Der Internationale Frühschoppen

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Fernsehsendung
Originaltitel Der Internationale Frühschoppen
Logo 2018 internationaler frühschoppen.jpg
Produktionsland Deutschland
Genre Politische Talkshow
Erscheinungsjahre 1952–1987, seit 2002
Ausstrahlungs-
turnus
sonntags
Produktions-
unternehmen
Westdeutscher Rundfunk
Premiere 6. Jan. 1952 auf NWDR
30. Aug. 1953 auf ARD
Okt. 2002 auf Phoenix
Moderation

ab 2002 u. a.:

Der Internationale Frühschoppen ist eine Diskussionsrunde des Westdeutschen Rundfunks. Die ursprünglich von Werner Höfer moderierte Sendung wurde ab dem 6. Januar 1952[1] sonntagmittags im Hörfunkprogramm gesendet und war ab 30. August 1953 zusätzlich auch im Deutschen Fernsehen live zu sehen. Im Dezember 1987 wurde die Sendung eingestellt und durch den Presseclub ersetzt.

Im Oktober 2002 wurde die Sendung neu aufgelegt und läuft seitdem auf Phoenix unter Leitung verschiedener Phoenix-Moderatoren sonntagmittags immer dann, wenn die Sendung Presseclub im Ersten z. B. wegen einer Sportdirektübertragung ausfällt.

Geschichte und Abläufe

Am 6. Januar 1952 begann in Deutschland im UKW-Programm des NWDR der Internationale Frühschoppen. Sein US-amerikanisches Vorbild war Meet the Press, ein sogenanntes Talking Heads-Format, das ebenfalls sonntags ausgestrahlt wurde. Das gewählte Programmformat – eine politische Diskussionsrunde von fünf bis sieben internationalen Journalisten an einem Tisch mit dem in der Mitte sitzenden Moderator Werner Höfer – war im deutschen Rundfunk neu; es war somit die erste Talkshow in Deutschland (in der Unterart Polit-Talk).[2]

Nach der Aufspaltung des NWDR ging die Rundfunksendung 1956 in den Zuständigkeitsbereich des WDR über. Ab 30. August 1953 strahlte das Fernsehen die Fernsehserie als Liveübertragung aus, die erste deutsche TV-Talkshow war entstanden. Bis zum 20. Dezember 1987 liefen 1874 Folgen. Die Gäste von Höfer waren stets internationale Journalisten aus jeweils verschiedenen Ländern, die aktuelle Themen der Politik und des Weltgeschehens diskutierten, Weißwein tranken und auch rauchten. Werner Höfer war die zentrale Figur, er eröffnete, leitete und schloss die Diskussionsrunde. Sein Moderationsstil wurde in der zeitgenössischen Presse zuweilen als autoritär und selbstgefällig kritisiert, wobei er auch abrupte Themenwechsel nicht scheute und etwa ein Drittel der Redezeit für sich beanspruchte.[3] Nach den Diskussionsrunden durften die Zuschauer per Telefon Fragen an die Gäste stellen. Die Sendung war prägend für das sonntägliche Fernsehritual in der Bundesrepublik Deutschland in den 1960er und 1970er Jahren.

Häufig zu Gast waren Fritz René Allemann, Julia Dingwort-Nusseck, Sebastian Haffner, Fides Krause-Brewer, Roshan Dhunjibhoy, Alfred Grosser, Hilde Purwin, Adolph Rastén, Stéphane Roussel, Gerd Ruge, Henri Nannen, Nikolai Sergejewitsch Portugalow, Don F. Jordan, Peter Scholl-Latour, Jens Feddersen, Rudolf Augstein und Basil P. Mathiopoulos. Angekündigt wurde die Sendung üblicherweise von Egon Hoegen. Standardformulierungen waren „… mit sechs Journalisten aus fünf Ländern“ und „angeschlossen sind …“, worauf eine Aufzählung der angeschlossenen Rundfunkstationen folgte, zum Beispiel der Schweizer Telefonrundspruch. Die Fernsehserie gilt mit ihren durchgehend hohen Einschaltquoten als eine der erfolgreichsten Fernsehproduktionen in den deutschen Massenmedien.[4] Die Serie hatte in anderen Ländern keine Parallelen; amerikanische Versuche, das Format zu übernehmen, scheiterten im November 1970.[5]

Frauen waren nur exotische Figuren im Männerclub, obwohl ihr Anteil an den Gästen in den 1970er und 1980er Jahren zunahm. Navina Sundaram äußerte in der TAZ „Die pakistanische Journalistin Roshan Dhunjibhoy und ich wechselten uns als die vorzeigbaren Repräsentantinnen der anderen Welt ab. Da konnten wir nicht fremd genug aussehen. Ich kann mich erinnern, dass ich grundsätzlich nur in europäischer Kleidung erschien, zur ewigen Enttäuschung des Gastgebers Werner Höfer.“[6]

Besondere Ereignisse

  • 1954 gingen zahlreiche Protestbriefe beim Westdeutschen Rundfunk ein, da die Sendung wegen Höfers Urlaub mehrere Wochen unterbrochen wurde. Seitdem pflegte Höfer am Wochenende seinen Urlaub zu unterbrechen, um in das Sendestudio zurückzukehren.[7]
  • 1955 kündigte der Bayerische Rundfunk an, die Sendung nicht mehr zu übernehmen, da Giselher Wirsing, vormals SS-Sturmbannführer, NS-Propagandist und Antisemit und nun seit 1954 geläuterter Chefredakteur von Christ und Welt, eingeladen worden war.[8]
  • Im August 1961 erreichte die Journalisten, die sich gerade auf den Frühschoppen vorbereiteten, die Meldung vom Bau der Berliner Mauer. In der Diskussionsrunde beschäftigte man sich dann mit den aktuellen Entwicklungen während des Baus.[9]
  • Am 28. Oktober 1962 zeigte sich Höfer im Frühschoppen im Zusammenhang mit der Spiegel-Affäre mit der Spiegel-Redaktion solidarisch.[10]
  • 1967 erhielt Höfer für die Sendung den Adolf-Grimme-Preis mit Silber.
  • Am 21. März 1971 kam zur 1000. Sendung der damalige Bundeskanzler Willy Brandt ins Studio und gratulierte Höfer persönlich.[11]
  • Während einer Livesendung am 28. September 1975 verschafften sich vier Demonstranten gegen das spanische Franco-Regime Zutritt zum Sendestudio. Höfer gelang es, die Störer zum freiwilligen Abbruch ihrer Aktion zu überreden, sodass die Unterbrechung der Sendung nur zwei Minuten dauerte.[12]
  • Am 4. Januar 1976 saß Höfer, der gerade auf der Insel Sylt Urlaub machte, dort wegen des Capella-Orkans fest. Er moderierte die Sendung telefonisch von Sylt aus.

Nachahmer und Konkurrenten

Bereits 1963 sah sich das Zweite Deutsche Fernsehen gehalten, der Sendung etwas entgegenzusetzen. Unter der Moderation von Reinhard Appel ging die Diskussionsrunde Journalisten fragen – Politiker antworten ab 25. April 1963 auf Sendung. Diese sogenannte Appel-Runde konnte jedoch nie die Einschaltquoten des Frühschoppens erreichen und wurde 1991 endgültig abgesetzt.

Ab dem 8. Dezember 1963 versuchte Karl-Eduard von Schnitzler in der DDR mit dem Sonntagsgespräch des Deutschlandsenders zur gleichen Sendezeit ein Pendant im Deutschen Fernsehfunk zu schaffen. Die Sendung erreichte aber nicht die Popularität des Vorbildes, da dort Journalisten mit tatsächlich unterschiedlichen Meinungen einen Streit anregten, was in der Ostsendung nicht geschah.[13]

Absetzung und Nachfolger

Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel hatte im Dezember 1987 aufgedeckt,[14] dass Höfer am 20. September 1943 in Ausgabe 225 des Berliner 12 Uhr-Blattes einen Artikel Künstler – Beispiel und Vorbild verfasst hatte, in welchem er die Hinrichtung des – namentlich nicht genannten – Pianisten Karlrobert Kreiten am 7. September 1943 gerechtfertigt hatte. Höfer lehnte die Verantwortung für den Artikel ab – andere hätten die entscheidenden Passagen hineinredigiert; dennoch wurde die Sendung umgehend am 20. Dezember 1987 letztmals mit Höfer ausgestrahlt und aus „Kostengründen“ vorerst eingestellt. Da Höfer die Urheberrechte an dem Format besaß, wäre eine Fortsetzung in alter Form aber mit einem anderen Moderator nur mit seiner Zustimmung möglich gewesen.

Die Nachfolge trat bereits am 27. Dezember 1987 der Presseclub an, der einem ähnlichen Ablaufschema folgt, aber seinen Schwerpunkt mehr auf deutsche Themen mit deutschen Journalisten legt. Im Oktober 2002 wurde der Internationale Frühschoppen beim Ereignis- und Dokumentationssender Phoenix wieder aufgelegt und läuft immer dann, wenn der Presseclub im Ersten ausfällt. Die Sendung wird parallel im Hörfunk (WDR 5) übertragen.

Zitat

„Wie Höfer seine Sendung konstruiert hat, kommt es dagegen selten zu einer Unterhaltung der Teilnehmer untereinander – höchstens, daß sich zwei unter der milden Schiedsrichtergebärde Höfers miteinander streiten dürfen: ‚Mir scheint, daß die Herren befreundet sind? Gut, dann streiten Sie weiter!‘ Im Wesentlichen sieht Höfer darauf, mit einem nach dem anderen ins Gespräch zu kommen – was nur geschehen kann (und geschieht), indem Höfer die Gesprächsfäden immer wieder hart abschneidet und von einem zum anderen Thema wahrhaft halsbrecherische Übergänge herstellt – im Kölner Funkhaus wird zuweilen über den ‚Übergangshöfer‘ gewitzelt.“[15]

Persiflage

  • Hermann Peter Piwitt: Frühschoppen. In: Renate Matthaei (Hrsg.): Trivialmythen. März, Frankfurt am Main 1970, S. 180–184; wieder: März-Texte 1 & Trivialmythen. Area, Erftstadt 2004, ISBN 3-89996-029-7, S. 500–504. – Veralberung von Höfers Art der Moderation anhand von montierten Standardfloskeln aus den Sendungen der 1960er Jahre.

Literatur

  • Werner Höfer: Der Internationale Frühschoppen – Die Ereignisse des Jahres. (mit 150 Abbildungen und 172 Journalistenbiographien), Rowohlt Verlag, Reihe „RoRoRo-Tele“, Reinbek bei Hamburg 1969
  • Nina Verheyen: Fernsehschule der Vernunft? Der „Internationale Frühschoppen“ (1952–1987) in emotionsgeschichtlicher Perspektive, in: Frank Bösch und Manuel Borutta (Herausgeber), Die Massen bewegen. Medien und Emotionen in der Moderne, Campus Verlag, Frankfurt am Main/New York 2006, S. 264–283.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Rückblick auf den Internationalen Frühschoppen (Memento vom 16. Januar 2013 im Internet Archive) WDR5, abgerufen am 13. März 2013.
  2. Die Mutter aller Talkshows. AVIS online, 5. Januar 2012.
  3. Die Werner-Höfer-Schau. In: Der Spiegel. Nr. 50, 1959, S. 53 (online).
  4. Nina Verheyen: Diskussionslust: eine Kulturgeschichte des besseren Arguments. 2010, S. 154.
  5. Nina Verheyen: Diskussionslust: eine Kulturgeschichte des besseren Arguments. 2010, S. 155, Fußnote 7.
  6. Die rücksichtslose Meinungsfreiheit des StärkerenMDR DAS ALTPAPIER AM 26. APRIL 2022
  7. Vor 55 Jahren: Der „Internationale Frühschoppen“ startet. wdr.de; Rückblick
  8. Rainer Jedlitschka: Giselher Wirsing: Worte als Taten. In: Wolfgang Proske (Hrsg.): Täter Helfer Trittbrettfahrer. NS-Belastete aus Baden-Württemberg, Band 10: NS-Belastete aus der Region Stuttgart. Kugelberg, Gerstetten 2019, ISBN 978-3-945893-11-1, S. 483–505, hier S. 502
  9. Dissident in der Eifel. In: Die Welt
  10. In dieser Sache. In: Der Spiegel. Nr. 45, 1962, S. 75 (online).
  11. Intern.ARD, Chronik der ARD
  12. Schüsse und Festnahmen in Spanien. (Memento vom 27. Juli 2014 im Internet Archive) In: Hamburger Abendblatt vom 29. September 1975.
  13. Chronologie: Die Entwicklung der Polit-Talkshows, Rhein-Zeitung, 7. November 2013.
  14. Tod eines Pianisten. In: Der Spiegel. Nr. 51, 1987, S. 156 ff. (online).
  15. Die Werner-Höfer-Schau. In: Der Spiegel. Nr. 50, 1959, S. 47 (online).