Gebrauchswert

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Der Begriff Gebrauchswert bezeichnet unter anderem in der Arbeitswerttheorie die gesellschaftliche oder individuelle Nützlichkeit eines Gutes im Unterschied zu seinem Tauschwert.[1][2] Die Nützlichkeit einer Ware kann sich von Individuum zu Individuum unterscheiden, weil sich auch die Eigenschaft eines Gegenstands oder Gutes, der Befriedigung von Bedürfnissen zu dienen, unterscheidet.[3][2] In der Fassung von Marx werden unter den Gebrauchswerten qualitativ und quantitativ bestimmte nützliche Güter wie "Dutzend Uhren, Elle Leinwand, Tonne Eisen"[4] verstanden. In der neo-klassischen Wirtschaftswissenschaft wird heute nicht mehr vom Gebrauchswert gesprochen, sondern von Sachgütern (zu den Gütern gehören nach heutiger Auffassung auch die Dienstleistungen); in marxistisch inspirierten Ansätzen, die sich auf die Arbeitswerttheorie beziehen, spielt der Begriff weiterhin eine Rolle.

Maßstäbe

Der Gebrauchswert zum Beispiel eines Stuhles besteht darin, dass man auf ihm sitzen, oder der Gebrauchswert eines Tisches darin, dass man auf ihm Dinge abstellen kann. Ein Beispiel, das die Abhängigkeit des Gebrauchswertes vom Individuum zeigt, ist die Zigarette: Der Gebrauchswert einer Zigarette ist unterschiedlich hoch für eine Person, die raucht, und für eine, die nicht raucht.

Grundsätzlich können nicht nur Waren, sondern auch andere Dinge ebenfalls einen Gebrauchswert haben, wie z. B. Luft. Arbeitsprodukte, die in einer Familie hergestellt werden, wie zum Beispiel Mittagessen, haben einen Gebrauchswert, jedoch keinen Tauschwert. Denn sie werden nicht auf Märkten getauscht, sind demnach keine Waren.

Der Gebrauchswert einer Ware ist eng an die konkret physischen Eigenschaften des jeweiligen Gebrauchsgegenstandes gebunden und hängt stark von den individuellen Bedürfnissen der Menschen ab. Da Menschen immer Bedürfnisse haben, gibt es auch immer Gebrauchswerte, die diese Bedürfnisse befriedigen sollen. Die Gebrauchswerte selbst können aber geschichtlichem Wandel unterliegen. Im Gegensatz zum Tauschwert setzt die Existenz von Gebrauchswerten keinen Markt voraus.

In einer Marktwirtschaft gilt, dass für den Käufer einer Ware sich der Gebrauchswert aus deren Verfügbarkeit und Nützlichkeit ergibt. Für den Verkäufer einer Ware A steht deren Tauschwert im Mittelpunkt, also in wie viele andere Waren B, C oder D, die einen Gebrauchswert für den Verkäufer der Ware A haben, kann die Ware A eingetauscht werden. Genau umgekehrt für die Verkäufer der Waren B, C oder D, die sich für die Tauschwerte ihrer jeweiligen Waren interessieren, aber für den Gebrauchswert der Ware A.

Der Tauschwert einer Ware hängt quantitativ nicht vom Gebrauchswert ab; dies wird auch als Wertparadoxon bezeichnet. Damit soll ausgedrückt werden, dass beispielsweise Brot einen hohen Gebrauchswert hat aber (oft) einen niedrigen (Tausch-)Wert, während man über den Gebrauchswert von Diamantencolliers streiten kann, ihr Tauschwert ist aber meist sehr hoch. Kostenlos zur Verfügung gestellte Software (Freeware) hat keinen Tauschwert, kann aber einen sehr hohen Gebrauchswert haben.

Nur Waren, die einen Gebrauchswert haben, können auch einen Tauschwert haben. Der Gebrauchswert ist Voraussetzung für den Tauschwert. In diesem Sinne sind Gebrauchswerte Träger der Tauschwerte. Ist der Tauschwert einer Ware für potentielle Käufer aus welchen Gründen auch immer zu hoch, dann können diese den Gebrauchswert nicht für sich in Anspruch nehmen.

Der objektive Gebrauchswert von Produkten kann im vergleichenden Warentest ermittelt und dargestellt werden.[5]

Rechtsfragen

Gebrauchsvorteile werden rechtlich zumeist als Nutzungen im Sinne von § 100 BGB erfasst. Hinsichtlich der Herausgabeansprüche von regulären Nutzungen bilden die §§ 987 ff. BGB (einschlägig ist insbesondere § 993 Absatz 1 BGB) abschließende Regelungen (Eigentümer-Besitzer-Verhältnis). Bei nichtigen Veräußerungen stellt sich die Frage, inwieweit Bereicherungsansprüche mit Ansprüchen aus Eigentümer-Besitzer-Verhältnis konkurrieren können, was von der Rechtslehre weitestgehend anerkannt wird. Die Nutzungshaftung Minderjähriger kann im Falle der Verweigerung der Genehmigung durch die Eltern (§ 109 BGB) zur Wertersatzpflicht nach § 818 Absatz 2 BGB führen.[6]

Abgrenzung zur Nutzentheorie

In der neoklassischen Theorie wird nicht vom Gebrauchswert gesprochen; der Wert einer Sache wird in der Nutzentheorie aus dem Grenznutzen abgeleitet. Die Nutzentheorie geht davon aus, dass alle Waren einen messbaren Nutzen haben, der sich allerdings von Individuum zu Individuum unterscheiden kann.

„Zwieschlächtigkeit“ der Waren

Die Tatsache, dass Waren sowohl einen Gebrauchs- als auch einen Tauschwert (Wert) haben, wird von Karl Marx auf den Doppelcharakter der in den Waren dargestellten Arbeit zurückgeführt. Marx nennt die Ware etwas „Zwieschlächtiges, Gebrauchswert und Tauschwert“.[7]

Marx benennt mit Verweis auf Aristoteles eine weitere Verschränkung, die aus der Tauschbeziehung erwächst: Seine Ware [die des Warenbesitzers] hat für ihn keinen unmittelbaren Gebrauchswert. Sonst führte er sie nicht zu Markt. Sie hat Gebrauchswert für andre. Für ihn hat sie unmittelbar nur den Gebrauchswert, Träger von Tauschwert und so Tauschmittel zu sein.[8]

Marx kritisiert David Ricardo, dass er den Gebrauchswert als einfache Voraussetzung tot liegen lasse.[9] Demgegenüber ist der Gebrauchswert überall dort in der ökonomischen Analyse zu berücksichtigen, wo er die ökonomische Formbestimmung modifiziert. (siehe Rosdolsky)

Zitate

„Der Gebrauchswert verwirklicht sich nur im Gebrauch oder der Konsumtion. Gebrauchswerte bilden den stofflichen Inhalt des Reichtums, welches immer seine gesellschaftliche Form sei. In der von uns zu betrachtenden Gesellschaftsform bilden sie zugleich die stofflichen Träger des Tauschwertes.“ (Karl Marx, MEW 23, S. 50)
„Ein Ding kann Gebrauchswert sein, ohne Wert zu sein. Es ist dies der Fall, wenn sein Nutzen für den Menschen nicht durch Arbeit vermittelt ist.“ (Karl Marx, MEW 23, S. 55)

Literatur

  • Roman Rosdolsky: Der Gebrauchswert bei Karl Marx. Eine Kritik der bisherigen Marx-Interpretation. In: Kyklos. Helbing & Lichtenhahn, Basel 12 Jg. 1959,1, S. 28–56.
  • Gisela Spiller: Der Gebrauchswert als Stoff- und Formbestimmung in den „Grundrissen der Kritik der politische Ökonomie“ von Karl Marx. In: Arbeitsblätter zur Marx-Engels-Forschung Heft 9. Hrsg. von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle, 1979, S. 67–79.
  • Siegfried Menzel: Karl Marx über den Gebrauchswert als Einheit von stofflichem Inhalt und ökonomischer Formbestimmung. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Technischen Hochschule Karl-Marx-Stadt. Jg. 25, 1983, Heft 1, S. 92–95.
  • Markus Bautsch: Gebrauchstauglichkeit und Gebrauchswert, Kapitel 35 in: Tilo Pfeifer, Robert Schmitt (Herausgeber) Masing Handbuch Qualitätsmanagement, Carl Hanser Fachbuchverlag München Wien, 6. überarbeitete Auflage (2014), ISBN 978-3-446-43431-8
  • Werner Brinkmann, Peter Sieber: Gebrauchstauglichkeit, Gebrauchswert und Qualität, in: Handbuch Qualitätsmanagement / Masing, Kapitel 35, herausgegeben von Tilo Pfeifer und Robert Schmitt, fünfte, vollständig neu bearbeitete Auflage, Hanser-Verlag, München (2007), Seiten 777 bis 786, ISBN 978-3-446-40752-7

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Adam Smith: Der Wohlstand der Nationen. dtv klassik 5. Aufl. 1990. ISBN 3-406-05393-9. S. 27.
  2. a b Gebrauchswert. In: enzyklo.de. Abgerufen am 24. Juli 2010.
  3. Definition Wert – Gabler Wirtschaftslexikon. Abgerufen am 24. Juli 2010.
  4. Karl Marx: Das Kapital (Band 1). In: MEW Bd. 23, S. 50.
  5. Markus Bautsch: Gebrauchstauglichkeit und Gebrauchswert, Kapitel 35 in: Tilo Pfeifer, Robert Schmitt (Herausgeber) Masing Handbuch Qualitätsmanagement, Carl Hanser Fachbuchverlag München Wien, 6. überarbeitete Auflage (2014), ISBN 978-3-446-43431-8
  6. Dieter Medicus: Bürgerliches Recht. Eine nach Anspruchsgrundlagen geordnete Darstellung zur Examensvorbereitung. Heymanns, Köln 1968. 23., neu bearbeitete Auflage mit Jens Petersen: Vahlen, München 2015, ISBN 978-3-8006-3908-3, Rnr. 600–601.
  7. Das Kapital, Band I, MEW 23, S. 56
  8. MEW 23, S. 100
  9. Marx: Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie. S. 178f. Roman Rosdolsky: K. Marx und das Problem des Gebrauchwerts in der politischen Ökonomie. In: Zur Entstehungsgeschichte des 'Kapital'. Bd. I. Europäische Verlagsanstalt: Frankfurt 4. unv. Aufl., 1974. ISBN 3-434-45003-3. S. 98ff.