Benutzer:Planktonissimus/Theater Lindenhof 14

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Das Theater Lindenhof ist ein Freies Theater auf der Schwäbischen Alb in Baden-Württemberg. Es wurde 1981 in der ländlich geprägten unter 1000 Einwohner zählenden Ortschaft Melchingen – seit der Gemeindereform von 1973 ein Stadtteil von Burladingen – gegründet. Die Räumlichkeiten des Theaters sind auf dem Anwesen einer umgebauten Gaststätte vor Ort – der vormaligen Linde – untergebracht. Abgesehen von den regelmäßig stattfindenden Vorstellungen und Programmen dort treten die Ensemble-Mitglieder des Lindenhofs in unregelmäßigen Abständen oft auch außerhalb bei Freiluftinszenierungen, Gastspielen in Partnertheatern oder Theaterfestivals auf.

Das als erstes und bislang einziges Regionaltheater Deutschlands geltende Kulturprojekt wird vom Land Baden-Württemberg und drei Landkreisen gefördert. Es hat Theaterpartnerschaften mit 16 baden-württembergischen Städten. Seiner Rechtsform nach ist das Theater Lindenhof seit dem 1. Januar 2011 eine Stiftung. [1]

Neben Inszenierungen von eigenen Stücken, Kabarett- und anderen Kleinkunstprogrammen, musikalischen Darbietungen und weiteren, teilweise experimentellen Bühnenveranstaltungen gehören auch (oft schwäbische) Interpretationen von Theater- oder Literaturklassikern und Leseinszenierungen zum darstellerischen Repertoire des Theaters.

Ensemble

Geleitet wird das Theater von Bernhard Hurm (Intendant), Stefan Hallmayer (Co-Intendant) und Brigitte Wagner (Kaufmännische Leitung); neben diesen ist noch Uwe Zellmer im Vorstand der Stiftung. Das Ensemble besteht aus etwa 16 Männern und Frauen sowie 20 bis 30 freien Mitarbeitern. Viele Ensemble-Mitglieder sind nicht auf eine spezielle Form der Mitarbeit festgelegt. Einige von ihnen füllen sowohl als Autor wie auch als Schauspieler oder Regisseur mal die eine, mal die andere Funktion aus, so beispielsweise neben Uwe Zellmer und Berhard Hurm vor allem Franz Xaver Ott[2], Dietlinde Elsässer[3] oder Ida Ott[4]. Mit dabei sind außerdem Musiker wie Sven Götz[5] und Bernhard Mohl[6] oder Komponistinnen wie Susanne Hinkelbein[7], die über das Theater Lindenhof hinaus einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt haben. Einige Lindenhof-Schauspieler erhielten auch außerhalb des Theaters vereinzelt Engagements als Darsteller bzw. Darstellerinnen in verschiedenen Film- oder Fernsehproduktionen von öffentlich-rechtlichen deutschen TV-Sendern; unter ihnen Peter Höfermayer[8] und Berthold Biesinger[9].

Hinzu kommen haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter hinter der Bühne (verantwortlich beispielsweise für Technik, Beleuchtung, Bühnenbild, Requisite, Verwaltung und andere organisatorische Aufgaben)

Geschichte

Hervorgegangen aus einer ursprünglich in Reutlingen gegründeten freien Schultheatergruppe des linksalternativen Kulturspektrums wurde das Theater Lindenhof 1981 – zunächst als eingetragener Verein – in Melchingen mit der Produktion Semmer Kerle oder koine (sinngemäß eingedeutscht: Sind wir richtige Männer oder nicht) im umgebauten Gasthaus Linde eröffnet. Die anfänglich schwierige finanzielle Situation konnte im Lauf der Jahre ausgeglichen werden, sodass das Theater zunehmend unabhängiger von den Einnahmen des nebenher weitergeführten gastronomischen Betriebes wurde („Theaterkneipe“ und „Theatergaststätte“ waren in den ersten Jahren geläufige Beinamen für das Theater Lindenhof).

Abgesehen von den durch die Ensemble-Mitarbeiter Bernhard Hurm, Uwe Zellmer, Franz Xaver Ott, Susanne Hinkelbein oder Dietlinde Elsässer selbst geschriebenen, komponierten oder anderweitig originär verfassten Eigenproduktionen hat sich der Lindenhof mit Inszenierungen nach Vorlagen von Maria Beig, Sebastian Blau (Pseudonym von Josef Eberle), Bertolt Brecht, Georg Büchner, Miguel de Cervantes, Brian Friel, Max Frisch, Werner Fritsch, Robert Gernhardt, Peter Härtling, Friedrich Hölderlin, Ödön von Horváth, Felix Huby, Henrik Ibsen, Walter Jens, Heinrich von Kleist, Heiner Kondschak, Franz Xaver Kroetz, Ingrid Lausund, Molière, Sean O’Casey, Sebastian Sailer, Friedrich Schiller, Martin Schleker, Karl Schönherr, Werner Schwab, William Shakespeare, Thomas Strittmatter, Kressmann Taylor, Thaddäus Troll, Karl Valentin und Kurt Wilhelm in inzwischen über 30 Jahren zu einem „Heimattheater, wie es nirgendwo sonst existiert“ (DIE ZEIT) entwickelt. Nach einer Erhebung von November 2008 fanden bis dahin 5000 Veranstaltungen mit etwa 1,1 Millionen Zuschauern statt.

Das Theater wie auch einzelne Ensemble-Mitglieder erhielten zahlreiche Auszeichnungen und Preise (im Einzelnen siehe unten), darunter den Volkstheaterpreis des Landes Baden-Württemberg, den Theaterpreis der Stuttgarter Zeitung, den Friedrich-Hölderlin-Preis der Stadt Tübingen und den Kleinkunstpreis des Landes Baden-Württemberg. Es hat sich also fern der Metropolen ein Theater entwickelt, das die schwäbische Sprache und die Dialektik zwischen Heimat und Fremde ins Zentrum seiner Inszenierungen gerückt hat. Oftmals sind es die Randfiguren, die Außenseiter, die das Volkstheater in Uraufführungen auf die Bühne bringt.

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Überregional bekannt gewordene Aufführungen und Stücke

Bundesweite Aufmerksamkeit erlangten die Theatermacher mit Freiluftinszenierungen über das Leben Friedrich Hölderlins und dem Theaterspaziergang Die Winterreise (Aufführungstitel: Melchinger Winterreise), den Peter Härtling für den Lindenhof schrieb, sowie der Inszenierung Eine Bahnfahrt und der Raum entschwindet (1999/2000). Im Wechsel mit dem Zimmertheater Tübingen und dem Landestheater Tübingen teilt sich das Theater Lindenhof die Verantwortung für die alljährliche Sommertheaterinszenierung in der etwa 24 km nördlich gelegenen Kreis- und Universitätsstadt Tübingen.

Einige Inszenierungen wurden vom SWR und von 3sat aufgezeichnet und ins gesendete Fernsehprogramm aufgenommen.

Das von Bernhard Hurm und Uwe Zellmer verfasste, und für die Geschichte der Lindenhöfler als legendär geltende sogenannte „Hexenstück“ Nacht oder Tag oder jetzt, ein als zeitlose politisch-sozialethische Parabel zuerst 1984 aufgeführtes Drama vor dem historischen Hintergrund der frühneuzeitlichen Hexenverfolgungen, erfuhr im Jahr 1995 unter der Regie von Andreas Morell mit dem Titel Hexenfeuer eine eigenständige Verfilmung.[10] Dieses Stück war in seiner Theaterfassung bislang die einzige Lindenhof-Produktion, mit der das Ensemble bei Gastspielen im nicht-deutschsprachigen Ausland auftrat (im Jahr 1988 in der norditalienischen Stadt Parma, in der russischen – zu der Zeit sowjetischen – Hauptstadt Moskau, sowie in Duschanbe, der Hauptstadt Tadschikistans bzw. der damaligen Tadschikischen Sozialistischen Sowjetrepublik[11]). Im November 1996 war Nacht oder Tag oder jetzt auch ein Beitrag bei Politik im Freien Theater, einem von der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) etwa alle 3 Jahre veranstalteten Theaterfestival, das 1996 in Bremen stattfand.

Bereits 1993 war das Theater Lindenhof mit dem Volksstück Polenweiher nach einer Vorlage des Dramatikers Thomas Strittmatter bei diesem Festival in Dresden vertreten. Ein weiterer Beitrag des Lindenhof-Ensembles für das vierte Festival Politik im Freien Theater erfolgte im November 1999 in Stuttgart mit der Melchinger Winterreise von Peter Härtling.

Beim internationalen Theaterfestival Theater der Welt, das 2005 in Stuttgart stattfand, steuerte das Theater Lindenhof mit dem Stück Schwabenblues von Felix Huby den einzigen deutschen Beitrag bei.

Im Mai 2013 kam es mit der Uraufführung des mit historischem Bezug zum Mössinger Generalstreik von 1933 verfassten Stückes Ein Dorf im Widerstand von Franz Xaver Ott in Mössingen zu einem weiteren überregional beachteten Highlight des Theater Lindenhof.[12][13] Die Umsetzung des bis Herbst des Jahres etwa 20 mal vor ausverkauftem Haus aufgeführten Bühnenwerks über die deutschlandweit erste kollektive Widerstandsaktion gegen den Nationalsozialismus an der Macht stand unter der Schirmherrschaft von Winfried Kretschmann, dem seit Mai 2011 amtierenden Ministerpräsidenten Baden-Württembergs. Neben dem Schauspielerensemble des Theater Lindenhof wirkten über 100 Laiendarsteller aus der Bürgerschaft Mössingens mit. Abgesehen von den in der alten Pausa, einer ehemaligen Mössinger Fabrikhalle aufgeführten Vorstellungen war das Stück im Juni 2013 auch ein Programmbeitrag bei den renommierten Ruhrfestspielen in Recklinghausen.[14] (vgl. auch Unterabschnitt im Artikel zum Mössinger Generalstreik)

Preise und Auszeichnungen

Im Laufe seines Bestehens erhielt das Theater Lindenhof als solches, bzw. auch einzelne Inszenierungen oder Ensemble-Mitglieder des Theaters folgende Preise und Auszeichnungen:[15]

  • 1989: Friedrich-Hölderlin-Preis der Universitätsstadt Tübingen
  • 1990: Landespreis für Volkstheaterstücke an Uwe Zellmer für sein Stück Jerg Ratgeb, Maler (vgl. biografischen Artikel zum thematisierten frühneuzeitlichen Maler Jerg Ratgeb)
  • 1990: Kleinkunstpreis des Landes Baden-Württemberg für Niemando, ein Stück des dem Theater Lindenhof zugehörigen Kindertheaters „Ätschagäbele“
  • 1991: Theaterpreis der Stuttgarter Zeitung für die Inszenierung des Stücks Bauern sterben
  • 1992: Theaterpreis der Stuttgarter Zeitung für die Inszenierung des Dramas Woyzeck nach Georg Büchner
  • 1992: Erster Preis bei den Kleintheatertagen des Landes Baden-Württemberg in Tübingen für das Stück Polenweiher
  • 1993: Darstellerpreis des Festivals Politik im Freien Theater für herausragende schauspielerische Leistung an das Lindenhof-Ensemble-Mitglied Dietlinde Elsässer für ihre Rolle als Hungerbühlerin im Volksstück Polenweiher
  • 1993: Volkstheaterpreis des Landes Baden-Württemberg an die Ensemble-Mitgieder Bernhard Hurm und Uwe Zellmer für ihr Stück Nacht oder Tag oder Jetzt
  • 1997: Volkstheaterpreis des Landes Baden-Württemberg an das Ensemble-Mitglied Franz Xaver Ott für sein Stück Hoimetaberau
  • 2002: Volkstheaterpreis des Landes Baden-Württemberg an das Ensemble-Mitglied Susanne Hinkelbein für ihre musikalische Komödie Berta und Marta
  • 2004: Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg an die Ensemble-Mitglieder Bernhard Hurm und Uwe Zellmer
  • 2011: Ludwig-Uhland-Preis an Bernhard Hurm und Uwe Zellmer[16]

Literatur

  • Thomas Vogel in Zusammenarbeit mit Bärbel G. Renner: „Komm! Ins Offene, Freund!“ – Theater Lindenhof, Melchingen; Verlag Klöpfer und Meyer, Tübingen, 1997, ISBN 3-931402-11-8
  • Burkhard Riegels-Windhauer: Es sind die Menschen! – fotografische Porträts der Schauspieler des Theaters Lindenhof; artur.Verlag Kirchentellinsfurt, 2010, ISBN 978-3-9813648-0-4

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Impressum der Stiftung
  2. Vorstellung von Franz Xaver Ott auf der Webdomain des Theater Lindenhof
  3. Vorstellung von Dietlinde Elsässer auf der Webdomain des Theater Lindenhof
  4. Vorstellung von Ida Ott auf der Webdomain des Theater Lindenhof
  5. Homepage von Sven Götz
  6. Homepage von Bernhard Mohl
  7. Homepage von Susanne Hinkelbein
  8. Vorstellung von Peter Höfermayer auf der Webdomain des Theater Lindenhof
  9. Vorstellung von Berthold Biesinger auf der Webdomain des Theater Lindenhof
  10. Eintrag zu Hexenfeuer auf imdb.com
  11. diese und andere Angaben des Abschnitts vgl. mit der Chronik des Theater Lindenhof (Unterseite von www.theater-lindenhof.de, abgerufen am 16. März 2013)
  12. Ein Dorf im Widerstand, Hinweise zum Inhalt des Theaterstücks, der Besetzung und Kooperationspartnern auf der Webpräsenz des Theater Lindenhof (theater-lindenhof.de)
  13. Mössinger Generalstreik kommt auf die Bühne Artikel der Tageszeitung Die Welt vom 6. Mai 2013 zur Bühnenfassung des Mössinger Generalstreik-Stoffes im Stück Ein Dorf im Widerstand
  14. "Ein Dorf im Widerstand" mit 100 Akteuren uraufgeführt von Kai-Uwe Brinkmann; Rezension der Aufführung des Stückes Ein Dorf im Widerstand bei den Ruhrfestspielen 2013 in der Tageszeitung Ruhr Nachrichten vom 9. Juni 2013 (abgerufen am 12. Juni 2013)
  15. vgl. Chronik des Theaters Lindenhof
  16. Ludwig-Uhland-Preis geht nach Melchingen, Meldung auf der Webdomain der IHK Reutlingen (abgerufen am 17. März 2014)

Koordinaten: 48° 21′ 23,8″ N, 9° 8′ 42,5″ O

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