Geistliches Territorium
Als Geistliches Territorium bezeichnet man ein Staatsgebiet in der Vormoderne (Antike bis etwa 1800), dessen Landesherr (Fürst) zugleich oberster Geistlicher war und somit die geistliche mit der weltlichen Gewalt verband. Er übte in seinem kirchlichen Jurisdiktionsbereich die geistliche und in einem Territorium, das nicht deckungsgleich sein musste, zugleich die weltliche Gewalt aus. Diese Herrschaftsform war vor allem im Heiligen Römischen Reich verbreitet. Mit der Durchsetzung der Säkularisation seit der Frühen Neuzeit, also der Tendenz zur Trennung von Kirche und Staat, wurde diese Herrschaftsform immer weiter zurückgedrängt.
Nach dem Krummstab, dem Herrschaftszeichen der Bischöfe, wurden geistliche Territorien auch Krummstablande genannt.[1]
Im Heiligen Römischen Reich
Geistliche Territorien innerhalb des Heiligen Römischen Reiches entwickelten sich aus dem ottonisch-salischen Reichskirchensystem und wurden teils schon nach der Reformation, spätestens 1803 im Zuge der Säkularisation durch den Reichsdeputationshauptschluss aufgelöst. Reichsunmittelbare geistliche Herren wurden als Reichsprälaten bezeichnet und geistliche Herrschaften Reichsstifte. Im Einzelnen:
- die drei geistlichen der sieben Kurfürstentümer – im Einzelnen Mainz, Köln und Trier – die jeweils von einem Erzbischof regiert wurden.
- weitere Erz- und Fürstbistümer. Abhängig von der innerkirchlichen Hierarchie des jeweiligen Territorialherren wurden die Gebiete unterschiedlich bezeichnet: Sie wurden Erzstift genannt (etwa Erzstift Magdeburg), wenn sie von einem Erzbischof regiert wurden, und Hochstift, wenn sie von einem einfachen Bischof (für seine weltliche Herrschaft als Fürstbischof bezeichnet) regiert wurden (etwa Hochstift Münster, siehe auch Liste der Fürstbistümer um 1800).
- die Reichsabteien, die von einem Abt (oder auch einer Äbtissin) geleitet wurden (z. B. die Reichsabtei Werden).
- die anderen Reichsstifte, die von einem Propst geleitet wurden (z. B. die Fürstpropstei Berchtesgaden).
- weitere Reichsklöster, wie z. B. Kartausen.
Außerhalb des Reiches
Auch außerhalb des Reiches gab es geistliche Territorien, wie etwa die päpstlichen Herrschaftsgebiete Grafschaft Avignon und Comtat Venaissin, der Kirchenstaat (mit umstrittenem Status, ob reichszugehörig oder nicht), das Fürstbistum Ermland (bis 1466 im Ordensstaat Preußen, dann in Preußen Königlichen Anteils). Weitere baltische Bischöfe (Kurland, Ösel-Wiek, Riga) erlangten für Teile ihrer Diözesangebiete als Fürstbischöfe Landeshoheit. In England hatten die Bischöfe von Durham in früheren Zeiten auch territoriale Macht.
Hierarchien und Stifte um 1750
Fußnote: Durch Reformation oder Grenzveränderungen dem Reich verloren gegangene Diözesen und Stife sind kursiv gesetzt.
Siehe auch
Literatur
- Bettina Braun: Princeps et Episcopus. Studien zur Funktion und zum Selbstverständnis der nordwestdeutschen Fürstbischöfe nach dem Westfälischen Frieden. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2013, ISBN 978-3-525-10121-6, Einleitung Teil 1: Die Wiederentdeckung der geistlichen Staaten, S. 12–16 (Vorschau bei Google Bücher für einen Forschungsüberblick mit vielen Literaturnachweisen).
Weblinks
- Meinrad Schaab, Hans-Martin Maurer, Anneliese Müller, Hans Pfeifer: Entwicklung ausgewählter geistlicher Territorien in Südwestdeutschland Landesarchiv Baden-Württemberg, abgerufen am 19. Januar 2016
- Dieter J. Weiß: Bamberg, Hochstift: Territorium und Struktur, in: Historisches Lexikon Bayerns, abgerufen am 19. Januar 2016
Einzelnachweise
- ↑ Manfred Heim: Von Ablass bis Zölibat. Kleines Lexikon der Kirchengeschichte. Verlag C. H. Beck, München 2008, ISBN 978-3-40657-356-9, S. 255