Wiedergutmachung
Wiedergutmachung oder Rehabilitierung ist der Ausgleich (Kompensation) eines individuell erlittenen Unrechts durch Beseitigung oder Abmilderung seiner Folgen oder Leistung eines Ausgleichs. Nicht zur Wiedergutmachung zählen Reparationen an eine siegreiche Kriegspartei, die aufgrund eines völkerrechtlichen Vertrags geleistet werden.[1]
Intention
Intention einer Wiedergutmachung ist die Beseitigung einer moralischen Schuld. Dazu gehören Reue, Sühne und Ersatz für den entstandenen Schaden.
Beseitigung historischen Unrechts
Beispielsweise durch
- die Gesetzgebung im Rahmen der deutschen Wiedergutmachungspolitik und der österreichischen „Restitution“ als Versuch einer politischen Wiedergutmachung dessen, was die Opfer des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs zu erleiden hatten.
- die Rehabilitierung politisch Verfolgter wie der Stasiopfer oder der Opfer der Stalinschen Säuberungen
- Instrumente der Transitional Justice und Restorative Justice, etwa Wahrheitskommissionen
Persönlich
In einfachen Fällen kann eine Entschuldigung ausreichend sein. Wenn ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, kann dessen Ausgleich erforderlich sein.
Die Satisfaktion ist eine veraltete Form zur Wiedergutmachung erlittener Ehrverletzungen.
Juristisch
Der Ausgleich eines erlittenen Nachteils, Schadens, Unrechts oder einer Verletzung ist in verschiedenen Rechtsvorschriften vorgesehen.
Zivilrecht
Im Zivilrecht (Rechtsbeziehungen zwischen Bürgern) erfolgt die Wiedergutmachung in der Regel durch Schadensersatz:
- gesetzlich (z. B. nach dem Recht der unerlaubten Handlung, § 823ff. BGB) oder vertraglich;
- für materielle Schäden (Aufwendungen für Neubeschaffung, Reparatur, Behandlungskosten etc.) oder immaterielle Schäden (Schmerzensgeld).
- Unter Umständen kann sich der Anspruch direkt gegen den Versicherer des Schädigers richten (z. B. § 3 Pflichtversicherungsgesetz bei Kraftfahrtschäden).
- Bei der Amtshaftung nach § 839 BGB geht die Verantwortlichkeit gemäß Art. 34 GG vom schädigenden Amtsträger auf den Dienstherrn über; Ausnahme bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit.
Bei Verpflichtung zum Schadensersatz oder zur Entschädigung kann der Leistungspflichtige u. U. Rückgriff (Regress) bei einem Dritten nehmen. Beispiele:
- Ansprüche gegen die eigene Haftpflichtversicherung;
- Ansprüche der Versicherung bzw. des Sozialversicherungsträgers gegen den Schädiger des Versicherten, z. B. nach § 86 Abs. 1 Satz 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) oder § 116 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).
Strafrecht
Im Strafrecht erfolgt Wiedergutmachung durch Aufhebung von Strafurteilen. Beispiele sind
- die Aufhebung von NS-Unrechtsurteilen;
- das Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz (Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern rechtsstaatswidriger Strafverfolgungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet).
Öffentliches Recht
Im Öffentlichen Recht (Rechtsbeziehungen zwischen Bürger und Staat) erfolgt die Wiedergutmachung durch Aufhebung rechtstaatswidriger Verwaltungsentscheidungen und das soziale Entschädigungsrecht, häufig in Form von Ansprüchen nach dem Bundesversorgungsgesetz.
- Bei früheren deutschen Staatsangehörigen, die zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 die Staatsangehörigkeit aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen verloren haben oder nicht erwerben konnten, und ihren Abkömmlingen: Wiedergutmachungseinbürgerung gemäß Art. 116 Abs. 2 GG oder § 15 StAG.
- Bei hoheitlichen Maßnahmen einer deutschen behördlichen Stelle zur Regelung eines Einzelfalls im Beitrittsgebiet aus der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 2. Oktober 1990: Verwaltungsrechtliches Rehabilitierungsgesetz.
- Bei Enteignung: Ansprüche aus Art. 14 Abs. 1 Satz 3 GG in Verbindung mit dem Enteignungsgesetz des betreffenden Landes.
- Bei Kriegsbeschädigung: Ansprüche nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
- Bei Schäden durch Straftaten: Ansprüche nach § 1 Opferentschädigungsgesetz in Verbindung mit dem BVG.
- Bei Nachteilen durch Infektionsschutzmaßnahmen: Ansprüche nach § 56 Infektionsschutzgesetz in Verbindung mit dem BVG.
- Bei zu Unrecht verhängter Untersuchungshaft: Ansprüche nach § 2 Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen.
- Bei durch rechtmäßige staatliche Maßnahmen eingetretene, nach anderen Bestimmung nicht ersatzpflichtige Beschädigungen: ggf. Aufopferungsanspruch.
- Künftig soll das Recht der sozialen Entschädigung zentral im vierzehnten Buch des Sozialgesetzbuchs zusammengefasst werden.
- Nicht hierher gehört die Amtshaftung, die sich primär gegen den Amtsträger als Privatperson richtet und lediglich auf den Dienstherrn übergehen kann (s. o.).
Rehabilitation und Wiedergutmachung als Thema in der Literatur
Die Heilung einer geschädigten Reputation ist ein häufiges Thema in der Literatur. Im 19. Jahrhundert hat hierzu beispielsweise E. Marlitt mit ihrer Novelle Schulmeisters Marie (1865/1890) beigetragen.
Siehe auch
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Jörg Fisch: Reparationen nach dem Zweiten Weltkrieg. München 1992.