Geistliches Territorium

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Das Heilige Römische Reich am Ende des Dreißigjährigen Krieges 1648. Die unter geistlicher Herrschaft stehenden Gebiete sind violett gefärbt.

Als Geistliches Territorium bezeichnet man ein Staatsgebiet in der Vormoderne (Antike bis etwa 1800), dessen Landesherr (Fürst) zugleich oberster Geistlicher war und somit die geistliche mit der weltlichen Gewalt verband. Er übte in seinem kirchlichen Jurisdiktionsbereich die geistliche und in einem Territorium, das nicht deckungsgleich sein musste, zugleich die weltliche Gewalt aus. Diese Herrschaftsform war vor allem im Heiligen Römischen Reich verbreitet. Mit der Durchsetzung der Säkularisation seit der Frühen Neuzeit, also der Tendenz zur Trennung von Kirche und Staat, wurde diese Herrschaftsform immer weiter zurückgedrängt.

Nach dem Krummstab, dem Herrschaftszeichen der Bischöfe, wurden geistliche Territorien auch Krummstablande genannt.[1]

Im Heiligen Römischen Reich

Geistliche Territorien innerhalb des Heiligen Römischen Reiches entwickelten sich aus dem ottonisch-salischen Reichskirchensystem und wurden teils schon nach der Reformation, spätestens 1803 im Zuge der Säkularisation durch den Reichsdeputationshauptschluss aufgelöst. Reichsunmittelbare geistliche Herren wurden als Reichsprälaten bezeichnet und geistliche Herrschaften Reichsstifte. Im Einzelnen:

Außerhalb des Reiches

Auch außerhalb des Reiches gab es geistliche Territorien, wie etwa die päpstlichen Herrschaftsgebiete Grafschaft Avignon und Comtat Venaissin, der Kirchenstaat (mit umstrittenem Status, ob reichszugehörig oder nicht), das Fürstbistum Ermland (bis 1466 im Ordensstaat Preußen, dann in Preußen Königlichen Anteils). Weitere baltische Bischöfe (Kurland, Ösel-Wiek, Riga) erlangten für Teile ihrer Diözesangebiete als Fürstbischöfe Landeshoheit. In England hatten die Bischöfe von Durham in früheren Zeiten auch territoriale Macht.

Hierarchien und Stifte um 1750

Kirchenprovinz Metropolitan- o. Suffragandiözese Geistliche Territorien
Aquileia Patriarchat Aquileia
Bistum Pedena
Bistum Trient Hochstift Trient
Bistum Triest -
Besançon Erzbistum Besançon -
Bistum Basel Hochstift Basel, Fürstabtei Murbach
Bistum Lausanne Hochstift Lausanne
Bremen Erzbistum Bremen-Hamburg Erzstift Bremen
Bistum Lübeck Hochstift Lübeck
Bistum Ratzeburg Hochstift Ratzeburg
Bistum Schwerin Hochstift Schwerin
Cambrai
Bistum Namur -
Bistum Tournai -
Gnesen
Bistum Breslau Bischofsland Breslau
Bistum Lebus -
Köln Erzbistum Köln Kurköln,
Reichsabtei Burtscheid, Reichsabtei Essen,
Reichsabtei Kornelimünster, Reichsabtei Malmedy, Reichsabtei Werden
Bistum Lüttich Hochstift Lüttich, Reichsabtei Stavelot
Bistum Minden Hochstift Minden
Bistum Münster Oberstift Münster
Bistum Osnabrück Hochstift Osnabrück, Niederstift Münster
Bistum Utrecht Hochstift Utrecht
Lund
Bistum Reval -
Bistum Schleswig -
Magdeburg Erzbistum Magdeburg Erzstift Magdeburg
Bistum Brandenburg -
Bistum Havelberg -
Bistum Merseburg Hochstift Merseburg
Bistum Naumburg Hochstift Naumburg
Mainz Erzbistum Mainz Kurmainz, Reichsabtei Hersfeld
Bistum Augsburg Hochstift Augsburg, Fürstpropstei Ellwangen,
Reichsabtei Elchingen, Reichsabtei Irsee, Reichsstift Kaisheim,
Reichsabtei Neresheim, Reichsabtei Ottobeuren
Bistum Chur Hochstift Chur
Bistum Eichstätt Hochstift Eichstätt
Bistum Halberstadt Hochstift Halberstadt, Reichsabtei Quedlinburg
Bistum Hildesheim Hochstift Hildesheim
Bistum Konstanz Hochstift Konstanz, Fürstabtei St. Blasien, Fürstabtei St. Gallen, Fürststift Kempten,
Reichsabtei Buchau, Reichsabtei Gutenzell, Reichsabtei Heggbach,
Reichsabtei Isny, Reichsabtei Lindau, Reichsabtei Obermarchtal,
Reichsabtei Ochsenhausen, Reichsabtei Petershausen, Reichsabtei Rot an der Rot,
Reichsabtei Rottenmünster, Reichsabtei Salem, Reichsabtei Schussenried,
Reichsabtei Weingarten, Reichsabtei Weißenau, Reichsabtei Zwiefalten,
Bistum Paderborn Hochstift Paderborn, Reichsabtei Corvey
Bistum Speyer Hochstift Speyer
Bistum Straßburg Hochstift Straßburg
Bistum Verden Hochstift Verden
Bistum Worms Hochstift Worms
Bistum Würzburg Hochstift Würzburg, Reichsabtei Fulda, Meistertum Mergentheim
Mecheln Erzbistum Mecheln -
Bistum Antwerpen -
Bistum Brügge -
Bistum Gent -
Bistum Roermond -
Bistum Ypern -
Prag Erzbistum Prag -
Bistum Olmütz -
Riga Erzbistum Riga -
Bistum Ermland -
Bistum Dorpat -
Bistum Kulm -
Bistum Kurland -
Bistum Ösel-Wiek -
Bistum Pomesanien -
Bistum Samland -
Salzburg Erzbistum Salzburg Erzstift Salzburg, Fürstpropstei Berchtesgaden
Bistum Brixen Hochstift Brixen
Bistum Chiemsee -
Bistum Freising Hochstift Freising
Bistum Gurk -
Bistum Lavant -
Bistum Passau Hochstift Passau
Bistum Regensburg Hochstift Regensburg, Reichsabtei Waldsassen
Bistum Seckau -
Tarantaise
Bistum Sitten -
Trier Erzbistum Trier Kurtrier, Reichsabtei Prüm
Bistum Metz Hochstift Metz
Bistum Toul Hochstift Toul
Bistum Verdun Hochstift Verdun
Exemtion Bistum Bamberg Hochstift Bamberg
Bistum Cammin Hochstift Cammin
Bistum Laibach -
Bistum Meißen Hochstift Meißen
Bistum Wien -
Bistum Wiener Neustadt -

Fußnote: Durch Reformation oder Grenzveränderungen dem Reich verloren gegangene Diözesen und Stife sind kursiv gesetzt.

Siehe auch

Literatur

  • Bettina Braun: Princeps et Episcopus. Studien zur Funktion und zum Selbstverständnis der nordwestdeutschen Fürstbischöfe nach dem Westfälischen Frieden. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2013, ISBN 978-3-525-10121-6, Einleitung Teil 1: Die Wiederentdeckung der geistlichen Staaten, S. 12–16 (Vorschau bei Google Bücher für einen Forschungsüberblick mit vielen Literaturnachweisen).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Manfred Heim: Von Ablass bis Zölibat. Kleines Lexikon der Kirchengeschichte. Verlag C. H. Beck, München 2008, ISBN 978-3-40657-356-9, S. 255