Wiserit

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Wiserit
Wiserite-778946.jpg
Bräunlichgraues, faseriges Wiserit-Aggregat aus dem Eisenbergwerk Gonzen, Schweiz (Größe: 8,3 cm × 2,3 cm × 0,8 cm)
Allgemeines und Klassifikation
Andere Namen

Wiserite, Wiserita

Chemische Formel
  • Mn2+14(B2O5)4(OH)8·(Si,Mg)(O,OH)4Cl[1]
  • Mn14[Cl|(OH)8|(B2O5)4]·(Si,Mg)(O,OH)4[2]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Borate (ehemals Carbonate, Nitrate und Borate)
System-Nr. nach Strunz
und nach Dana
6.BA.20 (8. Auflage: V/H.03)
27.01.10.01
Ähnliche Minerale Lüneburgit
Kristallographische Daten
Kristallsystem tetragonal
Kristallklasse; Symbol tetragonal-dipyramidal; 4/m[3]
Raumgruppe P4/n (Nr. 85)Vorlage:Raumgruppe/85[2]
Gitterparameter a = 20,19 Å; c = 3,28 Å[2]
Häufige Kristallflächen {100}, {110}[4]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 2,5[4]
Dichte (g/cm3) gemessen: 3,54; berechnet: 3,57[4]
Spaltbarkeit vollkommen[5]
Farbe weiß, hellrosabraun, rötlichbraun[4][5]
Strichfarbe weiß
Transparenz durchsichtig
Glanz Glasglanz[4]
Kristalloptik
Brechungsindizes nω = 1,751 bis 1,760[6]
nε = 1,700 bis 1,717[6]
Doppelbrechung δ = 0,051[6]
Optischer Charakter einachsig negativ
Pleochroismus Sichtbar:[4] ω = farblos bis leuchtend orangebraun
ε = leuchtend bis dunkelorangebraun

Wiserit ist ein selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Borate“ (ehemals Carbonate, Nitrate und Borate) mit der chemischen Zusammensetzung Mn14[Cl|(OH)8|(B2O5)4]·(Si,Mg)(O,OH)4[2] und damit chemisch gesehen ein Mangan-Borat mit zusätzlichen Chlor- und Hydroxidionen sowie Silicium- und Sauerstoffionen. Magnesium- bzw. Hydroxidionen können die Silicium- bzw. Sauerstoffionen zum Teil vertreten (Substitution, Diadochie), was mit den runden Klammern am Ende der Formel verdeutlicht wird.

Wiserit kristallisiert im tetragonalen Kristallsystem und entwickelt faserige bis prismatische Kristalle bis etwa einen Zentimeter Größe, die nach der c-Achse [001] gestreckt sind. er kann aber auch in Form tafeliger, feinkörniger und derber Mineral-Aggregate auftreten. Die durchsichtigen Kristalle sind von weißer, hellrosabrauner oder rötlichbrauner Farbe und zeigen auf den Oberflächen einen glasähnlichen Glanz. In faseriger Aggregatform ist auch Seidenglanz möglich.

Etymologie und Geschichte

David Friedrich Wiser (1849)

Erstmals entdeckt wurde das Mineral an einigen Mineralproben aus dem Eisenbergwerk Gonzen im Schweizer Kanton St. Gallen, die der Schweizer Kaufmann und Geologe David Friedrich Wiser 1841 vom Sohn des damaligen Grubenbesitzers Bernhard Neher erhalten hatte. Er beschrieb das neue Mineral 1842 unter der Bezeichnung „weißes kohlensaures Mangan“, überließ allerdings die Beschreibung der Geologie aufgrund der besseren Kenntnisse Arnold Escher von der Linth.[7]

Die bis heute gültige Bezeichnung Wiserit prägte 1845 Wilhelm von Haidinger zu Ehren seines Erstbeschreibers.[8]

Das Typmaterial des Minerals wird an der ETH Zürich in der Schweiz unter der Katalog-Nr. 194501 sowie an der Harvard University in Cambridge unter der Katalog-Nr. 126918 und am National Museum of Natural History in Washington, D.C. in den USA aufbewahrt.[4][9]

Klassifikation

In der veralteten, aber teilweise noch gebräuchlichen 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Wiserit noch zur gemeinsamen Mineralklasse der „Carbonate, Nitrate und Borate“ und dort zur Abteilung der „Gruppenborate“, wo er zusammen mit Lüneburgit die „Wiserit-Lüneburgit-Gruppe“ mit der System-Nr. V/H.03 bildete.

Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) verwendete 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Wiserit in die nun eigenständige Klasse der „Borate“ und dort in die Abteilung der „Diborate“ ein. Diese ist weiter unterteilt nach der Kristallstruktur, so dass das Mineral entsprechend seinem Aufbau in der Unterabteilung „Insel-Diborate (Neso-Diborate) mit Doppel-Dreiecken B2(O,OH)5; 2(2Δ); 2(2Δ) + OH usw.“ zu finden ist, wo es als einziges Mitglied die unbenannte Gruppe 6.BA.20 bildet.

Die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Wiserit wie die veraltete Strunz’sche Systematik in die gemeinsame Klasse der „Carbonate, Nitrate und Borate“ und dort in die Abteilung der „Borate“ ein. Hier ist er als einziges Mitglied in der unbenannten Gruppe 27.01.10 innerhalb der Unterabteilung „Zusammengesetzte Borate“ zu finden.

Kristallstruktur

Wiserit kristallisiert tetragonal in der Raumgruppe P4/n (Raumgruppen-Nr. 85)Vorlage:Raumgruppe/85 mit den Gitterparametern a = 20,19 Å und c = 3,28 Å sowie zwei Formeleinheiten pro Elementarzelle.[2]

Die Kristallstruktur von Wiserit besteht aus einem Gerüst mit 2- und 3-gliedrigen, eckenverknüpften Bändern aus kantenverknüpften Mn(O,OH)6-Oktaedern und tetragonalen Mn(O,OH)5-Pyramiden parallel der c-Achse [001]. Das Gerüst wird durch B2O5-Gruppen und (Si,Mg)-Tetraeder stabilisiert; große Kanäle parallel zu [001] nehmen Cl-Ionen auf.[2]

Bildung und Fundorte

Wiserit bildet sich als akzessorischer Bestandteil in stratiformen Mangan-Lagerstätten. Als Begleitminerale können unter anderem Alleghanyit, Calcit, Galaxit, Hausmannit, Jakobsit, Pyrobelonit, Pyrochroit, Rhodochrosit, Jimboit, Sussexit, Alabandit, Tephroit, Gageit auftreten.[4]

Als seltene Mineralbildung ist Wiserit nur aus wenigen Fundorten bekannt, wobei bisher rund 15 Fundorte dokumentiert sind.[10] Außer an seiner Typlokalität Gonzen im Sarganserland konnte das Mineral im Schweizer Kanton St. Gallen noch im nahe gelegenen Abbaugebiet Naus bei Wartau im Kreis Werdenberg nachgewiesen werden.[11] Es soll allerdings noch einen Fundort für Wiserit im Val d’Anniviers im Schweizer Kanton Wallis geben.[12]

Weitere bisher bekannte Fundorte sind die Kombat Mine in der Region Oshikoto von Namibia sowie eine Reihe von Manganerzgruben in den Regionen Chūbu, Kantō und Kinki auf der japanischen Insel Honshū.[13]

Literatur

  • David Friedrich Wiser: Über die in den Eisen - Gruben am Gonzen bei Sargans im Kanton St. Gallen vorkommenden Mineralien, nebst einigen Bemerkungen vermischten Inhaltes. In: Neues Jahrbuch für Mineralogie, Geognosie, Geologie und Petrefakten-Kunde. Jahrgang 1842, 1842, S. 505–527 (rruff.info [PDF; 761 kB; abgerufen am 5. November 2018]).
  • Philippe Roth: Minerals first discovered in Switzerland and minerals named after Swiss individuals. 1. Auflage. Kristallografik Verlag, Achberg 2007, ISBN 3-9807561-8-1, S. 156–157.

Weblinks

Commons: Wiserite – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. IMA/CNMNC List of Mineral Names; September 2018 (PDF 1709 kB)
  2. a b c d e f Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 339.
  3. Webmineral – Wiserite (englisch)
  4. a b c d e f g h Wiserite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 68 kB; abgerufen am 5. November 2018]).
  5. a b Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  6. a b c Mindat – Wiserite (englisch)
  7. David Friedrich Wiser: Über die in den Eisen - Gruben am Gonzen bei Sargans im Kanton St. Gallen vorkommenden Mineralien, nebst einigen Bemerkungen vermischten Inhaltes. In: Neues Jahrbuch für Mineralogie, Geognosie, Geologie und Petrefakten-Kunde. Jahrgang 1842, 1842, S. 505–527 (rruff.info [PDF; 761 kB; abgerufen am 5. November 2018]).
  8. Wilhelm Haidinger: Handbuch der Bestimmenden Mineralogie. Braumüller & Seidel, Wien 1845, S. 493 (rruff.info [PDF; 450 kB; abgerufen am 5. November 2018] Zweite Klasse: Geogenide. I. Ordnung. Haloide. Wiserit).
  9. Catalogue of Type Mineral Specimens – W. (PDF 52 kB) In: docs.wixstatic.com. Commission on Museums (IMA), 12. Dezember 2018, abgerufen am 29. August 2019.
  10. Mindat – Anzahl der Fundorte für Wiserite (englisch)
  11. Mineralienatlas: Abbaugebiet Naus, Wartau, Kanton St. Gallen (Literaturquellen siehe dort)
  12. Vorkommen und Fundorte in der Schweiz – Mineralien in der Schweiz W
  13. Fundortliste für Wiserit beim Mineralienatlas und bei Mindat