Rennrad

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Rennräder)
Ducati-Rennrad
Datei:Rennrad 01 KMJ.png
Historische Straßenrennmaschine der Firma Wanderer
Rennrad „Modell D“ mit Holzfelgen, March-Davis Manufacturing Company, 1894

Ein Rennrad (Schweiz Rennvelo) ist ein Fahrrad, das für den Gebrauch als Sportgerät beim Straßenradsport konstruiert wurde. Es zeichnet sich durch eine leichte Bauweise und die Reduktion auf die zum Fahren erforderlichen Teile aus (also keine Gepäckträger, Schutzbleche, Beleuchtung etc.).

Technische Merkmale

Allgemeine Merkmale

Datei:EddyMerckxHourRecordBike2.jpg
Das Rad von Eddy Merckx beim Stundenweltrekord

Heutige Rennräder wiegen meist zwischen 7 und 9 kg. Laut UCI-Reglement ist aber bei Wettbewerbsrädern ein Mindestgewicht von 6,8 kg zu beachten. Das leichteste je in einem UCI-Rennen eingesetzte Rennrad war die Zeitfahrmaschine von Eddy Merckx, mit der er 1972 einen Stundenweltrekord aufstellte. Es ist ein Bahnrad mit gemufftem Stahlrahmen von Ernesto Colnago und wiegt 5,75 kg. Allerdings gibt es auch schon eine Designstudie, in der ein Rennrad unter 3 kg realisiert wurde.[1] Inwieweit dieses Modell unter Rennbedingungen fahrbar ist, wird kontrovers diskutiert.

Mit der Reglementsänderung aus dem Jahr 2000 (Definition des Begriffs Rennrad) hat die UCI ein Rennrad wie das von Merckx verwendete für Stundenweltrekordversuche als Standard festgelegt (d. h. Bügellenker, Sattelspitze hinter Tretlager usw.) und alle Rekorde der 28 vorhergehenden Jahre annulliert.

Die UCI argumentiert damit, dass bei einem Wettrüsten zum technisch optimierten Fahrrad schlechter ausgerüstete Sportler oder Radsportverbände auf der Strecke blieben.

Die heute üblichen Rennräder haben schmale Felgen und Reifen, einen Rennlenker, den sogenannten Bügellenker oder Hornlenker, der verschiedene Griffpositionen erlaubt und schmaler ist als sonst übliche Lenker (im UCI-Reglement sind max. 50 cm zulässig, es werden jedoch selten breitere als 44 cm verwendet). Die Breite des Lenkerbügels (gemessen von Rohrmitte zu Rohrmitte, meist an den Rohrenden, manchmal an der vordersten Stelle der Vorbiegung; selten ist auch die Lenkergesamtbreite von Außenkante zu Außenkante angegeben) richtet sich nach der Schulterbreite des Fahrers (gemessen von Außenseite zu Außenseite der Schulterknochen) und sollte dieser grob entsprechen.[2] Randonneure nehmen eher etwas breitere Lenker (mehr Kontrolle, Brustkorb weiter geöffnet), Wettkampffahrer nehmen eher etwas schmalere Lenker (aerodynamischere Sitzhaltung, weniger Platzbedarf im Peloton). Aus aerodynamischen Gründen werden beim Triathlon und Zeitfahren Speziallenker bzw. Lenkeraufsätze für konventionelle Bügellenker verwendet, bei denen der Fahrer mit den Unterarmen aufliegt und mit den Händen nach vorn greift. Um ergonomisch sinnvoll zu sein, ist hierfür jedoch eine spezielle Geometrie des Rahmens erforderlich (steilerer Sitzwinkel).

Rennräder haben keine Gepäckträger und keine Schutzbleche und auch keine dafür vorgesehenen Aufnahmen an Rahmen und Gabel. Fest montierte Beleuchtungseinrichtungen und Dynamos besitzen sie grundsätzlich nicht. In der Regel sind ein bis zwei Halter für Trinkflaschen am Unterrohr und Sitzrohr montiert.

Rahmen

Datei:Pinarello-rahmen.jpg
Neuaufbau eines Pinarello-Rennrahmens

Bei normalen Straßenrennrädern hat sich der klassische Diamantrahmen durchgesetzt und ist auch laut UCI-Reglement vorgeschrieben. Bei Zeitfahrmaschinen und Rekordrädern gibt es zwar etwas mehr Freiheiten, aber auch hier muss, wenn das Rad in einem Wettbewerb eingesetzt wird oder eine Rekordfahrt offiziell anerkannt werden soll, der Rahmen „die Form eines Dreiecks erkennen lassen.“[3] Diese Bestimmungen sollen Chancengleichheit herstellen, allerdings wird auch eingewendet, dass sie Innovationen verhindern.

Datei:Triathlonrad.JPG
Moderne UCI-konforme Zeitfahrmaschine aus Karbon

Viele Hersteller bieten mittlerweile spezielle Rahmen für Frauen an. Diese besitzen meist einen kürzeren Radstand und/oder steilere Sitzrohre.

Außerhalb des UCI-Reglements, z. B. im Triathlon-Bereich, werden auch freie Konstruktionen bis hin zu Monocoques aus Verbundwerkstoffen eingesetzt.

Als Rahmenmaterial hat sich im Profiradsport seit den 2000er-Jahren kohlenstofffaserverstärkter Kunststoff (Carbon) durchgesetzt, allgemein finden bei Rennrädern jedoch auch Aluminium, Stahl, und Titan Verwendung. Alle diese Materialien haben sowohl Vor- als auch Nachteile. Kombinationen aus mehreren Materialien, etwa Carbon und Titan, gibt es ebenso wie die Verwendung von Spezialmaterialien oder Legierungen (Magnesium, V4A, Scandium (eine Aluminiumlegierung mit geringem Scandiumanteil)).

Das reine Metall Scandium, ein Legierungsbestandteil für besonders leichte Komponenten

Die nachfolgende Tabelle führt Vor- und Nachteile der spezifischen Materialien auf, wie sie in Diskussionen vorgebracht werden. Einzelheiten sind allerdings umstritten.

Rahmenmaterial Vorteile Nachteile
Stahl
  • Preiswertes Material
  • Bei Rahmenbruch Weiterfahrt bedingt möglich[4]
  • Erprobte Technik
  • Korrosion
  • Verarbeitung von dünnwandigen und hochfesten Rohren nicht einfach
Aluminium
  • Preiswertes Material
  • Massenfertigung gut beherrscht
  • Hohe Beschädigungsgefahr bei Transport oder Sturz – schon leichte Schläge führen zu Dellen
  • Gefahr der Spannungsrisskorrosion
Kohlenstofffaserverstärkter Kunststoff („Karbon“)
  • Bei entsprechender Verarbeitung sehr leicht
  • Keine Korrosionsprobleme
  • Dämpft Stöße
  • Teure Fertigung
  • Praktisch nicht reparabel
  • Empfindlich gegen Schläge und Dellen
  • Unsichtbare Beschädigungen können plötzlich nachgeben – Sturzgefahr
  • Problematisch bei punktueller Belastung[5]
Titan
  • Korrosionsbeständig
  • Leicht
  • Schwierige und daher teure Verarbeitung
  • Nicht dauerbelastbar[5]

[6][7][8]

Modernes Rennrad, Karbon-Monocoque; als Triathlonmaschine aufgebaut

Ein normaler Diamantrahmen kann auch zur Seite ausweichen, was eine geringe Verwindungssteifigkeit erfordert, um eine Federung zu erzeugen. Gerade diese bestimmt aber auch die Fahrstabilität, besonders auf Abfahrten. Jedes Rahmenmaterial bietet neben Vorteilen auch Nachteile. Leichte Rahmen haben oft geringe Lenkkopf- und Tretlagersteifigkeiten. Erstes senkt die Fahrsicherheit, zweites die Effizienz des Tretens.

Neben dem Gesamtgewicht liegt ein besonderes Augenmerk auf der Reduzierung der Masse von Felge und Bereifung. Durch die Rotation geht ihre Masse nahezu doppelt in die Beschleunigungsarbeit ein.

Rahmengröße und Sitzposition

Der Radstand eines Rennrades beträgt im Allgemeinen 940 bis 1070 mm bei Rahmenhöhen von 51 bis 64 cm. Für Frauen werden veränderte Rahmengeometrien angeboten, die den weiblichen Ansprüchen hinsichtlich eines entspannten Sitzens entgegenkommen sollen, tatsächlich fahren die meisten Frauen aber wohl „normale“ Geometrien. Grundsätzlich ist eine den Körpermaßen des Radsportlers angepasste Rahmengeometrie zu wählen, damit die physische Leistungsfähigkeit umgesetzt werden kann. Das geht in Sonderfällen (extreme Abweichungen der Körpermaße von der Norm) bis zur Maßanfertigung des Rahmens. Spezielle radsportliche Disziplinen benötigen dabei wieder abgewandelte Rahmengeometrien. So besitzen z. B. Kriteriums-, Bahn- und Steherrahmen einen kürzeren Radstand und 2,5 – 5 mm kürzere Kurbeln sowie ein etwas höher liegendes Tretlager.

Der Sattel wird waagerecht eingestellt und ist höher (in der Regel 4 bis 15 cm) als der Lenker, man spricht hier von der Überhöhung. Die Sattelspitze befindet sich bei Straßenrennrädern etwa 5 cm bis 10 cm – abhängig von Fahrergröße bzw. Beinlänge – hinter der Senkrechten durch die Tretlagerachse. Zur Ermittlung der optimalen Sitzhöhe, d. h. den entlang des Sitzrohres gemessenen Abstand zwischen Satteloberkante und Tretlagermitte, gibt es unterschiedliche Verfahren:

  • Es gibt Tabellen und Formeln, die die Sitzhöhe von der Beinlänge ableiten.
  • Ein praktisches, obschon lediglich angenähertes Verfahren sagt: Bei bequemer Position auf dem Sattel und ohne die Hüfte abzukippen, sollte mit ausgestrecktem Bein die Ferse gerade noch das in seinem untersten Punkt stehende Pedal berühren. Hier gibt es aber Variablen, denn es müssen sowohl die Bauhöhen von Pedal und ggf. dem Bindungssystem sowie die Sohlenstärke bzw. die Absatzhöhe der Schuhe berücksichtigt werden. Eine verbindliche Norm für die Fahrposition gibt es nicht, nur ergonomische Faktoren, daher kann eine präzise, leistungsoptimierte Einstellung nur von einem speziell ausgebildeten Trainer vorgenommen werden. Viele Kriterien, z. B. der Fahrstil (ruhig oder eher unruhig), die Tretfrequenz (kraftbetont oder frequenzbetont), Trainings- und Gesundheitszustand (Wirbelsäule!) sowie externe Faktoren wie Streckenprofil und -länge usw. müssen berücksichtigt werden.
  • Inzwischen gibt es auch Onlinekalkulatoren, die die Rahmengrößenberechung vornehmen. Teils werden sie von Onlinehändlern, teils von unabhängigen Betreibern angeboten.

Ähnlich bestimmt man die Sitzlänge, d. h. den Abstand zwischen Sattelspitze und Lenkerrohrmitte:

  • Auch hier gibt es Berechnungsformeln, die Körpergröße, Rumpflänge und Armlänge berücksichtigen.
  • Die Praktikerregel besagt hier: Der Lenkervorbau als variable Größe wird so gewählt, dass der Abstand Sattelnase bis Lenkerrohrmitte der Unterarmlänge (ab Ellbogenspitze) einschließlich Mittelfinger der ausgestreckten Hand zuzüglich drei bis fünf Fingerbreiten entspricht. Die Vorbauten bei Rennrädern sind deutlich länger als die anderer Fahrradtypen – da die Rahmen einesteils kürzer sind und andererseits eine aerodynamisch flache Position eingenommen werden soll, muss der notwendige Abstand zwischen Lenker und Sattel auf diese Art hergestellt werden.

Diese Regeln sind – selbst für normal gebaute Menschen – nur Anhaltspunkte. Die endgültige Sitzposition findet der Fahrer meist erst nach ausführlichen Versuchen und, wie oben erwähnt, durch die Beobachtung erfahrener Trainer. Sinnvoll für wettkampforientierte Radsportler sind kleine Korrekturen um wenige Millimeter.

Laufräder

Überwiegend werden Rennräder mit 28-Zoll-Laufrädern gefahren, die einen Felgen-Nenndurchmesser von 622 mm haben. Da Rennradreifen schmaler und niedriger sind, als gewöhnliche 28-Zoll-Reifen, beträgt der tatsächliche Außendurchmesser des Reifens weniger als 27 Zoll. Spezielle Kriteriums-Laufräder können auch noch kleiner sein (z. B. Eddy Merckx). Im Triathlonbereich waren lange Zeit 26"-Laufräder mit einem Felgendurchmesser von 571 mm üblich. Die Zoll-Angaben sind im Gegensatz zur neueren ETRTO-Bemaßung nicht eindeutig. 26"-Laufräder von Mountainbikes und Alltagsrädern besitzen beispielsweise im Allgemeinen einen Felgennenndurchmesser von 559 mm.

Im Laufe der Zeit hat sich auch die Form der Felge verändert. Lange Zeit waren Felgen mit leicht gerundetem Rechteck-Profil üblich, sogenannte Kastenfelgen. Diese wurden von Hochprofilfelgen abgelöst, die besonders steif, aerodynamischer, aber auch etwas schwerer sind. Beim Zeitfahren werden auch häufig Scheibenräder eingesetzt. Auch abgeflachte Messerspeichen können den Luftwiderstand weiter verringern. Die Wirkung ist jedoch gering und erst ab Geschwindigkeiten über 40 km/h messbar.

27" ist größer als 28"

Paradoxerweise haben 27"-Felgen mit 630 mm einen größeren ETRTO-Nenndurchmesser als 28"-Felgen mit 622 mm (1 Zoll = 25,4 mm). 28"-Felgen waren ursprünglich für wesentlich dickere Reifen konzipiert, als die für den Radrennsport gedachten 27"er Felgen. Der Außendurchmesser der Laufräder ergibt sich daher beispielsweise wie folgt:

630 mm Felge + 2 × 28,0 mm Reifen = 686 mm = 27"
622 mm Felge + 2 × 44,5 mm Reifen = 711 mm = 28"

Tatsächlich erreichen 28"-Laufräder mit den bei Rennrädern üblichen 23 mm-Reifen sogar nur einen Durchmesser zwischen 665 und 675 mm:

622 mm Felge + 2 × 23 mm Reifen = 668 mm = 26,3".

Bereifung

Früher wurden bei Rennrädern Laufräder mit Schlauchreifen eingesetzt. Heute werden diese vorwiegend im Profisport und im Cyclocross verwendet, Drahtreifen werden immer beliebter. Eine Variante der Drahtreifen stellen Faltreifen dar. Diese besitzen biegsame Kevlar-Fäden statt der in den Reifenwülsten eingearbeiteten starren Drähte, die ein platzsparendes Zusammenfalten und den einfachen Transport eines Ersatzmantels z. B. unter dem Sattelgestell ermöglichen. Faltreifen sind in der Regel leichter und werden von den Herstellern als insgesamt hochwertigere Alternative zu Drahtreifen angeboten. Seit Ende der 2010er-Jahre spielen bei Rennrädern auch schlauchlose Reifen („tubeless“) eine Rolle.

Die optimale Reifenbreite für Rennradreifen ist umstritten – sie ist unter anderem von Sportdisziplin und Untergrund abhängig und hat Einfluss auf Rollwiderstand, Gewicht, Aerodynamik und Komfort. Während in den 2000er-Jahren die Standardbreite im Straßenrennsport bei 22–24 mm lag, gab es in den 2010er und 2020er-Jahren einen Trend hin zu größeren Reifenbreiten von 25 mm, 28 mm oder noch mehr. Dieser Trend wurde auch durch die zunehmende Verbreitung von Scheibenbremsen an Rennrädern beeinflusst, die größere Reifenbreiten erst ermöglichen.

Besonders schmale Rennradreifen werden unter Radrennfahrern auch scherzhaft Dackelschneider genannt. Der Begriff geht möglicherweise auf eine Glosse von Jörg Spaniol in der Radzeitschrift Tour zurück. Diese Reifen mit einer Breite von 18 bis 20 mm waren in den 1990er Jahren am Rennrad sehr verbreitet.

Schaltung

Bei Rennrädern kommen in der Regel[9] Kettenschaltungen zum Einsatz, bei besseren Rädern mit 2 Umwerfern und 10 bis 12 Ritzeln, an Freizeiträdern gelegentlich auch mit drei Kettenblättern vorn und nur 8 oder 9 Ritzeln hinten.[10]

Seit etwa 2003 kommen im Freizeitbereicht verstärkt sogenannte Kompaktkurbeln zum Einsatz. Hier sind die beiden Kettenblätter vorn etwas kleiner. Sie ermöglichen ähnlich kleine Gänge zum Bergauffahren wie Dreifachsysteme, sind aber schneller zu schalten und leichter als Systeme mit drei Kettenblättern, für die man zusätzlich spezielle Schalthebel, ein Schaltwerk mit längerem Käfig und eine längere Kette braucht. Zudem weisen Kompaktkurbeln mit zwei Kettenblättern weniger Gangüberschneidungen auf, man hat also weniger „doppelte Gänge“ (Kettenblatt-/Zahnkranzkombination mit gleicher Übersetzung), und sie behalten die typische Rennradoptik, die man von Profirädern gewohnt ist.

Schalt- und Bremsgriffe sind seit den 1990er-Jahren, insbesondere seit der Einführung indizierter Schaltungen, als integrierte Einheiten üblich, während bei früheren Modellen die Schalthebel beidseitig am Unterrohr des Rahmens angeordnet waren. Bei integrierten Brems-/Schaltgriffen wird mit einer seitlichen Auslenkung des Bremshebels (durch Fingerdruck auf die Außenseite) und/oder mit einem hinter dem Bremshebel angeordneten, kleinerem Auslösehebel der Gangwechsel durchgeführt, wobei je eine Einheit auf den Umwerfer und eine auf das Schaltwerk wirkt. Aus Gewichtsgründen verwenden einige Radrennfahrer bei Bergzeitfahren Rahmenschalthebel für den weniger häufig benutzten Umwerfer. Inzwischen bieten mehrere Hersteller auch elektronische Schaltungen ohne mechanische Seilzüge an, bei denen Umwerfer und Schaltwerk motorbetrieben arbeiten.

Übersetzungen

Die fortschreitende Technik – vor allem immer schmalere Ketten, die eine höhere Zahl von Ritzeln ermöglichten – hat die Übersetzungsvielfalt am Rennrad in den letzten beiden Jahrzehnten erheblich in die Höhe schnellen lassen. Während in den 1980er Jahren die 6-fache Zahnkranzkassette gerade den 5-fach-Kranz verdrängt hatte, kamen in den 1990ern der 7-fach-, dann der 8-fach-Kranz, denen dann in schneller Folge Ende der 1990er Jahre die 9-fach- und 10-fach-Kassette folgten. Seit 2009 wird von Campagnolo die 11-fach-Kassette angeboten, seit 2012 von Shimano und seit 2013 auch von SRAM. Die 12-fach-Kassette befindet sich seit 2018 (Campagnolo) am Markt, SRAM folgte 2019, Shimano 2020.

Trotz der inzwischen in der Hobbyklasse auch verwendeten 3-fach-Kettenblattgarnitur ist die 2-fach-Ausstattung mit einem großen Kettenblatt 46 bis 53 Zähnen und einem kleinen mit 30 bis 39 Zähnen heute Standard bei Shimano und Campagnolo; bei SRAM, wo die Kassette bis zu 10 statt 11 Zähnen reicht, sind es etwas weniger (z. B. 48–35). Damit sind höchste Übersetzungen von 4,8 (53:11 oder 48:10) und, je nach großem Blatt, darüber möglich. Bei Hobbysportlern erfreuen sich mittlerweile die sogenannten Kompaktkurbeln mit 48 oder 50 Zähnen am großen und 34 oder 32 Zähnen am kleinen Kettenblatt (Shimano und Campagnolo) wachsender Beliebtheit, die immerhin noch knapp 4,4 bis gut 4,5 bieten.

Die Kassetten werden je nach Einsatzzweck gewählt. Eine 12-fach-Kassette kann bei überwiegendem Fahren im Flachen feine Gangsprünge von nur je einem Zahn (11–22) bzw. knapp 5 bis gut 9 % liefern und im Zusammenspiel mit einem 39-er Kettenblatt eine kürzeste Übersetzung bis 1,77 (39:22). Müssen steilere Bergpassagen bewältigt werden, so erhöht man die Spreizung durch Sprünge von zwei oder mehr Zähnen bei den kleinen Gängen und kann im Extremfalle bis zu einer Einradübersetzung (1=32:32) und darunter kommen. Eine übliche Stufung fürs Gebirge ist z. B. 11-12-13-14-16-18-20-22-25-28-32-36 bzw. die ersten 10 oder 11 Stufen davon. Dabei beträgt der kürzeste Gangsprung dieser Übersetzung 7,7 % (14:13=1,077), der längste 14,3 % (16:14=32:28=1,143).

Durch den Überschneidungsbereich zwischen dem kleinen Blatt in hohen Gängen und dem großen Blatt in niedrigen ist kurzfristig in hektischen Rennsituationen eine ausreichende Vielfalt zur Vermeidung doppelter Schaltvorgänge gegeben, gleichzeitig kann langfristig ein übermäßiger und den Verschleiß erhöhender Kettenschräglauf („klein-klein“ wie 39-11 und „groß-groß“ wie 53-32) vermieden werden.

Bremsen

Bis in die späten 2010er-Jahre fanden überwiegend seilzugbetätigte Felgenbremsen Verwendung. Die Ende der 1980er Jahre populären Delta-Bremsen von Campagnolo boten zwar eine bessere Bremsleistung als damalige Eingelenk-Seitenzugbremsen, waren jedoch schwer, kompliziert zu warten und verlangten höhere Bedienkräfte.

Scheibenbremsen konnten sich bei Straßenrennen – im Gegensatz zum Mountainbike- und Querfeldeinsport – zunächst nicht durchsetzen. In den emotional geführten Diskussionen unter Rennradfahrern wurden unter anderem das höhere Gewicht oder Verletzungsgefahr an den scharfen Kanten der Bremsscheiben bei Stürzen als Nachteile aufgeführt. Dennoch wurden in den 2010er-Jahren vermehrt Rennräder mit Scheibenbremsen angeboten;[11] auch bei der Tour de France 2017 kamen erstmals scheibengebremste Räder zum Einsatz, nachdem der Einsatz von der UCI zugelassen wurde.[12] Die Fahrradindustrie schaffte um 2020 herum Fakten und begann, viele neue Rennradmodelle nur noch mit Scheibenbremsen anzubieten. In der Saison 2021 setzte Ineos Grenadiers als einziges World-Tour-Team der Männer noch ausschließlich auf Felgenbremsen.

Varianten und Unterarten von Rennrädern

Von Rennrädern gibt es etliche Abwandlungen, die im Wesentlichen viele Merkmale des von der UCI definierten Rennrades aufweisen, aber auf den speziellen Einsatzzweck hin optimiert sind. Die meisten dieser Räder sehen wegen des Bügellenkers wie Rennräder aus. Für klassische Radrennen (Rundfahrten und Klassiker) sind diese Räder nicht geeignet und nicht zugelassen.

  • Triathlonrad, mit speziell angepasster Aerodynamik und stark gebeugter Sitzposition („Triathlonlenker“) für Triathlonrennen mit Windschattenverbot
  • Zeitfahrmaschinen, optimierte Aerodynamik für das Einzelzeitfahren, oft mit Scheibenrad hinten
  • Bahnrad, mit starrem Gang ohne Schaltung und Bremsen für Bahnrennen
  • Cyclocrossräder (Querfeldeinräder), auch Crosser genannt, robuste Rennräder mit voluminöserer und profilierter Bereifung für Querfeldeinrennen und anderer Bremstechnik. Seit Ende der 2010er-Jahre werden Querfeldein-Rennräder mit stärkerem Fokus auf Alltags- und Reisetauglichkeit (z. B. breiteren Reifen, Befestigungsmöglichkeiten für Schutzbleche und Gepäck) als Gravelbikes vermarktet.
  • Randonneur (oder Randonneuse), spezielles Rennrad für Langstreckenfahrten, manchmal mit Schutzblechen, Licht und kleinem Gepäckträger
  • Halbrenner, oft auch Speedbike, Fitnessrad oder Flatbar-Racer genannt, Rennräder mit geradem Touren- oder MTB-Lenker statt des Rennbügels

Legaldefinitionen

Österreich

Die österreichische Fahrradverordnung definiert ein Rennrad folgendermaßen:

§ 4 (1) Als Rennfahrrad gilt ein Fahrrad mit folgenden technischen Merkmalen:

  1. Eigengewicht des fahrbereiten Fahrrades höchstens 12 kg
  2. Rennlenker (dieser ist jedoch nicht genau definiert)
  3. Äußerer Felgendurchmesser mindestens 630 mm
  4. Äußere Felgenbreite höchstens 23 mm

Strenggenommen sind damit in Österreich nur Fahrräder mit Schlauchreifen als Rennräder anerkannt, in der Praxis werden auch Drahtreifen akzeptiert, was Punkt 3 ad absurdum führt.

Deutschland

In Deutschland wurde das Rennrad in der Straßenverkehrszulassungsordnung nur im Zusammenhang mit lichttechnischen Anlagen an Fahrrädern erwähnt. Es wurde dort nicht näher definiert. Bei Rennrädern bis zu 11 kg Gewicht durften für den Betrieb von Scheinwerfer und Schlussleuchte anstelle der Lichtmaschine auch eine oder mehrere Batterien mitgeführt werden, der Scheinwerfer und die vorgeschriebene Schlussleuchte mussten nicht fest am Fahrrad angebracht sein, die Scheinwerfer und Schlussleuchte mussten nicht zusammen einschaltbar sein, und es durfte auch ein Scheinwerfer mit niedrigerer Nennspannung als 6 Volt mitgeführt werden.[13]

Diese Verordnung wurde zunehmend weniger anwendbar, da Dynamobeleuchtungen mit Akkuunterstützung nicht in diese Definition passten. Deswegen wurde der Paragraf 2017 angepasst.[14][15]

Grundsätzlich muss sich auch ein Rennradfahrer an die Radwegebenutzungspflicht halten, es sei denn, deren Benutzung ist nicht zumutbar, wenn sie in einem nicht ordnungsgemäßen und somit nicht zumutbaren Zustand sind. Das heißt: Schnee/Laub nicht geräumt, stark verschmutzt, zugestellt/zugeparkt, Baustelle usw. Diese Einschränkung gilt für alle Radfahrer. Allerdings ist diese Interpretation sehr dehnbar und somit Auslegungssache.

Grundsätzlich müssen laut Straßenverkehrsordnung (StVO) Radwege nur dann benutzt werden, wenn das entsprechende Schild „Zeichen 237“, also ein weißes Fahrrad auf blauem Grund, vorhanden ist. Ansonsten darf die Fahrbahn benutzt werden.

Benutzungspflichtig sind ebenfalls Wege, die mit den „Zeichen 240“ und „Zeichen 241“ gekennzeichnet sind, also bei denen ein Fahrrad in Kombination mit Fußgängern dargestellt wird.

Diese Benutzungspflicht gilt formell für alle Radfahrer, also egal, ob er sich auf einem Citybike oder einem Rennrad fortbewegt.

Ausnahmen von dieser Regel gibt es bundesweit für geschlossene Verbände von 16 und mehr Radfahrern (§ 27 I 2 StVO), sie dürfen generell auf der Fahrbahn und in Zweier-Reihe fahren und in einigen Regionen/Städten für Radsportler, die eine Wettkampf-Lizenz des Bundes Deutscher Radfahrer haben.

In der StVO-Novelle 2020 wurde klargestellt, dass das Nebeneinanderfahren von Radfahrenden grundsätzlich gestattet ist. Nur bei einer Behinderung anderer Verkehrsteilnehmender müsse hintereinander gefahren werden.[16]

Literatur

  • Steve Thomas, Ben Searle, Dave Smith: Das große Rennradbuch. Training, Technik, Taktik. Delius Klasing Verlag, Bielefeld 2009 (4. überarb. Aufl.), ISBN 978-3-7688-5281-4.
  • Michael Gressmann: Fahrradphysik und Biomechanik. Technik, Formeln, Gesetze. 11. Auflage, Delius Klasing Verlag, Bielefeld, 2010, ISBN 978-3-7688-5222-7
  • Rüdiger Bellersheim, Ernst Brust, Michael Gressmann, Dietmar Hertel, Franz Koslar: Tabellenbuch Fahrradtechnik, Europa-Lehrmittel; 2. Auflage 2011, ISBN 978-3-8085-2332-2
  • Dirk Zedler, Thomas Musch: Die Rennradwerkstatt. Delius Klasing Verlag, Bielefeld 2010 (9. überarb. Aufl.), ISBN 978-3-7688-5311-8.
  • Guy Andrews: Rennrad. Wartung und Reparatur. Delius Klasing Verlag, Bielefeld 2011 (2. Aufl.), ISBN 978-3-7688-5296-8.
  • Dirk Zedler, Thomas Musch: Das Rennrad im Selbstaufbau. Delius Klasing Verlag, Bielefeld 2006 (3. Aufl.), ISBN 978-3-7688-5243-2.

Weblinks

Commons: Rennräder – Sammlung von Bildern
Wiktionary: Rennrad – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise