Instructionum libri duo

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Instructionum libri duo und Liber formularum spiritualis intellegentiae sind zwei Schriften zur Bibelexegese, die Eucherius von Lyon zwischen 428 und 434 für seine Söhne in lateinischer Sprache verfasste.[1] Die Schriften sollen in das Verständnis der biblischen Bücher einführen und verbinden eine tiefe Schriftauffassung mit sachorientierter Erklärung von Realien und Begriffen.

Quellen und Inhalt

Eucherius benutzt in diesen Schriften als Quellen wenig früher wirkende Kirchenväter, hauptsächlich Hieronymus, aber auch Johannes Cassianus und in geringerem Maße Augustinus von Hippo.[2] Von Hieronymus stammt auch die Vulgata, die ab Ende des 4. Jahrhunderts weitgehend benutzte Übersetzung der Bibel in die lateinische Sprache. Auffällig ist das Zurücktreten des antiken Bildungsgutes. Obwohl der Autor durch seine Herkunft aus der römisch bestimmten Führungsschicht Galliens noch ein antikes Erziehungs- und Bildungssystem erlebt haben muss[3] und wahrscheinlich sogar mit einigen Werken der griechischen Literatur vertraut war,[4] gibt es keine Poetik-Zitate außerhalb der Bibel und auch bei sachlichen Themen, wie geographischen oder botanischen Begriffen, wird nur auf wenig weiterführendes antikes Wissen zurückgegriffen.

Instructionum libri duo – Buch I

Dieses Buch handelt in der Form von Fragen und Antworten über schwierige Stellen der Heiligen Schrift von der Genesis bis zur Apokalypse. Dabei stehen die Fragen in keiner Beziehung zueinander und haben sehr unterschiedliches Gewicht. Sie reichen von einem naiven „wo denn wohl das Paradies lokalisiert sei“ (In Genesi, VII) bis zu der Grundfrage „Cum omnia bona fecerit deus nihilque non ab illo factum sit, unde malum?“ (In Genesi, XI, „Wenn Gott alles Gute geschaffen hat und nichts nicht von jenem geschaffen wurde, woher das Übel?“)

Instructionum libri duo – Buch II

Buch II widmet sich Sachfragen. Es werden Wörter nicht-lateinischer Sprachen übersetzt, Begriffe geklärt, aber auch Listen rasch abfragbaren Wissens für den Leser bereitgestellt. Das Buch enthält u. a. diese Kapitel:

  • De nominibs Hebraicis – hauptsächlich hebräische Namen von Personen und Orten werden etymologisch erläutert. Es handelt sich weitgehend um eine Bearbeitung des Liber interpretationis hebraicorum nominum des Hieronymus[5].
  • De variis vocabulis – verschiedene Begriffe, die in der Vulgata verwendet werden und schon längere Zeit in der lateinischen Sprache beheimatet waren, hauptsächlich griechische Lehnwörter[6], wie Mandragora (Pflanze), framea (Waffe), Byssus (Leinen), werden erklärt.
  • De gentibus – für einige in der Bibel genannte Volksstämme, wie Gog und Magog, Philistini, Thogorma werden etymologische Herleitungen und Gleichsetzungen mit bekannten Völkern gebracht, die nicht immer überzeugen. Der in der Antike lange etablierte Begriff Africa (siehe u. a. Plinius der Ältere: Naturalis historia, V, 23ff) wird erklärt mit Afrika, nach Afer, einem Nachkommen des Abraham von Cetthura (Vulgata, Gn. 25,1–4: Abraham ... et Opher ... filii Chetthurae). Besser passt die Gleichsetzung Saba (Vulgata, Rg.10,1: Regina Saba) mit Arabia.
  • De mensibus – Eucherius verbindet die sieben in der Bibel genannten hebräischen Monatsnamen[7] mit den ihm vertrauten (qui apud nos mensis vocatur, wie es bei uns heißt) des Römischen Kalenders, zum teil mit Angabe der Bibelstelle. Darüber hinaus nennt er vier weitere hebräische Monatsnamen.
  • De ponderibus – über Gewichte. Eucherius kennt von den sieben im Alten Testament genannten Gewichten (Kikkar (in der Vulgata Talent), Sekel, Gera (in der Vulgata Ez. 45,12 Obolus), Mina, Beka, Pim und Kesitta)[8] nur Talent, Mina, Sekel und Obolos und gibt auch einige Verhältnisse an, etwa: siculus autem XX Obolus habet (Sekel = 20 Obolus nach Vulgata Ez. 45,12). Er führt aber auch einige nicht in der Bibel verwendeten Einheiten wie dragma (Drachme) und scripula an und zitiert das in der Antike geltende Verhältnis: 1 Drachme = 3 Scripula[9].

Liber formularum spiritualis intellegentiae

Dieses Buch enthält Proben tiefgründender Bibelexegese[10]. Wie Eucherius in der praefatio schreibt, legt er die Heilige Schrift vierfach aus: nach der historia, der tropologia und der anagoge bzw. analogia, also im Wortsinn, aber auch übertragen und symbolisch. Hiermit folgt er den Gedanken des Johannes Cassianus (insbesondere Collationes XIV,8).

Im letzten Kapitel De numeris werden allerdings hauptsächlich einfache Zahlenangaben verwendet, wie 5 Bücher Mose, 4 Evangelien, 30-facher Ertrag (Das Gleichnis vom Sämann, Evangelium nach Matthäus, 13). Es gibt sogar einige wenige Erinnerungen an die griechische Arithmetik der antiken Welt, wenn die Zahl 7 als Summe der kleinsten geraden und ungeraden Zahlen definiert wird.

Isidor von Sevilla benutzte dieses Zahlengerüst später in seiner umfassenderen Schrift Liber numerorum.

Bedeutung, Nachwirkung und Überlieferung

Die beiden Bücher verstehen sich als Hilfsmittel zum tieferen Bibelverständnis, vermittelt über exegetische Grundkenntnisse und allgemeines bibelbezogenes Grundwissen in Form eines Reallexikons und Fremdwörterbuchs[11]. Zwar ist zu ihrer Entstehungszeit kein ausgebildeter Schulbetrieb in Lérins etabliert, aber in späterer Zeit wurden die Texte offenbar ein vielbenutztes Mittel zur Lehre des Verständnisses der Bibel[12][13]. Dafür spricht auch die weite Verbreitung der Handschriften[14]. Die älteste Gesamtausgabe der Werke des Eucherius gab J. A. Brassicanus 1531 heraus[15]. Karl Wotke edierte 1894 eine, allerdings wenig kommentierte, Ausgabe.

Textausgaben

Literatur

  • Otto Bardenhewer: Geschichte der altkirchlichen Literatur – Vierter Band, Darmstadt 1962.
  • Clemens M. Kasper; Theologie und Askese – Die Spiritualität des Inselmönchtums von Lérins im 5. Jahrhundert, Aschendorff Münster 1989.
  • Carsten Scherließ: Literatur und conversio – Literarische Formen im monastischen Umkreis des Klosters von Lérins, Frankfurt a. Main/Berlin/Bern/Bruxelles/New York/Oxford/Wien, 2000.
  • Lionel R. Wickham: Eucherius von Lyon in Theologische Realenzyklopädie Band XXV, Berlin/New York 1995.

Einzelnachweise

  1. Carsten Scherließ: Literatur und conversio, S. 65
  2. Clemens M. Kasper; Theologie und Askese, S. 385ff
  3. Friedrich Prinz: Frühes Mönchtum in Frankreich, München 1988, S. 452
  4. Clemens M. Kasper; Theologie und Askese, S. 174
  5. Ilona Opelt: Quellenstudien zu Eucherius in Kleine Schriften, Frankfurt am Main/Berlin/Bern/New York/Paris/Wien 1997
  6. Heinrich Georges: Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch
  7. Gaalyahu Cornfeld, Johannes Botterweck (Hrsg.): Die Bibel und ihre Welt. Eine Enzyklopädie zur Heiligen Schrift in zwei Bänden, Bergisch Gladbach 1969. S. 869
  8. Gaalyahu Cornfeld, Johannes Botterweck (Hrsg.): Die Bibel und ihre Welt. Eine Enzyklopädie zur Heiligen Schrift in zwei Bänden, Bergisch Gladbach 1969, S. 597
  9. Carmen de ponderibus et mensuris, 17. Hrsg. Klaus Geus, Oberhaid 2007
  10. Otto Bardenhewer: Geschichte der altkirchlichen Literatur – Vierter Band, S. 568
  11. Clemens M. Kasper; Theologie und Askese, S. 183
  12. Lionel R. Wickham: Eucherius von Lyon in Theologische Realenzyklopädie Band XXV, S. 524
  13. Otto Bardenhewer: Geschichte der altkirchlichen Literatur – Vierter Band, S. 569
  14. Karl Wotke: S. EVCHERII LVGDVNENSIS opera omnia Praefatio S. VII–XXIII
  15. Otto Bardenhewer: Geschichte der altkirchlichen Literatur – Vierter Band, S. 569