Tessa Ganserer

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Tessa Ganserer (2019)

Tessa Ganserer (* 16. Mai 1977 in Zwiesel; bürgerlich Markus Ganserer) ist eine deutsche Politikerin (Bündnis 90/Die Grünen) und seit 2021 Mitglied des Deutschen Bundestages (MdB). Sie ist Mitglied im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz und war von 2013 bis 2021 Mitglied des Bayerischen Landtags (MdL). 2018 war sie die erste Abgeordnete in Deutschland, die ihre Transidentität publik gemacht hat.[1] Neben Nyke Slawik gehört sie seit 2021 zu den ersten beiden trans Frauen im Deutschen Bundestag.[2]

Biografie

Ganserer wuchs in Zwiesel auf; die Mutter war Hausfrau, der Vater arbeitete am Fließband bei Zwiesel Kristallglas.[3] Ganserer absolvierte nach dem Hauptschulabschluss 1995 eine Berufsausbildung zum Forstwirt. Danach folgten der Besuch der Berufsoberschule, der Zivildienst und eine berufliche Tätigkeit im Garten- und Landschaftsbau. Ganserer studierte von 2000 bis 2005 an der Fachhochschule Weihenstephan Wald- und Forstwirtschaft mit Abschluss Diplom-Ingenieur (FH) und war von 2005 bis 2013 für den Landtagsabgeordneten Christian Magerl (Grüne) tätig.

Sie ist mit Ines Eichmüller seit 2001 liiert und seit 2013 verheiratet.[4] Eichmüller erfuhr erst nach der Heirat von Ganserers Transidentität und akzeptierte sie.[5] Das Paar hat zwei Söhne.[6] Viele Jahre vor dem Publikmachen fühlte Ganserer sich als Frau.[4] Im November 2018 machte sie ihre Transidentität öffentlich bekannt.[7][8]

Namensadaption

Ganserer gab im Januar 2019 bekannt, künftig als Frau unter dem Namen Tessa Ganserer zu leben.[6] Die Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) erklärte dazu, dass sie Ganserer – unabhängig vom rechtlichen Status – als Frau behandeln werde.[9] In der danach folgenden Landtagssitzung am 23. Januar informierte Aigner im Plenum die Abgeordneten über die Änderung und bat „sehr darum, Frau Ganserer im persönlichen Gespräch als Frau anzusprechen. Schreiben sollen an ‚Markus (Tessa) Ganserer‘ adressiert werden, wobei die explizite Anrede ‚Herr‘ nicht angezeigt ist.“ Aigner berief sich darauf, dass noch „rechtliche Notwendigkeiten zu berücksichtigen“ seien, „über die wir uns nicht hinwegsetzen können“. Die notwendigen rechtlichen Schritte zur Änderung des Personenstands habe Ganserer bereits eingeleitet. Das vorgeschlagene Vorgehen sei im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes. Vor allen Dingen sei es aber ein Weg, „der Frau Ganserers Würde und ihr Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit achtet“.[10]

Im August 2019 erklärte Ganserer, dass sie sich dem im Transsexuellengesetz festgelegten weiteren Verfahren für eine rechtliche Namensänderung und für die Personenstandsänderung verweigern werde: „Ich werde mich nicht vor einen Richter stellen, um mir intimste persönliche Fragen zu meinen frühkindlichen Erlebnissen, meinen sexuellen Präferenzen und Partnerinnen gefallen lassen, damit er für diesen Staat entscheiden kann, dass ich die Frau bin, die ich schon immer war.“[11] Im Geburtenregister bleiben deshalb der Eintrag „männlich“ und der Geburtsvorname bis auf Weiteres unverändert bestehen.[12]

In den amtlichen Dokumenten des Bayerischen Landtages wurde zumindest bis Februar 2020 eine Formulierung nach dem Schema Familienname alter Vorname (neuer Vorname) verwendet.[13] In den Dokumenten seit Anfang Juli 2020 und auf der Personenseite wird Ganserer nun ausschließlich mit ihrem weiblichen Vornamen Tessa geführt.[14][15] Die Zulassung für die Bundestagswahl 2021 im Kreiswahlausschuss erfolgte als „Markus (Tessa) Ganserer, Försterin, MdL“.[16]

Politik

Parteilaufbahn

Ganserer gehört Bündnis 90/Die Grünen seit 1998 an und kandidierte 2008 erstmals für den Bayerischen Landtag. Bei der Landtagswahl in Bayern 2013 trat sie im Stimmkreis Nürnberg-Nord an, erreichte mit 13,6 Prozent der Erststimmen nur den dritten Platz, erhielt aber über die Wahlkreisliste der Grünen trotzdem ein Mandat. Sie war in der 17. Wahlperiode (2013 bis 2018) ordentliches Mitglied des Bayerischen Landtags und in den Landtagsausschüssen Fragen des öffentlichen Dienstes und Ausschuss für Wirtschaft und Medien, Infrastruktur, Bau und Verkehr, Energie und Technologie. Sie war von 2014 bis 2018 in die Enquete-Kommission Gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Bayern berufen und betreut die Mobilitäts- und Forstpolitik der Grünen-Fraktion. Von 2013 bis 2021 war Ganserer Mitglied im Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes und von 2008 bis November 2018 war sie Bezirksvorstand der Grünen von Mittelfranken.

Von 2018 bis 2021 queerpolitische Sprecherin der grünen Landtagsfraktion und LGBTIQ-aktivistische Politikerin.[17]

Bei der Landtagswahl in Bayern 2018 konnte sie – wiederum im Stimmkreis Nürnberg-Nord – mit 25,9 Prozent ihren Stimmenanteil stark erhöhen, jedoch erneut kein Direktmandat erringen. Ihr Einzug in den Landtag erfolgte auch diesmal über die mittelfränkische Wahlkreisliste der bayrischen Grünen.

Zur Bundestagswahl 2021 kandidierte Ganserer im Bundestagswahlkreis Nürnberg-Nord für das Direktmandat und zog über den Landeslistenplatz 13 in den Deutschen Bundestag ein.[18] Infolgedessen legte sie ihr Mandat für den Bayerischen Landtag nieder, so dass Elmar Hayn nachrücken konnte.[19]

Abgeordnetentätigkeit

Seit 2021 ist sie ordentliches Mitglied im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestags. Sie ist stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft sowie im Ausschuss für Gesundheit.[20][21]

Ihre erste Bundestagsrede hielt Tessa Ganserer am 17. Februar 2022 während einer Beratung zur Einsetzung eines Parlamentarischen Beirates für nachhaltige Entwicklung.[22] Sie sprach zu dem Thema Nachhaltigkeit in der Forstwirtschaft und Nachhaltigkeitspolitik der Bundesregierung auf parlamentarischer Ebene. Ganserer betont insbesondere die Notwendigkeit für ein schnelles Handeln zum Klimaschutz und stellt fest, „dass das Nichtstun auf Dauer deutlich teurer wird, als jetzt die notwendigen Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen.“[23]

Politische Positionen

Schwerpunkt von Ganserers Arbeit ist die Umweltpolitik; dabei vertritt sie die Ansicht, dass der Erhalt der ökologischen Vielfalt zentral für die Sicherung der Lebensgrundlagen ist.[20] Ein weiteres Anliegen ist die Einbringung von queeren Themen auf parlamentarischer Ebene.[24]

Selbstbestimmungs- und Abstammungsgesetz

Ganserer hat das Transsexuellengesetz, das zum Teil bereits mehrfach als verfassungswidrig erklärt wurde[25], als Menschenrechtsverletzung bezeichnet[1] und fordert, dass dieses durch ein Selbstbestimmungsgesetz ersetzt wird. Des Weiteren fordert sie die Reformierung des Abstammungsrechts und setzt sich für die Schaffung eines Aktionsplan für Vielfalt und die institutionelle Förderung von Akzeptanz ein. Ganserers Arbeit richtet sich außerdem auf die Erneuerung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Ihrer Ansicht nach ist dies eine Notwendigkeit für queere Menschen, für behinderte Menschen und Menschen mit Migrationshintergrund.[24]

Literatur

  • Eva-Charlotte Proll: „Die Frau stehen, die ich bin“. Als Transfrau für Diversität im Öffentlichen Dienst sorgen. (Porträt) In: Behörden Spiegel. Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen Dienst. Nr. VI, 36. Jg., Berlin und Bonn Juni 2020, S. 38.

Weblinks

Commons: Tessa Ganserer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Sophie Madeleine Garbe, Lukas Waschbüsch: Transfrau Tessa Ganserer im bayerischen Landtag: „Ich verlange, dass dieser Staat mich akzeptiert“. In: Der Spiegel. 21. Dezember 2019, abgerufen am 5. Juli 2020.
  2. Inga Hofmann: Tessa Ganserer und Nyke Slawik sind die ersten trans Frauen im Bundestag. In: tagesspiegel.de. 27. September 2021, abgerufen am 27. September 2021.
  3. Dialika Neufeld: Tessa Ganserer (Die Grünen): »Wie weit muss ich gehen, um als Frau akzeptiert zu werden?« In: Der Spiegel. 27. September 2021, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 27. September 2021]).
  4. a b Franziska Schwarz: Transsexuelle Politikerin Tessa Ganserer – So reagierten die Söhne auf ihre neue Identität. In: Merkur.de, 8. August 2019, abgerufen am 5. Juli 2020.
  5. Roland Englisch: Bald in Berlin? Tessa Ganserer will in den Bundestag. In: Nürnberger Nachrichten. 7. Juli 2020, abgerufen am 27. Mai 2021.
  6. a b Lisa Schnell: Praxistest der Toleranz. In: Süddeutsche Zeitung, 5. Januar 2019, abgerufen am 5. Juli 2020.
  7. Judith Schacht: Grünen-Abgeordnete in Bayern: Jetzt ist es so. Tessa Ganserer ist Grünen-Abgeordnete im Bayerischen Landtag. Ihr Coming-out war ein Befreiungsschlag. Sie kämpft darum, als Frau zu gelten. In: taz.de, 23. Februar 2019, abgerufen am 5. Juli 2019: „Die transsexuelle Politikerin Tessa Ganserer, die für die Grünen im bayerischen Landtag sitzt, spricht über ihre Ehe nach ihrem Coming-out – und kritisiert Horst Seehofer.“
  8. Lisa Schnell: Transgender: Im Parlament ein Mann, privat auch mal Frau. In: Süddeutsche Zeitung. 10. November 2018, abgerufen am 5. Juli 2020.
  9. Peter Solfrank: Transgender bei den Landtags-Grünen: Markus ist nun Tessa. In: Bayerischer Rundfunk, Meldung vom 9. Januar 2019, abgerufen am 11. Januar 2019.
  10. Präsidentin Ilse Aigner: Information betr. MdL Ganserer. In: Protokoll 18/6 vom 23. Januar 2019 des Bayerischen Landtags, 18. Wahlperiode, S. 219. (Volltext online (PDF; S. 9), abgerufen am 5. Juli 2019, Zitat wurde abgeändert.)
  11. Rachel Boßmeyer, dpa: Als Transfrau im Bayern-Parlament: „Es macht mich stark, nicht nur für mich allein zu kämpfen“. In: t-online.de, 6. August 2019, abgerufen am 5. Juli 2020: „Seit sechs Jahren ist Tessa Ganserer Mitglied des Bayerischen Landtags, aber erst seit Januar mit ihrem Frauennamen. Persönlich wie politisch: Als erste offen transidente Abgeordnete kämpft sie jeden Tag um Anerkennung.“
  12. Worauf achten Sie bei anderen zuerst? Ein Interview ohne Worte mit der Grünen-Abgeordneten Tessa Ganserer, die bis vor einem Jahr noch als Markus Ganserer in den bayerischen Landtag ging. In: Sagen Sie jetzt nichts. Serie im SZ Magazin, Heft 15/2020, 8. April 2020, abgerufen am 5. Juli 2020.
  13. Bayerischer Landtag – Landtagsamt (Hrsg.): Verzeichnis der Abgeordneten des Bayerischen Landtags, 18. Wahlperiode, in der Fassung 26. Februar 2020. (Volltext Online (PDF; S. 3) (Memento vom 27. Februar 2020 im Internet Archive): „11. Dipl.-Ing. Ganserer Markus (Tessa)“.
  14. Bayerischer Landtag – Landtagsamt (Hrsg.): Verzeichnis der Abgeordneten des Bayerischen Landtags, 18. Wahlperiode, in der Fassung 5. Juli 2020. (Volltext Online (PDF; S. 3): „11. Dipl.-Ing. Ganserer Tessa“.
  15. Dipl.-Ing. Tessa Ganserer, B'90/Grüne / Dipl. Ing. (FH) für Wald- und Forstwirtschaft. Abgeordnetenbiografie auf der Website des Bayerischen Landtags, abgerufen am 5. Juli 2020.
  16. Kreiswahlvorschläge zur Bundestagswahl zugelassen In: Nachrichten aus dem Rathaus Nr. 782 / 30. Juli 2021, Stadt Nürnberg, abgerufen am 1. August 2021
  17. Neue Studie Bayern: Die Hälfte der queeren Menschen erlebt Diskriminierung. Laut einer neuen Studie der Grünen berichtet unter LGBTI fast jede zweite Person über Diskriminierungserfahrungen in den letzten drei Jahren. In: Queer.de, 15. Mai 2020, abgerufen am 5. Juli 2020.
  18. Gewählte in Landeslisten der Parteien in Bayern - Der Bundeswahlleiter. Abgerufen am 4. November 2021.
  19. Elmar Hayn aus Nürnberg rückt für Tessa Ganserer in den Landtag. 30. September 2021, abgerufen am 4. November 2021.
  20. a b Tessa Ganserer: Zurück zu den Wurzeln | Tessa Ganserer. Abgerufen am 21. Februar 2022 (deutsch).
  21. Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion: Infos zur Person. Abgerufen am 21. Februar 2022 (deutsch).
  22. Deutscher Bundestag, Mediathek. Abgerufen am 17. Februar 2022.
  23. Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion: Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung. Abgerufen am 21. Februar 2022 (deutsch).
  24. a b Grünen-Politikerin Tessa Ganserer - "Letztendlich geht es um Grund- und Menschenrechte". Abgerufen am 21. Februar 2022.
  25. "Das Transsexuellengesetz wird bald in die Geschichte gehen". In: Der Tagesspiegel Online. 25. November 2021, ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 21. Februar 2022]).