Nutzungsrecht
Unter einem Nutzungsrecht versteht man das Recht eines Rechtssubjekts aus einem Vertrag, fremde Sachen oder Rechte zu nutzen.
Allgemeines
Zu den Rechtssubjekten gehören natürliche und juristische Personen. Zu den durch diese nutzbaren Sachen zählen sowohl bewegliche Sachen als auch Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte und sonstige Rechte (Rechtsobjekte), die fremden Rechtssubjekte zum Eigentum gehören. Die Eigentümer wollen diese Sachen oder Rechte jedoch nicht selbst nutzen, sondern überlassen diese Nutzung anderen, indem sie diesen ein vertragliches Nutzungsrecht gegen ein Nutzungsentgelt einräumen (bis auf die kostenlose Leihe). Dabei wird dem Nutzenden lediglich der Besitz eingeräumt, der Eigentümer behält seine Rechtsstellung. Das Nutzungsrecht kann vertraglich mit einer konkreten Zweckbindung versehen werden, so dass der Nutzungsberechtigte es nur für bestimmte Zwecke nutzen darf.
Arten
Allgemein unterscheidet man zwischen schuldrechtlichen und dinglichen Nutzungsrechten.
- Schuldrechtliche Nutzungsrechte
- an Sachen: Miete, Leihe, Pacht oder Leasing;
- an Rechten: Urheberrechte, Patente, Lizenzen, Konzessionen, Warenzeichen, Gebrauchsmuster, Markenzeichen, sonstige Schutzrechte oder Franchising.
- Dingliche Nutzungsrechte
Während der Nießbrauch an allen Sachen und Rechten möglich ist, können Grunddienstbarkeit und beschränkte persönliche Dienstbarkeit lediglich an Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten bestellt werden. Zu den praktisch bedeutsamen dinglichen Nutzungsrechten gehören das Wegerecht,[1] das Wegerecht „zur Überquerung zu landwirtschaftlichen Zwecken“,[2] Geh- und Fahrrecht[3] sowie die Leitungsrechte (Strom-, Telefon- und Wasserleitungsrecht,[4] Ferngasleitungsrecht[5] oder Telekommunikationslinie).
Auch die Grundpfandrechte (Hypothek, Grundschuld, Sicherungsgrundschuld, Rentenschuld) sind – wirtschaftlich betrachtet – Nutzungsrechte und unterscheiden sich von den echten dadurch, dass bei echten die Nutzungsbefugnis auf Dauer angelegt ist.
Rechtsfragen
Das BGB spricht vom Nutzungsrecht konkret im Zusammenhang mit der Pacht (§ 587 BGB), dem Eigenbesitzer (§ 955 BGB), der Grunddienstbarkeit (§ 1024 BGB), dem Nießbrauch (§ 1036 BGB) und der Ehewohnung bei Getrenntlebenden (§ 1361b BGB). Bei Getrenntlebenden vermutet § 1361b Abs. 4 BGB unwiderleglich, dass der aus der Ehewohnung nach der Trennung im Sinne des § 1567 Abs. 1 BGB ausgezogene Ehegatte dem in der Ehewohnung verbliebenen Ehegatten das alleinige Nutzungsrecht überlassen hat. Die Gesetze sind hierbei allgemein bestrebt, die Nutzungsrechte inhaltlich oder zeitlich zu beschränken, um die dauernde Trennung von Eigentum und Nutzung zu verhindern.[6]
Der Unterschied zwischen dinglichen und schuldrechtlichen Nutzungsrechten zeigt sich vor allem in der Zwangsversteigerung und Insolvenz.[7] Wird beispielsweise ein vermietetes Grundstück zwangsversteigert, kann der Mieter sein Nutzungsrecht verlieren, denn dem Ersteigerer steht ein einmaliges Sonderkündigungsrecht nach § 57a ZVG zu; das gilt auch bei der Insolvenz (§ 111 InsO). Allerdings geht das Gesetz nach § 57 ZVG und § 108 InsO vom Fortbestand der Miet- oder Pachtverhältnisse aus. Dagegen sind dingliche Nutzungsrechte vollstreckungsfest, wenn sie einen besseren Rang aufweisen als das Recht des Gläubigers.
Wird das Nutzungsrecht von Dritten beeinträchtigt, so finden nach § 1065, § 1027 BGB die Vorschriften über den Eigentumsschutz (§ 903 BGB) Anwendung. Dingliche Nutzungsrechte sind – anders als Dauerschuldverhältnisse wie Miete oder Pacht – unkündbar. Der Eigentümer muss das zweckbestimmt ausgeübte Nutzungsrecht durch den Nutzungsberechtigten dulden. Eine zweckfremde Nutzung muss der Eigentümer dagegen nicht dulden.[8]
Die Bilanzierungsfähigkeit von Nutzungsrechten als aus dem originären Vermögensgegenstand abgespaltene bzw. abgeleitete Vermögensgegenstände wird in der Fachliteratur überwiegend verneint, weil sie nicht die Anforderungen an einen Vermögensgegenstand erfüllen, denn dieser ist lediglich beim Eigentümer zu aktivieren.[9] Außerdem unterliegen sie als schwebendes Geschäft dem Grundsatz der Nichtbilanzierung.[10] Der Bundesfinanzhof (BFH) stellte bereits im Februar 1971 klar, dass „weder der Anspruch auf den Mietzins noch die Pflicht zur Überlassung der Mietsache (…) einer Bilanzierung zugänglich“ sind.[11]
Ein Teil der Fachliteratur erkennt ein Nutzungsrecht dann nicht an, wenn und soweit der Eigentümer nach seinem Belieben die Nutzung jederzeit beenden könne (etwa durch Kündigung).[12] Hierbei wird verkannt, dass diese Nutzungsrechte erst durch die Kündigung enden.
Nutzungsrechte in der ehemaligen DDR
In der ehemaligen DDR kannte das am 19. Juni 1976 in Kraft getretene Zivilgesetzbuch (ZGB) das Nutzungsrecht an volkseigenen Grundstücken (§ 287 ZGB), wonach Bürgern zur Errichtung und persönlichen Nutzung eines Eigenheimes oder eines anderen persönlichen Bedürfnisses ein Nutzungsrecht verliehen werden konnte. Das Nutzungsrecht war im Regelfall befristet, die auf dem Grundstück stehenden Gebäude, Anlagen und Anpflanzungen gingen in das persönliche Eigentum des Nutzungsberechtigten über, der ein Nutzungsentgelt zu entrichten hatte (§ 288 ZGB). Diese Nutzungsrechte waren veräußerlich und vererblich (§ 289 ZGB). Auch landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften durften den Bürgern derartige Nutzungsrechte verleihen (§ 291 ZGB), Datschen standen nach § 296 Abs. 1 ZGB im Eigentum der Nutzungsberechtigten.[13]
Urheberrecht
Das Urheberrecht gilt als das klassische Nutzungsrecht im engeren Sinne. Das Urheberrecht ist durch den Urheber in Deutschland – anders als in anderen Rechtsordnungen – nur konstitutiv, aber nicht translativ übertragbar, es kann vollständig nur durch Erbschaft übertragen werden (§ 29, § 28 UrhG). Um das Werk jedoch durch andere verwerten zu lassen, kann der Urheber einem anderen das Recht einräumen, das Werk auf einzelne oder alle Nutzungsarten zu nutzen (Nutzungsrecht). Nach der Legaldefinition des § 31 Abs. 1 UrhG handelt es sich um ein Nutzungsrecht, wenn der Urheber einem anderen das Recht einräumt, das Werk für einzelne oder alle Nutzungsarten zu nutzen. Danach kann das Nutzungsrecht als einfaches oder ausschließliches Recht sowie räumlich, zeitlich oder inhaltlich beschränkt eingeräumt werden. Das einfache Nutzungsrecht berechtigt den Inhaber, das Werk auf die erlaubte Art zu nutzen, ohne dass eine Nutzung durch andere ausgeschlossen ist. Das ausschließliche Nutzungsrecht berechtigt dagegen den Inhaber, das Werk unter Ausschluss aller anderen Personen auf die ihm erlaubte Art zu nutzen und Nutzungsrechte einzuräumen (§ 31 Abs. 3 UrhG). Nutzungsarten sind jegliche klar abgrenzbaren, wirtschaftlich-technischen Verwendungsformen. So ist ein E-Book eine andere Nutzungsart als ein gedrucktes Buch, wenngleich diese auf demselben Werk basieren.[14]
Unter bestimmten Bedingungen kann ein Nutzungsrecht auch zurückgerufen bzw. eingeschränkt werden. Dies ist insbesondere der Fall bei der Entstellung gemäß § 14 UrhG, bei gewandelter Überzeugung gemäß § 42 UrhG oder bei Nichtausübung gemäß § 41 UrhG. Ein Nutzungsrecht wird überflüssig, wenn das Werk gemeinfrei wird. Auch andere als der Inhaber eines ausschließlichen Nutzungsrechtes dürfen das Werk dann auf diese Art verwerten. Ein Werk wird in der Regel 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers gemeinfrei.
Die freien Lizenzen, wie die Creative-Commons-Lizenzen, sind ebenfalls Nutzungsrechte. Es handelt sich dabei um einfache Nutzungsrechte für jedermann (so genannte Linux-Klausel).
International
In Österreich gibt es ähnliche Regelungen wie in Deutschland. Dienstbarkeiten (oder Servituten) sind im österreichischen Sachenrecht beschränkte dingliche Nutzungsrechte an fremden Sachen, deren Eigentümer verpflichtet ist, etwas zu dulden oder zu unterlassen. Dazu zählen Leiherecht (bäuerliche, städtische und ritterliche Leihe), Grunddienstbarkeiten, Nießbrauch und Reallasten.[15] Das Gebrauchsrecht ist das Nutzungsrecht an Liegenschaften, die man nicht bewohnen kann wie etwa einen Stellplatz oder unbebaute Wiesen- und Gartengrundstücke; inhaltlich gilt das Gleiche wie beim Wohnrecht. Auch das österreichische Urheberrecht kennt Nutzungsrechte.
Die Schweiz besitzt ebenfalls ähnliche Regelungen wie in Deutschland. Als weitere Nutzungsrechte gibt es hier die Nutzniessung (Art. 745 ff. ZGB), das Wohnungsrecht (Art. 776 ZGB), Baurecht (Art. 779 ZGB), Quellenrecht (Art. 780 ZGB), die Dienstbarkeiten (Art. 781 ZGB) und das Urheberrecht.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ BGH NJW 1999, 2175
- ↑ BGH, Urteil vom 11. April 2003, Az.: V ZR 323/02
- ↑ BGHZ 92, 351
- ↑ BGH NJW 1984, 2157
- ↑ BGHZ 90, 181
- ↑ Harry Westermann, Karl-Heinz Gursky, Dieter Eickmann: Sachenrecht. 1998, S. 836.
- ↑ Wolfgang Brehm/Christian Berger, Sachenrecht, 2006, S. 338
- ↑ BGH, Urteil vom 11. April 2003, Az.: V ZR 323/02
- ↑ Sigrun Scharenberg: Die Bilanzierung von wirtschaftlichem Eigentum in der IFRS-Rechnungslegung, 2009, S. 107
- ↑ Michael Wehrheim/Rainer Heurung, Steuerbelastung - Steuerwirkung - Steuergestaltung, 2007, S. 8 ff.
- ↑ BFH, Urteil vom 17. Februar 1971, Az.: I R129/69, BStBl. II 1971, S. 391 f.
- ↑ Wienand Meilicke, Obligatorische Nutzungsrechte als Sacheinlage, in: BB, 1991, S. 584
- ↑ Lorenz Mainczyk, Bundeskleingartengesetz, 2010, S. 411 ff.
- ↑ Friedrich K. Fromm/Wilhelm Nordemann (Hrsg.): Urheberrecht. 9. Auflage. §§ 31/32, Rdnr. 5 ff.
- ↑ Gernot Kocher, Grundzüge der Privatrechtsentwicklung und Rechtswissenschaft in Österreich, 1997, S. 124