Tummo

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Tibetische Bezeichnung
Tibetische Schrift:
གཏུམ་མོ་
Wylie-Transliteration:
gTum·mo
Andere Schreibweisen:
verkürzt:
གཏུམོ་
; Tumo, Tum-mo
Chinesische Bezeichnung
Traditionell:
靈熱
Das Wort „Tummo“ in tibetischer Schrift
Tummo-Praxis in den Pyrenäen

Tummo (tibetisch für „innere Hitze, inneres Feuer, der/die Grimmige, rasendes Weib“;[1] Sanskrit चण्ड, IAST-Transliteration caṇḍālī bzw. caṇḍa[2]) ist die Bezeichnung für eine fortgeschrittene, tantrische Meditationstechnik des Vajrayana-Buddhismus. Äußeres Ziel und damit der Ursprung des Namens dieser kontemplativen Praxis ist die bewusste starke Erhöhung der Körpertemperatur bei gleichzeitiger Immunisierung gegen niedrige Umgebungstemperaturen ohne die Zuhilfenahme von Fremdmitteln. Inneres Ziel dieser Geistesübung ist die gerichtete Energielenkung von innen nach außen, um so negative Gefühle, Gedanken und Haltungen durch „Verbrennen“ auszulöschen.

Herkunft

Diese v. a. durch den tibetischen Buddhismus bekannt gewordene Meditationstechnik ist zurückzuführen auf den tibetischen Meister Nāropa (1016–1100). In seinen Sechs Yogas von Naropa (auch: Sechs Doktrinen von Naropa od. Sechs Dharmas von Naropa, tibetisch

ནཱ་རོ་ཆོས་དྲུག

་, Wylie-Transliteration nA ro chos drug) dokumentierte er die Technik der „Mystischen Hitze“ erstmals schriftlich und bereitete sie systematisch auf. Er wiederum bekam seine Fähigkeiten und Kenntnisse von seinem Lehrer Tilopa (988–1069) in langen Jahren harten und fordernden Geistestrainings sowie zahlreichen praktischen Übungen vermittelt, die z. T. auch geheimen Lehrlinien folgten. So soll Tummo bis ins 10. Jahrhundert unserer Zeitrechnung ausschließlich mündlich überliefert worden sein. Auch die tibetische Bön-Religion lehrt Tummo.

Eine der bekanntesten Tummo praktizierenden Personen war Milarepa (1040–1123), der bei den Tibetern eine einem Nationalheiligen ähnliche Stellung genießt. Der zweite Teil seines vollständigen Namens, Jetsün Milarepa, leitet sich unmittelbar aus der Vervollkommnung dieser Meditationstechnik her: Die Repa, ein einfaches Baumwollgewand, soll zu jeder Jahreszeit eine ausreichende Bekleidung für ihn gewesen sein.

Technik

Die Praxis von Tummo setzt, bedingt durch ihre äußerst kraftvolle, energetische Emanation, also ihre spezifische Entfaltungswirkung, ein gewisses Mindestmaß an meditativer Fähigkeit und spiritueller Kenntnis voraus. Dies wird im tibetischen Buddhismus durch sogenannte Vorbereitungsübungen sichergestellt. Der Versuch, die Technik anzuwenden, ohne entsprechende Grundlagen zu haben, kann laut Stanislav Grof mitunter zu schwerwiegenden physischen und psychischen Komplikationen führen[3].

Entsprechend ihrer historischen Herkunft aus dem vedischen Yoga sind die maßgeblichen Elemente

  • die Körperhaltung (Sanskrit
    आसन
    , IAST-Transliteration āsana),
  • die Gestik (Sanskrit
    मुद्रा
    , IAST-Transliteration mudrā),
  • die Beherrschung des Atems (Sanskrit
    प्राणायाम
    , IAST-Transliteration prāṇāyāma),
  • die Selbst-lose Versenkung (Sanskrit
    ध्यान
    , IAST-Transliteration dhyāna) und
  • die affirmative Sensualisierung (überwiegend visuell und haptisch).

Durch zeitlich und inhaltlich fein aufeinander abgestimmtes Zusammenwirken der genannten Bestandteile wird die Lebensenergie (Sanskrit

प्राण

, IAST-Transliteration prāṇa, auch Kundalini, tibetisch

རླུང་

, Wylie-Transliteration rLung, chinesisch Qi) durch die Energiekanäle (Sanskrit

नाडी

, IAST-Transliteration nāḍī, tibetisch

རྩ

་, Wylie-Transliteration rTsa) auf definierte Hauptenergiezentren (Sanskrit

चक्र

, IAST-Transliteration cakra, tibetisch

ཁོར་ལོ་

, Wylie-Transliteration kHor lo) so konzentriert, dass eine evozierte Katharsis zur Erhöhung der Körpertemperatur führt.

Forschung

Zur wissenschaftlichen Untersuchung wurden mehrere Studien durchgeführt (Benson et al., 1982; Cromie, 2002; Richard Davidson 2006). Schon in den ersten Experimenten im indischen Dharamsala konnte infolge des Einsatzes der Tummo-Technik eine Erhöhung der Temperatur in den Fingern der Probanden um bis zu 8,3 °C gemessen werden. Aus physiologischer Sicht wird ein kausaler Zusammenhang zwischen der Ausübung der Technik und den beobachtbaren Veränderungen damit in Verbindung bringbarer biologischer Zustandsgrößen u. a. mit einer Sensibilisierung der Wahrnehmung innerkörperlicher Vorgänge und einem darauf beruhenden, zumindest partiellen, bewussten Eingreifen auf dieselben (s. a. Psychosomatik, Biofeedback) begründet.

Der Niederländer Wim Hof brach 2011 mit der Methode den Weltrekord im Eisbaden, als er 1 Stunde, 52 Minuten und 42 Sekunden bis zum Hals in Eiswasser stand.

Literatur

Deutsche Bücher

  • Brennan, H.J.: Mönche, Magier und Schamanen. Die geheimen Praktiken der spirituellen Meister Tibets, Verlag: Ansata (3. August 2006), ISBN 978-3-7787-8188-3
  • David-Néel, Alexandra: Heilige und Hexer. Glaube und Aberglaube im Lande des Lamaismus. W.A. Brockhaus, Leipzig, 1931. Keine ISBN
  • David-Néel, Alexandra: Mein Weg durch Himmel und Höllen. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/main, 2007. ISBN 978-3-596-16458-5
  • Evans-Wentz, Walter Y.: Milarepa, Tibets großer Yogi. O.W. Barth, Frankfurt/Main 1998. ISBN 3-502-65191-4
  • Govinda, Anagarika: Der Weg der weißen Wolken. Erlebnisse eines buddhistischen Pilgers in Tibet. O.W. Barth bei Scherz, Frankfurt/Main 2004. ISBN 3-502-61148-3
  • Yeshe, Lama Thubten: Inneres Feuer. Eine Meditationspraxis aus den Sechs Yogas von Naropa. Diamant Verlag, München/Deutschland 2007. ISBN 3-9805798-6-7

Anderssprachige Bücher

  • Brennan, J.H.: Tibetan magic and mysticism. Llewellyn Worldwide, Woodbury, MN/USA 2006. ISBN 0-7387-0713-9
  • Mullin, Glenn H.: The Practice of the Six Yogas of Naropa. Snow Lion Publications, Ithaca, NY/USA 2006. ISBN 1-55939-256-8
  • Mullin, Glenn H.: The Six Yogas of Naropa: Tsongkhapa’s Commentary. Snow Lion Publications, Ithaca, NY/USA 2005. ISBN 1-55939-234-7

Veröffentlichungen in Zeitschriften

  • Benson, Herbert; Lehmann, John W.; Malhotra, M. S., Goldman, Ralph F.; Hopkins, Jeffrey; Epstein, Mark D.: Body temperature changes during the practice of g Tum-mo yoga. Letter to Nature Magazine, 21 January 1982. Nature 295, 234 – 236
  • Cromie, William J.: Research: Meditation changes temperatures: Mind controls body in extreme experiments. Cambridge, MA: Harvard University Gazette, 18. April 2002
  • Davidson, Richard J.; Lutz, Antoine; Dunne, John D.: Meditation and the Neuroscience of Consciousness: An Introduction (in: Moscovitch, Morris; Zelazo, Philip; Thompson, Evan: Cambridge Handbook of Consciousness, Kap. 19, S. 499–554). Cambridge University Press, Cambridge, MA, (USA), Nov 2006.
  • Ding-E Young, John and Taylor, Eugene: Meditation as a Voluntary Hypometabolic State of Biological Estivation . News in Physiological Sciences, Vol. 13, No. 3, 149–153, June 1998
  • Evans-Wentz, Walter Y. (Editor): Tibet’s Great Yogi Milarepa: A Biography from the Tibetan being the Jetsün-Kabbum or Biographical History of Jetsün-Milarepa, According to the Late Lama Kazi Dawa-Samdup’s English Rendering. USA: Oxford University Press, 2000
  • Lukoff, David; Lu Francis G. & Turner, Robert P.: From Spiritual Emergency to Spiritual Problem: The Transpersonal Roots of the New DSM-IV Category. Journal of Humanistic Psychology, 38(2), 21–50. 1998

Internet

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://www.nitartha.org
  2. Suchergebnisse für „caNDa“. In: learnsanskrit.cc. Abgerufen am 1. März 2022.
  3. Grof, Stanislav; Grof, Christina Spirituelle Krisen. Chancen der Selbstfindung. Kösel Verlag, Kempten 1990. ISBN 3-466-34251-1
    Turner, Robert P.; Lukoff, David; Barnhouse, Ruth Tiffany & Lu, Francis G. Religious or Spiritual Problem. A Culturally Sensitive Diagnostic Category in the DSM-IV. Journal of Nervous and Mental Disease, Vol. 183, 1995, No. 7 435-444.