Sierra Entertainment

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Sierra Entertainment

Rechtsform Privat, Tochtergesellschaft von Activision
Gründung 1979
2014 (Neugründung)
Auflösung 2008
Sitz Los Angeles (Vereinigte Staaten)
Leitung Mark Tremblay, Präsident
Mitarbeiterzahl 510
Branche Spieleentwickler, Publisher
Website www.sierragames.com

Sierra Entertainment (gegründet als On-Line Systems, von 1982 bis 1998 bekannt als Sierra On-Line) ist ein amerikanischer Publisher und Entwickler von Computerspielen. Das Unternehmen wurde 1979 vom Ehepaar Ken und Roberta Williams gegründet. In den 1980ern und 1990ern zählte es zu den bedeutendsten Unternehmen der Branche, verlor aber nach Rückzug der Firmengründer ab 1996 zunehmend an Bedeutung. Die Firma blieb unter wechselnden Besitzern noch bis ins Jahr 2008 aktiv. Nach der Fusion des Mutterkonzerns Vivendi Games mit Activision zu Activision Blizzard wurde Sierra geschlossen und die Nutzung der Marke aufgegeben. Im August 2014 wurde von Activision Blizzard im Rahmen der gamescom eine Wiederbelebung des Markenlabels angekündigt.

Geschichte

Sierra unter Ken und Roberta Williams

Sierra wurde 1979 als On-Line Systems von Ken und Roberta Williams gegründet, die in ihrem eigenen Haus an der Entwicklung der Spiele arbeiteten. Ihr erstes Spiel war Mystery House, das weltweit erste grafische Adventure.

1982 wurde die Firma zu Sierra On-Line geändert, und das Unternehmen zog nach Oakhurst (Kalifornien), südlich des Yosemite-Nationalparks. Der dort gelegene Half Dome zierte über lange Jahre das Logo des Studios.[1] 1984 entwickelte Sierra King’s Quest, ursprünglich von IBM veröffentlicht, um die fortgeschrittene Technik des IBM PCjr zu demonstrieren. Der Erfolg dieses Spieles, das nach und nach auf andere Plattformen portiert wurde, war der Beginn einer der erfolgreichsten Sierra-Serien und war der Auslöser, dass Sierra etliche Computerspiele auf der Basis des Quest-Themas entwickelte. In den folgenden Jahren war Sierra stets wegweisend für das Computerspiele-Design und entwickelte einige große Kassenschlager, aber auch manche Misserfolge.

Mit dem Jahr 1990 begann Sierra, andere Unternehmen aufzukaufen, unter anderem Dynamix (1990), Bright Star Technologies (1992), Coktel Vision (1993)[2][3] und Impressions Games (1995). Weiterhin kaufte Sierra auch Green Thumb Software (1995), Arion Software (1995), Papyrus Design Group (1995) und Berkeley Systems (1997). Auch erworben wurden 1995 die Rechte an Print Artist, einem Publishing-Programm, welches Anwendern erlaubt, Drucke von hochauflösenden Bildern herzustellen.

1991 startete Sierra einen Online-Dienst namens The Sierra Network. Noch vor dem WWW gestartet, war es vergleichbar mit Anbietern wie Compuserve oder Prodigy, nur dass seine Oberfläche komplett grafisch realisiert war. Thematisch handelte es sich dabei um eine Mischung aus Königreich und einem Vergnügungspark, in dem Anwender verschiedene „Landschaften“ besuchen konnten und dort auf Bulletin Boards posten, E-Mails verschicken oder Spiele spielen konnten. Es wurde in ImagiNation Network umbenannt und 1994 an AT&T verkauft, die es wiederum 1996 an AOL verkauften.

1994 wurde das Hauptquartier von Sierra nach Bellevue (Washington) verlegt, um mehr talentierte Mitarbeiter anzulocken.

Übernahme und Niedergang

Im Juli 1996 wurde Sierra an CUC International verkauft; Ken Williams verließ Sierra ein Jahr später. Es folgten Übernahmen von Books That Work, PyroTechnix und Headgate (alle 1997). Im Dezember 1997 wurde CUC mit HFS Incorporated zu Cendant Software zusammengeschlossen. Nach dem Bekanntwerden von „Unregelmäßigkeiten“ in der Finanzführung von Cendant Software (in einem Umfang von mehr als 300 Millionen US-Dollar) im April 1998 wurde Sierra an den französischen Publisher Havas weiterverkauft, der seinerseits im selben Jahr vom Medienkonzern Vivendi übernommen wurde.

1998 wurde Sierra in fünf getrennte Abteilungen zerlegt:

  1. Sierra Attractions: Diese Abteilung entwickelte Spiele wie Hoyle, You Don’t Know Jack und andere.
  2. Sierra Home: Zuständig für Softwareanwendungen für den Haushalt wie Print Artist, Hallmark Card Studios, die MasterCook-Serie, Mein Stammbaum und andere
  3. Sierra Sports: Veröffentlichte Sportspiele, die von Papyrus Design Group und anderen Studios entwickelt wurden.
  4. Sierra Studios: Diese Abteilung entwickelte die „großen“ Spiele wie King’s Quest und veröffentlichte die Spiele von Sierra. Das Hauptquartier dieser Abteilung befand sich in Bellevue, wobei Studios wie Impressions Software und PyroTechnix von extern zuarbeiteten. Von Sierra Studios wurden auch Spiele unabhängiger Entwickler veröffentlicht.
  5. Dynamix: Das gleiche Unternehmen, das 1990 gekauft wurde. Das Studio war für die Entwicklung von 3D-Kampf-Simulationen wie Red Baron, Starsiege und Pro Pilot sowie Flugsimulatoren zuständig.

Die Sierra-Büros in Oakhurst wurden 1998 ausgegliedert und in Yosemite Entertainment umbenannt.

Am 22. Februar 1999 führte eine interne Entscheidung von Sierra dazu, dass viele Entwicklungsstudios geschlossen wurden, wobei die überraschendste Schließung die von Yosemite Entertainment war. Dieser Tag, an dem Sierra eine umfassende Neuorganisierung des Unternehmens ankündigte, wird von Sierra-Fans als „Schwarzer Montag“ bezeichnet. Weitere Studios, die geschlossen wurden, waren PyroTechnix, Books That Work und Synergistic; insgesamt verloren 135 Mitarbeiter durch die Schließungen ihre Arbeitsplätze. Ebenfalls 1999 wurde das Unternehmen erneut umstrukturiert. Diesmal wurde es in eine Abteilung für die Entwicklung der Haupttitel (Sierra Studios), eine Abteilung für Sport-Spiele (Sierra Attractions) und eine Abteilung für Unterhaltungssoftware (Sierra Home) unterteilt. 105 weitere Angestellte verloren im Zuge dieser Neuorganisation ihre Arbeitsplätze. Zu dieser Zeit änderte das Unternehmen auch seine Prioritäten weg von der Computerspiele-Entwicklung hin zur Veröffentlichung von Spielen unabhängiger Entwickler. 2002 wurde der Name des Unternehmens in Sierra Entertainment geändert.

Im Juni 2004 reorganisierte Vivendi seine Spiele-Sparte, verteilte die noch vorhandenen Projekte von Sierra an andere Abteilungen und schloss im August desselben Jahres die Hauptbüros von Sierra in Bellevue.[4] Vivendi plante einen Neustart der Marke mit neuem Management und neuen Studios sowie einem neuen Markenportfolio, darunter Crash Bandicoot, Spyro the Dragon und Scarface: The World Is Yours. Die Pläne wurden aber nicht mehr umgesetzt.[5]

Schließung und Wiederbelebung

Im Januar 2008 gaben Sierras Mutterkonzern Vivendi Games und der Mitbewerber Activision ihre Fusion zum neuen Branchenprimus Activision Blizzard bekannt.[6] Im Juli wurde Sierra nach interner Überprüfung für das fusionierte Unternehmen als strategisch nicht bedeutsam eingestuft. Zahlreiche unter Vivendi in Auftrag gegebene Spieleentwicklungen wurden wieder eingestellt und eine Schließung oder ein Verkauf geprüft.[7] Bereits im August 2008 spekulierte daher das britische Spielemagazin Edge über eine Stilllegung des Markennamens Sierra.[8] Im Oktober 2008 wurden zahlreiche Multiplayer-Server zu Sierra-Spielen abgeschaltet.[5] Am 1. November 2008 wurden viele der Webseiten zu den jeweiligen Spielen abgeschaltet oder zur Startseite von Activision umgeleitet und der Name stillgelegt. Eine unabhängige Entwickler-Gruppe namens AGD Interactive legte einige der klassischen Sierra-Adventures der 1980er- und 1990er-Jahre neu auf.

Im August 2014 gab Activision Blizzard auf der in Köln stattfindenden Spielemesse Gamescom bekannt, den Markennamen Sierra wiederzubeleben und neue Spiele unter dem Label veröffentlichen zu wollen.[9] Als erste Titel wurden ein neuer Titel der Reihe King’s Quest, konzipiert vom Entwicklerstudio The Odd Gentleman, und Geometry Wars 3: Dimensions von Lucid Games angekündigt.[10] King’s Quest wurde in fünf Episoden zwischen dem 28. Juli 2015 und dem 25. Oktober 2016 veröffentlicht.

Unternehmen in der Sierra-Gruppe

Aufgekaufte Unternehmen

Unternehmen, die für Sierra Spiele veröffentlichten

Kurioses

Zu den Markenzeichen vieler Sierra-Titel (darunter fast sämtlicher ihrer Adventures) gehört, dass diese äußerst zahlreiche, vielfältige und teils sehr skurrile Möglichkeiten für die Spielfigur beinhalten, zu Tode zu kommen und so das Spiel vorzeitig zu beenden. Neben ihrer, trotz des meist eher cartoonartigen Grafikstils, sehr deutlichen bis brutalen Darstellung, wird zudem jeder einzelne Tod (oder sonstiges Game Over) vom Spiel (in späteren vertonten Titeln meist vom Erzähler) sarkastisch kommentiert[11], wobei diese Kommentare manchmal sogar einen oder mehrere Tipps enthalten, wie der Spieler die Situation beim nächsten Mal lösen kann. Dieses Stilmittel hat unter Sierra-Fans einen Bekanntheitsgrad erreicht, welcher so weit geht, dass sich etwa auf YouTube Videos finden lassen, in welchen sämtliche möglichen Tode (plus Kommentare) in einem Sierra-Adventure wie King’s Quest oder Space Quest gezeigt werden[12]; ferner wurde es auch bei verschiedenen Fan-Remakes der Spiele berücksichtigt und übernommen, teils gegenüber dem Original nochmal erweitert.

Spiele

Nach der Neugründung veröffentlichte Spiele

Bis 2008 veröffentlichte Spiele

Adventures

Screenshot von Mystery House, dem ersten grafischen Adventure
  • Leisure-Suit-Larry-Serie
    1. Softporn Adventure (1981, Vorgänger von Leisure Suit Larry)
    2. Leisure Suit Larry In the Land of the Lounge Lizards (1987, verbesserte Version 1991)
    3. Leisure Suit Larry Goes Looking for Love (In Several Wrong Places) (1988)
    4. Leisure Suit Larry 3: Passionate Patti in Pursuit of the Pulsating Pectorals (1989)
    5. Leisure Suit Larry 5: Passionate Patti Does a Little Undercover Work (1991)
    6. Laffer Utilities (1992)
    7. Leisure Suit Larry 6: Shape Up or Slip Out! (1993)
    8. Leisure Suit Larry 7: Love for Sail (1995)
    9. Leisure Suit Larry's Casino (1998)
    10. Leisure Suit Larry 8: Lust in Space (nicht veröffentlicht)
    11. Leisure Suit Larry: Magna Cum Laude (2004, nicht vom ursprünglichen Designer Al Lowe)
  • Police-Quest-Serie
    1. Police Quest: In Pursuit of the Death Angel (1987, VGA-Remake 1992)
    2. Police Quest II: The Vengeance (1988)
    3. Police Quest III: The Kindred (1991)
    4. Police Quest IV: Open Season (1993)
  • Manhunter-Serie
    1. Manhunter: New York (1988)
    2. Manhunter 2: San Francisco (1989)
  • Quest-for-Glory-Serie (zuvor: Hero's Quest)
    1. Quest for Glory I (alias Hero's Quest I): So You Want to be a Hero (1989, verbesserte Version 1991)
    2. Quest for Glory II (alias Hero's Quest II): Trial by Fire (1990)
    3. Quest for Glory III: Wages of War (dt.: Der Lohn des Krieges) (1992)
    4. Quest for Glory IV: Shadows of Darkness (dt.: Schatten der Dunkelheit) (1994)
    5. Quest for Glory V: Dragon Fire (dt.: Drachenfeuer) (1998)
  • EcoQuest-Serie
    1. EcoQuest: The Search for Cetus (1991)
    2. EcoQuest 2: Lost Secret of the Rainforest (1993)
  • Gabriel-Knight-Serie
    1. Gabriel Knight: Sins of the Fathers (dt.: Die Sünden der Väter) (1993)
    2. Gabriel Knight: The Beast Within (1995)
    3. Gabriel Knight: Blood of the Sacred, Blood of the Damned (dt.: Blut der Heiligen, Blut der Verdammten) (1999)
  • Phantasmagoria-Serie
    1. Phantasmagoria (1995)
    2. Phantasmagoria II: A Puzzle of Flesh (1996)

Andere Spiele

  • The-Incredible-Machine-Serie
    1. The Incredible Machine (1992)
    2. The Incredible Machine 2 (1994)
    3. The Incredible Toon Machine (1994)
    4. The Incredible Machine 3.0 (1995)
    5. The Even More Incredible Machine (1996)
    6. Return of the Incredible Machine: Contraptions (2000)
    7. The Incredible Machine: Even More Contraptions (2001)
  • Outpost-Serie
    1. Outpost (1994)
    2. Outpost 2: Divided Destiny (1997)
  • Hoyle’s-Serie
    1. Hoyle’s Official Book of Games: Volume 1 (1989)
    2. Hoyle’s Official Book of Games: Volume 2 (1990)
    3. Hoyle’s Official Book of Games: Volume 3 (1991)
    4. Hoyle Casino
    5. Hoyle Board Games
    6. Hoyle Card Games
    7. Hoyle Kids Games
    8. Hoyle Puzzle Games
    9. Hoyle Table Games
    10. Hoyle Solitaire (1996)
    11. Hoyle Backgammon and Cribbage (1999)
    12. Hoyle Casino Empire (2002)
    13. Hoyle Majestic Chess (2003)

Literatur

  • Shawn Mills: The Sierra Adventure: The Story of Sierra On-Line. 2020, ISBN 978-1-71691-742-4.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Historian looking to interview those who knew Sierra On-Line owners/company. In: The Sierra Star. 10. September 2014, abgerufen am 4. Oktober 2019: „People across the world still recognize the Sierra logo, which is an image of the Half Dome.“
  2. Quartalsbericht von Sierra On-Line bei der SEC, 14. August 1995, abgerufen am 10. September 2019
  3. Pierre de Gasquet: L’américain Sierra-On-Line absorbe Coktel Vision. In: Les Échos. 4. Mai 1994 (französisch, lesechos.fr [abgerufen am 10. September 2019]).
  4. Seattle Post-Intelligencer: Bellevue to lose game studio
  5. a b Sierra Shutting Down Game Servers
  6. PC Games Hardware: Activision Blizzard: Die neue Nr. 1, 14. Januar 2008 (abgerufen am 14. November 2008)
  7. Activision Blizzard ‘streamlining’ Vivendi
  8. Why Sierra Must Die (Memento vom 28. Juni 2013 im Internet Archive)
  9. Spiele-Legende Sierra kehrt zurück, Details folgen auf der Gamescom
  10. Sierra reboots with new ‘King’s Quest’ and ‘Geometry Wars’ games
  11. Death in Adventure Games – www.adventureclassicgaming.com. Abgerufen am 5. Juni 2016.
  12. Ways to Die Space Quest 1 Remake – YouTube. Abgerufen am 5. Juni 2016.
  13. sierra.com Produktseite King’s Quest