Tschermigit

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Tschermigit
Tschermigit (Ammonalaun) - Tschermig, Böhmen.jpg
Tschermigit, Fundort Tschermig/Böhmen.
Allgemeines und Klassifikation
Chemische Formel
  • (NH4)Al(SO4)2·12H2O[1]
  • NH4Al[SO4]2·12H2O[2]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Wasserhaltiges Sulfat
System-Nr. nach Strunz
und nach Dana
07.CC.20 (8. Auflage: VI/C.14)
29.05.05.03
Kristallographische Daten
Kristallsystem kubisch
Kristallklasse; Symbol kubisch-disdodekaedrisch; 2/m 3
Raumgruppe Pa3 (Nr. 205)Vorlage:Raumgruppe/205[2]
Gitterparameter a = 12,24 Å[2]
Formeleinheiten Z = 4[2]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 1,5[3]
Dichte (g/cm3) gemessen: 1,645; berechnet: 1,641[3]
Spaltbarkeit vollkommen nach {100}[4]
Bruch; Tenazität muschelig[4]
Farbe farblos bis weiß
Strichfarbe weiß
Transparenz durchsichtig[3]
Glanz Seidenglanz, Glasglanz[3]
Kristalloptik
Brechungsindex n = 1,485[3]
Doppelbrechung keine, da optisch isotrop
Weitere Eigenschaften
Chemisches Verhalten leicht wasserlöslich; bitterer, adstringierender Geschmack

Tschermigit, auch als Ammonalaun[5] bekannt, ist ein selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der Sulfate (und Verwandte) mit der chemischen Zusammensetzung NH4Al[SO4]2·12H2O[2] und damit chemisch gesehen Aluminium-Alaun.

Tschermigit kristallisiert im kubischen Kristallsystem und findet sich meist in Form weißer Ausblühungen oder faseriger bis stängeliger Aggregate mit einem seidenähnlichen Glanz auf den Oberflächen. Ausgeprägte Kristalle sind selten, können dann aber eine Größe von etwa einem Zentimeter erreichen. Die Oberflächen der durchsichtigen und farblosen bis weißen Kristalle weisen Glasglanz auf. Mit einer Mohshärte von 1,5 liegt Tschermigit zwischen den Referenzmineralen Talk (1) und Gips (2), lässt sich also ähnlich wie diese gut mit dem Fingernagel ritzen.

Etymologie und Geschichte

Entdeckt wurde Tschermigit erstmals nahe der Ortschaft Čermníky in der tschechischen Region Böhmen. Die Erstbeschreibung erfolgte 1853 durch Franz von Kobell, der das Mineral nach dessen Typlokalität benannte bzw. dessen deutsche Bezeichnung „Tschermig“ (auch Tschermich).

Der Fundort Čermníky existiert inzwischen nicht mehr, da das Dorf dem Nechranice-Stausee weichen musste.

Klassifikation

In der veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Tschermigit zur Mineralklasse der „Sulfate, Chromate, Molybdate, Wolframate“ (einschließlich einiger Selenate und Tellurate) und dort zur Abteilung der „Wasserhaltigen Sulfate ohne fremde Anionen“, wo er zusammen mit Alaun-(K) (ehemals Kali-Alaun) und Alaun-(N) (ehemals Natron-Alaun) sowie im Anhang mit Voltait die „Alaun-Gruppe“ mit der System-Nr. VI/C.08 bildete.

Im Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch nach dieser alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. VI/C.14-30. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies ebenfalls der Abteilung „Wasserhaltige Sulfate ohne fremde Anionen“, wo Tschermigit zusammen mit Alaun-(K), Alaun-(Na), Ammoniomagnesiovoltait, Lanmuchangit, Lonecreekit, Pertlikit, Voltait und Zincovoltait eine eigenständige, aber unbenannte Gruppe bildet (Stand 2018).[6]

Auch die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) zuletzt 2009 aktualisierte[7] 9. Auflage der Strunz'schen Mineralsystematik ordnet den Tschermigit in die Abteilung der „Sulfate (Selenate usw.) ohne zusätzliche Anionen, mit H2O“ ein. Diese ist allerdings weiter unterteilt nach der relativen Größe der beteiligten Kationen, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Mit mittelgroßen und großen Kationen“ zu finden ist, wo er zusammen mit Lanmuchangit, Lonecreekit, Alaun-(K) und Alaun-(N) die „Alaungruppe“ mit der System-Nr. 07.CC.20 bildet.

Die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Tschermigit ebenfalls in die Klasse der „Sulfate, Chromate und Molybdate“ und dort in die Abteilung der „Wasserhaltigen Säuren und Sulfate“ ein. Auch hier ist Tschermigit als Mitglied in der Alaungruppe mit der System-Nr. 29.05.05 und den weiteren Mitgliedern Alaun-(K), Alaun-(Na), Lonecreekit und Lanmuchangit innerhalb der Unterabteilung der „Wasserhaltige Säuren und Sulfate mit AB(XO4)2 × x(H2O)“ zu finden.

Kristallstruktur

Tschermigit kristallisiert im kubischen Kristallsystem in der Raumgruppe Pa3 (Raumgruppen-Nr. 205)Vorlage:Raumgruppe/205 mit dem Gitterparameter a = 12,24 Å sowie 4 Formeleinheiten pro Elementarzelle.[2]

Eigenschaften

Tschermigit ist, wie auch die anderen Alaune, gut in Wasser löslich (192 g/l bei 25 °C). Aus diesem Grund ist Tschermigit nicht beständig und die Kristalle können schon bei hoher Umgebungsfeuchtigkeit zerfließen. Mineralproben sollten daher immer in luftdichten Behältern aufbewahrt werden. Oberhalb von etwa 93 °C gibt es sein Kristallwasser ab, wobei es sich dann darin löst. Die wässrigen Lösungen haben einen salzig-bitteren, adstringierenden Geschmack.

Bildung und Fundorte

Tschermigit bildet sich als Ausblühungen auf brennenden Kohlenhalden oder an den Rändern von Fumarolen. Die Abscheidung erfolgt aufgrund der hohen Wasserlöslichkeit ausschließlich aus der Gasphase und unter sehr trockenen Umgebungsbedingungen. Kristallbildungen aus übersättigten Lösungen sind in der Natur noch nicht bekannt geworden. Begleitminerale sind unter anderem Gips, Ammoniojarosit, Epsomit, Rostit, Alunogen, Boussingaultit, Mascagnin und Voltait.

Als seltene Mineralbildung konnte Tschermigit nur an wenigen Fundorten nachgewiesen werden. Bisher (Stand: 2011) sind rund 60 Fundorte bekannt.[8] Neben seiner Typlokalität Čermníky trat das Mineral in Tschechien noch an mehreren Orten in Böhmen wie unter anderem Kladno, Mnichovo Hradiště und Sušice. Daneben fand es sich noch in den mährischen Gemeinden Zastávka und Žeravice.

In Deutschland wurde Tschermigit bisher in der Grube Clara bei Oberwolfach in Baden-Württemberg, der Grube Anna bei Alsdorf in Nordrhein-Westfalen, der Grube Königin Carola (auch Grube Paul Berndt) bei Freital in Sachsen und auf der inzwischen geschlossenen Absetzerhalde des Tagebaus Lichtenberg im Uranerzrevier Ronneburg in Thüringen gefunden.

In der Schweiz fand sich das Mineral bisher nur bei Brissago TI im Tessin und bei Collonges VS im Kanton Wallis.

Weitere Fundorte liegen unter anderem in Brasilien, China, der Demokratischen Republik Kongo, Frankreich, Italien, Japan, Polen, Portugal, Russland, der Slowakei, Spanien, Südafrika, Tadschikistan, Ungarn und den Vereinigten Staaten von Amerika (USA).[9]

Verwendung

Tschermigit bildet keine abbauwürdigen Lagerstätten. Aus diesem Grund hat es als Mineral zur Darstellung von Aluminium bzw. Aluminiumsalzen keine Bedeutung. Bekannte Verwendungszwecke sind nur von historischem Interesse.

Durch seine adstringierende Wirkung kann Tschermigit, wie auch andere Alaune, als Deodorant oder Rasierstift eingesetzt werden. Im Englischen wird Tschermigit auch als Deodorant Stone bezeichnet.[4]

Manipulationen und Imitationen

Aufgrund der leichten Herstellung von synthetischen Alaunkristallen werden diese häufig als Tschermigit angeboten. Zu beachten ist, dass natürlich gebildete Tschermigitkristalle klein und meistens wenig gut ausgeprägt sind. Weiterhin ist natürlicher Tschermigit weiß, während synthetische Alaune intensive grüne, blaue oder violette Farbtöne aufweisen.

Siehe auch

Literatur

  • Franz von Kobell: Tafeln zur Bestimmung der Mineralien mittelst einfacher chemischer Versuche auf trockenem und nassem Wege. 6., vermehrte Auflage. Joseph Lindauer'sche Buchhandlung, München 1858, S. 47, 2. Es sind in Salzsäure, einige auch in Wasser, ohne merklichen Rückstand auflöslich. Die Aufl. bildet keine Gallerte. Tschermigit (Ammoniakalaun) (rruff.info [PDF; 91 kB; abgerufen am 9. Juni 2020]).

Weblinks

Commons: Tschermigite – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Malcolm Back, William D. Birch, Michel Blondieau und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: March 2020. (PDF; 2,44 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Marco Pasero, März 2020, abgerufen am 9. Juni 2020 (englisch).
  2. a b c d e Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 388.
  3. a b c d e Tschermigite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 66 kB; abgerufen am 9. Juni 2020]).
  4. a b c David Barthelmy: Tschermigite Mineral Data. In: webmineral.com. Abgerufen am 9. Juni 2020 (englisch).
  5. François Sulpice Beudant: Traité élémentaire de Minéralogie. Band 2. Verdière, Paris 1832, S. 497 (französisch, online verfügbar bei gallica.bnf.fr [abgerufen am 9. Juni 2020]).
  6. Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  7. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,82 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Januar 2009, abgerufen am 9. Juni 2020 (englisch).
  8. Mindat - Anzahl der Fundorte für Tschermigit
  9. Fundortliste für Tschermigit beim Mineralienatlas und bei Mindat, abgerufen am 9. Juni 2020.