Humboldtin

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Humboldtin
Humboldtine.jpg
Humboldtin aus der „Csordakúti Mine“, Bicske-Csordakút, Komitat Fejér, Ungarn (Größe: 0,75" × 0,75"; entspricht 1,9 cm × 1,9 cm)
Allgemeines und Klassifikation
Andere Namen
  • Eisenoxalat
  • Oxalit[1]
  • Oxalsaures Eisen
Chemische Formel FeC2O4·2H2O
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Organische Verbindungen/Oxalate
System-Nr. nach Strunz
und nach Dana
10.AB.05 (8. Auflage: IX/A.01)
50.01.03.01
Kristallographische Daten
Kristallsystem monoklin
Kristallklasse; Symbol monoklin-prismatisch; 2/m[2]
Raumgruppe C2/c (Nr. 15)Vorlage:Raumgruppe/15[3]
Gitterparameter a = 12,011 Å; b = 5,557 Å; c = 9,920 Å
β = 128,53°[3]
Formeleinheiten Z = 4[3]
Häufige Kristallflächen {100}, {001}, {110}, {101}[4]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 1,5 bis 2
Dichte (g/cm3) gemessen: 2,28; berechnet: 2,307[4]
Spaltbarkeit vollkommen nach {110}, unvollkommen nach {100} und {010}[4]
Bruch; Tenazität uneben[1]
Farbe gelb bis bräunlichgelb (bernsteingelb)
Strichfarbe hellgelb
Transparenz durchsichtig bis undurchsichtig
Glanz Harzglanz bis matt
Kristalloptik
Brechungsindizes nα = 1,494[5]
nβ = 1,561[5]
nγ = 1,692[5]
Doppelbrechung δ = 0,198[5]
Optischer Charakter zweiachsig positiv
Pleochroismus sichtbar:[5]
X = sehr hell gelblichgrün
Y = hell grünlichgelb
Z = kräftig gelb
Weitere Eigenschaften
Chemisches Verhalten löslich in Säuren; schwer löslich in Wasser

Humboldtin ist ein selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Organischen Verbindungen“ mit der chemischen Zusammensetzung FeC2O4·2H2O und ist damit ein wasserhaltiges Eisen(II)-oxalat oder auch das Eisen-Salz der Oxalsäure.

Humboldtin kristallisiert im monoklinen Kristallsystem, entwickelt aber nur selten gut ausgebildete, tafelige bis prismatische Kristalle mit einem harzähnlichen Glanz auf den Oberflächen. Meist findet er sich in Form von traubigen oder faserigen bis erdigen Aggregaten und krustigen Überzügen von matt-gelber bis bräunlichgelber oder bernsteingelber Farbe. Je nach Ausbildungsform kann er durchsichtig bis undurchsichtig sein.

Mit einer Mohshärte von 1,5 bis 2 gehört Humboldtin zu den weichen Mineralen, die sich ähnlich wie das Referenzmineral Gips mit dem Fingernagel ritzen lassen.

Etymologie und Geschichte

Alexander von Humboldt (Selbstporträt von 1814)

Erstmals entdeckt wurde Humboldtin von August Breithaupt[6] in einem verwitterten Braunkohlelager nahe der Gemeinde Korozluky im tschechischen Okres Most[7] und beschrieben 1821 durch Mariano Eduardo de Rivero y Ustariz (1798–1857)[8], der das Mineral nach dem deutschen Naturforscher Alexander von Humboldt benannte.[4]

Das Mineral war zum Gründungszeitpunkt der IMA (1959) schon bekannt und charakterisiert. Dementsprechend wird Humboldtin als offiziell anerkanntes Mineral geführt.

Klassifikation

Bereits in der veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Humboldtin zur Mineralklasse der „Organischen Verbindungen“ und dort zur Abteilung der „Salze organischer Säuren“, wo er zusammen mit Minguzzit, Oxammit, Stepanovit, Weddellit, Whewellit und Zhemchuzhnikovit die „Oxalat-Gruppe“ mit der System-Nr. IX/A.01 bildete.

Im Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch nach dieser klassischen Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. IX/A.01-50. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies ebenfalls der Abteilung „Salze organischer Säuren“, wo Humboldtin zusammen mit Antipinit, Caoxit, Coskrenit-(Ce), Deveroit-(Ce), Falottait, Glushinskit, Levinsonit-(Y), Lindbergit, Middlebackit, Minguzzit, Moolooit, Natroxalat, Novgorodovait, Oxammit, Stepanovit, Weddellit, Wheatleyit, Whewellit, Zhemchuzhnikovit und Zugshunstit-(Ce) die „Gruppe der Oxalate [C2O4]2−“ bildet (Stand 2018).[9]

Auch die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) bis 2009 aktualisierte[10] 9. Auflage der Strunz'schen Mineralsystematik ordnet den Humboldtin in die Abteilung der „Salze von organischen Säuren“ ein. Diese ist weiter unterteilt nach der Art der salzbildenden Säure, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Oxalate“ zu finden ist, wo er nur noch zusammen mit Lindbergit die unbenannte Gruppe 10.AB.05 bildet.

Die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Humboldtin ebenfalls in die Klasse und dort in die gleichnamige Abteilung der „Organische Minerale“ ein. Hier ist er in der nach ihm benannten „Humboldtingruppe“ mit der System-Nr. 50.01.03 und den weiteren Mitgliedern Glushinskit und Lindbergit innerhalb der Unterabteilung „Salze organischer Säuren (Oxalate)“ zu finden.

Kristallstruktur

Humboldtin kristallisiert monoklin in der Raumgruppe C2/c (Raumgruppen-Nr. 15)Vorlage:Raumgruppe/15 mit den Gitterparametern a = 12,011 Å; b = 5,557 Å; c = 9,920 Å und β = 128,53°, sowie vier Formeleinheiten pro Elementarzelle.[3]

Eigenschaften

Wie alle Oxalate zersetzt sich auch Humboldtin beim Erhitzen.[11] Zunächst wird das Kristallwasser abgegeben, und bei Temperaturen oberhalb von 190 °C zerfällt er unter Bildung von Eisen(II)-carbonat und Kohlenmonoxid. Bei noch höheren Temperaturen geht das Eisen(II)-carbonat in Eisen(II)-oxid beziehungsweise das entsprechende Suboxid über.

Verglichen mit anderen Oxalaten ist die Löslichkeit in Wasser als schlecht zu bezeichnen. In Säuren ist Humboldtin dagegen gut löslich. In einem mit einem Wattebausch verschlossenen Reagenzglas (englisch closed tube, CT) erhitzt,[12] gibt er Wasser ab[13] und hinterlässt einen Rückstand von magnetischem Eisen.[14]

Vor dem Lötrohr auf Kohle erhitzt färbt sich Humboldtin zunächst schwarz und anschließend rot.[1]

Modifikationen und Varietäten

Bisher wurden vom Humboldtin noch keine weiteren Modifikationen bzw. Varietäten gefunden (Stand Februar 2013). Von synthetischem Eisen(II)-oxalat ist allerdings bekannt, dass es in einer monoklinen und einer orthorhombischen Kristallform vorkommen kann (vergleiche auch die Eigenschaften des Eisenoxalates). Aus diesem Grund ist eine orthorhombische Modifikation des Humboldtins denkbar.

Bildung und Fundorte

Datei:Humboldtin-640538 (cropped).jpg
Humboldtin aus dem Bergwerk Csordakúti, Bicske-Csordakút, Komitat Fejér, Ungarn (Größe 13 mm × 13 mm × 4 mm)

Humboldtin ist ein seltenes authigenes Mineral, das überwiegend in Spalten und Klüften in Braunkohlenvorkommen und meist vergesellschaftet mit Gips und Tschermigit vorkommt. Eine rein anthropogene bzw. biogene Entstehung wie bei Moolooit, Glushinskit und Weddellit ist theoretisch möglich und wird in der Literatur diskutiert. Faktisch konnte auf diese Art entstandener Humboldtin bisher nicht nachgewiesen werden (Stand Februar 2013).[15]

Auch wenn es sich bei Humboldtin um das Salz einer organischen Säure handelt, so müssen bei der Bildung keine biologischen Prozesse oder Reste von biologischen Aktivitäten wie Braunkohle beteiligt sein. Er kann sich, wenn auch wesentlich seltener, in granitischen Pegmatiten und hydrothermalen Minerallagerstätten bilden. Als Begleitminerale können hier unter anderem Kassiterit, Turmalin und Quarz auftreten.

Als seltene Mineralbildung konnte Humboldtin bisher nur an wenigen Fundorten nachgewiesen werden, wobei rund 20 Fundorte (Stand: 2013)[16] als bekannt gelten. Neben seiner Typlokalität Korozluky trat das Mineral in Tschechien noch bei Čermníky (Tschermich, seit 1968 vom Stausee Nechranice überflutet), Lužice u Mostu (Luschitz) und Lomnice u Sokolova (Lanz) in Böhmen auf.

In Deutschland konnte Humboldtin bisher bei Ortenberg in Baden-Württemberg, an der Hartkoppe und am Rehberg in der Gemeinde Sailauf in Bayern, bei Großalmerode in Hessen, bei Potschappel und Altmannsgrün (Gemeinde Tirpersdorf) in Sachsen sowie in der Uranlagerstätte bei Ronneburg (Thüringen) gefunden werden.

Der bisher einzige bekannte Fundort in Österreich sind die bronzezeitlichen Schlackenlager am Lechnerberg in der Gemeinde Kaprun (Hohe Tauern, Salzburg).

Weitere bisher bekannte Fundorte sind unter anderem Santa Maria de Itabira im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais, das Zinnbergwerk „Wheal Pendarves“ bei Killivose in der englischen Grafschaft Cornwall, Capoliveri und Porto Azzurro auf der italienischen Insel Elba, Kettle Point im Lambton County und der Steinbruch „Francon“ bei Montreal in Kanada, die „Csordakúti Mine“ bei Bicske in Ungarn sowie Black Mountain im Kern County (Kalifornien) und die „Ahmeek Mine“ im Keweenaw County (Michigan) in den USA.[17]

Verwendung

Aufgrund der Seltenheit von Humboldtin gibt es keine praktischen Anwendungen für dieses Mineral. Das in der chemischen Industrie verwendete Eisen(II)-oxalat wird ausschließlich synthetisch hergestellt.

Siehe auch

Literatur

  • Mariano de Rivero: Note sur une combinaison de l'acide oxalique avec le fer trouvé à Kolowserux, près Belin en Bohéme. In: Annales de chimie et de physique. Band 18. Paris 1821, S. 207–210 (rruff.info [PDF; 295 kB; abgerufen am 9. Dezember 2019] Humboldtin und Oxalsaures Eisen).

Weblinks

Commons: Humboldtine – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c Friedrich Klockmann: Klockmanns Lehrbuch der Mineralogie. Hrsg.: Paul Ramdohr, Hugo Strunz. 16. Auflage. Enke, Stuttgart 1978, ISBN 3-432-82986-8, S. 798 (Erstausgabe: 1891).
  2. David Barthelmy: Humboldtine Mineral Data. In: webmineral.com. Abgerufen am 9. Dezember 2019 (englisch).
  3. a b c Takuya Echigo, Mitsuyoshi Kimata: Single-crystal X-ray diffraction and spectroscopic studies on humboldtine and lindbergite: weak Jahn–Teller effect of Fe2+ ion. In: Physics and Chemistry of Minerals. Band 35, Nr. 8, 2008, S. 467–475, doi:10.1007/s00269-008-0241-7.
  4. a b c d Humboldtine. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (handbookofmineralogy.org [PDF; 68 kB; abgerufen am 9. Dezember 2019]).
  5. a b c d e Humboldtine. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 9. Dezember 2019 (englisch).
  6. Jöns Jakob Berzelius: Mineralogie. Humboldtin. In: Jahres-Bericht über die Fortschritte der physischen Wissenschaften. Band 2. Laupp, Tübingen 1823, S. 96 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 23. Oktober 2017] schwedisch: Årsberättelse om framstegen i fysik och kemi. Übersetzt von Christian Gottlob Gmelin).
  7. Typlokalität Korozluky (Kolosoruk), Most, Ústí Region, Bohemia (Böhmen; Boehmen), Czech Republic. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 9. Dezember 2019 (englisch).
  8. Biografia de Mariano Eduardo de Rivero y Ustariz (1798-1857). In: xxvicongresoperuanoquimica2012.wordpress.com. XXVI. Congreso Peruano de Química, 7. September 2012, abgerufen am 9. Dezember 2019.
  9. Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  10. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1816 kB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Januar 2009, abgerufen am 9. Dezember 2019 (englisch).
  11. R. L. Frost, Matt L. Weier: Thermal decomposition of humboldtine – a high resolution thermogravimetric and hot stage Raman spectroscopic study. In: Journal of Thermal Analysis and Calorimetry. Band 75, Nr. 1, 2004, S. 277–291 (eprints.qut.edu.au [PDF; 439 kB; abgerufen am 9. Dezember 2019]).
  12. Edward S. Dana, William E. Ford: Dana’s Manual of Mineralogy. 13. Auflage. John Wiley & Sons, New York 1912, S. 87–88 (online verfügbar bei archive.org – Internet Archive).
  13. Richard V. Gaines, H. Catherine W. Skinner, Eugene E. Foord, Brian Mason, Abraham Rosenzweig: Dana’s New Mineralogy. 8. Auflage. John Wiley & Sons, New York u. a. 1997, ISBN 0-471-19310-0, S. 1011–1012.
  14. Orsino Cecil Smith: Identification and Qualitative Chemical Analysis of Minerals. 2. Auflage. Van Nostrand, New York 1953, S. 325 (englisch).
  15. John White Webster: A Manual of Chemistry. 3. Auflage. Marsh, Capen, Lyon and Webb, Boston 1839, S. 369 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  16. Localities for Humboldtine. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 9. Dezember 2019 (englisch).
  17. Fundortliste für beim Mineralienatlas und bei Mindat, abgerufen am 9. Dezember 2019.