Dialektkontinuum

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Kontinentalwestgermanisches Dialektkontinuum um 1900 (nach Wiesinger & König[1][2][3][4]) mit den folgenden dialektalen Großgruppen:
  • Ehemalige deutsche Sprachgebiet in Ostmitteleuropa: seit 1945/50 praktisch nicht mehr existent
  • Unter einem Dialektkontinuum wird in der Dialektologie eine Kette von Dialekten verstanden, innerhalb derer sich nach innersprachlichen strukturellen Kriterien keine eindeutigen Grenzen ziehen lassen, da zumindest zwei geographisch oder sozial benachbarte Dialekte jeweils gegenseitig verständlich sind.

    Geographische Dialektkontinua

    Meist wird der Begriff Dialektkontinuum im Sinne eines geographischen Dialektkontinuums verwendet, eines zusammenhängenden geographischen Raums, in dem miteinander verwandte Dialekte gesprochen werden, zwischen denen sich nach innersprachlichen strukturellen Kriterien keine eindeutigen Grenzen ziehen lassen, da sie zwar durch zahlreiche Isoglossen voneinander getrennt werden, die Isoglossen für unterschiedliche sprachliche Erscheinungen jedoch im Allgemeinen nicht an derselben Stelle verlaufen.[5]

    Die Dialekte verändern sich von einem Ort zum Nachbarort meist nur leicht, so dass immer eine Kommunikation mit den Sprechern in der unmittelbaren Umgebung problemlos möglich ist. Je größer die Distanz zwischen den Orten wird, umso größer werden die Unterschiede und entsprechend wird die Kommunikation schwieriger, bis ab einer gewissen örtlichen Distanz gar keine Kommunikation auf basilektaler Basis mehr möglich ist.[5]

    Dialektgebiete sind Teil eines Dialektkontinuums und haben sich durch geographische Isolation und damit durch Ausprägung der örtlichen Kommunikation entwickelt. (Man vergleiche auch den verwandten, aber nicht identischen Begriff Dialektcluster.)

    Geographische Dialektkontinua und Dachsprachen

    Da eine eindeutige Gliederung in mehrere Einzelsprachen auch bei größeren geographischen Dialektkontinua nach rein innersprachlichen strukturellen Kriterien nicht möglich ist, orientieren sich die konstruierten Einteilungen gewöhnlich auch an politischen oder kulturellen Grenzen, die zur Verwendung unterschiedlicher Dachsprachen in unterschiedlichen Gebieten geführt haben. Haben sich die Verbreitungsgebiete der Dachsprachen im Laufe der Zeit geändert oder ist deren Status selbst umstritten, so können sich damit unterschiedliche Konstrukte von Einordnungen derselben Dialekte ergeben.[6]

    Verfügen weit voneinander entfernt liegende Dialekte eines Dialektkontinuums über eine gemeinsame Dachsprache, spricht man auch bei nicht gegenseitig verständlichen Varietäten meist von Dialekten derselben Sprache. Dialektsprecher, die der Dachsprache mächtig sind, leben in einer sprachlichen Situation, die man als Diglossie bezeichnet.

    Soziale Dialektkontinua

    Neben geographischen Dialektkontinua gibt es auch soziale Dialektkontinua zwischen basilektalen und akrolektalen Sprachvarietäten, die in demselben geographischen Raum gesprochen werden. Hier können sich Basilekt und Akrolekt bis zur gegenseitigen Unverständlichkeit voneinander unterscheiden, jedoch existiert dazwischen eine Kette von Varietäten, die Merkmale des Basilekts und des Akrolekts in unterschiedlichem Ausmaß miteinander mischen, so dass eine eindeutige Trennung der Varietäten nicht möglich ist.[7]

    Beispiele für großräumige geographische Dialektkontinua

    Nordindisches Dialektkontinuum mit Singhalesisch außerhalb des Kontinuums

    Siehe auch

    Literatur

    • J. K. Chambers, Peter Trudgill: Dialectology. 2. Auflage, Cambridge University Press, Cambridge 1998, ISBN 0-521-59646-7 (Cambridge textbooks in linguistics).
    • Alfred Lameli: Strukturen im Sprachraum. Analysen zur arealtypologischen Komplexität der Dialekte in Deutschland. Berlin/Boston 2013, ISBN 3-11-033123-3.

    Einzelnachweise

    1. W. Heeringa: Measuring Dialect Pronunciation Differences using Levenshtein Distance, University of Groningen, 2009, S. 232–234.
    2. P. Wiesinger: Die Einteilung der deutschen Dialekte. In: Dialektologie. Ein Handbuch zur deutschen und allgemeinen Dialektforschung, Berlin, New York, S. 807–900
    3. Werner König: dtv-Atlas Deutsche Sprache. München 2019, S. 230.
    4. Charlotte Giesbers: Dialecten op de grens van twee talen. Radboud Universiteit, Nijmegen 2008, S. 233.
    5. a b J. K. Chambers, Peter Trudgill: Dialectology. 2. Aufl., Cambridge Univ. Press, Cambridge 1998, S. 5–7 (Geographical dialect continua).
    6. J. K. Chambers, Peter Trudgill: Dialectology. 2. Aufl., Cambridge Univ. Press, Cambridge 1998, S. 5–7, 9–12.
    7. J. K. Chambers, Peter Trudgill: Dialectology. 2. Aufl., Cambridge Univ. Press, Cambridge 1998, S. 7–9 (Social dialect continua).
    8. J. K. Chambers, Peter Trudgill: Dialectology. 2. Aufl., Cambridge Univ. Press, Cambridge 1998, S. 6 (West Germanic dialect continuum).
    9. Charlotte Giesbers: Dialecten op de grens van twee talen — een dialectologisch en sociolinguïstisch onderzoek in het Kleverlands dialectgebied. Proefschrift, Radboud Universiteit, Nijmegen 2008, S. 187. (Teil dieser Doktorarbeit ist eine deutschsprachige Zusammenfassung ab Seite 233.)
    10. J. K. Chambers, Peter Trudgill: Dialectology. 2. Aufl., Cambridge Univ. Press, Cambridge 1998, S. 6 (Scandinavian dialect continuum).
    11. J. K. Chambers, Peter Trudgill: Dialectology. 2. Aufl., Cambridge Univ. Press, Cambridge 1998, S. 6 (West Romance dialect continuum).
    12. J. K. Chambers, Peter Trudgill: Dialectology. 2. Aufl., Cambridge Univ. Press, Cambridge 1998, S. 6 (North Slavic dialect continuum).
    13. J. K. Chambers, Peter Trudgill: Dialectology. 2. Aufl., Cambridge Univ. Press, Cambridge 1998, S. 6 (South Slavic dialect continuum).