand, den kleinere britische Expeditionen nicht niederschlagen konnten.

Feldzug 1905

Die Nandi Field Force unter Oberstleutnant Edgar G. Harrison DSO, mit Major L. R. H. Pope-Hennessy als Chef des Stabes, bestand aus 80 weißen Offizieren, je sechs Kompanien des 1. und 3. Bataillons der King’s African Rifles (KAR) mit 10 Maschinengewehren und 200 bewaffneten Polizisten, dazu kamen zahlreiche Träger (500 bewaffnet, 3460 unbewaffnet). Weiterhin sollten unter den Massai und in Britisch-Somaliland je tausend Freiwillige angeworben werden, die sich jedoch kaum fanden. Spätere Verstärkungen bestanden auch aus einer indischen Signaltruppe, die aus Uganda angefordert wurde.

Kampfhandlungen wurden unumgänglich, nachdem am 19. Oktober ein britischer Trupp von 80 Mann unter Lt. Richard Meinertzhagen[1] beim Ket Perak Hill den verhandlungsbereiten Laibon Koitalel Arap Samoei und 23 seiner Begleiter niedergemetzelt hatten. Dabei wurde ein britischer Askari durch einen Speer leicht verletzt.

Während der ersten Phase wurden die Truppen in vier Kolonnen geteilt. Es war geplant, von der Bahnlinie aus nach Norden marschierend, zum einen die Nandi von ihren Verbündeten, den Kipsiki (auch Lumbwa genannt) abzuschneiden. Zweitens sollten sie von ihren Ländereien vertrieben und ihr Viehbestand vernichtet werden. Drittes Ziel war es, überlebende Flüchtlinge in die Wälder um Kapwareng zu treiben. Zunächst zwei Kompanien beschützten die Bahnstrecke aus gepanzerten Zügen heraus. Harrissons Hauptquartier wurde in Muhoroni aufgeschlagen.

Nach Beginn der trockenen Jahreszeit marschierte die erste, unabhängig operierende Kolonne am 18. Oktober von Londiani nordwärts zur Eldama-Schlucht. Die zweite, ebenfalls aus drei Kompanien bestehende, verließ unter Major Hookey A. Walker am 20. Lumbwa in Richtung Kaptumo über Tindiret. Vom Hauptquartier aus marschierte die dritte Kolonne ebenfalls auf Kaptumo, jedoch durch die Soba-Hügel. Eine weitere Kolonne unter Hauptmann W. E. H. Barrett versammelte sich im Fort Nandi von Kipture und rückte in nördlicher Richtung nach Tobolwa und dann Kaimosi vor. Im Laufe der Kampagne wurden im Nandiland elf Posten mit 500 Mann eingerichtet, die das Vieh der Nandi rauben und ihnen die Rückkehr in ihr angestammtes Gebiet unmöglich machen sollten.

Es kam zu keiner größeren Schlacht, jedoch griffen die hochmobilen Nandi in Guerillamanier immer wieder kleinere Einheiten der Briten an. Bis Ende November waren 90 Angehörige der Field Force und geschätzte 600 Nandi gefallen. Den Briten waren durch ihre Politik der verbrannten Erde 10.000 Rinder und 18.000 Schafe und Ziegen in die Hände gefallen, eine Zahl, die sich bis Juni 1906 verdoppelte. Da ihre Lebensgrundlage zerstört war, ließ der Widerstandswille der Nandi nach und sie erklärten sich gegen Jahresende bereit in das zugewiesene Reservat in den Bezirken Aldai und Kapwareng zu begeben. Sämtliche „Mörder“ und Waffen waren auszuliefern. Diese Zwangsumsiedlung ging bis Februar 1906 weiter. Stammesangehörige die „freiwillig“ ins Reservat gingen, erhielten ihre Tiere zurück. Am 27. Februar wurde die Field Force aufgelöst, bis 1. August blieben noch 800 Mann als Garnison zurück.

Die offiziellen Verluste (Juni 1906) betrugen 1117 tote Nandi, 121 Tote und Verwundete auf britischer Seite, dabei wurden 15 % der weißen Offiziere Opfer des Klimas oder von Krankheiten. 5000 Hütten und Lagerhäuser waren abgefackelt worden.

Organisation und Ausrüstung

Briten: siehe Hauptartikel: King’s African Rifles

Nandi

Etwa 20–50 Mann bildeten eine Kompanie (sirityet; Plural: siritaiik) unter dem Kommando eines lokalen Kommandeurs (kirkit d. h.: Bulle). Etliche Gemeinden (korotinwek) bildeten einen Regiments-Bezirk[2] (pororiet), von denen es etwa 16 gab.

Die Krieger trugen üblicherweise eine Kopfbedeckung aus Ziegenblasen, die bei höherrangigen durch Federn oder eine Löwenmähne geschmückt wurde. Der über eine Schulter geworfene Umhang bestand aus Ziegen- oder Rinderfell. Bewaffnet waren sie mit etwa 1,80 m langen Speeren mit eiserner Spitze. Dazu kamen kurze zweischneidige Schwerter (sime) in einer ledernen Scheide oder Hackmesser (penga). Über Feuerwaffen verfügten sie so gut wie nicht, jedoch über Pfeil und Bogen, deren Reichweite etwa 120 m betrug. Zum Schutz benutzen sie die in Ostafrika üblichen, knapp 1 m hohen Schilde mit Büffellederbespannung, die bemalt wurden.

Folgen

Meinertzhagen war zunächst wegen „Tapferkeit“ am 19. Oktober für das Victoria Cross vorgeschlagen worden. Es wurde dann jedoch bekannt, dass er den Medizinmann erschoss, während er dessen Hand schüttelte. Zwar wurde er bei seiner dritten Kriegsgerichtsverhandlung (court of inquiry) freigesprochen und machte dann bis 1925 Karriere in der Armee, zunächst wurde er jedoch von Brigadier William Manning zu seinem Regiment, den Royal Fussiliers, ins Mutterland zurückgesandt.

Zwischen 1902 und 1914 wurden 41.500 km² des besten Weidelandes in Kenia zugunsten britischer Siedler enteignet. Die entwaffneten Nandi und die im folgenden Jahr besiegten Embu konnten dem keinen Widerstand mehr entgegensetzen und versuchten autonom in den ihnen 1907 in Form eines Reservats zugewiesenen Gebieten zu leben. Wenige traten in die KAR ein. Nach der Unabhängigkeit forderten sie das Recht wieder ihre Waffen zu tragen.

Literatur

  • Erwin Herbert: Small Wars ans Skirmishes 1902–18. Early Twentieth-Century Colonial Campaigns in Africa, Asia, and the Americas. Political Background and Campaign Narratives, Organisation, Tactics and Terrain, Dress and Weapons, Command and Control, and Historical Effects. Foundry Books, Nottingham 2003, ISBN 1-901543-05-6, S. 78–84.
  • G. W. B. Huntingford: The Nandi of Kenya. Tribal Control in a Pastoral Society. Routledge & Kegan Paul, London 1953.
  • A. T. Matson: The Nandi Campaign against the British 1895–1906. Transafrica Publishers, Nairobi 1974 (Transafrica Historical Papers 1, ZDB-ID 752308-7).

Einzelnachweise

  1. vgl. Richard Meinertzhagen; Army Diary 1902-06; London 1960
  2. z. B.: im Falle des nördlichen Tepinot bestehend aus 27 Gemeinden